Wo wollen wir als Gesellschaft hin?

Re: Wo wollen wir als Gesellschaft hin?

Beitragvon Nanna » Do 3. Okt 2013, 13:41

Gandalf hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:"Familie" ist nicht die problematische Eigenschaft an den Zwölf Stämmen, sondern Kindesmisshandlung. Und Kindesmisshandlern darf man die Kinder nicht nur wegnehmen, sonder ist ethisch geradezu dazu verpflichtet. Es ist eben nicht Kindesentzug "nach Belieben" sondern mit Begründung.

Richtig. Der Kindesentzug von "Republikflüchtigen" in der DDR war ja schließlich 'auch begründet'.. :veg:

Bloß mal so aus Interesse: Fällt dir noch was unpassenderes ein oder war's das schon?

Gandalf hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Ich bekenne mich zur Freiheit der Lebensgestaltung, aber auch zum Grundsatz des Liberalismus des Schadloshaltens Dritter. Wer seine Kinder misshandelt, verbaut ihnen Lebenswege, und wer sie in antiaufklärerisch indoktriniert und nicht mit den Spielregeln der Mehrheitsgesellschaft vertraut macht, tut dasselbe.

Dann bin ich ja beruhigt, weil ja sozialistsche Erziehung - die grundsätzlich im Sinne der Mehrheitsgesellschaft (ich glaube der Fachbegriff heisst: Bolschewicki) erfolgt - immer gut ist.Egal ob Kinder inden ersten Lebensjahren Familiäre Nähe (was man auch Liebe nannte) brauchen, oder nicht. Hauptsache sie können bereits möglichst früh ihr Geschlecht frei wählen.

Auch das hast du gesagt, nicht ich. Aber da du keinen Wert in gesellschaftlichen Aushandlungsprozessen erkennen kannst, habe ich auch wenig Hoffnung, dass du noch mal verstehen wirst, was ich meine.

Gandalf hat geschrieben:Ich weis. Wenn man Wörter nicht gebraucht, verbietet , die "nicht geplante Zustände" beschreiben- oder auch nur denkt, - dann gibt es auch keine Probleme mehr, über die zu reden ist.

Ich habe nichts verboten und nicht zum Verbot von etwas aufgerufen. Ich plappere einfach nur nicht deine Phrasen nach. Wenn du das schon als Redeverbot auffasst, ist dir nicht zu helfen. Kriegst aber ein scharfes S zum Trost: ß

Gandalf hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:
Gandalf hat geschrieben:Ich hab 'gar kein' Idealbild von den Menschen, sondern nehem sie so wie sind. Es gibt Hilfsbereite Mensschen und Verbrecher, Egoisten und Kapitalisten, Schwarze und Weiße., Große und Kleine.. und genau aus dieser 'Verschiedenheit' erwächst die Notwendigkeit der Selbstorganisation hin zur Regelgerechtigkeit.

In der Theorie klingt das wunderbar, in der Realität wird daraus das Recht des Stärkeren.

Nur für denjenigen, der in diesen Kategoien denkt und die politsche Macht auszuüben trachten, um sich nicht an der Arteitsteilung beteiligen zu müssen.

Achso, ich vergaß: Sobald die libertäre Anarchie angebrochen ist, gibt es nur noch friedlich arbeitsteilig arbeitende fleißige Calvinisten. Machtausübung wird sich evolutionär erledigt haben. Die Tatsache, dass es Gewalt und Gewaltdarstellungen seit der Steinzeit an jeder Ecke gibt, hat rein gar nichts mit der conditio humana zu tun, sondern mit der Tatsache, dass die Sozialisten den wahren Menschen pervertiert haben. Kann man auch gut an diesem berühmten Tatoo auf Ötzis Arm sehen, wo unter dem Kommunistenstern die Diktatur des Proletariats gefordert wird.

Gandalf hat geschrieben:Die Feudalzeit (= die Zeit in der das REcht des Stärkeren galt) wurde durch den Kaptialismus (in dem konkurriert, abe rmerh noch kooperiert wird) überwunden. Das ist die Realität - aber auch das Antikapitalisten und Anti-Liberale eine Funktionärsfeudalismus wieder anstreben.

Wie durchschaubar du immer in deinem Verlangen bist, anderen deine Sicht auf die Realität als die einzig wahre zu verkaufen. Das schöne an meinem Dasein ist: Ich kann die Brillen wechseln, durch die ich blicke.

Gandalf hat geschrieben:Universelle Wahrheiten schimmern halt überall durch und physikalische Tatsachen lassen sich nicht dauerhaft verleugnen.

Richtig. Sollte eines Tages die Anarchie ausbrechen und jemand mit einer Waffe auf dich zielen und deine Besitztümer verlangen: Erinner dich daran.

Gandalf hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:
Gandalf hat geschrieben:Und genau aus diesem Grund versuchen Kollektivisten", die Parametermenge zu verkleinern indem sie versuchen die Menschen und ihre Bedürfnisse 'gleich zu machen' - und wenn das nicht klappt und ein Scheitern nicht mehr weggelogen werden kann, - wird das Problem in Form der nicht beherrschbaren Parameter zunächst weggesperrt und dann entsorgt.

In der anarchischen Welt mit freiem Waffenzugang wird es erschossen oder am nächsten Baum aufgeknüpft. Passt schon so.

Versuch nicht Anarchie mit Anomie gleich zu setzen, damit das in Dein Weltbild passt.

