Wo wollen wir als Gesellschaft hin?

Re: Wo wollen wir als Gesellschaft hin?

Beitragvon Gandalf » So 11. Aug 2013, 17:50

Nanna hat geschrieben:
Gandalf hat geschrieben:In der Wissenschaft gibt es klipp und klare Vorgehensweisen: z.B. Stelle ich eine Versuchsanordnung auf, in der ein Experiment abäuft.

Wie genau macht man das, wenn man Goethes Urfaust oder den Einfluss der Gettysburg-Adress auf spätere politische Haltungen oder die moralische Gebotenheit einer Handlung ansieht?


Ganz einfach man nimmt zunächst einzelne Teile der 'Handlung' heraus. Z.B. (auf die üblichen sexuellen Verwicklungen gehe ich mal nicht ein) was passiert, wenn jemand konkret betrügt, oder gewaltsam raubt. Stellt das nach, bzw. untersucht das. Dann betrachtet man das Ganze in einem komplexeren Zusammenhang, bzw. stellt ein Schauspiel nach. Was findet man? Nur 'konkrete Handlungen' beeinflussen das Universum, bzw. lassen sich zur Fragestellugn an das Universum verwenden. Dh. die ganzen verschwurbelten ideolgien, die sich manche ausgedacht haben und die tausend evon Bücher die manche drüber geschriebne haben, um Mord, Raub, Betrug an anderen Menschen ideolgisch rechtfertigen sollen - kann man grün anstreichen und den Hasen geben. Sie zählen nicht bei der Fragestellung! Zwischenmenschlich gilt. Raub bleibt Raub, Betrug bliebt Betrug. Das Universum wird (imho) keine andere Antwort geben, auch wenn jemand die konkrete Betrugshandlung noch so sehr in heheren Worten zu verstecken versucht.. Er wird wohl nur ein große Schar Gläubiger Jünger ("Gutmenschen") finden, - die dann gemeinsam mit ihm menschliche Katastrophen anrichten. Leider.
Nanna hat geschrieben:Das ist jetzt reichlich künstlich gesagt, weil das jeder tut, auch die Planwirtschaft (in der wir, um das gleich gesagt zu haben, meines Erachtens nicht leben). Der Unterschied ist lediglich, dass in einer kleinteiligeren Wirtschaftsform die Einheiten, die negative Reaktionen auf ihre Handlungen erhalten, kleiner sind und damit einzeln scheitern und nicht kollektiv.

Korrekt!
Libertäre wissen das sie nicht alles wissen können, daher ist das Scheitern von Individuen druchaus tragisch - aber leider nicht zu vermeiden. Das Universum ist nun mal so wie es ist. Gottspieler werden daran nichts ändern können, außer bei dem Versuch "gottgleich" alles planen und individulles Scheitern verhindern zu wollen, - ultimative Katastrophen anrichten. Wir nehmen Menschen so wie sie sind (gut und böse) - und nicht wie sie gemäß einer Ideologie sein sollen. (bzw. Menschen gemäß dieser Ideologie anzupassen)

Nanna hat geschrieben: die in den kleinen scheiternden Einheiten verbrannt werden (aber die sind dann halt selbst schuld).

..wenn sie selbst an ihrem Schiksal Schuld sind - wieso sollte jemand anders dann die Schuld zugewiesen bekommen? "Was muss ein anderer verbrochen haben- das man ihm die Schuld zuweisen kann, wenn er (kausal) keine Schuld an dem Scheitern des Einen trägt? Wer entscheidet in dieser Welt, wer Schuld hat?

Aber mal konkret: Wenn jemand in dieser Welt etwas erreichen will und nach Wohlstand hungert und ihn ein anderer daran hindert zu diesem zu kommen, dann ist natürlich derjenige daran Schuld der das verhindert und nicht derjenige, der daran gehindert wird. Untersuchen wir mal, wer die "Wohlstandsverhinderer" sind - wer also die Schuld am materiellen Elend von Menschen trägt?

Nanna hat geschrieben:Trial and Error ist dein ganzes Geheimnis?

Kurz und knapp: ja!!
Es ist aber nicht (nur) "mein Geheimnis", sondern auch das "Geheimnis" der
- wissenschftlichen Erkenntnisgewinnung mittels Falsifikation
- Entdeckung von Naturgesetzen mittels Mustererkennung

Dazu gleich ein Seitenhieb auf die Konstruktivisten: Ein Naturgesetz mittels Mustern zu erkennen kann niemals zu einer 100% gültigen Aussage führen! Wenn Konstruktivisten nun meinen ein Gesetz dadurch kosntruiert zu haben, in dem sie eine gewisse Musterhäufigkeit unter einm Begriff zusammenfassen und ihn benennen und dann im Umkehrschluss alles andere als "gesetzeswidrig ausschließen, - geht das gründlich fehl! Der klassische Denkfehler der Konstruktivisten: Wenn man 1.000 mal mit einem fest montierten Gewehr auf ein fest montiertes Ziel schießt - dann heisst das NICHT das der 1.001 te Schuss ebenfalls in's Ziel trifft! Es gibt immer nur gewisse velässliche Wahrscheinlichkeiten, die man als Gesetzmäßigkeiten betrachten und im Alltag erfolgreich einsetzen kann. Es macht manchmal (wohl meistens) auch Sinn von "Gesetzen" zu sprechen, wenn man nicht jedesmal wieder probieren will. Aber man darf eines nicht: Sich 100%ig darauf verlassen, das die Welt so konstruiert ist, das bei der nächsten "Anfrage" der universelle Wirklichkeitssimulator namens Universum wieder so antworten wird.

Nanna hat geschrieben:Was genau an (post)konstruktivistischer Literatur hast du denn so gelesen? Klingt nämlich nicht so wirklich vertraut, was du da behauptest.


