Wo wollen wir als Gesellschaft hin?

Re: Wo wollen wir als Gesellschaft hin?

Beitragvon xander1 » Do 8. Aug 2013, 14:23

Ich finde es gut, dass auch mal etwas verboten werden kann.
Ich möchte keine Verhältnisse von Mafia Clans und Drogenbanden, keine Mordraten wie in Amerika in Äquatornähe. Ich will auch nicht zurück in die Steinzeit. Ich will keine Rechtssprechung in denen der im Moment stärker entscheidet, wie in der Anarchie.
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Re: Wo wollen wir als Gesellschaft hin?

Beitragvon Nanna » Do 8. Aug 2013, 21:01

Gandalf hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben: Wir brauchen a) Entscheidungen über die Regeln des Zusammenlebens

ja, Entscheidungen, die auf Grund von moralischen Handlungen erarbeitet (von Menschen "erfahren") wurden und nicht welche, die sich PseudowissenschaftlerINnen ausgedacht haben

Ich verstehe zwar nicht, wer "die Pseudowissenschaftler" sein sollen, aber ich bin ganz Ohr. Erklär doch mal, welche konkreten Vorstellungen du da von politischen Strukturen zur Entscheidungsfindung hast.

Gandalf hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:
b) ja, es gibt viele geistig eher weniger Gesegnete auf der Welt, die sich und Andere in Gefahr bringen mit undurchdachtem Verhalten, weshalb wir in bestimmten Bereichen Vorschriften erlassen.

Und wer verhindert das undurchdachte Verhalten von Merkel, Schäuble und Co, wenn sie das Grundgesetz brechen und eine sozialistische Haftungsunion einführen, die im Grundgesetz nicht vorgesehen ist?

Das Bundesverfassungsgericht und die Wähler, die Politiker abwählen müssen, wenn sie der Ansicht sind, dass diese undurchdacht handeln. Dazu gehört auch das passive Wahlrecht, also sich selbst zur Wahl aufstellen zu lassen.

Falls du was besseres weißt, bitte, bin ja für Vorschläge immer offen, aber historisch gesehen ist das so ziemlich das Optimum dessen, was wir an Großgruppensteuerung bislang hingekriegt haben. Alternativen, die keine Luftschlösser sind, sind mir leider nicht bekannt, aber ich lasse mich gern überraschen.

Gandalf hat geschrieben:Welche Vorschriften wirken gegen Vorstellungen, - die wenn wissenchaftlich widerlegt, - den Charakter einer Geisteskrankheit annehmen? Welche, die auf falschen, aber für Induktivisten emotional nachvollziehbaren Prämissen beruhen?

Ich würde sagen, dass da Aussage gegen Aussage steht. Du nennst große Teile der Gesellschaft geisteskrank und die wird sich vermutlich dafür mit etwa derselben Zuschreibung dir gegenüber revanchieren, vor allem, weil ich annehme, dass die Dinge - epistemologisch, empirisch, logisch, konsistenz- und hohärenztechnisch - nicht ganz so eindeutig liegen, wie du behauptest. Der Wissenschaftlichkeitsanspruch deiner Weltanschauung ist ja häufig die letzte Bastion hinter der du dich verschanzt, wobei du dich hier im Forum nur ein bisschen umsehen musst, um zu sehen, wie weit die Vorstellungen auseinander gehen können, was wissenschaftlich und was überhaupt erkennbar ist. Zudem meine ich, dass deine Multiversumsvorstellung, die du da immer wieder mit reinmischt, eher eine Randmeinung ist. Das heißt nicht, dass sie falsch ist, aber rein diskussionstechnisch hast du halt außer deiner eigenen Überzeugung, irgendwie die Wahrheit über das Universum erkannt zu haben, keinen besonders ergiebigen Hebel.

Ja, vielleicht bin ich einfach emotional darauf gebürstet, vieles am jetzigen System gut oder zumindest unvermeidbar zu finden, schon möglich. Es ist nicht so, dass ich diese Möglichkeit nicht in Betracht ziehen würde. Das einzige, was ich von dir erwarten würde, ist, dass du dir mal selber einen kleinen Riss in dein Selbstvertrauen schlägst, denn die Möglichkeit, dass du derjenige bist, der emotional an einer argumentativ gar nicht so starken Position festklebt, könntest ja auch du sein. Und subjektiv kann man sich viel einreden - und tut man auch, und zwar ausnahmslos jeder. Nur als kleine Erinnerung, wenn du das Argument "Ihr seid ja alle so schwach und emotional, nur ich seh klar" rausziehst.

Interessant vor dem Zusammenhang sind übrigens zwei Sachen:
Zum einen der Erlösungsanspruch an die eigene Ideologie nach dem Schema "Wenn alle wie ich dächten, wäre die Welt harmonisch" - was stimmt, aber aus naheliegenden Gründen nicht gangbar ist. Und zum anderen finde ich es zwar unbedeutend, aber kurios und amüsant, wie du mit dem Argument der "wissenschaftlichen Weltanschauung" 1a einen Spruch der Marxisten nachplapperst. Ich würde ja so was nie in den Mund nehmen, die Gefahr, da einfach nur in seiner eigenen Hybris gefangen zu sein und nicht zu merken, dass man sich lächerlich macht mit seinen Welterklärungsaussagen, wäre mir persönlich zu groß. Aber gut, ich hab auch nichts gegen Wagemut.

Gandalf hat geschrieben:Wie z.B. die scheinbar unausrottbare (und höcht gefährliche) Vorstellung "irgendein Sozialismus", - im großen Stil angewendet wird schon irgendwann eines Tages der richtige sein? (Gefährlich deshalb: Wenn man es nicht rechtzeitig an den Symptomen bemerkt, ist es schon bald zu spät, wenn diese Krankheit die ganze Gesellschaft eingenommen hat)

Ich glaube nicht an "richtige" politische Systeme. Ich teile auch nicht deine Schwarz-Weiß-Ansicht, alles außer deiner eigenen Meinung als "Sozialismus" zu brandmarken. Differenzierungslosigkeit ist einfach nicht so sonderlich beeindruckend. Ich nehme mir für meine eigene kleine, im Großen und Ganzen vermutlich relativ wenig bedeutende politische Philosophie Versatzstücke aus unterschiedlichsten Richtungen. Ich finde den Appell zur Eigenverantwortung der Liberalen äußerst attraktiv, halte aber menschliche Wesen für eingebettet in soziale Kontexte und damit mitnichten für autonom. Wie Hannah Arendt, meiner Meinung nach zutreffend, sagte, urteilt der, der urteilt, immer als Mitglied einer Gemeinschaft. Gleichzeitig hat dieselbe politische Philosophin (sie hat Wert darauf gelegt so genannt zu werden) aber auch gesagt, dass Schuld in letzter Konsequenz immer eine Sache von Einzelnen ist. Ich sehe jedes politische System, das entweder das Individuelle oder das Kollektive der conditio humana ignoriert, als unterkomplex (und auch ein bisschen kindisch) an. Man muss in der Lage sein zwischen verschiedenen Polen hin und her zu schalten und auch Widersprüche auszuhalten, das macht eine Demokratie nunmal aus. Deshalb stellt sich für mich die Frage nach "Freiheit oder Sozialismus" oder "Selbstverantwortung versus Staatsverantwortung" überhaupt nicht. Es ist selbstverständlich immer beides und da, wo Ausgewogenheit und gelassene Beratschlagung genauso zusammenkommen wie geschicktes Taktieren und hartes Argumentieren, kommen die besten und gesündesten Gesellschaften heraus. Glaube ich zumindest, und wenn ich eines Besseren belehrt werde, lag ich halt falsch. Kommt vor.
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Re: Wo wollen wir als Gesellschaft hin?

Beitragvon provinzler » Do 8. Aug 2013, 22:39

Nanna hat geschrieben:Ich verstehe zwar nicht, wer "die Pseudowissenschaftler" sein sollen, aber ich bin ganz Ohr. Erklär doch mal, welche konkreten Vorstellungen du da von politischen Strukturen zur Entscheidungsfindung hast.

Ich wills mal versuchen friedlich auszudrücken. Wer sein Gehalt vom Staat bezieht, hat ganz automatisch eine ganz andre Haltung zu dem ganzen Konstrukt, als ein Nettosteuerzahler. Zumindestens besteht die unabstreitbare Tendenz zu einem gewissen "Bias". Können wir uns darauf mal vorab einigen?

Wenn ich nun mal das beliebte Beispiele dieser sogenannte "Genderforscherinnen" nehme, so kann deren Forschung gar nicht wirklich wissenschaftlich ablaufen, weil sie ihre eigenen Jobs wegrationalisieren würden, wenn bestimmte Ergebnisse herauskämen. Da niemand gern kundtut, dass er überflüssig ist, wird er eher die Wahrheit vergewaltigen, als sich selber abzuschießen. Möglicherweise passiert dieser Prozess sogar unbewusst. Ich gehe jede Wette ein, dass diese Damen selbst dann noch eine Benachteiligung von Frauen aus der Statistik quetschen würden, wenn 100% aller Vorstandsposten mit Frauen besetzt, und alle Männer auf Hartz4-Niveau gezwungen wären. Das liegt in den Natur der Sache. Ähnliche Kritik kann man auch an der Klimaforschung üben. Wer da nicht mit den Wölfen heult, und immer drastischere Chaosszenarien zeichnet, riskiert den Verlust von Forschungsgeldern, Planstellen etc.
Katastrophale Anreizstrukturen, die eigentlich verbieten, in diesem Zusammenhang noch von Wissenschaft zu sprechen.

Nanna hat geschrieben:Das Bundesverfassungsgericht und die Wähler, die Politiker abwählen müssen, wenn sie der Ansicht sind, dass diese undurchdacht handeln. Dazu gehört auch das passive Wahlrecht, also sich selbst zur Wahl aufstellen zu lassen.

Das Bundesverfassungsgericht erweist sich in diesem Zusammenhang als völlig zahnloser Tiger, weil es für den wichtigsten Spieler in dem ganzen Theater die EZB juristisch gar nicht zuständig ist. Eigentlich müsste das Verfassungsgericht schon längst die Bundesregierung zum Austritt aus der Eurozone zwingen, weil die Voraussetzungen unter denen der Beitritt genehmigt wurde schon seit 5 Jahren(!!!) nicht mehr erfüllt werden.
Aber das Bundesverfassungsgericht tut das was es auch schon bei andren Themen (Abtreibung) getan hat, es verschleppt das Ganze. Die zuständigen Stellen schieben sich die Angelegenheit hin und her, man reibt die Kläger langsam auf, es passiert gar nix und die Politik kann munter weiter Fakten schaffen. Beim Thema Abtreibung klappt das schon ein paar Jahrzehnte. Solang die Verfassungsrichter nicht den Mumm haben, die Politik klar und unmissverständlich in die Schranken zu weisen, kannst das komplett vergessen. Bisher sehe ich nichts dergleichen.
Der Wähler hat das Problem, dass die Mechanismen über die er hier ausgenommen wird, für den Laien nicht so leicht verständlich sind. Das geht über die Geldkreisläufe, dass ist nicht so offensichtlich wie ein "Geld her oder ich schieße".