Ich versuche es nicht, ich sehe als einfach als gegeben an, dass ein anarchisches System hochgradig instabil ist und sich schon von einer kleinen Gruppe Menschen schnell in Richtung Anomie oder Staatlichkeit bewegen lässt.

Gandalf hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Dann erklär doch mal, wo du überhaupt ein Problem gesehen hast.

Indem Du induktiv vorgehst und dabei das nicht berücksichtigst was Du nicht siehst, - aber objektiv nachgewiesen werden kann.

Hörst du den Phrasendetektor laut piepen? Erklär doch mal konkret an meiner Aussage (darfst gerne zitieren), wo ich jetzt das böse gefährliche Induktivschließen gemacht habe.

Gandalf hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Ich weiß nicht, ob es deine "Deduktionsarbeit" ist, die ich als bedrohlich empfinde.

Es wird wohl eher Dein imho inkonsistentes Weltbild selbst sein

Na dann.

Gandalf hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Was wirfst du der SPD denn vor? Dass sie die Schuld für aktuelle Probleme Anderen gib? Tust du doch auch.

"Schuld" kann immer nur jemand haben, der Ursachen setzt (handelt). Daher bin ich mir durchaus "der Schuld" bewusst, die mit jeder (nicht nur anderer) Handlung verbunden ist. Etwas gänzlich anderes ist es jedoch, durch eine 'erfundene Ideologie' diese Ursachen-Wirk-Beziehung wegzuphilosophieren indem man u.a. Handlungen mit Meinungen und (vermuteten) Gesinnungen gleich setzt um eine Schuld 'konstruieren' zu können.

Ah. Die SPD denkt falsch, du denkst richtig. Die SPD folgt einer Ideologie, du folgst der Wahrheit. Klingt kein bisschen nach religiösem Wahn, neinnein...

Gandalf hat geschrieben:Die Frage ist doch sind sie es in dem Bereich den sie studiert haben - oder sind Sie (wie letzte Woche bei einem Kochkurs kennengelernt) "Taxifahrer mit Doktor in Soziologie" oder "Messestände aufbauender Botaniker"? Ah ja - der eine meinte "Genderwissenschaften" hätten tatsächlich Zukunft. Kein Wunder das die das ablehnen eine Lebenslauf zu schreiben und auf die "Anti-Diskriminierung" im Asessmentcenter vertrauen.

Hat denn einer von denen gesagt "Hätte ich bloß Maschinenbau studiert"?

Auch niedlich: Genderwissenschaftler schreiben keine Lebensläufe. Ist ja bekannt.

Gandalf hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Aber wie du schon selber andeutest: Wenn kein Rassismus keine Fehlbildung da ist, erfindet man halt welche. Dein Feindbildgebashe ist genauso austauschbar wie das der "Sozialisten" (= Leute, die nicht so denken wie du).

In der privaten Wirtschaft nennt man das Korrektiv, das solch eine (Fehl-)Entwicklung aufdecken würde: " Markt". Da es aber im Sozialismus diese Einrichtung nicht gibt, ist das auch nicht austasuchbar ;-)

Achso. Jetzt verstehe ich: Solange der Staat noch einen Quadratzentimeter dieser Welt hält, herrscht Sozialismus und du darfst jeden mit Dreck bewerfen, wie du lustig bist, weil ja "das Korrektiv" fehlt, das die Sozialisten von alleine ausmerzt. Hast du ein Glück, dass du nicht verstehst, was du da sagt.

Gandalf hat geschrieben:Und wo schiebe ich die Schuld für mein handeln jetzt genau anderen zu?

Nicht für dein Handeln, nur für so ziemlich jede Fehlentwicklung der Welt oder das was du so wahrnimmst. 90% deiner Beiträge sind irgendwelche Schuldzuweisungen an "die Sozialisten", die angeblich die Welt ruinieren. Sagt mal jemand, dass der Kapitalismus nicht überall glänzt, sind trotzdem die Sozialisten schuld.
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Re: Wo wollen wir als Gesellschaft hin?

Beitragvon provinzler » Do 3. Okt 2013, 14:16

Nanna hat geschrieben:Bloß mal so aus Interesse: Fällt dir noch was unpassenderes ein oder war's das schon?

Wobei die Frage an sich schon sehr berechtigt ist. Wie willst du effektiv verhindern, dass vorhandenes Machtpotential nicht irgendwann missbraucht wird?

Nanna hat geschrieben:Ich versuche es nicht, ich sehe als einfach als gegeben an, dass ein anarchisches System hochgradig instabil ist und sich schon von einer kleinen Gruppe Menschen schnell in Richtung Anomie oder Staatlichkeit bewegen lässt.

Das ist natürlich eine ziemlich fatalistische Sicht auf die Dinge. Die Position, irgendein Arschloch wirds immer geben, das mir seinen Willen mit Gewalt aufnötigen und den Ertrag meiner Arbeitsleistung abpressen wird, also ist mir das Arschloch lieber, dessen "Spielregeln" und Absichten ich bereits kenne, für mich also gewissermaßen "berechenbar" ist, ist vor dem Hintergrund natürlich verständlich...

Nanna hat geschrieben:Hat denn einer von denen gesagt "Hätte ich bloß Maschinenbau studiert"?