Siehst Du - das meinte ich, wenn ich sage, man kann sich einiges "Geschwurbel" sparen, wenn man 'per Handlung' das Universum abfrägt ;-)
Nanna hat geschrieben:Die Fragen, die wir also an deinen Quantencomputer stellen, sind also immer schon durch unbewusste Übernahme gesellschaftlicher Vorurteile und kulturelle Vorprägungen beeinflusst. Sich dessen bewusst zu sein, ändert das eigene Verhalten bereits und ist für alles Emanzipatorische, was ja auch dein erklärtes Ziel ist, absolut notwendig.

Ist es nicht. Siehe oben: Betrug bleibt Betrug, Diebstahl bleibt Diebstahl - egal ob mit gesellschaftlichen Vorurteilen begangen oder emanzipatorischen. Zumindest sind Erstere wesentlich älter und in der Evolution wohl bereits vor dem auftreten des Menschen als "Handlungen" in der Evolution 'durchprobiert' worden. Würde mich schon sehr wunder, wenn das "trial and error"- Ergebnis des Universums unter Deiner Anfrage etwas anderes liefern würde.


Nanna hat geschrieben:Hätte mich auch gewundert, wenn es für die dezentrale Ordnung keine Ausnahmen gegeben hätte. ;-)

Ja, das hat System ;-)

Nanna hat geschrieben:Das bedeutet, dass wir als Menschen ein gerüttelt Maß an Gestaltungsmöglichkeit über unsere Gesellschaft haben - dies übrigens um so mehr, je produktiver die Gesellschaft wird (und Produktion ist mit einer effizienten Marktwirtschaft verbunden, nur ist diese halt ein Mittel zum Zweck, gegenüber dem ich keinerlei emotionale Sentimentalität empfinde; dasselbe gilt für den Staat).


Achtung: Produktivität ist nicht gleich Rentabilität! (Ich sage das nur weil das bei Sozialisten systematisch gleich gesetzt wird und daraus eklatante Fehlschlüsse entstehen, wenn es um 'notwendige Handlungen' geht)

Nanna hat geschrieben:Im Rahmen dieser Beschränkungen sind wir frei, uns als die Gesellschaft zu organisieren, die wir sein wollen - nicht die, die uns ein ominöser Quantencomputer nach dem trial-and-error-Prinzip aufträgt, zu sein.

..? der "universelle Wirklichkeitsimulator namens Universum" trägt uns gar nicht auf, wei wir zu sein haben!? Er beantwortet nur Fragen. U.a auch nach Leben und Tod. Du musst nicht leben wollen! Allerdings, wenn Du leben willst, dann ist es sinnvoll, sich mancher Antworten zu erinnern, die er das letzte mal gegeben hat.

Nanna hat geschrieben:. Aber es müssen eben genug (im Idealfall eigentlich alle) Beteiligte zustimmen, schließlich brauchen Verhaltensrichtlinien auch Akzeptanz. Übrigens schließt dies auch ein, Solidarität gegenüber den Schwachen zu zeigen, und da das Kollektiv, in dem wir leben, für reine Nachbarschafts- und Großfamilienhilfe viel zu komplex, widersprüchlich und nicht selten reichlich kontraintuitiv geworden ist, brauchen wir auch da eine gemeinschaftlich organisierte Hilfe.

Auch diese Frage lässt sich an den universellen QC stellen! Und ich denke es gab schon Antworten darauf, auf die man zurückgreifen kann....

Nanna hat geschrieben:Insofern gehört der Staat dazu, aus ganz pragmatischen Erwägungen, nicht wegen Erlösungs- oder Reinigungsfantasien oder sonstiger emotionaler Schwärmerei, die ich empfinden würde.


Es git viele Arten von Staaten: Vater? Nanny? Zentral? Sozial? ... - oder Minimal (unter "schärfster Beobachtung")?
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Re: Wo wollen wir als Gesellschaft hin?

Beitragvon provinzler » So 11. Aug 2013, 18:16

Nanna hat geschrieben:Es ging ja um die Frage, ob eine kleinteiligere Wirtschaftsform mit mehr Akteuren, die nach Realisierungswegen für Produktionsziele suchen, einer staatlich gelenkten Wirtschaft ("Planwirtschaft") überlegen ist. Ich streite das gar nicht grundsätzlich ab, mein Hinweis an der Stelle sollte lediglich sein, dass Kapitalismus als solcher nicht zwangsläufig kleinteilige Wirtschaftseinheiten hervorbringt, sondern genauso auf natürlichem Weg riesige Konglomerate ausbildet, die natürlich auch zentral gelenkt werden. Zentral gelenkte Weltkonzerne, und das war mein Punkt, sind häufig an Geldbeträgen, die sie bewegen (also über deren Einsatz und Verbleib sie mitentscheiden) und an Menschenmassen, die sie befehligen, größer als viele Staaten auf der Welt. Man muss sich also fragen, ob es wirklich nur Staaten sind, die zentralstrategisch über große Einheiten entscheiden, oder ob dieses Phänomen nicht auf dem freien Markt auch sozusagen ganz natürlich auftritt.

Wenn du alle Monopole streichst, die durch staatliche Intervention entstanden sind, bleiben nicht allzu viele übrig. Der bei weitem größte Teil fällt weg. Generell sind Monopole vor technologischer Weiterentwicklung nicht sicher, solange sie nicht vom Staat geschützt wird. Wusstest du das E-Mails Anfang der 90er in Deutschland wegen des Briefmonopols der Post noch legale Grauzone waren, ein Anbieter quasi immer mit einem Bein im Knast war? Die Eisenbahnen waren kaum monopolisiert als mit dem Automobil eine neue Konkurrenz aufkam.
Der Ölmarkt ist seit Beginn des 20. Jahrhundert bzw. seit Erfindung von Bohrkonzessionen nicht mehr wirklich privat, sondern Gegenstand massiver politscher Spielereien, in denen freilich auch einer Seite des Verhandlungstisches auch große Konzerne sitzen.
Ein Calouste Gulbenkian ist nicht deswegen reich geworden, weil er besonders viel über Ölförderung wusste, sondern weil er sehr bewandert im dreckigen Politspiel war.
Exxon und Shell sind im Vergleich zu den diversen Ölgesellschaften in staatlichen Händen (Aramco und Konsorten) eher kleine Fische.