Nanna hat geschrieben:Ich würde sagen, dass da Aussage gegen Aussage steht. Du nennst große Teile der Gesellschaft geisteskrank und die wird sich vermutlich dafür mit etwa derselben Zuschreibung dir gegenüber revanchieren,

Möglich, nein sogar wahrscheinlich. Der Überbringer schlechter Nachrichten war noch nie sonderlich beliebt. Die bisherige Geschichte gibt Gandalf allerdings dahingehend Recht, dass Sozialismus nicht funktioniert. Im günstigsten Fall führt er zur Verarmung, im Extremfall müssen paar Millionen Menschen über die Klinge springen. Und es gibt kluge Menschen, die auf sehr plausible Weise begründet haben, warum das nicht funktioniert. Mich erstaunt es immer wieder, dass selbst sonst relativ intelligente Menschen, die Probleme, die sich aus falschen Anreizstrukturen ergeben nicht sehen (wollen?), und im Staat so eine Art Gott sehen, der aus dem Nichts ein Mehr an Wohlstand, Gerechtigkeit oder was auch immer herstellen könnte. Anders lassen sich die nicht endenwollenden Unfugsdebatten über Mindestlöhne, Grundeinkommen und Vermögenssteuern einfach nicht begründen. Da sägen sonst intelligente Menschen am Wohlstandsast auf dem sie sitzen und glauben auch noch, das wäre irgendwie sinnvoll. Wahrscheinlich ist es vielen in unserer "gottlosen" ( :mg: ) Zeit ein sehr tiefgehendes Bedürfnis sich hier eine Art Ersatzgott zu bauen, der schon alles regeln wird.
Inwieweit das nun krankhaft ist, sollen andre beurteilen.

Nanna hat geschrieben:Ja, vielleicht bin ich einfach emotional darauf gebürstet, vieles am jetzigen System gut oder zumindest unvermeidbar zu finden, schon möglich. Es ist nicht so, dass ich diese Möglichkeit nicht in Betracht ziehen würde.

Ich wiederhole mich. Ich glaube es kommt auch ganz erheblich darauf an, von welcher Seite man bestimmte Insitutionen kennengelernt hat, und was man damit emotional verbindet. Das gilt für Religion und Kirchen genauso wie für den Staat, ein Unternehmen oder einen Fußballverein. Und was Gandalf und mich von dir und vielen andren unterscheidet ist, dass wir vollständig andre Erfahrungen gemacht haben. Und deshalb haben wir auch einen andren Blickwinkel.
Mich persönlich hat die Erfahrung gelehrt, dass "den Leuten" oder "der Gesellschaft" wenn du so willst, deine Befindlichkeit im Allgemeinen bestenfalls scheißegal ist. Wenn du es irgendwie wagst, in irgendeiner Weise hervorzustechen, oder allgemeiner gesagt abzuweichen, wird man dich zur Konformität drängen oder andernfalls ausgrenzen und stigmatisieren. Menschen, die einen so akzeptieren wie man ist, sind sehr sehr selten.
Und genau das ist in meinen Augen auch das Problem, dass ein Staat, der über ein gewissen Maß an Aufgaben hinaus geht, zwangsläufig kommt, nämlich dem Wunsch und Drang nachzugeben, die Konformität am Besten im Gesetzesform vorzuschreiben, und wer dem nicht entspricht ist entweder kriminell oder krank.
Und dann gibts noch die staatsbezahlten Helfer und Heiler (Psychologen, Lehrer oder meine besonderen Freunde die Sozialbledagogen), die dann Abweichlern schon von klein auf zur Seite gestellt werden, um sie irgendwie konform zu biegen. Bemerken werden diese unsichtbaren Ketten freilich nur diejenigen, die sich aus dem vorgeschriebenen Bereich gelegentlich hinausbewegen. Und da kann es schon ausreichen, auf das ach so superpädagogisch wertvolle (zu deutsch: idiotisch, langweilig und hirnfrei) Spiel einfach keinen Bock mehr zu haben und das Weite zu suchen, oder auch einfach nur den Mumm zu haben kundzutun, dass man das fürn Schmarrn hält. (Oder sich bei 40 Grad im Schatten lieber in schattigen Räumen statt in der prallen Sonne aufhalten zu wollen).
Und ich begreife bis zum heutigen Tag nicht, woher der scheinbar übermächtige Wunsch kommt, andern seine Vorstellungen von einem richtigen Leben gewaltsam überstülpen zu wollen. Ich habs schonmal gesagt, wer Sozialismus will, soll irgendwo seinen Kibbuz aufmachen (allerdings bitte unsubventioniert!) und das machen. Fänd ich zwar komisch, aber würd mich nicht stören. Ich muss da niemanden "geradebiegen". Alles was ich will ist, dass der Rest der Welt auch aufhört, sich in allerlei meiner Angelegenheiten einzumischen, die andre schlicht nix angehen. Das ist alles. Und wenn das nun schon verrückt ist, dann bin ich gerne verrückt...
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Re: Wo wollen wir als Gesellschaft hin?

Beitragvon Gandalf » Fr 9. Aug 2013, 06:49

xander1 hat geschrieben:Ich finde es gut, dass auch mal etwas verboten werden kann.
Ich möchte keine Verhältnisse von Mafia Clans und Drogenbanden, keine Mordraten wie in Amerika in Äquatornähe. Ich will auch nicht zurück in die Steinzeit. Ich will keine Rechtssprechung in denen der im Moment stärker entscheidet, wie in der Anarchie.


Die meisten Menschen begehen doch keinen Mord nur deshalb, weil er verboten ist!? (Und diejenigen die ihn begehen, - stören Verbote nicht!?) Und das es (sinnvollerweise) verboten ist mit dem Fallschirm vom Olympiaturm zu springen wird durch 'Eigentumsrechte' geregelt (die es natürlich auch in einer Anarchie gibt, - wie z.B. bei einem nicht-eingetragenen Verein). Dazu braucht es keinen Staat der das etwa noch in's BGB oderGrundgesetz schreiben soll. Hör endlich auf Anarchie mit Anomie gleichzusetzen und Begriffsverquirlung zu betreiben!

Nein, - 'Verbote zur Gesellschaftsgestaltung', um die es hier ging, sind was anderes.

Die Grlühbirne ist weg, der Raucher steht vor der Tür. Die Sprache ist verhunzt, Doktorarbeiten ind wegen des Sparachmülls allein schon 20% länger, so das sich noch besser Plagiate und Phantasmorgasmen verstrecken lassen - und die Personalchefs bekommen keine aussagekräftigen Bewerbungsmappen mehr, da aus "Anti-diskrimnierungsgründen" keine "besonderen Fähigkeiten" mehr herauslesbar sein dürfen. Immer merh Lehrstellen bleiben unbesetzt, weil das Schulsystem nicht mehr bildet, sondern nur daran Interesse hat die Kindere Polit-korrekt zu 'gestalten' und (um)zuerziehen usw. usw.

Diesen 'Totalitarismus' trauten sich oftmal s die schlimmsten Despoten nicht. - In unserer Gesellschaft wird das mittlwerweile widerstandslos abgenickt.

Warum? Ist die Obrigkeitshörigkeit wieder mal am Zenit angelangt? - Braucht es nur noch ein paar sozialistische Spinner gleich welcher coleur, die das (wieder) ausnutzen um "endlich" eine weiteres Menschenexperiment starten zu können? Immer dann wenn sich Sozialisten mit der (zentral-)Staatsmacht verbünden gibt es eine Katastrophe. Speziell in Deutschland, das eine lange anti-liberale und anti-kapitalistische Tradition hat. (v.a auch in den Wirtschaftswissenschaften) Einige Typen sind ja gerade dabei sich vorzustellen und die Sache anzupacken.
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Re: Wo wollen wir als Gesellschaft hin?

Beitragvon Zappa » Fr 9. Aug 2013, 10:23

provinzler hat geschrieben: Das Bundesverfassungsgericht erweist sich in diesem Zusammenhang als völlig zahnloser Tiger, weil es für den wichtigsten Spieler in dem ganzen Theater die EZB juristisch gar nicht zuständig ist.

Das ist sicher korrekt und ein Dilemma; allerdings zeigt dies auch sehr schön, dass eine Gesellschaft eben funktionierende Strukturen braucht!

Im Moment haben wir das Problem, dass unsere Strukturen immer noch vorwiegend national legitimiert und organisiert sind, während wir auf uns auf dem Weg in die Globalisierung befinden. Theoretisch könnte man natürlich den Weg zurück in die Nationalstaatlichkeit oder noch weiter gehen, aber das hielte ich für falsch. Sinnvoll wäre es aus meiner Sicht über deutlich schlagkräftigere supranationale, vor allem europaweite Institutionen nachzudenken.

Die Kernfrage bleibt allerdings: Welche Regeln, Institutionen und Kontrollmechanismen braucht es für eine funktionierende Gesellschaft? Grade Verfassungsgerichte sind interessanterweise aus Sicht der Politischen Philosophie nicht unproblematisch. Dies wird in Deutschland wenig diskutiert, wir haben ja auch vorrangig positive Erfahrungen damit gemacht und unser "Verfassungspatriotismus" ist eine wesentliche Klammer unserer Gesellschaft. Aber es bleibt problematisch, wie man rechtfertigen kann, dass eine sehr kleine Gruppe von Menschen das Recht bekommt demokratische Entscheidungsprozesse zu überstimmen (judicial review). Ich denke das lässt sich damit rechtfertigen, dass insgesamt die Funktionalität und Legitimität einer Regierung damit verbessern lässt. In jeder größeren Gesellschaft müssen Macht- und Entscheidungsbefugnisse auf Zeit an gewählte Repräsentanten abgegeben werden. Diese sind natürlich für demagogische und populistische Fehlanreize anfällig. Nicht abwählbare Richter können hier ein wichtiges Korrektiv sein, da sie in der Lage sind sich gegen solche Strömungen zu stellen, Minderheitenrechte zu verteidigen und insgesamt die Rechtskultur gegen Amok laufende Mehrheiten (s. Ungarn) zu verteidigen. Trotzdem ist potentiell das Mißbrauchspotential riesig: Eine kleine Schar sich einig wissender Richter könnte größeren politischen Schaden anrichten (das wird z.B. dem obersten amerikanischen Gerichtshof der 30er Jahre vorgeworfen, der immer wieder die Politik Roosevelts torpediert hat).