Nein, wenn noch werden diesen Leuten durch staatlichen Zwang und erpresste Gelder Arbeitsstellen geschaffen.
Müssten die ihr Geld auf ehrliche Art und Weise verdienen, also auf Arbeit zurückgreifen, die freiwillig jemand nachfragt, sähe es da bei manchen ziemlich schlecht aus.


Nanna hat geschrieben:Nicht für dein Handeln, nur für so ziemlich jede Fehlentwicklung der Welt oder das was du so wahrnimmst. 90% deiner Beiträge sind irgendwelche Schuldzuweisungen an "die Sozialisten", die angeblich die Welt ruinieren. Sagt mal jemand, dass der Kapitalismus nicht überall glänzt, sind trotzdem die Sozialisten schuld.


Nun, den großen Wohlstandszuwachs der letzten zwei Jahrhunderte haben wir im Wesentlichen mit kapitalistischen Produktionsstrukturen hingekriegt, der sozialistische Anteil stieg dann in den meisten der heute wohlhabenden Ländern erst nach dem 1. Weltkrieg und vermehrt dann noch nach dem 2.Weltkrieg in heutige Dimensionen. Anno 1914 lag in Deutschland die Staatsquote bei unter 15%, trotz riesigem Militär (verglichen mit heute), trotz Post und Eisenbahn. Dann führten die Nazis die Bürgerbestechung mit Steuergeldern (sowie Schulden und Plünderungserträgen) ein. An diesen neuen Standard gewöhnt, hatte sich die Quote nach dem Krieg auf ca. 30% eingependelt, wo sie dank des Wirtschaftswunders noch ein Weilchen bleiben konnte, weil auch so genug zum Bestechen da war. Heute liegen wir bei offziell um die 45%.
Für andre Länder (England,USA) kannst du diese Entwicklung fast parallel nachzeichnen, nur die Namen der Akteure sind andre. Und wenn du genau hinschaust fand der größte Teil des Wohlstandszuwachses genau in der Phase statt, in der die Staatsquoten weit unter dem heutigen Level lagen.
Eine weitere Entwicklung, die diese Zahlen nicht anzeigen, ist die Entwicklung des Geldsystems vom kapitalistischen zum sozialistischen Geld. Zwar fand in beiden Systemen ein erheblicher Teil der Geldschöpfung im Bankwesen statt (Kreditgeldschöpfung gabs auch im Goldstandard), doch gab es dafür klare Grenzen, die notfalls auch mit Pleiten mal wieder klargestellt wurden. Heute erleben wir planwirtschaftliche Insolvenzverschleppung am laufenden Bande nicht nur im Bankensektor...
Sozialismus heißt nicht zwangsläufig, dass es nicht auch private Akteure (in diesem Fall Banken) gibt, die als Profiteure dastehen...
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Re: Wo wollen wir als Gesellschaft hin?

Beitragvon Nanna » Do 3. Okt 2013, 15:05

provinzler hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Bloß mal so aus Interesse: Fällt dir noch was unpassenderes ein oder war's das schon?

Wobei die Frage an sich schon sehr berechtigt ist. Wie willst du effektiv verhindern, dass vorhandenes Machtpotential nicht irgendwann missbraucht wird?

checks and balances. Einem Machtpotential ein anderes zum Ausgleich gegenüber stellen. Im Fall der Kinder, die den Eltern weggenommen werden, wäre das z.B. ein funktionierendes Berufungssystem mit mehreren getrennten Instanzen.

provinzler hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Ich versuche es nicht, ich sehe als einfach als gegeben an, dass ein anarchisches System hochgradig instabil ist und sich schon von einer kleinen Gruppe Menschen schnell in Richtung Anomie oder Staatlichkeit bewegen lässt.

Das ist natürlich eine ziemlich fatalistische Sicht auf die Dinge. Die Position, irgendein Arschloch wirds immer geben, das mir seinen Willen mit Gewalt aufnötigen und den Ertrag meiner Arbeitsleistung abpressen wird, also ist mir das Arschloch lieber, dessen "Spielregeln" und Absichten ich bereits kenne, für mich also gewissermaßen "berechenbar" ist, ist vor dem Hintergrund natürlich verständlich...

Jetzt mischt du deine sehr persönliche Interpretation mit hinein. Ich nehme den Staat nicht als eine Institution wahr, die mir Gewalt aufnötigt und Arbeitsleistung abpresst, sondern die geeignet ist (darin liegt keine Notwendigkeit, ein staatliche Macht kann verantwortungsvoll ge-, aber auch missbrauch werden), mich vor Gewalt und bestimmten Risiken zu beschützen. Dafür braucht der Staat Mittel, und die stelle ich ihm mit den Steuergeldern bereit. Ich bin recht sicher, dass es diesen geschützten Raum braucht, damit sich Prosperität überhaupt einstellen kann.