Nanna hat geschrieben:Die Frage, die sich meines Erachtens für euch stellen würde, ist dann, ob solche Riesenkonzerne nicht in Teilen als Pseudostaaten gelten müssten und ob homogene Großkonzerne nicht ebenso eine Bedrohung für das freie Spiel der Marktkräfte wären wie der Staat. Das Paradoxon daran wäre eben, dass Großkonzerne sich aber eben im Kapitalismus (auch) natürlich gebildet haben und deshalb offensichtlich einen möglichen Regelfall darstellen.

Dazu gibt es unterschiedliche Ansätze. Die Frage ist, ob und inwieweit der Staat diese Großkonzerne vor neuer Konkurrenz schützt, letztlich auf Kosten des Verbrauchers. Es ist schlichtweg pervers wenn die EU Microsoft dafür abstraft, dass sie ihren Usern nicht sagen, dass es auch noch andre Browser als den Internet Explorer gibt (bin als Aktionär betroffen), für den jeder nach Gutdünken und kostenlos eine Alternative finden kann, der einen positiven IQ hat, gleichzeitig aber andernorts Konzerne durch Regulierung und andre Maßnahmen vor Konkurrenz schützen, oder vorhandene kleinere Wettbewerber durch aufgezwungen Bürokratisierung aus dem Wettbewerb zu drängen. Ab die kleinen Wettbewerber haben halt keine Posten für die Obermafiosi...
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Re: Wo wollen wir als Gesellschaft hin?

Beitragvon Gandalf » So 11. Aug 2013, 18:45

Nanna hat geschrieben:Die Frage, die sich meines Erachtens für euch stellen würde, ist dann, ob solche Riesenkonzerne nicht in Teilen als Pseudostaaten gelten müssten und ob homogene Großkonzerne nicht ebenso eine Bedrohung für das freie Spiel der Marktkräfte wären wie der Staat. Das Paradoxon daran wäre eben, dass Großkonzerne sich aber eben im Kapitalismus (auch) natürlich gebildet haben und deshalb offensichtlich einen möglichen Regelfall darstellen.


Libertäre unterscheiden im Etatismus die Klassen anders, als das etwa Sozialisten selbst tun (http://docs.mises.de/Blankertz/Manifest.pdf 130ff)

So sind die "Kaptialistenklasse" und die "Staatskapitalisten" zwei paar Stiefel. Letztere generieren neben Wohlstand auch Ausbeutungsprofite mittels politishem Einfluss. Ein freier Markt ist jedoch nur einer wenn keine politischen Einflüsse vorliegen

Blankertz dazu: "Prinzipiell könnten alle Personen der unterdrückten, produktiven Klasse in die Staatskapitalistenklasse überführt werden. Praktisch ist das nicht möglich, da dann niemand mehr ausgebeuet werden könnte, der Ausbeutungsprofit würde dann gegen null sinken."
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Re: Wo wollen wir als Gesellschaft hin?

Beitragvon stine » Fr 13. Sep 2013, 15:38

Ein Blick in unsere Zukunft:

http://www.zeit.de/2013/37/frankreich-k ... foerderung

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Re: Wo wollen wir als Gesellschaft hin?

Beitragvon Gandalf » Fr 13. Sep 2013, 16:50



Zitat: " Frauen fühlen sich zunehmend entfremdet von ihren Kindern."

..warum sollte das nur auf Frauen zutreffen?

Aber das war ja schon immer der Traum aller Sozialisten: Die Kindereziehung in die Hand bekommen, um den "perfekten Menschen" für den Sozialismus zu konstruieren, um die 'Un-Perfekten' nicht immer auf die "harte Mehtode" entsorgen zu müssen, die einem geschichtlich nachgetragern wird. Da aber die Geschichte stets von den Siegern geschrieben wird, muss man eben halt schon beim schreibenlernen anfangen. Auf perverse Weise "genial": So wird also der Sozialismus doch noch zum Sieger.

Ferner finde ich es einerseits unglaublich dreist und andererseits faszinierend: Selbst totalitäre Regime hatten immer ihre Probleme damit die Familien zu zerstören, um das gewünschte (herrschaftsgläubige) Menschenbild zu installieren. In unserer gegenwärigen Pseudodemokratie unter der Herrschaft der Gutmenschen geht das um einiges schneller.
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Re: Wo wollen wir als Gesellschaft hin?

Beitragvon stine » Sa 14. Sep 2013, 09:34

Das Schlimme @gandalf: Die Generation um die 30 ist der Parole längst auf den Leim gegangen!

:( stine
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Re: Wo wollen wir als Gesellschaft hin?

Beitragvon Nanna » Sa 14. Sep 2013, 11:23

Das, oder wir sind halt gezwungen arbeiten zu gehen, weil wir Kinder und eure Rente finanzieren müssen. Wir sollen Kinder kriegen wie blöd, aber wirtschaftlich weiterhin das Land am Laufen halten, wenn in ein paar Jahren gefühlt die Hälfte der Bevölkerung in Rente geht. Klar, wenn man nach drei Jahren Babypause problemlos in den Job einsteigen könnte, wär's ja nicht so schlimm, aber da wird man von den wenigsten Arbeitgebern genommen, am wenigsten übrigens von denen, die dem konservativen Familienbild anhängen.

Das Geld muss halt irgendwo herkommen.
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Re: Wo wollen wir als Gesellschaft hin?