Letztendlich ist ein wichtiges Kriterium bei der Beurteilung von Institutionen, ob die sich historisch bewährt haben. Das ist der politische Lackmustest, nur fürchte ich, dass wir da nicht immer einer Meinung sind.
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Re: Wo wollen wir als Gesellschaft hin?

Beitragvon NeoTron » Fr 9. Aug 2013, 11:04

xander1 hat geschrieben:Ich finde es gut, dass auch mal etwas verboten werden kann.
Ich möchte keine Verhältnisse von Mafia Clans und Drogenbanden, keine Mordraten wie in Amerika in Äquatornähe. Ich will auch nicht zurück in die Steinzeit. Ich will keine Rechtssprechung in denen der im Moment stärker entscheidet, wie in der Anarchie.


Gandalf hat geschrieben:Die meisten Menschen begehen doch keinen Mord nur deshalb, weil er verboten ist!?


Aus dem von dir zitierten Absatz von Xander1 geht nicht hervor, dass er die Ansicht Vertritt, die meisten Menschen begingen einen Mord, weil er verboten ist. Wie auch immer: Es mag Menschen geben, die etwas verbotenes nur deshalb machen, weil es verboten ist, aber das gilt wohl in den wenigsten Fällen für einen Mord. Gemordet wird, weil sich ein Vorteil davon versprochen wird oder ggf. aus Affekt.

Gandalf hat geschrieben:(Und diejenigen die ihn begehen, - stören Verbote nicht!?)

Zweifelst du an deiner eigenen Aussage oder was macht das Fragezeichen hinter deinem Satz? Natürlich stören Mörder Verbote nicht: Weil sie in der Regel nicht damit rechnen erwischt zu werden, wobei es auch Mörder geben mag, denen ihre Strafe aus verschiedenen Gründen egal ist. Trotzdem ist das Verbot notwendig. Andernfalls könntest du, wenn du es wolltest und bei körperlicher Überlegenheit, jeden straf- und folgenlos erschlagen, der dir im Weg steht (ggf. könnten es dir dann natürlich dessen Freunde/Familie heimzahlen).
Es gibt Verbote/Vorschriften, die sind unstrittig sinnvoll (z.B. Mordverbot), andere sind es nicht. Das muss/sollte von Fall zu Fall entschieden werden. @Xander1: Die Ansicht, dass Anarchismus prinzipiell mit Mord und Totschlag einhergehe, ist wenig durchdacht. Ich kann mir kaum vorstellen, dass ein gebildeter Fürsprecher des Anarchismus ein Mordverbot ablehnt.
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Re: Wo wollen wir als Gesellschaft hin?

Beitragvon provinzler » Fr 9. Aug 2013, 15:06

Zappa hat geschrieben:Ich denke das lässt sich damit rechtfertigen, dass insgesamt die Funktionalität und Legitimität einer Regierung damit verbessern lässt. In jeder größeren Gesellschaft müssen Macht- und Entscheidungsbefugnisse auf Zeit an gewählte Repräsentanten abgegeben werden. Diese sind natürlich für demagogische und populistische Fehlanreize anfällig. Nicht abwählbare Richter können hier ein wichtiges Korrektiv sein, da sie in der Lage sind sich gegen solche Strömungen zu stellen, Minderheitenrechte zu verteidigen und insgesamt die Rechtskultur gegen Amok laufende Mehrheiten (s. Ungarn) zu verteidigen.
Trotzdem ist potentiell das Mißbrauchspotential riesig: Eine kleine Schar sich einig wissender Richter könnte größeren politischen Schaden anrichten (das wird z.B. dem obersten amerikanischen Gerichtshof der 30er Jahre vorgeworfen, der immer wieder die Politik Roosevelts torpediert hat).

Auch unter Roosevelt bestanden gehörige Ängste (berechtigt!) vor gewaltigem Missbrauch. Wenn man sich anschaut, was Roosevelt so alles vorhatte, wär ich beispielsweise eher froh, dass der nicht so durfte wie er wollte.
Auch Hitler kam letztlich aufgrund seiner Wahlergebnisse und dem Druck vom Pöbel auf der Straße in Amt und Würden, wenn auch formal ein andrer Weg gegangen wurde.
Und wirtschafts- und sozialpolitisch waren die beiden ohnehin Zwillinge, nur dass Roosevelt eben in seinen Übergriffigkeiten in die Schranken gewiesen wurde, und Hitler nicht. Wusstest du das Roosevelt 1937 seinen Geheimdienst beauftragen wollte, die seiner Ansicht nach existierende Verschwörung der Unternehmer im Land gegen ihn aufzudecken? Weil die angesichts der von ihm geschaffenen Unsicherheiten und Erwartungen kein Risiko mehr eingingen, kaum investierten und keine Leute einstellten.
Ambitionen zum Diktator hatte Roosevelt jedenfalls auch, was allein schon die Tatsache zeigt, dass er die Begrenzung auf zwei Amtszeiten ignorierte und die Verfassung als eine Art Hausordnung betrachtete, die er als Chef nach Lust und Laune ändern könne.
Und entgegen den gern erzählten Ammenmärchen war seine Wirtschaftspolitik nichtmal sonderlich erfolgreich, die Spitze der Arbeitslosigkeit wurde trotz massiver Verschwendungsmaßnahmen erst 1937(!) erreicht. Erst mit der beginnenden Aufrüstung auch in den USA, und erst Recht mit dem Kriegseintritt, drehten diese Zahlen sich zum Besseren.
Dass die USA nach dem Weltkrieg als kapitalistisches Land wieder hochkamen lag einzig daran, dass einige gewiefte Leute um Harry Truman nach Roosevelts plötzlichem Tod, die Gelegenheit beim Schopf packten, und beispielsweise die Macht der Gewerkschaften, denen durch Roosevelt faktisch fast die Unternehmen gehörten (bis aufs Risiko natürlich) wieder auf Normalmaß zurechtstutzten.

Zappa hat geschrieben:Letztendlich ist ein wichtiges Kriterium bei der Beurteilung von Institutionen, ob die sich historisch bewährt haben. Das ist der politische Lackmustest, nur fürchte ich, dass wir da nicht immer einer Meinung sind.

Und die Bundesrepublik wird scheitern, an ihren Strukturen. Das Ponzischema Rentenversicherung wird so in etwa 10 Jahren endgültig und unwiderruflich kollabieren, und dann wirds richtig interessant...
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Re: Wo wollen wir als Gesellschaft hin?

Beitragvon Nanna » Fr 9. Aug 2013, 15:17

provinzler hat geschrieben:Ambitionen zum Diktator hatte Roosevelt jedenfalls auch, was allein schon die Tatsache zeigt, dass er die Begrenzung auf zwei Amtszeiten ignorierte und die Verfassung als eine Art Hausordnung betrachtete, die er als Chef nach Lust und Laune ändern könne.

Die Begrenzung auf zwei Amtszeiten wurde erst 1951 als 22. Amendment eingeführt. Davor gab es allenfalls ein loses gentlemen's agreement, das auf gewisse Aussagen und Praktiken der founding fathers zurückgeht, das aber auch von anderen Präsidentschaftskandidaten wie Ulysses Grant ignoriert wurde.
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Re: Wo wollen wir als Gesellschaft hin?

Beitragvon provinzler » Fr 9. Aug 2013, 16:53

Nanna hat geschrieben:Die Begrenzung auf zwei Amtszeiten wurde erst 1951 als 22. Amendment eingeführt. Davor gab es allenfalls ein loses gentlemen's agreement, das auf gewisse Aussagen und Praktiken der founding fathers zurückgeht, das aber auch von anderen Präsidentschaftskandidaten wie Ulysses Grant ignoriert wurde.

Ich wusste, dass es sich dabei nur um eine Gepflogenheit handelte (allerdings bis grade nicht, dass sich das geändert hat). Dass er sich nicht an diese zu dem Zeitpunkt 150 Jahre alte Tradition zu halten, ist ein ganz bewusster Bruch. Und es ist jedenfalls kein Zufall, dass er permanent mit dem Verfassungsgericht im Clinch lag. Und genauso wenig ist es ein Zufall, dass dieses Amendment als Reaktion auf Roosevelts Amtszeit eingeführt wurde, was schon das Datum beweist...
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Re: Wo wollen wir als Gesellschaft hin?

Beitragvon Zappa » Fr 9. Aug 2013, 17:14

@provinzler: Deine Anmerkungen - die geschichtlich sehr interessant sind und bei mir eine Wissenslücke auffüllten! - betreffen allerdings nur einen unwesentlichen Teil meiner Aussage. Mir ging es vielmehr darum, dass jede Gesellschaft Institutionen braucht; offenbar sogar so gefährliche und undemokratische wie Verfassungsgerichte. Darum ging es mir.
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Re: Wo wollen wir als Gesellschaft hin?

Beitragvon Gandalf » Fr 9. Aug 2013, 19:35

Nanna hat geschrieben:Das heißt nicht, dass sie falsch ist, aber rein diskussionstechnisch hast du halt außer deiner eigenen Überzeugung, irgendwie die Wahrheit über das Universum erkannt zu haben, keinen besonders ergiebigen Hebel

(zu allem anderen hat provinzler bereits die richtigen Antworten gegeben ;-) )
Es geht nicht nur irgendwie darum irgendwelche Wahrheiten zu erkennen. Sondern um das System der Erkenntisgewinnung selbst.