Eine Anarchie dagegen wäre als Situation hochdynamisch, weil der Orientierungsrahmen fehlt. Das erlaubt sicherlich die von Gandalf herbeigesehnten wirtschaftlichen Experimente, aber eben auch Exzesse und unmoderierte Konflikte, die keine Staatsgewalt notfalls eindämmen kann. Zudem sind eure Vorstellungen meines Erachtens viel zu sehr am Bild des homo oeconomicus orientiert, der eiskalt seinen Gewinn berechnet und sich um sonst nichts schert. Konflikte zwischen Menschen haben aber viel häufiger mit Erfahrungen von Kränkung, Nichtbeachtung oder Irriation zu tun und Irritationen nehmen zu, je vielfältiger ein Umfeld wird. Das führt dann zu Abschließungsbewegungen der Überforderten. Dann geht es entweder gut und es kommen friedliche Amish dabei heraus oder es läuft blöd und das erste Gebäude explodiert. Dann schreien alle "Wir müssen den Terror bekämpfen" und fünf Tage später schießt jeder auf jeden.
Die Alternative wäre ein etabliertes Konfliktlöseverfahren, aber in vielen Fällen wird es von mindestens einer der beiden Seiten nicht akzeptiert werden. Dazu kommt die Problematik, dass um die 20% der Bevölkerung irgendeine Persönlichkeitsstörung aufweißt und deshalb in mindestens einem Lebenskontext zu irrationalem, evtl. auch feindseligem Verhalten neigen wird. Da ist dann mit "Das nützt Ihnen doch jetzt nichts"-Sprüchen nicht geholfen und früher oder später wird die erste Waffe gezogen. Und das nicht unbedingt gleich in putschistischer Absicht: Mehr als 90% der Mörder wissen am Morgen ihrer Mordtat noch nichts davon, dass sie binnen Stunden jemanden töten werden. Gewalt ist uns viel näher, als wir glauben, und nur weil du davon kontrolliert Abstand nehmen kannst, heißt das nicht, dass andere Menschen mit anderen Voraussetzungen (Kultur, Intelligenz, Traumata, Persönlichkeitsmerkmale) sich bei Bestehen einer Anarchie ähnlich verhalten würden. Und wenn nichts da ist, was die Eskalation wirksam eindämmen kann (außer vielleicht, das man die eigenen Leute zusammentrommelt, was so eine Art Tribalismus begründen würde, also die schlecht entwickeltste, ineffizienteste Stufe der Staatlichkeit), breitet sie sich schnell aus. Einfach mal eine Wirtshausschlägerei ansehen, das führt die Dynamik anschaulich vor Augen.

provinzler hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Hat denn einer von denen gesagt "Hätte ich bloß Maschinenbau studiert"?

Nein, wenn noch werden diesen Leuten durch staatlichen Zwang und erpresste Gelder Arbeitsstellen geschaffen.
Müssten die ihr Geld auf ehrliche Art und Weise verdienen, also auf Arbeit zurückgreifen, die freiwillig jemand nachfragt, sähe es da bei manchen ziemlich schlecht aus.

Es arbeiten auch viele im Dienstleistungssektor, Marketing, Verlagen, NGOs etc.


provinzler hat geschrieben:Nun, den großen Wohlstandszuwachs der letzten zwei Jahrhunderte haben wir im Wesentlichen mit kapitalistischen Produktionsstrukturen hingekriegt, der sozialistische Anteil stieg dann in den meisten der heute wohlhabenden Ländern erst nach dem 1. Weltkrieg und vermehrt dann noch nach dem 2.Weltkrieg in heutige Dimensionen. Anno 1914 lag in Deutschland die Staatsquote bei unter 15%, trotz riesigem Militär (verglichen mit heute), trotz Post und Eisenbahn. Dann führten die Nazis die Bürgerbestechung mit Steuergeldern (sowie Schulden und Plünderungserträgen) ein. An diesen neuen Standard gewöhnt, hatte sich die Quote nach dem Krieg auf ca. 30% eingependelt, wo sie dank des Wirtschaftswunders noch ein Weilchen bleiben konnte, weil auch so genug zum Bestechen da war. Heute liegen wir bei offziell um die 45%.

1914 arbeitete man sich aber auch noch bis 70 kaputt, hatte eine äußert bescheidene Rente, selten Krankenversicherung und wer schwer krank war, starb halt weg und belastete die Allgemeinheit nicht weiter. Und wer nichts gelernt hatte, kam mit Hilfsarbeitertätigkeiten immer irgendwo unter. Gelernt wurde übrigens noch mit Rohrstock und richtiger Gewaltanwendung und wer zum Militärdienst eingezogen wurde, hatte noch echte Chancen auf den Tod.

Ich weiß nicht, ob es damals wirklich so viel liberaler oder gar besser war...
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Re: Wo wollen wir als Gesellschaft hin?

Beitragvon ujmp » Do 3. Okt 2013, 16:13

provinzler hat geschrieben:Die Probleme bei Leuten mit rein körperlichen Behinderungen hängen auch erheblich damit zusammen, dass hier die Auflagen für den Arbeitgeber massiv verschärft sind.

Sag mal ein Beispiel!

provinzler hat geschrieben:könnte ich persönlich noch ganz gut damit leben, wenn Arbeitgeber für deren Einsatz Zuschüsse erhielten.

Bekommst du, du musst dich halt richtig anstellen. Arbeitgeber checken erst mal beim Arbeitsamt, was zu holen ist, obwohl sie eigentlich Null Nachteile haben. Arbeitsämter sprechen sogar manchmal von "Mitnahmementalität".

provinzler hat geschrieben: Ein Dachdecker im Rollstuhl und ein geistig behinderter Softwareentwickler sind offensichtlich Unsinn, da sind wir uns hoffentlich einig, oder?