Beitragvon stine » Sa 14. Sep 2013, 11:54

Du siehst das falsch, @Nanna - und sowieso baust du dir gerade ein falsches Feindbild auf. Die Rentner, zu denen ich übrigens (noch) nicht gehöre, können nichts dafür, dass politisch immer noch am Generationenprinzip festgehalten wird. Man hätte das System längst umbauen müssen und zwar zu Zeiten, wo dies noch mit wenig Aufwand möglich gewesen wäre.
Zudem quält die Jugend eine ständig steigende Erwartungshaltung in Punkto Konsum und Lebensverwirklichung. Mütter oder Väter, die noch vor Jahren ihrer Kinder wegen zu Hause geblieben sind und dem Alleinverdienerprinzip vertrauten, mussten mit einem wesentlich kleineren Haushaltsbudget auskommen, als junge Eltern das heute tun. Es gab weder Kindergeld noch sonstige Zuzahlungen. Man hat gelernt zu wirtschaften.

ME ist auch der Ansatz falsch, einem ständigen Wachstum hinterher zu jagen. Das ist eine Rechnung, die zwangsläufig immer die bezahlen müssen, die gerade im Erwerbsleben stehen. Sie gehen nicht für sich arbeiten, sondern für den Staat. Die Lohnnebenkosten sind so hoch wie nie und fast jeder zweite Euro wandert in die Tasche der politischen Umverteiler.

Ich setze auf Eigenverantwortlichkeit und auf die Wahlfreiheit, wie ich mein Leben gestalten möchte.

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Re: Wo wollen wir als Gesellschaft hin?

Beitragvon Nanna » Sa 14. Sep 2013, 12:57

stine hat geschrieben:Du siehst das falsch, @Nanna - und sowieso baust du dir gerade ein falsches Feindbild auf. Die Rentner, zu denen ich übrigens (noch) nicht gehöre, können nichts dafür, dass politisch immer noch am Generationenprinzip festgehalten wird. Man hätte das System längst umbauen müssen und zwar zu Zeiten, wo dies noch mit wenig Aufwand möglich gewesen wäre.

Naja, ob dem Einzelnen etwas vorzuwerfen ist, ist immer eine andere Frage, aber es ist genau die Babyboomer-Generation gewesen, die zu wenig Kinder bekommen hat, damit das Generationenprinzip noch funktionieren könnte UND die das System nicht geändert haben. Eine gesellschaftliche Debatte, wie es sie beispielsweise in der Frage der Umweltzerstörung gegeben hat und wo sehr fruchtbare Ergebnisse erzielt wurden (was belegt, dass zukunftsorientiertes Denken durchaus gesamtgesellschaftlich geht), hat es zum demografischen Wandel nie gegeben. Klar wäre zuerst die Politik gefragt gewesen, andererseits hat sich auch sonst kaum jemand ausreichend engagiert, das Thema auf die Agenda zu setzen.

Ich bin nicht wütend auf die (baldigen und derzeitigen) Rentner, dafür habe ich viel zu viele davon in meinem Umfeld, die mir sehr wichtig sind. Ich bin aber etwas dünnhäutig, wenn meiner mengenmäßig und damit auch politisch schwachen Generation vorgeworfen wird, sie würde sich nicht prinzipientreu genug zeigen. Es ist schon eure Generation, die nach wie vor die politische Macht im Land hat, die Umstände zu verändern. Wir brauchen halt auch die Unterstützung der Älteren, wenn wir Geld erwirtschaften und Kinder kriegen unter einen Hut bringen sollen. Und dabei müssen du und deine Generation schon auch akzeptieren, dass das Modell lebenslanger Bindung mit einem Alleinverdiener für uns seine Attraktivität verloren hat. Anstatt reflexhaft "Sozialismus!" zu schreien und allen zu erklären, dass in diesem Land sowieso alles ganz anders gehört und und dabei ein bisschen ulkig auszusehen könnten wir ja mal über pragmatische Lösungen für diese Lage nachdenken. Ich finde ja persönlich eine Stärkung von nachbarschaftlicher Hilfe attraktiv, Mehrgenerationenhäuser usw., alles was halt die Großfamilienstrukturen ein Stück weit ersetzen kann. Und Tagesmütter und Kitas gehören da genauso dazu.

stine hat geschrieben:Zudem quält die Jugend eine ständig steigende Erwartungshaltung in Punkto Konsum und Lebensverwirklichung. Mütter oder Väter, die noch vor Jahren ihrer Kinder wegen zu Hause geblieben sind und dem Alleinverdienerprinzip vertrauten, mussten mit einem wesentlich kleineren Haushaltsbudget auskommen, als junge Eltern das heute tun. Es gab weder Kindergeld noch sonstige Zuzahlungen. Man hat gelernt zu wirtschaften.

Ja, das mag alles sein, aber diese Zeiten sind vorbei. Davon abgesehen war der Erziehungsstil früher häufig deutlich autoritärer, was genauso Bindungsprobleme erzeugt hat. Die alte Zeit war nicht unbedingt besser, und ob junge Leute heute generell schlechter wirtschaften ist jetzt auch mal dahingestellt. Die Ansprüche sind gestiegen, keine Frage, und das führt manchmal zu einem Verlust von Gelassenheit. Ich sehe es aber auch als wichtig an, dass Eltern sich selbst nicht vergessen und nicht nur um's Kind kreisen. Unzufriedene Eltern, die dem Kind alles unterordnen, sind auch nicht gut. Darüber hinaus ist es ja häufig auch der Wunsch, den Kindern etwas bieten zu können, der die Eltern antreibt, und nicht nur der Wunsch nach eigenem Konsum. Ich finde, dass man das alles nicht so schwarz-weiß betrachten kann.

stine hat geschrieben:ME ist auch der Ansatz falsch, einem ständigen Wachstum hinterher zu jagen. Das ist eine Rechnung, die zwangsläufig immer die bezahlen müssen, die gerade im Erwerbsleben stehen. Sie gehen nicht für sich arbeiten, sondern für den Staat. Die Lohnnebenkosten sind so hoch wie nie und fast jeder zweite Euro wandert in die Tasche der politischen Umverteiler.