In der Wissenschaft gibt es klipp und klare Vorgehensweisen: z.B. Stelle ich eine Versuchsanordnung auf, in der ein Experiment abäuft. Versuchsanodnungen sind jeweils "Wirklichkeitssimulatoren" (letzendlich also "Rechner"), die eine Teil der Wirklichkeit abbilden sollen. Aus dem Versuchsablauf ziehe ich meine Schlüsse hinsichtlich möglichen Gesetzmäßigkeiten, die sich (objektiv) finden lassen - im Rahmen der Verscuhsanodnung. Treten Unklarheiten auf oder nichtssagene Ergebnisse, stelle ich die Versuchsanordnung um, oder verfeinere sie. (Wenn ich nicht einfach einen "cut" machem, weil ich das gefunden habe, was meine Theorie sagte) Das Problem ist (neben dem Problem, dass das regelmäßig niemand dazu sagt), das, - je feiner ich den Versuchsaufbau justiere, - um so mehr gewinnt die Umwelt außerhalb des Versuchsaufbaues Bedeutung (auch für die bestehende Theorie, mit der ich vorher vlt. zufrieden war) Bis hin zum Rest des Universums - und was die meisten Versuchsleiter dabei vergessen: Das Universum einschließlich des Versuchsleiters

Bie menschlichen Interaktionen (z.B. Tauschhandlungen) haben wir es mit "Myriarden" von Möglichkeiten zu tun, wie man die Versuchsanordnung aufbauen müsste, um sämtliche Interaktionsmöglichkeiten abbilden zu können, die mir momentan einfallen. Es wäre dazu also ein universeller Wirklichkeitsimulator erforderlich, der sämtliche möglichen Interaktionen berechnen kann. Eine Klassische Turingmaschine ist dazu aus physikalischen Gründen prinzipiell nicht in der Lage. Daher muss eine Planwirtschaft scheitern, da diese nur klassische Computer einsetzen kann, wenn sie ihren Anspruch auf zentrale Entscheidungsfindung aufrecht erhalten will. Aber ws den Intellektuellen verwehrt ist, haben die praktisch Handelnden schon lagen heruasgefunden: Sie nutzen keinen Zentralrechner, der eh nichts bringt, sondern stellen ihre Fragen an den ultimativen Quantencomputer, der jedem zur Verfügung steht und der die Begrezungen der konstruktivistischer Installationen nicht kennt:
Sie handeln einfach (setzen Ursachen)- und das Universum antwortet darauf, -in dem es reagiert

Menschen gehen also in ihrem täglichen Leben in jeder Sekunde wissenschafltich vor, - wenn sie die Konsequenzen ihres Handlung annehmen. Das tun kritische Rationalisten (Libertäre, Kapitalisten, usw.) 'Konstruktivisten' (regelm. Sozialisten) tun das nicht. Sie betreiben keine Wissen_schaffen im wissenschaftlichen Sinne , sondern schließen vom Besonderen auf das Allgemeine - möglichst ohne sich die Finger selbst schmutzig zu machen (was eine 'Handlung' immer mit sich bringt). Sie wollen sich die 'unzähligen Versuche' "sparen", auf die eine ontologisch hergeleitete Erkenntnistheorie beruht.

Wenn man aber einen Quantencomputer befragt kann man nichts "sparen" und gleichzeitg zu richgtigen Schlüssen gelangen!

Am deduktiven Schluss (und der Methode der Falsifikation) führt kein Weg vorbei! ..und das ist der tatsächliche Grund warum ich das Verständnis der "relative Zustandstheorie der Quantenphyisk" (der ursprüngliche von H. Everett so benannt) unabdingbar halte, um entscheiden zu können, ob eine Theorie was taugt oder ob sie überhaupt als wissenschaftlich bezeichnet werden kann.

..und die sozialistischen Theorien taugen demnach allesamt nichts, da sie auf induktiven ("dummen") Schlüssen und (Denk-)"Faulheit" beruhen. ("Neid" und das "stets andere Schuld" haben, sind solche einfach gestrickten Webmuster, auf denen sich gut spielen und hetzen lässt)

(was aber auch heisst, das es auf dezentraler Ebene anders aussehen kann. Hier kann eine induktiver Reflex und eine Beziehugnswirtschaft einen kurzfristigen Überlebensvorteil bringen)

Nanna hat geschrieben:Das einzige, was ich von dir erwarten würde, ist, dass du dir mal selber einen kleinen Riss in dein Selbstvertrauen schlägst, denn die Möglichkeit, dass du derjenige bist, der emotional an einer argumentativ gar nicht so starken Position festklebt, könntest ja auch du sein. Und subjektiv kann man sich viel einreden - und tut man auch, und zwar ausnahmslos jeder. Nur als kleine Erinnerung, wenn du das Argument "Ihr seid ja alle so schwach und emotional, nur ich seh klar" rausziehst.


Ahh... jetzt kommt das was ich an anderer Stelle mit "Transaktionsanalyse" meinte!

Du denkst ich sei arrogant und spreche aus dem "Eltern-Ich" zu Deinem "Kinder-Ich". Das tue ich aber regelmäßig nicht (und wenn, dann gezielt um etwas (heraus-)'zu fordern' ;-) ), sondern sehe in Dir "einen Erwachsenen", dem man auf gleicher Augenhöhe begegnet und von dem ich erwarte, das er sich stellt, wenn Widersprüch in einer (wissenschaftsnahen) Argumentationsform auftreten. Ich versuche Dich so zu nehmen wie Du Dich präsentierst: Einen überzeugten Naturalisten, der ein Forum betreibt, in dem Ausflüchte in's Irrationale 'hart hinterfragt' werden. Wenn Du jetzt damit kommst, das ich denken würde "ihr seid ja alle so schwach und emotional" .., dann fage ich mich auch hier: Bist Du etwa gar nicht "bright", sondern fühlst Dich (themenbezüglich) irgendwie "nicht ok", - suchst Du im (Zentral-)Staat (einen verlorenen) Gottersatz? Ein "Dämon", der alle Probleme lösen kann, wenn man ihn nur richtig "konstruiert"?

Machen wir also die Probe auf's Exempel:

Nanna hat geschrieben:Und zum anderen finde ich es zwar unbedeutend, aber kurios und amüsant, wie du mit dem Argument der "wissenschaftlichen Weltanschauung" 1a einen Spruch der Marxisten nachplapperst. Ich würde ja so was nie in den Mund nehmen, die Gefahr, da einfach nur in seiner eigenen Hybris gefangen zu sein und nicht zu merken, dass man sich lächerlich macht mit seinen Welterklärungsaussagen, wäre mir persönlich zu groß. Aber gut, ich hab auch nichts gegen Wagemut.


Unabhängig davon, das für mich mit "wissenschafltiche Weltanschung" nur die 'objektive Methode' gemeint sein kann, möglichst zuverlässig Wissen zu gewinnen und nicht eine bestimmte (subjektive) Lehrmeinung, - behaupte ich die Thesen des Marxismus/Sozialismus sind (nach diser objektiven Methode) wissenschaftlich nicht haltbar/widerlegt. Manchmal einfach nur lächerliche Zirkelschlüsse. Fangen wir mit der "Arbeitswerttheorie" an..?



@NeoTron

Es ging einfach nur darum, das man nicht glauben sollten mit irgendwelchen Verboten schnell irgendwas aus der Welt schaffen könnte. Insbesondere auch um soche Verbote, die gemacht werden, um Verbrecher zu produzieren, die man dann (mit erpresstem Geld) "bekämpfen" darf.
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Re: Wo wollen wir als Gesellschaft hin?

Beitragvon Nanna » Sa 10. Aug 2013, 00:21

provinzler hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Ich verstehe zwar nicht, wer "die Pseudowissenschaftler" sein sollen, aber ich bin ganz Ohr. Erklär doch mal, welche konkreten Vorstellungen du da von politischen Strukturen zur Entscheidungsfindung hast.

Ich wills mal versuchen friedlich auszudrücken. Wer sein Gehalt vom Staat bezieht, hat ganz automatisch eine ganz andre Haltung zu dem ganzen Konstrukt, als ein Nettosteuerzahler. Zumindestens besteht die unabstreitbare Tendenz zu einem gewissen "Bias". Können wir uns darauf mal vorab einigen?

Es besteht vermutlich eine statistische Korrelation, die darin besteht, sich mit dem Arbeitgeber zu identifizieren. Der Ausdruck "Staatsdiener" für Beamte und Angestellte des öffentlichen Dienstes reflektiert das schön. Allerdings ist das natürlich reichlich unscharf, weil es zwischen preußischem Beamtenideal und offenem Nepotismus so ziemlich alles an gelebtem Beamtentum gibt. Es gibt eben nicht "den Staat" und "den Beamten", was sowieso einer meiner laufenden Kritikpunkte ist, dass du/ihr zuviel unter solche Kampfbegriffe subsummier(s)t.

provinzler hat geschrieben:Wenn ich nun mal das beliebte Beispiele dieser sogenannte "Genderforscherinnen" nehme, so kann deren Forschung gar nicht wirklich wissenschaftlich ablaufen, weil sie ihre eigenen Jobs wegrationalisieren würden, wenn bestimmte Ergebnisse herauskämen. Da niemand gern kundtut, dass er überflüssig ist, wird er eher die Wahrheit vergewaltigen, als sich selber abzuschießen.

Das ist sicherlich ein Problem, wobei das kein Problem der Gender Studies ist, sondern ein allgemeines Phänomen des Wissenschaftsbetriebes, dass Forscher sich nicht gerne totalrevidieren. Überall da, wo es Interpretationsspielraum gibt, und das ist in den Geistes- und Gesellschaftswissenschaften nunmal aufgrund des Forschungsgegenstandes ein inhärentes Problem der ganzen Disziplinen, gibt niemand nach dreißig Jahren Forschung zu, falsch gelegen zu haben.
Ich leugne also das Problem nicht, ich behaupte nur, dass eine privatfinanzierte Forschung das Problem nicht lösen kann, weil die Frage des Arbeitgebers hier zweitrangig ist. Und zu behaupten, dass man die Genderforschung dann einfach ganz lassen soll, wäre auch keine Lösung.

provinzler hat geschrieben:Ähnliche Kritik kann man auch an der Klimaforschung üben. Wer da nicht mit den Wölfen heult, und immer drastischere Chaosszenarien zeichnet, riskiert den Verlust von Forschungsgeldern, Planstellen etc.
Katastrophale Anreizstrukturen, die eigentlich verbieten, in diesem Zusammenhang noch von Wissenschaft zu sprechen.

Wenn du damit behaupten willst, dass der weltweite Konsens über die Existenz und (hauptursächliche) Antropogenität des Klimawandels eine Folge der staatlichen Finanzierung vieler (nicht aller) Universitäten ist, würde ich sagen, dass das ein Grundmisstrauen gegenüber dem Wissenschaftsbetrieb offenbart, der meinem Laienverständnis nach an Paranoia grenzt, wie man sie von Verschwörungstheoretikern kennt, die den Konsens an sich schon verdächtig finden.

provinzler hat geschrieben:Das Bundesverfassungsgericht erweist sich in diesem Zusammenhang als völlig zahnloser Tiger, weil es für den wichtigsten Spieler in dem ganzen Theater die EZB juristisch gar nicht zuständig ist. Eigentlich müsste das Verfassungsgericht schon längst die Bundesregierung zum Austritt aus der Eurozone zwingen, weil die Voraussetzungen unter denen der Beitritt genehmigt wurde schon seit 5 Jahren(!!!) nicht mehr erfüllt werden.