Das Problem ist, dass du sogar mit akademischer Bildung sofort aussortiert wirst, wenn deine Bewerbung zwischen 10 anderen liegt. Arbeitsämter empfehlen daher, Behinderungen nicht zu erwähnen, solange es nicht unbedingt sein muss. Besonders in kleinen Unternehmen, die sich kein professionelles Personalmanagement leisten können, haben behinderte Bewerber schlechte Karten. Die Entscheider sind von Vorurteilen geleitet und machen sich auch gar keine Mühe damit.
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Re: Wo wollen wir als Gesellschaft hin?

Beitragvon provinzler » Do 3. Okt 2013, 16:28

Nanna hat geschrieben:checks and balances. Einem Machtpotential ein anderes zum Ausgleich gegenüber stellen. Im Fall der Kinder, die den Eltern weggenommen werden, wäre das z.B. ein funktionierendes Berufungssystem mit mehreren getrennten Instanzen.

Nur ist das halt problematisch, weil die Instanzen defacto nicht getrennt sind, allein schon deswegen weil diese Instanzen alle aus dem gleichen Topf finanziert werden und nach den gleichen Kriterien selektiert werden, allein dadurch sind sie schon nicht sauber voneinander getrennt
Nanna hat geschrieben:Jetzt mischt du deine sehr persönliche Interpretation mit hinein. Ich nehme den Staat nicht als eine Institution wahr, die mir Gewalt aufnötigt und Arbeitsleistung abpresst, sondern die geeignet ist (darin liegt keine Notwendigkeit, ein staatliche Macht kann verantwortungsvoll ge-, aber auch missbrauch werden), mich vor Gewalt und bestimmten Risiken zu beschützen. Dafür braucht der Staat Mittel, und die stelle ich ihm mit den Steuergeldern bereit. Ich bin recht sicher, dass es diesen geschützten Raum braucht, damit sich Prosperität überhaupt einstellen kann.

Ich würde eher sagen, ich habe deine Position genommen und sie aus ner andren Perspektive beleuchtet. Anscheinend ist der Mensch so gestrickt (oder zumindest hinreichend viele), dass sie auf Teufel komm raus, Macht ausüben wollen. Wenn wir das akzeptieren, müssen wir uns erstens unterhalten wie wir das kanalisieren und zweitens müssen wir irgendwie verhindern, dass sich Macht irgendwo zu sehr ballt. Sind wir uns da einig? Wenn nun eine Organisation die Hälfte des wirtschaftlichen Geschehens an sich zieht, und etwa 50% der Gemeinschaftsmitglieder mehr oder weniger ihre kompletten Einkünfte von dieser Organisation beziehen (also abhängig von ihr sind), dann ist das ein Verhältnis das nicht grad gesund ist.

Nanna hat geschrieben:Es arbeiten auch viele im Dienstleistungssektor, Marketing, Verlagen, NGOs etc.

Dienstleistungssektor klingt natürlich schöner als Taxifahrer :mg: .
NGOs heißen zwar oft so, sind aber oft genug subventioniert.
Aber letztlich läufts drauf hinaus, dass sie was völlig andres machen fachlich, oder aber beim Staat arbeiten.

Nanna hat geschrieben:1914 arbeitete man sich aber auch noch bis 70 kaputt, hatte eine äußert bescheidene Rente, selten Krankenversicherung und wer schwer krank war, starb halt weg und belastete die Allgemeinheit nicht weiter. Und wer nichts gelernt hatte, kam mit Hilfsarbeitertätigkeiten immer irgendwo unter. Gelernt wurde übrigens noch mit Rohrstock und richtiger Gewaltanwendung und wer zum Militärdienst eingezogen wurde, hatte noch echte Chancen auf den Tod.

Du vergisst aber zweierlei. Erstens die (wenn auch weit geringeren) Produktivitätsfortschritte, die wir seither noch gemacht haben (Da wirkt einfach die Zeitachse, selbst 1%p.a. ist in 70 Jahren ein Verdoppler) und die Krankenversicherung wurde. Die gesetzliche Krankenversicherung gibts seit 1883, auch wenn damals nur eine Grundversorgung gewährleistet wurde und man für darüber hinausgehende Versorgung selbst verantwortlich war. Aber auch hier ist der Produktivitätsfortschritt zu berücksichtigen. (Moral Hazard wird auch unserere GKV sprengen, das ist nicht zu verhindern).
Und im Militärdienst kannst auch heute noch sterben. Nur halt nicht mehr in Verdun, sondern am Hindukusch.
Bisher isses halt noch nicht so wirklich aufgefallen, weil der Kuchen immer noch schnell genug gewachsen ist, um die immer ausgreifenderen Verteilungsgelüste zu befriedigen. Aber da mittlerweile die Hälfte der Bürger am Staatstropf hängt und das demografisch bedingt immer mehr werden, ist das System aus meiner Sicht aus sich selbst heraus nicht mehr reformierbar. Bei uns fließen über 100% der Staatsausgaben (Ökonomisch gerechnet, als inkl. Berücksichtigung der Abschreibungen) in den Konsum, investiert wird nix mehr, sondern deinvestiert (die gesamtwirtschaftlichen Nettoinvestionen sind seit 20 Jahren real negativ, wenn man nur den Staatssektor betrachtet, sogar schon seit fast 45 Jahren). Das Kapital fließt ab. Da ändert auch das Eurokrisenstrohfeuerchen langfristig nix...
In D muss man wohl wirklich warten, bis der Karren an die Wand kracht (hab jüngst eine Berechnung gesehen, die den Kollaps auf 2023 datiert +-1 oder 2 Jahre).
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Re: Wo wollen wir als Gesellschaft hin?