Naja, gerade die Mittelklasse kriegt am Ende auch wieder viel von diesem Geld an Förderungen heraus. Ich finde aber ein Runterziehen der Debatte auf die fundamentale Frage "Sozialstaat ja oder nein?" nicht besonders hilfreich für diejenigen, die jetzt jung sind und Kinder kriegen wollen. Das Streben nach der idealen gesellschaftspolitischen Lösung darf keine Ausrede dafür werden, dass man inaktiv bleibt, weil man den status quo als solchen grundlegend ablehnt.

stine hat geschrieben:Ich setze auf Eigenverantwortlichkeit und auf die Wahlfreiheit, wie ich mein Leben gestalten möchte.

Wahlfreiheit haben wir nur, wenn wir bereit sind, uns die gegenseitig einzuräumen. Und da eine Gesellschaft eben immer auch mehr ist als nur eine zufällige Ansammlung von Individuen, sondern auch gesamtgesellschaftliche Entwicklungen (z.B. die Kinderzahl) berücksichtigt werden müssen, kann Wahlfreiheit nicht grenzenlos gewährt werden (da bin ich übrigens im Einklang mit großen Liberalen wie J. S. Mill). Ich kann nicht gleichzeitig für irrsinnige Rentenaufwendungen arbeiten, Kinder großziehen und dann noch Wahlfreiheit haben. Wir wäre es denn, wenn die Rentnergeneration nicht jedesmal so herzzerreißend weinen würde, wenn jemand über ein Anheben des Renteneintrittsalters (häufig sowieso erst für diejenigen, die 15 Jahre später kommen) spricht und es dafür nicht grundsätzlich ignorieren würde, wenn beispielsweise durch G8 und Bologna die Lebensarbeitszeit der Jungen um Jahre verlängert wird - nur mal so ein Beispiel, wo die ältere Generation auch etwas abgeben könnte. Stattdessen herrscht aber nicht selten die Haltung vor, man habe ja sein Leben für die Rente gearbeitet und es jetzt gefälligst verdient, noch 20 Jahre lang die Welt zu bereisen. Altersarmut betrifft so viele in der derzeitigen Generation nämlich nicht.
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Re: Wo wollen wir als Gesellschaft hin?

Beitragvon stine » Sa 14. Sep 2013, 14:46

Nanna hat geschrieben:Stattdessen herrscht aber nicht selten die Haltung vor, man habe ja sein Leben für die Rente gearbeitet und es jetzt gefälligst verdient, noch 20 Jahre lang die Welt zu bereisen. Altersarmut betrifft so viele in der derzeitigen Generation nämlich nicht.
Diese Beobachtung mache ich allerdings auch und ich bin durchaus der Meinung, dass unsere älteren Mitbürger oft weniger selbstgefällig sein sollten. Auch die, die mit Mitte 50 in den Vorruhestand geschickt wurden haben es meistens immer noch ganz gut getroffen.

Eine Lösung wäre tatsächlich die Aufteilung der Familienarbeit wieder in die Familien selbst zu transferieren. Die rüstige Oma kann ruhig auch mal auf die Kleinen aufpassen, um der Tochter oder Schwiegertochter damit den Arbeitsplatz zu sichern. Aber genau das braucht auch Familiensinn und deswegen ist es falsch, wenn du Lebensmodelle die dahinzielen für veraltet erklärst.

Nanna hat geschrieben:Und Tagesmütter und Kitas gehören da genauso dazu.
Ja, das tun sie. Aber nicht in dem Maße, wie heute danach geschrien wird. Ich bedaure alle Mütter und Kinder, die sich dieser Trendmaschine beugen müssen.

Ich persönlich frage mich sowieso, weshalb ich als Frau ein Kind gebären sollte, wenn ich weder Familie, noch Zeit dazu habe, es großzuziehen und zu betreuen. Alleinerziehende, berufstätige Mütter bilden ja, wenn man den politischen Aussagen trauen sollte, derzeit das Gros der Mütter ab.
Man könnte das Kinderkriegen auch ganz lassen und auf junge Zuwander hoffen, die noch aus Ländern kommen, wo sie eine relaxte Kindheit haben durften.

Schulzeiten kontinuierlich zu verkürzen, um die Lebensarbeitszeit zu verlängern ist nichts anderes, als die Menschen für eine funktionierende Wirtschaft zu verheizen.

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Re: Wo wollen wir als Gesellschaft hin?

Beitragvon Nanna » Sa 14. Sep 2013, 15:06

stine hat geschrieben:Eine Lösung wäre tatsächlich die Aufteilung der Familienarbeit wieder in die Familien selbst zu transferieren. Die rüstige Oma kann ruhig auch mal auf die Kleinen aufpassen, um der Tochter oder Schwiegertochter damit den Arbeitsplatz zu sichern. Aber genau das braucht auch Familiensinn und deswegen ist es falsch, wenn du Lebensmodelle die dahinzielen für veraltet erklärst.

Ich sage nicht, dass man ein familienbezogenes Modell nicht leben können sollen darf, ganz im Gegenteil. Aber es gibt viele Gründe gegen das Alleinverdienermodell. Scheidungen, Unfälle, Krankheit, Tod des Alleinverdieners, es gibt einfach zu viele Fälle, in denen die Frau, die ja meist die Rolle der Daheimbleibenden übernimmt, am Ende allein und ohne Einkommen da steht. Auch ist ein gewisser Lebensstandard halt einfach nur durch Doppelverdienst zu ermöglichen und ich finde, dass man diesen Lebensstandard auch haben wollen darf. Es gehört ja durchaus auch das Gefühl von Selbstständigkeit und Weiterentwicklung im Beruf zum Lebensstandard, ganz unabhängig von materiellen Zugewinnen.

Es ist toll, wenn es eine rüstige Oma gibt, die mit auf die Kinder aufpasst, nur kommt das halt nicht für alle in Frage. Gerade junge Familien können nicht unbedingt auf Verwandte in der Gegend zurückgreifen, weil sie von Berufs wegen weit weg vom Geburtsort leben.

stine hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Und Tagesmütter und Kitas gehören da genauso dazu.
Ja, das tun sie. Aber nicht in dem Maße, wie heute danach geschrien wird. Ich bedaure alle Mütter und Kinder, die sich dieser Trendmaschine beugen müssen.