Das BverfG kann grundsätzlich nur feststellen, dass bestimmte Gesetze oder Praktiken verfassungsgemäß sind oder eben nicht. Zu entscheiden, wie der Missstand zu beheben ist, ist weder de jure noch de facto Aufgabe des BVerfG, das mit einem "Zwang zum Austritt" auf allergröbste seine Kompetenzen überschreiten würde. Es ist ja gerade Anspruch an das Gericht, auf keinen Fall Politik zu betreiben, eben vor dem Hintergrund, dass es sich nicht um ein durch Wahlen legitimiertes Verfassungsorgan handelt.

provinzler hat geschrieben:Aber das Bundesverfassungsgericht tut das was es auch schon bei andren Themen (Abtreibung) getan hat, es verschleppt das Ganze. Die zuständigen Stellen schieben sich die Angelegenheit hin und her, man reibt die Kläger langsam auf, es passiert gar nix und die Politik kann munter weiter Fakten schaffen.

Ja, damit tut es genau das, was es tun soll, nämlich der Politik den pragmatischen Spielraum lassen, den diese braucht.

provinzler hat geschrieben:Der Wähler hat das Problem, dass die Mechanismen über die er hier ausgenommen wird, für den Laien nicht so leicht verständlich sind. Das geht über die Geldkreisläufe, dass ist nicht so offensichtlich wie ein "Geld her oder ich schieße".

Ja, das ist richtig, aber irgendwo auch eine triviale Einsicht, dass Menschen mit der Komplexität der Realität häufig überfordert sind, oder?

Die Demokratie kann dieses Problem nicht direkt lösen. Die letzten, die das bitter erfahren mussten, waren die Piraten. Und jeder weiß aus der Kaufpsychologie, dass bei drei Sorten Marmelade im Supermarktregal mehr gekauft wird als bei zwanzig, weil die Menschen schlichtweg überfordert sind. Das passiert also schon bei Banalitäten. Mehr Information oder Bildung löst an dieser Stelle das Problem nicht oder nur unzureichend. Man ist gezwungen, zu delegieren und institutionell verlässliche Abläufe zu schaffen und das setzt natürlich ein gewisses Vertrauen der Vertretenen in die Delegierten und entsprechende Kontrollmechanismen voraus. Im Fall der Eurokrise ist da einiges gewaltig schiefgelaufen und ich spare mir die Ausführung im Detail hier mal, weil wir vermutlich bereits im Ansatz gänzlich unterschiedliche Auffassungen haben werden und erst mal das Grundlegende klären sollten.

Ich werde da auch nachher noch bei Gandalf drauf kommen, weil Aufgabe eines Staates u.a. ist, Komplexität zu reduzieren, und ich annehme, dass wir uns da sehr ins Gehege kommen werden, weil Gandalf das als künstliches und vermutlich auch willkürliches Verknappen von Wahlmöglichkeiten interpretieren wird, wohingegen ich es als Notwendigkeit für die innergesellschaftliche Koordination ansehe. Dem liegen aber vermutlich auch recht fundamental unterschiedliche Konzeptionen zugrunde, was eine Gesellschaft ist.

provinzler hat geschrieben:Der Überbringer schlechter Nachrichten war noch nie sonderlich beliebt.

Ungeachtet dessen bedeutet es vor allem nicht, dass er die Wahrheit berichtet. ;-)

provinzler hat geschrieben:Mich erstaunt es immer wieder, dass selbst sonst relativ intelligente Menschen, die Probleme, die sich aus falschen Anreizstrukturen ergeben nicht sehen (wollen?), und im Staat so eine Art Gott sehen, der aus dem Nichts ein Mehr an Wohlstand, Gerechtigkeit oder was auch immer herstellen könnte. Anders lassen sich die nicht endenwollenden Unfugsdebatten über Mindestlöhne, Grundeinkommen und Vermögenssteuern einfach nicht begründen.

Was mich erstaunt, ist die Antwort auf dieses Problem von libertärer Seite aus, nämlich zu glauben, dass sich mit der Wegnahme des Staates überlegene Anreizstrukturen von allein ergeben würden. Und dass soziale Probleme und Libertarismus sich gegenseitig ausschließen würden, also dass das Auftreten sozialer Probleme in einem gedachten Libertarismus implizieren würde, dass es gar kein richtiger Libertarismus sei. Das erinnert an die Zirkelschlüsse von Marxisten, die auch behaupten, der Stalinismus sei kein richtiger Marxismus gewesen (was zumindest auf Grundlage der marxistischen Theorie auch stimmt), und deshalb habe man damit auch nichts mit dessen katastrophalen Ergebnissen zu tun. Die Lösung wäre einfach mehr "richtiger Kommunismus" gewesen, was doch eine ziemlich feige Antwort ist. Und dasselbe Problem sehe ich hier, dass einer - in weiten Teilen sicherlich berechtigen - Kritik der herrschenden Zustände ein nicht weniger utopisch erhabenes Ideal des liebenden, solidarischen, friedlichen Libertarismus beigesellt wird, die eigentlich wieder alles auf die Dichotomie "Freiheit oder Sozialismus" verengt. Das sehe ich als armseligen Reduktionismus an, der keine gelassene Debatte über mögliche Kombinationen des Besten aus beiden Systemen mehr zulässt. Denn das Sozialismus als solcher kein Zukunftskonzept ist, muss man nun wirklich niemandem mehr erklären, das haben wir alle mitgekriegt.

provinzler hat geschrieben:Wahrscheinlich ist es vielen in unserer "gottlosen" ( :mg: ) Zeit ein sehr tiefgehendes Bedürfnis sich hier eine Art Ersatzgott zu bauen, der schon alles regeln wird.

Als ob die unsichtbare Hand des Marktes irgendetwas anderes wäre. Die Sehnsucht nach dem ordnenden Prinzip ist doch in Gandalfs multiversumsbasierter Suche nach dem "richtigen Weg" im Prinzip genauso eingeschlossen wie in der Sehnsucht nach dem Staat, der einen vor allen Übeln des Lebens beschützt. Beide Utopien werden dieses Versprechen nicht einlösen können.

Eigentlich wäre mir persönlich ja auch ein wichtiges Anliegen, mal von diesem Gottspiel weg zu kommen. ICH bin hier nicht derjenige, der penetrant die ganze Zeit marktschreierisch versucht, ein politisches Konzept an den Mann zu bekommen, das die Welt erlöst und das Individuum von allen Ketten befreit in die Freiheit und den nichtendenden Wohlstand führt. Vielleicht täte, bei allem Respekt, mal ein Blick in den Spiegel ganz gut.

provinzler hat geschrieben: Ich glaube es kommt auch ganz erheblich darauf an, von welcher Seite man bestimmte Insitutionen kennengelernt hat, und was man damit emotional verbindet. Das gilt für Religion und Kirchen genauso wie für den Staat, ein Unternehmen oder einen Fußballverein. Und was Gandalf und mich von dir und vielen andren unterscheidet ist, dass wir vollständig andre Erfahrungen gemacht haben. Und deshalb haben wir auch einen andren Blickwinkel.

Der legitim ist. Was uns aber unterscheidet, ist, dass ich keine panische Angst vor dem Markt habe, während ihr beide diese vor dem Staat durchaus zu haben scheint. Ich sehe beide auch gar nicht so sehr als Antagonismen, sondern bin der Ansicht, dass sich beide zu einem großen Konglomerat verbunden haben und für unterschiedliche Subsysteme der Gesellschaft unterschiedlich relevant sind, für das große Ganze aber beide relevant sind, so wie ein Auto nicht nur einen Motor oder nur ein Chassis haben kann, um komplett zu sein.

provinzler hat geschrieben:Mich persönlich hat die Erfahrung gelehrt, dass "den Leuten" oder "der Gesellschaft" wenn du so willst, deine Befindlichkeit im Allgemeinen bestenfalls scheißegal ist. Wenn du es irgendwie wagst, in irgendeiner Weise hervorzustechen, oder allgemeiner gesagt abzuweichen, wird man dich zur Konformität drängen oder andernfalls ausgrenzen und stigmatisieren. Menschen, die einen so akzeptieren wie man ist, sind sehr sehr selten.

Das ist ein typisches Merkmal aller menschlichen Gruppen bis runter zur Familie. Kooperation funktioniert nunmal in homogenen Gruppen einfach besser (sollte euch bewusst sein, wo ihr den Begriff so häufig positiv konnotiert in den Mund nehmt). Fähigkeit zur Pluralität und zum Ertragen von Widersprüchen ist nicht so wahnsinnig verbreitet. Kleinbürger gibt's überall, und da du neulich Georg Kreisler zitiert hast, kennst du sicher das Lied vom Blumengießer, dem es gleichgültig ist, wenn sein Nachbar im Krieg stirbt, solang sein Garten blüht. Nenn mich einen Träumer, aber ich persönlich sehe Misantrophie nicht als Lösung.

provinzler hat geschrieben:Und genau das ist in meinen Augen auch das Problem, dass ein Staat, der über ein gewissen Maß an Aufgaben hinaus geht, zwangsläufig kommt, nämlich dem Wunsch und Drang nachzugeben, die Konformität am Besten im Gesetzesform vorzuschreiben, und wer dem nicht entspricht ist entweder kriminell oder krank.

Minderheitenschutz ist ein sensibles Thema und es ist viel darüber geschrieben und gesagt worden, dass der Lackmustest für den wahren demokratischen Staat sein Umgang mit Minderheiten ist. Insofern berührst du einen wunden Punkt, aber es ist nicht so, dass du damit etwas aufdecken würdest, was in der informierten Debatte irgendwie unter den Tisch gekehrt würde.

provinzler hat geschrieben:Und dann gibts noch die staatsbezahlten Helfer und Heiler (Psychologen, Lehrer oder meine besonderen Freunde die Sozialbledagogen), die dann Abweichlern schon von klein auf zur Seite gestellt werden, um sie irgendwie konform zu biegen. Bemerken werden diese unsichtbaren Ketten freilich nur diejenigen, die sich aus dem vorgeschriebenen Bereich gelegentlich hinausbewegen. Und da kann es schon ausreichen, auf das ach so superpädagogisch wertvolle (zu deutsch: idiotisch, langweilig und hirnfrei) Spiel einfach keinen Bock mehr zu haben und das Weite zu suchen, oder auch einfach nur den Mumm zu haben kundzutun, dass man das fürn Schmarrn hält. (Oder sich bei 40 Grad im Schatten lieber in schattigen Räumen statt in der prallen Sonne aufhalten zu wollen).