Beitragvon provinzler » Do 3. Okt 2013, 16:40

ujmp hat geschrieben:Sag mal ein Beispiel!

Soweit ich weiß ist z.B. der Kündigungsschutz ist strenger etc.pp
Alles Sachen, die sich ein Arbeitgeber nicht unbedingt gern ans Bein bindet...
In Ö musst du dir die Kündigung sogar vom Sozialamt genehmigen lassen(!)

ujmp hat geschrieben:Das Problem ist, dass du sogar mit akademischer Bildung sofort aussortiert wirst, wenn deine Bewerbung zwischen 10 anderen liegt. Arbeitsämter empfehlen daher, Behinderungen nicht zu erwähnen, solange es nicht unbedingt sein muss. Besonders in kleinen Unternehmen, die sich kein professionelles Personalmanagement leisten können, haben behinderte Bewerber schlechte Karten. Die Entscheider sind von Vorurteilen geleitet und machen sich auch gar keine Mühe damit.


Das kann bei kleinen Firmen auch ganz pragmatische Gründe haben. Ich arbeite derzeit in einem Startup, dass im ersten Stock angesiedelt ist, und der Lift ist so eingebaut, dass du da mit nem Rollstuhl oder so keine Chance hast, reinzukommen (der hat beispielsweise eine händisch nach außen aufgehende Tür). Mit mir hat eine Rollstuhlfahrerin Abi gemacht, glaub mir, da weißt irgendwann, was problematisch ist und was nicht. (Wobei mich immer fasziniert hat, was diese Frau trotz Behinderung so alles zustande kriegt!). Dieses Startup kann es sich schlicht nicht leisten, entsprechende Vorrichtungen einzubauen, um einen Menschen mit Behinderung in den ersten Stock zu bringen. Die Räumlichkeiten wurden gewählt, weil sie günstig waren (u.a. wegen der Sache mit dem Lift, aber wir jungen gesunden Leute nehmen halt einfach die Treppe). Zumindestens würde es einiges an Ressourcen benötigen, sojemanden einzustellen (die sowieso nicht so reichlich da sind).

Aber letztlich reden wir da über einen ziemlich kleinen Teil der Bevölkerung. Wegen dieser "Handvoll" bedauernswerter Menschen kollabiert unser Sozialsystem jedenfalls nicht...

P.S. Wobei ich mir bei uns sogar vorstellen könnte, dass jemand dann per Werkvertrag von daheim aus arbeiten könnte. Aber gibt halt auch Jobs wo das eher schwieriger zu bewerkstelligen ist als in ner Software-Klitsche...
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Re: Wo wollen wir als Gesellschaft hin?

Beitragvon ujmp » Do 3. Okt 2013, 17:09

@Provinzler: Der Punkt sind meist eben nicht reale Gründe, das sind oft nur Vorwände. Es gibt tonnenweise Vorurteilsforschung, die das belegt. Und frag mal deine Schulkameradin, ob sie lieber zu Hause arbeitet oder mit lieber Leuten zusammen. "Behinderung" wird als Einschränkung an der Teilhabe an der Gemeinschaft definiert -. Aus den Augen - aus dem Sinn! Die Statistik sagt z.B. das Behinderte mit größerer Wahrscheinlichkeit in Vereinsamung und Verarmung landen. Ich weiß nicht genau, wie viele Menschen es gibt, deren Behinderung null Auswirkung auf ihre Leistungsfähigkeit hat (z.B. Informatiker im Rollstuhl) - aber was heißt "Es ist nur eine Minderheit"? Lass es fünf Prozent sein, dann ist das einer von Zwanzig, den du ins Getto schickst!
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Re: Wo wollen wir als Gesellschaft hin?

Beitragvon provinzler » Do 3. Okt 2013, 17:15

ujmp hat geschrieben:@Provinzler: Der Punkt sind meist eben nicht reale Gründe, das sind oft nur Vorwände. Es gibt tonnenweise Vorurteilsforschung, die das belegt. Und frag mal deine Schulkameradin, ob sie lieber zu Hause arbeitet oder mit lieber Leuten zusammen. "Behinderung" wird als Einschränkung an der Teilhabe an der Gemeinschaft definiert -. Aus den Augen - aus dem Sinn! Die Statistik sagt z.B. das Behinderte mit größerer Wahrscheinlichkeit in Vereinsamung und Verarmung landen. Ich weiß nicht genau, wie viele Menschen es gibt, deren Behinderung null Auswirkung auf ihre Leistungsfähigkeit hat (z.B. Informatiker im Rollstuhl) - aber was heißt "Es ist nur eine Minderheit"? Lass es fünf Prozent sein, dann ist das einer von Zwanzig, den du ins Getto schickst!


Das ist in erster Linie Typsache ob man lieber allein oder in der Gruppe arbeitet. Ich kenne Menschen, die schon leiden, wenn du ihnen noch nen zweiten Mitarbeiter ins Büro reinsetzt, weil sie am liebsten für sich allein arbeiten.
Und glaub mir ich bin der erste, der nach pragmatischen Lösungen sucht, weil es in meinem Umfeld einige Menschen mit unterschiedlichsten Behinderungen gibt. Aber durch mehr Auflagen und Sonderprivilegien am Arbeitsplatz machst dus diesen Leuten nicht grade einfacher was zu finden...
P.S. Nur interessehalber: Gibts unter diesen Studien auch nur eine einzige, die nicht vom Staat finanziert ist?
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Re: Wo wollen wir als Gesellschaft hin?