In welchem Maße denn? Was ist deine Alternative?

stine hat geschrieben:Ich persönlich frage mich sowieso, weshalb ich als Frau ein Kind gebären sollte, wenn ich weder Familie, noch Zeit dazu habe, es großzuziehen und zu betreuen. Alleinerziehende, berufstätige Mütter bilden ja, wenn man den politischen Aussagen trauen sollte, derzeit das Gros der Mütter ab.

Das heißt doch alles nicht, dass man keine erfüllende Zeit mit dem Kind haben kann. Es ist ja gerade meine Generation, die mit größerem Nachdruck als unsere Vorgängergeneration auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf pocht. Auch Materielles ist dieser Generation nicht mehr im selben Maß wichtig, weil wir mit der Sharing-Kultur des Internets aufgewachsen sind.

stine hat geschrieben:Man könnte das Kinderkriegen auch ganz lassen und auf junge Zuwander hoffen, die noch aus Ländern kommen, wo sie eine relaxte Kindheit haben durften.

Ja, das klingt nach 'ner Lösung...

stine hat geschrieben:Schulzeiten kontinuierlich zu verkürzen, um die Lebensarbeitszeit zu verlängern ist nichts anderes, als die Menschen für eine funktionierende Wirtschaft zu verheizen.

Sag ich doch.
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Re: Wo wollen wir als Gesellschaft hin?

Beitragvon stine » Sa 14. Sep 2013, 17:03

Nanna hat geschrieben:Das heißt doch alles nicht, dass man keine erfüllende Zeit mit dem Kind haben kann.
Das klingt für mich so, als wäre das Kind dazu da, seine Eltern in der Restzeit, also zwischen Arbeit und Lebensorganisation, zusätzlich zu bespaßen. Ein Kind ist ein Mensch, der in die Welt gesetzt wird und von Beginn an das Recht auf Zuwendung hat. Sonst wäre es besser, sich einen Hund anzuschaffen.

Nanna hat geschrieben:In welchem Maße denn? Was ist deine Alternative?
Ich sag dir in welchem Maße: In meinem engsten Umfeld sind im letzten Jahr drei städtische Kinderkrippen gebaut worden, das macht Summasumarum 12 Krippengruppen, á 6 Gruppenkinder für das Alter von 0 bis 3 Jahren. Ich frage mich, wenn diese Kinder drei geworden sind, wo die dann ihren Kindergartenplatz finden werden, geschweige denn, ab Grundschule ihren Hortplatz. Ein Krippenplatz ist hier mit bis zu ca. 1000.- € monatlich dotiert. Also da kannst du mir nicht erzählen, dass sich selbst Doppelverdiener das so leicht aus dem Ärmel schütteln. Es ist der Krippenhype, der hierzulande grassiert. Wichtelakademie und Co machen derzeit Furore.
Alternative: Eine dreijährige Erziehungspause, je zur Hälfte für jeden Elternteil.

Nanna hat geschrieben:weil sie von Berufs wegen weit weg vom Geburtsort leben.
Natürlich kann das nicht der Regelfall sein, dass man Großeltern zur Hand hat, aber glaubst du, dass künftig generationenübergreifend überhaupt noch etwas familiäres stattfindet? Wenn jede Generation für sich den Tagesablauf gestaltet, dann bleibt das auch weiterhin alles fein säuberlich getrennt. Kinder in die außerhäusliche Betreuung, mittleres Alter in die Jobs und die Alten auf Mallorca oder in die Altenaufbewahrung.

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Re: Wo wollen wir als Gesellschaft hin?

Beitragvon Nanna » Sa 14. Sep 2013, 17:18

stine hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Das heißt doch alles nicht, dass man keine erfüllende Zeit mit dem Kind haben kann.
Das klingt für mich so, als wäre das Kind dazu da, seine Eltern in der Restzeit, also zwischen Arbeit und Lebensorganisation, zusätzlich zu bespaßen. Ein Kind ist ein Mensch, der in die Welt gesetzt wird und von Beginn an das Recht auf Zuwendung hat. Sonst wäre es besser, sich einen Hund anzuschaffen.

Ich weiß nicht, wo du da eine Richtung herausliest. Es gibt gemeinsame Zeit, die sollte so erfüllend für die ganze Familie gestaltet werden, wie es eben geht, und es gibt Zeit allein, in der die Eltern eigenen Angelegenheiten nachgehen (v.a. Geld erwirtschaften) und das Kind lernt, spielt oder von Anderen beschäftigt wird.

stine hat geschrieben:Alternative: Eine dreijährige Erziehungspause, je zur Hälfte für jeden Elternteil.

Bin ich von der Idee her dabei, aber das heißt halt auch eineinhalb Jahre Ausstieg aus dem Beruf. In nicht wenigen Berufen braucht man danach gar nicht mehr einzusteigen.

stine hat geschrieben:Natürlich kann das nicht der Regelfall sein, dass man Großeltern zur Hand hat, aber glaubst du, dass künftig generationenübergreifend überhaupt noch etwas familiäres stattfindet? Wenn jede Generation für sich den Tagesablauf gestaltet, dann bleibt das auch weiterhin alles fein säuberlich getrennt. Kinder in die außerhäusliche Betreuung, mittleres Alter in die Jobs und die Alten auf Mallorca oder in die Altenaufbewahrung.

So lange man nicht am selben Ort lebt, sondern je nach Lebenssituation den Wohnort wechselt, ist das heute und auch in Zukunft der Regelfall, ja. Wir leben halt nicht mehr in Dorfstrukturen. Vielleicht lässt die zunehmende Vernetzung in Zukunft ortsunabhängigeres Arbeiten zu und ermöglicht dadurch mehr familiäres Zusammenleben.
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Re: Wo wollen wir als Gesellschaft hin?