Mir tut es ehrlich leid, dass dir offenbar in deiner Kindheit von pädagogischen Stümpern so viele emotionale Verletzungen zugefügt wurden. Aber vielleicht kannst du wenigstens für einen Augenblick auch mal den Gedanken zulassen, dass es statt professioneller Pädagogen auch misshandelnde Eltern oder Angestellte einer Privatinstitution hätten gewesen sein könnten, die dir solche Erlebnisse bereitet hätten haben können. Ich kenne zufällig Menschen, denen im Elternhaus schlimmste Dinge passiert sind und die heilfroh sind, dass sie über den Staat neutrale Hilfe bekommen haben ohne Ansehen ihrer Person, einfach weil sie ihnen zustand.

Du verbindest sehr persönliche Erlebnisse, die offenbar ans Traumatische heranreichen, mit Leuten, die du immer wieder als Vertreter einer Institution, nämlich des Staates, wahrgenommen hast. Es ist absolut ok, dem Staat deshalb zu misstrauen, nur finde ich es ein bisschen arg selbstbezogen, darauf eine ganze politische Haltung zu begründen. Weil der Staat mir weh getan hat, muss er weg und zwar gleich für alle. Wie gesund klingt diese Haltung in deinen Ohren?

provinzler hat geschrieben:Und ich begreife bis zum heutigen Tag nicht, woher der scheinbar übermächtige Wunsch kommt, andern seine Vorstellungen von einem richtigen Leben gewaltsam überstülpen zu wollen. Ich habs schonmal gesagt, wer Sozialismus will, soll irgendwo seinen Kibbuz aufmachen (allerdings bitte unsubventioniert!) und das machen. Fänd ich zwar komisch, aber würd mich nicht stören. Ich muss da niemanden "geradebiegen". Alles was ich will ist, dass der Rest der Welt auch aufhört, sich in allerlei meiner Angelegenheiten einzumischen, die andre schlicht nix angehen. Das ist alles. Und wenn das nun schon verrückt ist, dann bin ich gerne verrückt...

Ich sehe dich nicht als verrückt an. Nur als verletzt.

Was das Überstülpen von Lebensvorstellungen angeht, so weiß ich nicht, was du da genau im Blick hast. Ich sehe mich eigentlich in meiner persönlichen Entfaltung nicht gehindert (und auch wenn du den Verdacht haben magst, ich bereite mich nicht gezielt auf eine Karriere im Staatsdienst vor, sondern plane für die Privatwirtschaft). Ich sehe eine Menge Chancen und ich frage mich, wo du tatsächlich an deiner Entfaltung gehindert wirst, und wo vielleicht eher nicht vollständig aufgearbeitete Erlebnisse reaktiviert werden.
Das heißt im übrigen ganz ausdrücklich nicht, dass ich deine Kritik mit dem Hinweis auf emotionale Altlasten beiseite wische. Ich halte nur aufgestaute Wut für einen schlechten Ratgeber. Dass Bürokratien ineffizient sind und intern häufig zum völlig unzielgerichteten Verhalten motivieren, weiß ich aus eigener Erfahrung, sehe aber in der Zerschlagung einfach nicht die Lösung. Ich habe aber auch nicht Verwaltungswissenschaft studiert, ich nehme an, dass es da sicherlich die ein oder andere interessante Idee gibt, die nicht "behalten oder abschaffen" ist.
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Re: Wo wollen wir als Gesellschaft hin?

Beitragvon Nanna » Sa 10. Aug 2013, 01:26

Gandalf hat geschrieben:In der Wissenschaft gibt es klipp und klare Vorgehensweisen: z.B. Stelle ich eine Versuchsanordnung auf, in der ein Experiment abäuft.

Wie genau macht man das, wenn man Goethes Urfaust oder den Einfluss der Gettysburg-Adress auf spätere politische Haltungen oder die moralische Gebotenheit einer Handlung ansieht?

Gandalf hat geschrieben:Bie menschlichen Interaktionen (z.B. Tauschhandlungen) haben wir es mit "Myriarden" von Möglichkeiten zu tun, wie man die Versuchsanordnung aufbauen müsste, um sämtliche Interaktionsmöglichkeiten abbilden zu können, die mir momentan einfallen. Es wäre dazu also ein universeller Wirklichkeitsimulator erforderlich, der sämtliche möglichen Interaktionen berechnen kann. Eine Klassische Turingmaschine ist dazu aus physikalischen Gründen prinzipiell nicht in der Lage. Daher muss eine Planwirtschaft scheitern, da diese nur klassische Computer einsetzen kann, wenn sie ihren Anspruch auf zentrale Entscheidungsfindung aufrecht erhalten will. Aber ws den Intellektuellen verwehrt ist, haben die praktisch Handelnden schon lagen heruasgefunden: Sie nutzen keinen Zentralrechner, der eh nichts bringt, sondern stellen ihre Fragen an den ultimativen Quantencomputer, der jedem zur Verfügung steht und der die Begrezungen der konstruktivistischer Installationen nicht kennt:
Sie handeln einfach (setzen Ursachen)- und das Universum antwortet darauf, -in dem es reagiert

Das ist jetzt reichlich künstlich gesagt, weil das jeder tut, auch die Planwirtschaft (in der wir, um das gleich gesagt zu haben, meines Erachtens nicht leben). Der Unterschied ist lediglich, dass in einer kleinteiligeren Wirtschaftsform die Einheiten, die negative Reaktionen auf ihre Handlungen erhalten, kleiner sind und damit einzeln scheitern und nicht kollektiv.
Allerdings ist das natürlich auch wieder schön poliert für die Kapitalismushochglanzbroschüre. In der Realität rennen genug Leute und Unternehmen auch so dämlichen Trends hinterher, gibt es Großkonzerne, die das BIP von mittleren Staaten übersteigen, gibt es Marktteilnehmer, die so zentral platziert sind, dass sie systemprägend und -gefährdend wirken, und sind es letztlich Menschen, die in den kleinen scheiternden Einheiten verbrannt werden (aber die sind dann halt selbst schuld).

Gandalf hat geschrieben:Menschen gehen also in ihrem täglichen Leben in jeder Sekunde wissenschafltich vor, - wenn sie die Konsequenzen ihres Handlung annehmen.

Trial and Error ist dein ganzes Geheimnis?

Gandalf hat geschrieben:Das tun kritische Rationalisten (Libertäre, Kapitalisten, usw.) 'Konstruktivisten' (regelm. Sozialisten) tun das nicht. Sie betreiben keine Wissen_schaffen im wissenschaftlichen Sinne , sondern schließen vom Besonderen auf das Allgemeine - möglichst ohne sich die Finger selbst schmutzig zu machen (was eine 'Handlung' immer mit sich bringt). Sie wollen sich die 'unzähligen Versuche' "sparen", auf die eine ontologisch hergeleitete Erkenntnistheorie beruht.

Was genau an (post)konstruktivistischer Literatur hast du denn so gelesen? Klingt nämlich nicht so wirklich vertraut, was du da behauptest.

Gandalf hat geschrieben:Am deduktiven Schluss (und der Methode der Falsifikation) führt kein Weg vorbei! ..und das ist der tatsächliche Grund warum ich das Verständnis der "relative Zustandstheorie der Quantenphyisk" (der ursprüngliche von H. Everett so benannt) unabdingbar halte, um entscheiden zu können, ob eine Theorie was taugt oder ob sie überhaupt als wissenschaftlich bezeichnet werden kann.

Bild

Gandalf hat geschrieben:..und die sozialistischen Theorien taugen demnach allesamt nichts, da sie auf induktiven ("dummen") Schlüssen und (Denk-)"Faulheit" beruhen. ("Neid" und das "stets andere Schuld" haben, sind solche einfach gestrickten Webmuster, auf denen sich gut spielen und hetzen lässt)

Mal davon abgesehen, dass "verkürzt" als Ausdruck für diese Schilderung marxistischer Theorien ("marxistisch", nicht "sozialistisch") noch lieb ist, haben die in der marxistischen Tradition stehenden Theorien des Poststrukturalismus und Konstruktivismus einen großen Erkenntnisfortschritt gegenüber den kritischen Rationalisten, nämlich, dass sie reflektieren, dass man sich als Forscher bereits in einem kulturell hergestellten und definierten Raum aufhält. Die Fragen, die wir also an deinen Quantencomputer stellen, sind also immer schon durch unbewusste Übernahme gesellschaftlicher Vorurteile und kulturelle Vorprägungen beeinflusst. Sich dessen bewusst zu sein, ändert das eigene Verhalten bereits und ist für alles Emanzipatorische, was ja auch dein erklärtes Ziel ist, absolut notwendig.

Gandalf hat geschrieben:(was aber auch heisst, das es auf dezentraler Ebene anders aussehen kann. Hier kann eine induktiver Reflex und eine Beziehugnswirtschaft einen kurzfristigen Überlebensvorteil bringen)

Hätte mich auch gewundert, wenn es für die dezentrale Ordnung keine Ausnahmen gegeben hätte. ;-)

Gandalf hat geschrieben:Du denkst ich sei arrogant und spreche aus dem "Eltern-Ich" zu Deinem "Kinder-Ich". Das tue ich aber regelmäßig nicht (und wenn, dann gezielt um etwas (heraus-)'zu fordern' ;-) ), sondern sehe in Dir "einen Erwachsenen", dem man auf gleicher Augenhöhe begegnet und von dem ich erwarte, das er sich stellt, wenn Widersprüch in einer (wissenschaftsnahen) Argumentationsform auftreten. Ich versuche Dich so zu nehmen wie Du Dich präsentierst: Einen überzeugten Naturalisten, der ein Forum betreibt, in dem Ausflüchte in's Irrationale 'hart hinterfragt' werden. Wenn Du jetzt damit kommst, das ich denken würde "ihr seid ja alle so schwach und emotional" .., dann fage ich mich auch hier: Bist Du etwa gar nicht "bright", sondern fühlst Dich (themenbezüglich) irgendwie "nicht ok", - suchst Du im (Zentral-)Staat (einen verlorenen) Gottersatz? Ein "Dämon", der alle Probleme lösen kann, wenn man ihn nur richtig "konstruiert"?