Beitragvon ujmp » Do 3. Okt 2013, 18:03

provinzler hat geschrieben:Und glaub mir ich bin der erste, der nach pragmatischen Lösungen sucht, weil es in meinem Umfeld einige Menschen mit unterschiedlichsten Behinderungen gibt. Aber durch mehr Auflagen und Sonderprivilegien am Arbeitsplatz machst dus diesen Leuten nicht grade einfacher was zu finden...

Ich glaub es dir gerne, aber unter statistischen Gesichtspunkten ist das leider ein recht unbegründeter Optimismus. Versteh mal was Nanna eigentlich sagen wollte (glaube ich) und was ich dir versuche klar zu machen: Es stimmt nicht, dass Menschen in diesem Bereich nur rational denken, glaub's mir! Es sind daher keine Privilegien und auch keine "Sonderprivilegien", es sind Nachtteilsausgleiche, viele davon für Diskriminierungen. Wenn die Gesellschaft einem Gehbehinderten einen Zuschuss zum Auto und einen Behindertenparkplatz gönnt, kommt sie billiger weg, als wenn sie ihn zwingt zu Hause zu versauern oder einen Job anzunehmen der unter seinen Möglichkeiten liegt. Das ist doch kein Privileg! Das mit dem Kündigungsschutz stimmt m.W. so auch nicht, als ob man einen Behinderten nicht mehr "los werden" könnte. Du musst jedenfalls nichts machen, was gegen betriebswirtschaftliche Prinzipien verstößt.
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Re: Wo wollen wir als Gesellschaft hin?

Beitragvon provinzler » Do 3. Okt 2013, 18:19

ujmp hat geschrieben: Wenn die Gesellschaft einem Gehbehinderten einen Zuschuss zum Auto und einen Behindertenparkplatz gönnt, kommt sie billiger weg, als wenn sie ihn zwingt zu Hause zu versauern oder einen Job anzunehmen der unter seinen Möglichkeiten liegt.

Dagegen hab ich auch nix.

ujmp hat geschrieben: Das mit dem Kündigungsschutz stimmt m.W. so auch nicht, als ob man einen Behinderten nicht mehr "los werden" könnte. Du musst jedenfalls nichts machen, was gegen betriebswirtschaftliche Prinzipien verstößt.

Wie gesagt in Ö musst du dir die Kündigung vom Behindertenausschuss des Sozialamtes genehmigen lassen. Das ist einfach hochgradig absurd. Die genauer Rechtslage in D kenne ich nicht, vermute aber dass es auch da schwieriger ist, so jemandem zu kündigen.(Was Neueinstellungen verhindert)
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Re: Wo wollen wir als Gesellschaft hin?

Beitragvon ujmp » Do 3. Okt 2013, 18:52

provinzler hat geschrieben:Wie gesagt in Ö musst du dir die Kündigung vom Behindertenausschuss des Sozialamtes genehmigen lassen. Das ist einfach hochgradig absurd. Die genauer Rechtslage in D kenne ich nicht, vermute aber dass es auch da schwieriger ist, so jemandem zu kündigen.(Was Neueinstellungen verhindert)

Ich sag's mal ganz offen so: So hören sich auch die gängigen falschen Vorstellungen darüber an, wie das in Deutschland läuft. Letzten Endes geht es dabei um die Verhinderung von Diskriminierung und nicht um "Bevorzugung". Dementsprechend werden die Gesetzte auch ausgelegt. Eine betriebsbedingte Kündigung ist immer möglich. Oder wenn er die an den Arbeitsplatz geknüpften Erwartungen nicht erfüllt. Aber mal was anderes: Es lässt sich auch Belegen, dass Behinderte eine überdurchschnittliche Beharrlichkeit und Ausdauer haben, sozusagen als kleiner Nebeneffekt ihrer Lebensumstände. Sie fallen auch weniger oft durch Krankheit aus, weil sie vermutlich einen anderen Begriff von "mir geht es so schlecht, ich kann heut nicht" haben.
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Re: Wo wollen wir als Gesellschaft hin?

Beitragvon Nanna » Fr 4. Okt 2013, 00:36

provinzler hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:checks and balances. Einem Machtpotential ein anderes zum Ausgleich gegenüber stellen. Im Fall der Kinder, die den Eltern weggenommen werden, wäre das z.B. ein funktionierendes Berufungssystem mit mehreren getrennten Instanzen.

Nur ist das halt problematisch, weil die Instanzen defacto nicht getrennt sind, allein schon deswegen weil diese Instanzen alle aus dem gleichen Topf finanziert werden und nach den gleichen Kriterien selektiert werden, allein dadurch sind sie schon nicht sauber voneinander getrennt.

Das mag ja sein und vermutlich ist kein Machtkontrollsystem perfekt. Aber zu sagen "Macht kann missbraucht werden, also müssen wir Machtausübung abschaffen" ist ungefähr so sinnvoll wie zu sagen "Flugzeuge können abstürzen, also fliege ich nicht". Wenn Eltern ihre Kinder grün und blau schlagen (Machtmissbrauch!) können wir nicht wegsehen und uns einreden, wir würden das größere Ganze schützen, denn es könnte ja Machtmissbrauch durch den Staat geben. Das wäre nicht nur irgendwas zwischen paranoid, feige und bequem, sondern darüber hinaus auch noch hochgradig selbstwidersprüchlich.

provinzler hat geschrieben:Anscheinend ist der Mensch so gestrickt (oder zumindest hinreichend viele), dass sie auf Teufel komm raus, Macht ausüben wollen. Wenn wir das akzeptieren, müssen wir uns erstens unterhalten wie wir das kanalisieren und zweitens müssen wir irgendwie verhindern, dass sich Macht irgendwo zu sehr ballt. Sind wir uns da einig?