Beitragvon stine » Sa 14. Sep 2013, 18:46

Nanna hat geschrieben:...und es gibt Zeit allein, in der die Eltern eigenen Angelegenheiten nachgehen (v.a. Geld erwirtschaften) und das Kind lernt, spielt oder von Anderen beschäftigt wird.
Gilt für Kinder von 0 bis 3, an wie vielen Stunden pro Tag?
Nanna hat geschrieben:eineinhalb Jahre Ausstieg aus dem Beruf. In nicht wenigen Berufen braucht man danach gar nicht mehr einzusteigen.
Eineinhalb Jahre? Nenn mir einen Beruf, der diese Pause nicht aushält!
Nanna hat geschrieben: Vielleicht lässt die zunehmende Vernetzung in Zukunft ortsunabhängigeres Arbeiten zu und ermöglicht dadurch mehr familiäres Zusammenleben.
Vielleicht, ja. Aber auch wenn nicht, ist das kein Grund auf Familie zu verzichten. Es gibt jede Menge Wochenendheimfahrer und Fernpendler. Gerade du betonst doch, dass das Berufsleben einen gewissen Aufwand erfordert. Also warum nicht auch diesen?

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Re: Wo wollen wir als Gesellschaft hin?

Beitragvon provinzler » Sa 14. Sep 2013, 19:15

stine hat geschrieben: können nichts dafür, dass politisch immer noch am Generationenprinzip festgehalten wird.

Jedenfalls einiges mehr als unsere Generation, denn in den Wahlen vor 30-50 Jahren, in denen die Parteien gewählt wurden, die diese Weichen absehbar(!) Richtung Abgrund stellten, hatten wir noch kein Stimmrecht, im Unterschied zu euch.

stine hat geschrieben:Zudem quält die Jugend eine ständig steigende Erwartungshaltung in Punkto Konsum und Lebensverwirklichung.

Ersteres sicherlich, wenigstens in bestimmten Gesellschaftsschichten. Gerade die mit Papas Geld shoppenden Einzelkind-Mädels. Da hab ich oft so meine Zweifel, ob die je soviel selber verdienen werden um diesen Irrsinn aufrecht zu erhalten.


Nanna hat geschrieben: Und dabei müssen du und deine Generation schon auch akzeptieren, dass das Modell lebenslanger Bindung mit einem Alleinverdiener für uns seine Attraktivität verloren hat.

Wobei das nicht zuletzt auch mit der in den letzten Jahren stark veränderten Gesetzeslage (Scheidungs-/Unterhaltsrecht) und dem außen aufgebauten Druck sich in einer bestimmten Weise zu erhalten zusammenhängt. Ich kenne einige junge Frauen, die nur und nur deswegen Lehramt studieren, weil sie da, wenn mal verbeamtet, ohne jede Schwierigkeit mehrere Jahre Familienpause einlegen können und garantiert wieder in den Job zurück können, sobald die Kinder aus dem Gröbsten raus sind. Außerdem glaub ich siehst du das gane ein bisschen sehr aus der Akademikerwarte, die aber nur einen kleinen Teil der Gesellschaft darstellen.

Nanna hat geschrieben:Altersarmut betrifft so viele in der derzeitigen Generation nämlich nicht.

Und da kann ich mir den Hinweis auf die Armutsdefinition nicht verkneifen. Bei unserer demografischen Situation ist nämlich wachsende Armut mathematisch garantiert, selbst wenn wir 100% Reallohnsteigerung pro Jahr haben. Warum?
Weil sich die Rentenversicherung auf eine ganz einfache Gleichung bringen lässt.

Anzahl Einzahler * Einzahlungsbetrag = Anzahl Empfänger * Auszahlungsbetrag

Der Einzahlungsbetrag ist proportional zur Arbeitslohnhöhe.
Daraus kann man ablesen, dass ein ungünstigeres Verhältnis von Einzahlern zu Empfänger zwangsläufig auch das Verhältnis Einzahlungsbetrag/Lohnhöhe zu Auszahlungsbetrag verschiebt. Da wir Armut letzlich relativ zur durchschnittlichen Lohnhöhe definieren ist damit mehr Armut garantiert, sobald sich das Verhöltnis verschiebt.

stine hat geschrieben:Die rüstige Oma kann ruhig auch mal auf die Kleinen aufpassen, um der Tochter oder Schwiegertochter damit den Arbeitsplatz zu sichern.

Dazu muss die moderne Oma aber auch dazu bereit sein. Wenn die sich lieber von der guten Rente die Welt ansieht, hast als junger Mensch auch wieder die Arschkarte. Denn eins kann man definitiv sagen. In der Generation 60+ haben sich die Ansprüche an Konsum und "Selbstverwirklichung" mindestens im selben Maß erhöht, wie dus den jungen Leuten vorwirfst.
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Re: Wo wollen wir als Gesellschaft hin?

Beitragvon Gandalf » Sa 14. Sep 2013, 19:44

Nanna hat geschrieben:Das, oder wir sind halt gezwungen arbeiten zu gehen, weil wir Kinder und eure Rente finanzieren müssen.

..interessant... - Wer zwingt Dich dazu?

Nanna hat geschrieben: Klar, wenn man nach drei Jahren Babypause problemlos in den Job einsteigen könnte, wär's ja nicht so schlimm, aber da wird man von den wenigsten Arbeitgebern genommen, am wenigsten übrigens von denen, die dem konservativen Familienbild anhängen.


Woran liegt das? ..und warum meinst Du das (Konservative) Arbeitgeber lieber Leute einstellen, die ähnlich denken wie sie selbst?


Nanna hat geschrieben:Das Geld muss halt irgendwo herkommen.

Genau. Es entsteht in einer Marktwirtschaft durch Arbeitsteilung. Einer Teilung von Arbeit, die rentabel ist.... (daher gab/gibt es in einem Sozialismus auch nie werthaltiges Geld. Nur (Geld.-)Illusionen)

Nanna hat geschrieben:Ich bin aber etwas dünnhäutig, wenn meiner mengenmäßig und damit auch politisch schwachen Generation vorgeworfen wird, sie würde sich nicht prinzipientreu genug zeigen.