Nein, nur ist mein Naturalismus ein anderer als deiner. Ich bin Naturalist aus der agnostischen Perspektive heraus, dass es mir als sinnvollste Deutung des Universums erscheint, dass wir in einer rein physischen Welt leben. Unabhängig davon sehe ich das Innenleben der menschlichen Gesellschaft aber als Gegenstand kultureller Gestaltung an. Das bedeutet, dass wir als Menschen ein gerüttelt Maß an Gestaltungsmöglichkeit über unsere Gesellschaft haben - dies übrigens um so mehr, je produktiver die Gesellschaft wird (und Produktion ist mit einer effizienten Marktwirtschaft verbunden, nur ist diese halt ein Mittel zum Zweck, gegenüber dem ich keinerlei emotionale Sentimentalität empfinde; dasselbe gilt für den Staat).

Darin ist enthalten, dass wir als vernunftbegabte Wesen darüber sprechen müssen (Diskursethik!), wie wir miteinander leben wollen. Wir müssen in möglichst vernünftige und barrierefreie Deliberation miteinander eintreteten. Gleichzeitig sind dem strukturelle und auch physische Grenzen gesetzt. Und auch wenn ich mich immer versuche zu hüten, Charaktereigenschaften zu essentialisieren, gehe ich davon aus, dass es in einem gewissen Umfang eine Art conditio humana gibt, die uns mit einem Set an Fähigkeiten und Verhaltensweise austattet, mit dem wir experimentieren können. Im Rahmen dieser Beschränkungen sind wir frei, uns als die Gesellschaft zu organisieren, die wir sein wollen - nicht die, die uns ein ominöser Quantencomputer nach dem trial-and-error-Prinzip aufträgt, zu sein. Und weil der Mensch auch ein soziales und kollektives Wesen ist, das erst als in die Gemeinschaft eingebundenes Individuum Zufriedenheit erlangt, und weil Gemeinschaft zu haben eine gewisse Ordnung und Orientierung voraussetzt, sehe ich einheitliche Standards für bestimmte Fragen als notwendig an. Diese Standards sind offen zur Überarbeitung, falls man - gerne auch mit Methoden des Kritischen Rationalismus - Neues herausfindet und bessere Prinzipien findet. Aber es müssen eben genug (im Idealfall eigentlich alle) Beteiligte zustimmen, schließlich brauchen Verhaltensrichtlinien auch Akzeptanz. Übrigens schließt dies auch ein, Solidarität gegenüber den Schwachen zu zeigen, und da das Kollektiv, in dem wir leben, für reine Nachbarschafts- und Großfamilienhilfe viel zu komplex, widersprüchlich und nicht selten reichlich kontraintuitiv geworden ist, brauchen wir auch da eine gemeinschaftlich organisierte Hilfe.

Das ist so ungefähr meine Intention, wenn es um das Thema (Sozial)Staat, Solidarität und Gerechtigkeit geht. Ich sehe keinen Gott im Staat, ich verachte auch nicht Selbstverantwortung, sondern ärgere mich über jede(n), der sich nicht erstmal selbst in Ordnung bringt, bevor er/sie sich aufmacht die Welt zu retten. Aber ich sehe mich eben als Individuum, das eingebettet ist in die Gemeinschaft und ihre kulturellen Prämissen und Codes und die gewisse Strukturen aus o.g. Gründen braucht. Insofern gehört der Staat dazu, aus ganz pragmatischen Erwägungen, nicht wegen Erlösungs- oder Reinigungsfantasien oder sonstiger emotionaler Schwärmerei, die ich empfinden würde.

Gandalf hat geschrieben:Unabhängig davon, das für mich mit "wissenschafltiche Weltanschung" nur die 'objektive Methode' gemeint sein kann, möglichst zuverlässig Wissen zu gewinnen und nicht eine bestimmte (subjektive) Lehrmeinung, - behaupte ich die Thesen des Marxismus/Sozialismus sind (nach diser objektiven Methode) wissenschaftlich nicht haltbar/widerlegt. Manchmal einfach nur lächerliche Zirkelschlüsse. Fangen wir mit der "Arbeitswerttheorie" an..?

Als jemand, der davon ausgeht, dass gesellschaftlich tief verankerte Prämissen immer bereits in die Theoriebildung eingehen und so tief verankert sind, dass man es häufig nicht merkt, ich also von der Behauptung der "Objektivität" nur begrenzt etwas halte: Wo habe ich eigentlich die Arbeitswerttheorie oder den Marxismus in toto verteidigt?

Gandalf hat geschrieben:@NeoTron

Es ging einfach nur darum, das man nicht glauben sollten mit irgendwelchen Verboten schnell irgendwas aus der Welt schaffen könnte. Insbesondere auch um soche Verbote, die gemacht werden, um Verbrecher zu produzieren, die man dann (mit erpresstem Geld) "bekämpfen" darf.

Wenn ich dazu etwas fragen darf: Wie reduzierst du denn, was unser staatliches Gesetz "Verbrechen" nennt? Falls es nur darum ging, uns klar zu machen, dass ein Drogenverbot die Drogenabhängigkeit nicht verschwinden lässt, dann glaube ich, dass wir das mal am Rande mitgekriegt haben.
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Re: Wo wollen wir als Gesellschaft hin?

Beitragvon provinzler » Sa 10. Aug 2013, 10:02

Nanna hat geschrieben:Das ist sicherlich ein Problem, wobei das kein Problem der Gender Studies ist, sondern ein allgemeines Phänomen des Wissenschaftsbetriebes, dass Forscher sich nicht gerne totalrevidieren. Überall da, wo es Interpretationsspielraum gibt, und das ist in den Geistes- und Gesellschaftswissenschaften nunmal aufgrund des Forschungsgegenstandes ein inhärentes Problem der ganzen Disziplinen, gibt niemand nach dreißig Jahren Forschung zu, falsch gelegen zu haben.
Ich leugne also das Problem nicht, ich behaupte nur, dass eine privatfinanzierte Forschung das Problem nicht lösen kann, weil die Frage des Arbeitgebers hier zweitrangig ist. Und zu behaupten, dass man die Genderforschung dann einfach ganz lassen soll, wäre auch keine Lösung.

All die Frauenbeauftragtinnen und Genderistinnen wären sofort überflüssig, sobald ein Ergebnis rauskäme, dass Frauen nicht benachteiligt sind. Also haben sie Anreiz Zahlen, Daten und Fakten notfalls sogar zu fälschen um das gewünschte Resultat zu kriegen.
Falsch liegen und sich für überflüssig erklären sind schon nochmal zwei verschiedene Stufen.
Ersteres gibts relativ häufig. Hab ja selber schon geholfen Statistiken für Bachelor- oder Masterarbeiten so zu manipulieren, dass das vom Prof ganz offen gewünschte Ergebnis rauskam. Zweiteres hat aber nochmal ne andre Qualität.


Nanna hat geschrieben:Wenn du damit behaupten willst, dass der weltweite Konsens über die Existenz und (hauptursächliche) Antropogenität des Klimawandels eine Folge der staatlichen Finanzierung vieler (nicht aller) Universitäten ist, würde ich sagen, dass das ein Grundmisstrauen gegenüber dem Wissenschaftsbetrieb offenbart, der meinem Laienverständnis nach an Paranoia grenzt, wie man sie von Verschwörungstheoretikern kennt, die den Konsens an sich schon verdächtig finden.

Gibt ja durchaus noch den ein oder andren Kritiker, auch aus dem staatlichen Wissenschaftsbetrieb. In Einzelheiten will ich mich jetzt nicht verlieren. Ich weiß genug über Regelungstechnik um dieses Gequake um "zwei oder vier Grad" als Scharlatanerie zu erkennen. Wer mir erzählen will er könne ein derart komplexes und stark rückgekoppeltes System mit einer Vielzahl exogener Faktoren für 100 Jahre exakt berechnen, ist ein Scharlatan. Dafür sind die Modelle zwangsläufig viel zu ungenau und die Ergebnisse zu stark von den angenommenen Parametern abhängig. Oder anders ausgedrückt: Durch geringfügige Änderung meiner angenommenen Parameter kann ich mehr oder weniger jedes beliebige Ergebnis erzielen. Das geht dann wie aufm Basar. Zwei Grad? Vier Grad? Wer bietet mehr? Der bekommt die Forschungsgelder für sein einst langweiliges und unattraktives Fachgebiet.
Nanna hat geschrieben:Das BverfG kann grundsätzlich nur feststellen, dass bestimmte Gesetze oder Praktiken verfassungsgemäß sind oder eben nicht. Zu entscheiden, wie der Missstand zu beheben ist, ist weder de jure noch de facto Aufgabe des BVerfG, das mit einem "Zwang zum Austritt" auf allergröbste seine Kompetenzen überschreiten würde. Es ist ja gerade Anspruch an das Gericht, auf keinen Fall Politik zu betreiben, eben vor dem Hintergrund, dass es sich nicht um ein durch Wahlen legitimiertes Verfassungsorgan handelt.

Außer das Gericht würde erklären, sollte die Politik nicht bis X aktiv werden, greife Art. 20 Abs.4
Wird man aber nie, selbst wenn ein neuer Hitler an die Macht käme, würde das nicht passieren, da mach ich mir keinerlei Illusionen. Recht kommt letztlich aus Gewehrläufen, da hatte Karl Marx seinerzeit nicht Unrecht.

Nanna hat geschrieben: Im Fall der Eurokrise ist da einiges gewaltig schiefgelaufen und ich spare mir die Ausführung im Detail hier mal, weil wir vermutlich bereits im Ansatz gänzlich unterschiedliche Auffassungen haben werden und erst mal das Grundlegende klären sollten.

Die Probleme mit dem Euro waren gewollt, da lege ich mich fest, denn es gab genug prominente Wirtschaftswissenschaftler die seinerzeit zielsicher auf die Schwachpunkte des Konstrukts hingewiesen haben (Greenspan, Friedman etc.). Kohl fantasierte sich wohl zusammen Deutschland könne dann die politische Einheit Europas herbeizwingen, übersah aber dass die Franzosen auch nicht blöd sind. Für die französische Politik ist der Euro in seiner jetzigen Verfassung ein "Superversailles"(Mitterand) mit dem man Deutschland einem permanenten wirtschaftlichen Aderlass unterzieht, damit man selbst halbwegs auf Augenhöhe bleibt.

Nanna hat geschrieben:Minderheitenschutz ist ein sensibles Thema und es ist viel darüber geschrieben und gesagt worden, dass der Lackmustest für den wahren demokratischen Staat sein Umgang mit Minderheiten ist. Insofern berührst du einen wunden Punkt, aber es ist nicht so, dass du damit etwas aufdecken würdest, was in der informierten Debatte irgendwie unter den Tisch gekehrt würde.