Das ist genau das, worauf ich eigentlich seit Jahren hinaus will. Insofern: ja. Da sind wir uns einig.

provinzler hat geschrieben:Wenn nun eine Organisation die Hälfte des wirtschaftlichen Geschehens an sich zieht, und etwa 50% der Gemeinschaftsmitglieder mehr oder weniger ihre kompletten Einkünfte von dieser Organisation beziehen (also abhängig von ihr sind), dann ist das ein Verhältnis das nicht grad gesund ist.

Da kann ich dir nach allen Regeln der Vernunft nur zustimmen. Vielleicht fällt es dir manchmal nicht auf, aber ich bin nicht für radikale Regulierung oder den totalen Wohlfahrtsstaat. Und ich habe durchaus starke Bauchschmerzen mit ineffizientem Wirtschaften in staatlichen Verwaltungen. Ich sehe nur keinen produktiven Ansatz in der Idee, dass man deshalb das ganze System zu Klump schmeißen soll. Wenn die Achse gebrochen ist schmeißt man doch auch nicht den ganzen Motor weg.

provinzler hat geschrieben:Aber letztlich läufts drauf hinaus, dass sie was völlig andres machen fachlich, oder aber beim Staat arbeiten.

Das ist sicherlich einerseits ein Vorwurf, der richtig ist. Andererseits erlebe ich bei vielen Geisteswissenschaftlern eine größere geistige Flexibilität und eine größere Bereitschaft, Dinge grundsätzlich zu hinterfragen. Es hat alles seine Vor- und Nachteile. Ich finde diesen Artikel hier gar nicht schlecht: http://www.spiegel.de/unispiegel/studiu ... 83979.html

provinzler hat geschrieben:In D muss man wohl wirklich warten, bis der Karren an die Wand kracht (hab jüngst eine Berechnung gesehen, die den Kollaps auf 2023 datiert +-1 oder 2 Jahre).

Wie würde denn der "Kollaps" aussehen? Muss ich mir für 2021 im Kalender vormerken, eine Waffe zu kaufen und den aufgegebenen Hof meiner Großeltern zu reaktivieren?
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Re: Wo wollen wir als Gesellschaft hin?

Beitragvon provinzler » Fr 4. Okt 2013, 07:26

Nanna hat geschrieben:Das ist sicherlich einerseits ein Vorwurf, der richtig ist. Andererseits erlebe ich bei vielen Geisteswissenschaftlern eine größere geistige Flexibilität und eine größere Bereitschaft, Dinge grundsätzlich zu hinterfragen. Es hat alles seine Vor- und Nachteile. Ich finde diesen Artikel hier gar nicht schlecht: http://www.spiegel.de/unispiegel/studiu ... 83979.html

Geistige Flexibilität ist mehr eine prinzipielle Lebenseinstellung, denn eine Frage des Studienfachs. Was ich allerdings zugestehe ist, dass man als Geisteswissenschaftler (so für einen keins der wenigen begehrten Staatspöstchen abfällt) eine gewisse Kreativität entwickeln muss, um einen Berufseinstieg zu finden. So landet ein Politikwissenschaftler dann schon mal in nem Headhunterbüro.
Nanna hat geschrieben:Wie würde denn der "Kollaps" aussehen? Muss ich mir für 2021 im Kalender vormerken, eine Waffe zu kaufen und den aufgegebenen Hof meiner Großeltern zu reaktivieren?

Nein, das glaube ich nicht. Rentner randalieren nicht. Mit Kollaps ist "finanzieller Kollaps" gemeint, speziell der Renten-, Kranken-, und Pflegeversicherung. Zu diesem Zeitpunkt werden die vielen, vielen Kinder des Babybooms von der Zahler- auf die Empfängerseite des Systems wechseln (wollen) und das wird das System nicht leisten können. Man wird die Leistungen schlagartig und deutlich zurückfahren müssen, weil man mit weiteren Abgabenerhöhungen ab einem gewissen Punkt nur die jungen Leute verjagt(und die Attraktivität inoffizieller Tätigkeit, die ja auch legal sein kann*, drastisch steigt). Das wird Proteste geben, vielleicht wird man noch mal ne Hetzkampagne gegen wohlhabende Minderheiten fahren(hat in D ja Tradition) und damit das Ganze noch ein bisschen verschieben können, aber im Großen und Ganzen wird man irgendwann feststellen, dass man einem Nackten kein Geld aus der Tasche ziehen kann. Und wir werden zusehen können wie der Rest der Welt an uns vorbeizieht.

*Man denke nur an die Kaninchenzüchter in der DDR.
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Re: Wo wollen wir als Gesellschaft hin?

Beitragvon stine » Fr 4. Okt 2013, 08:37

Und was machen wir, wenn sich doch noch eine "rot-rot-grüne" Regierung formieren sollte?
Ich jedenfalls werde auswandern müssen. :(
Aber wohin?

LG stine
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