Wobei man festhalten sollte, Minderheiten sind auch dann als Minderheiten zu behandeln, wenn sie keiner offiziell registrierten Gruppe angehören. Die kleinste mögliche Minderheit ist das Individuum.

Nanna hat geschrieben:Was das Überstülpen von Lebensvorstellungen angeht, so weiß ich nicht, was du da genau im Blick hast. Ich sehe mich eigentlich in meiner persönlichen Entfaltung nicht gehindert (und auch wenn du den Verdacht haben magst, ich bereite mich nicht gezielt auf eine Karriere im Staatsdienst vor, sondern plane für die Privatwirtschaft). Ich sehe eine Menge Chancen und ich frage mich, wo du tatsächlich an deiner Entfaltung gehindert wirst, und wo vielleicht eher nicht vollständig aufgearbeitete Erlebnisse reaktiviert werden.

Was ich meine? Die tagtägliche Gängelung unter allerlei besserwisserischen Vorwänden und natürlich immer nur unter hehren Motiven. Ich hab dir kürzlich schonmal gesagt, dass eine gewisse Unternehmung meinerseits aktuell nur daran scheitert, dass ich den völlig sinnfreien, aber gesetzlich vorgeschriebenen Wasserkopf in mittlerer bis hoher fünfstelliger Höhe pro Jahr während der notwendigen Anlaufphase nicht finanzieren kann. Man begründet das mit Verbraucherschutz, defacto ist es ein Schutz der bestehenden Marktanbieter vor Konkurrenz. Hier wird schlicht und ergreifend eine künstliche Markteintrittsbarriere geschaffen, so dass man nicht klein anfangen kann, auch wenn man vielleicht bessere Ideen hat. Es gewinnen nicht die besten Anbieter, sondern die mit der gewieftesten Rechtsabteilung. Es werden künstliche Fixkosten und somit künstliche Skaleneffekte zugunsten der größten Marktakteure geschaffen (die rein "zufällig" auch die sind, die Politiker mit Aufsichtsratspöstchen und Beraterverträgen überhäufen können).
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Re: Wo wollen wir als Gesellschaft hin?

Beitragvon provinzler » Sa 10. Aug 2013, 10:08

Nanna hat geschrieben:Allerdings ist das natürlich auch wieder schön poliert für die Kapitalismushochglanzbroschüre. In der Realität rennen genug Leute und Unternehmen auch so dämlichen Trends hinterher, gibt es Großkonzerne, die das BIP von mittleren Staaten übersteigen, gibt es Marktteilnehmer, die so zentral platziert sind, dass sie systemprägend und -gefährdend wirken, und sind es letztlich Menschen, die in den kleinen scheiternden Einheiten verbrannt werden (aber die sind dann halt selbst schuld).

Was übersteigt das BIP von mittleren Staaten? Umsatz, Gewinn, Marktkapitalisierung?
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Re: Wo wollen wir als Gesellschaft hin?

Beitragvon Gandalf » Sa 10. Aug 2013, 17:40

Die GenderINnen fliegen wohl grad auf und schieben schon Panik: http://sciencefiles.org/2013/08/08/die- ... ersitaten/
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Re: Wo wollen wir als Gesellschaft hin?

Beitragvon Nanna » Sa 10. Aug 2013, 23:14

provinzler hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Allerdings ist das natürlich auch wieder schön poliert für die Kapitalismushochglanzbroschüre. In der Realität rennen genug Leute und Unternehmen auch so dämlichen Trends hinterher, gibt es Großkonzerne, die das BIP von mittleren Staaten übersteigen, gibt es Marktteilnehmer, die so zentral platziert sind, dass sie systemprägend und -gefährdend wirken, und sind es letztlich Menschen, die in den kleinen scheiternden Einheiten verbrannt werden (aber die sind dann halt selbst schuld).

Was übersteigt das BIP von mittleren Staaten? Umsatz, Gewinn, Marktkapitalisierung?

Nehmen wir den Gewinn. Das gewinnstärkste Unternehmen der Welt, ExxonMobil (eigentlich Gazprom, aber die sind nicht so recht privat), macht derzeit einen Jahresgewinn von 41 Milliarden $. Das entspricht etwa dem Haushalt von Singapur, das in der Liste der Staatseinnahmen weltweit auf Platz 54 von 197 steht. Nähmen wir den Umsatz, dann entspricht der des weltweit umsatzstärksten Unternehmens, Royal Dutch Shell, mit 484,5 Milliarden $ etwa den Staatseinnahmen von Australien (Platz 11 weltweit, 473 Milliarden $). Diese Unternehmen schieben also weit größere Geldbeträge als die meisten Länder der Welt durch die Gegend. Mit dem kleinräumigen "Der Bäcker tauscht seine Brötchen gegen die Dienstleistung des Gärtners", wovon du und Gandalf gerne schwärmt, hat das nur noch sehr begrenzt zu tun. Und wie diese Unternehmen sich verhalten, prägt selbstverständlich den Markt, sowohl durch die schiere Größe als auch durch den politischen und gesellschaftlichen Einfluss, den solche Unternehmen ausüben (können und im Eigeninteresse vermutlich auch müssen). Krasse Bürokratien haben diese Moloche übrigens intern auch oft gerne. Und die Frage, wer jetzt eigentlich Politik macht, Konzerne oder Volksvertreter, stellt sich hier und da bei solchen gigantischen Konzernen durchaus auch. Nicht, dass ich das grundsätzlich verdammenswert finde, aber irgendwie schnürst du deine Verteidigung des Kapitalismus gern auf die Perspektive "Kleiner Metzger versus EU-Kommission" zusammen, und das ist dann halt doch nicht so ganz das vollständige Feld, über das wir hier reden.
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Re: Wo wollen wir als Gesellschaft hin?

Beitragvon provinzler » So 11. Aug 2013, 02:36

Nanna hat geschrieben:Nehmen wir den Gewinn. Das gewinnstärkste Unternehmen der Welt, ExxonMobil (eigentlich Gazprom, aber die sind nicht so recht privat), macht derzeit einen Jahresgewinn von 41 Milliarden $. Das entspricht etwa dem Haushalt von Singapur, das in der Liste der Staatseinnahmen weltweit auf Platz 54 von 197 steht. Nähmen wir den Umsatz, dann entspricht der des weltweit umsatzstärksten Unternehmens, Royal Dutch Shell, mit 484,5 Milliarden $ etwa den Staatseinnahmen von Australien (Platz 11 weltweit, 473 Milliarden $). Diese Unternehmen schieben also weit größere Geldbeträge als die meisten Länder der Welt durch die Gegend.

Ich kenn die Zahlen, und kann in der Forbes 2000 - Liste zur Not auch selber nachgucken. Die Geschäftsberichte der genannten Unternehmen stehen auch im Regal. Du kannst auch noch Bilanzsummen nehmen, bei manchen Banken reden wir da übers BIP von Frankreich oder Deutschland.
Nur sollte man dazu auch wissen, was diese jeweiligen Größen eigentlich aussagen. Äpfel mit Birnen zu vergleichen bringt reichlich wenig. Da der Umsatz eine reine Erlösgröße und keine Wertschöpfungsgröße ist (im Unterschied zum BIP) ist er dazu ebenso ungeeignet wie die Bilanzsumme, die ein Bestandsgröße zu einem bestimmten Stichtag ist (während das BIP eine Flussgröße über ein Kalenderjahr ist).
Diese Unternehmen (v.a. Walmart) haben auch mehr Mitarbeiter als gut die Hälfte deiner 200 Länder an Einwohner. Nur was sollen mir diese Größenrelationen nun genau sagen?
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Re: Wo wollen wir als Gesellschaft hin?

Beitragvon Nanna » So 11. Aug 2013, 03:19

Es ging ja um die Frage, ob eine kleinteiligere Wirtschaftsform mit mehr Akteuren, die nach Realisierungswegen für Produktionsziele suchen, einer staatlich gelenkten Wirtschaft ("Planwirtschaft") überlegen ist. Ich streite das gar nicht grundsätzlich ab, mein Hinweis an der Stelle sollte lediglich sein, dass Kapitalismus als solcher nicht zwangsläufig kleinteilige Wirtschaftseinheiten hervorbringt, sondern genauso auf natürlichem Weg riesige Konglomerate ausbildet, die natürlich auch zentral gelenkt werden. Zentral gelenkte Weltkonzerne, und das war mein Punkt, sind häufig an Geldbeträgen, die sie bewegen (also über deren Einsatz und Verbleib sie mitentscheiden) und an Menschenmassen, die sie befehligen, größer als viele Staaten auf der Welt. Man muss sich also fragen, ob es wirklich nur Staaten sind, die zentralstrategisch über große Einheiten entscheiden, oder ob dieses Phänomen nicht auf dem freien Markt auch sozusagen ganz natürlich auftritt.

Darüberhinaus darf angenommen werden, dass z.B. Exxon und Shell den Ölmarkt mindestens so sehr mitbestimmen wie staatliche Regulatoren. Die Frage, die sich meines Erachtens für euch stellen würde, ist dann, ob solche Riesenkonzerne nicht in Teilen als Pseudostaaten gelten müssten und ob homogene Großkonzerne nicht ebenso eine Bedrohung für das freie Spiel der Marktkräfte wären wie der Staat. Das Paradoxon daran wäre eben, dass Großkonzerne sich aber eben im Kapitalismus (auch) natürlich gebildet haben und deshalb offensichtlich einen möglichen Regelfall darstellen.

Mir geht's einfach darum das Schwarz-Weiß-Bild zwischen übermächtigem Staat und dynamischer Wirtschaft mit kleinteiliger Unternehmensstruktur zu überwinden, das hier immer wieder durchscheint und meines Erachtens nicht die Wirklichkeit widerspiegelt.
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Re: Wo wollen wir als Gesellschaft hin?

Beitragvon Zappa » So 11. Aug 2013, 07:52

Und genau das Problem der Monopolisierung haben doch auch alle libertären, liberalen, was auch immer Denker gesehen und diskutiert. Ergebnis ist immer, dass die Annahme eines im freien Raum funktionierenden Marktes naiv ist.

Es braucht immer gesellschaftliche Kontrollmechanismen um genau solche Auswüchse (und andere, wie externe Effekte) zu verhindern. Wie genau die aussehen sollen und dürfen ist natürlich heftig umstritten.

Aber in diesen argumentativen "Graubereich" mögen manche ja nicht eintreten und missionieren lieber schwarz-weiß erleuchtet :ohm:
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