Es geht nicht um "Prinzipientreue", auch wenn das (aus Unwissenheit) wohl manchmal so formuliert wird. Es geht imho darum das in der Schule nicht mal mehr die rudimentärsten ökonomischen Gesetze und damit auch "Moral" vermittelt wird. Grundlegende Beziehungen werden in einem (unbegründeten) Machbarkeitswahn dekonstruiert, d.h. zerstört, weil man glaubt, es "neu und besser" zusammenbauen zu können. Das "Neue (intellektuelle) Konstrukt" ist jedoch mit (sehr) großer Wahrscheinlichkeit nicht besser als das, was sich in Millionen von Jahren in vielfältigen Varianten als tragfähig erweisen hat, weil es durch das "Fegefeuer" der (physischen) Auslese ging.

Nanna hat geschrieben:Wir brauchen halt auch die Unterstützung der Älteren, wenn wir Geld erwirtschaften und Kinder kriegen unter einen Hut bringen sollen.

Lernt zunächst dazu das kleine 1x1 der Ökonomie. Das Problem wird jedoch sein: Auch die allermeisten Älteren haben das nicht bewusst gelernt, sie haben imho nur öfters richtig (erfolgreich) gehandelt, bzw. ihnen wurde nach dem Krieg zumindest in West-D die Chance dazu gegeben. (Meiner Tochter habe ich das Buch hier mit nach Indien mitgegeben. Was ich nur jedem "Jungen" empfehlen und möglicherweise ein ganzes Volks- und Betriebswirtschaftsstudium ersetzen kann, wenn es um die "Brauchbarkeit im Leben" geht)

Nanna hat geschrieben:Ich finde ja persönlich eine Stärkung von nachbarschaftlicher Hilfe attraktiv, Mehrgenerationenhäuser usw., alles was halt die Großfamilienstrukturen ein Stück weit ersetzen kann. Und Tagesmütter und Kitas gehören da genauso dazu.


Vorsicht!
Hayek, bzw. alle Libertäre 'warnen' ganz bewusst und nicht ohne Grund davor, die 'persönliche Sphäre' (in der Gemeinschaftseigentum und 'Beziehungswirtschaft' herrscht) mit der 'öffentlichen Sphäre' (in der Arbeitsteilung und 'Geldwirtschaft herrscht), - zu vermengen. Tut man dies (wie es gegenwärtig geschieht) - zerstört man unweigerlich Beide. Auch das ist ein Ziel des Sozialismusm: Die (primitive) "Hordengesellschaft". Die unterschiedlichen Sphären (und damit Freiheit und Wohlstand) wieder neu entstehen zu lassen benötigt duldsame Zeit (oder Katastrophen, die sich keiner wünschen kann)

Nanna hat geschrieben:Naja, gerade die Mittelklasse kriegt am Ende auch wieder viel von diesem Geld an Förderungen heraus.

Nur ein Bruchteil dessen was sie "einzahlt" (Wozu auch die vielen ehrenamtlichen Tätigkeiten zählen, die seltsamerweise nicht von denen geleistet wird, die vlt "mehr Zeit" dazu hätten, - und wie es im Bild des "neu gestalteten Menschen" vorgesehen ist). Der Rest bleibt bei den Schmarotzern dieses Systems.

stine hat geschrieben:Schulzeiten kontinuierlich zu verkürzen, um die Lebensarbeitszeit zu verlängern ist nichts anderes, als die Menschen für eine funktionierende Wirtschaft zu verheizen.

..das ist es ja eben NICHT! Sie werden nicth für eine "funtkionierende" Wirtschaft verheizt- sondern sie werden 'in einer zusehends ineffizienten, unrentablen Wirtschaft aufgerieben'!
Würde nämlich die Wirtschaft "funktionieren dürfen", wäre das Geld nicht verfallen und der geforderte Mindestlohn von 10 Euro (= 20 DM) nämlich weithin so ausreichend, wie er von 30 Jahren für eine Familie mit einem Alleinverdiener ausreichte. (oder jeder von uns müsst efür seien Lebensunterhalt nur noch 20 Stunden/Woche arbeiten)

Wer ist aber nun daran "Schuld", das der Lohn nicht mehr reicht? Denn Naturkatastrophen o.ä. gab es nicht, die den Kapitalstock haben erodieren lassen (nur die Qualität und Höhe des Kapitalstockes bestimmt das volkswirtschaftliche Lohnniveau)?

Wer ist also dafür verantwortlich, dass das Geld nicht mehr reicht, bzw. seine Kaufkraft verloren hat?
(Wie ihr Euch vlt. denken könnt: Ich tippe darauf, das es diejenigen sind, die vorgeben, mittels (Umverteilungs-)Politik genau dies verhindern zu können und uns "paradiesische Zustände" versprechen)

Grüße
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Re: Wo wollen wir als Gesellschaft hin?

Beitragvon stine » So 15. Sep 2013, 11:58

provinzler hat geschrieben:
stine hat geschrieben: können nichts dafür, dass politisch immer noch am Generationenprinzip festgehalten wird.

Jedenfalls einiges mehr als unsere Generation, denn in den Wahlen vor 30-50 Jahren, in denen die Parteien gewählt wurden, die diese Weichen absehbar(!) Richtung Abgrund stellten, hatten wir noch kein Stimmrecht, im Unterschied zu euch.
Wer ist EUCH? :o0:
Ich fühle mich unschuldig, auch wenn ich mich nicht mehr zu den Dreißigjährigen zähle.

Gandalf hat geschrieben:..das ist es ja eben NICHT! Sie werden nicth für eine "funtkionierende" Wirtschaft verheizt- sondern sie werden 'in einer zusehends ineffizienten, unrentablen Wirtschaft aufgerieben'!
Bild Natürlich, so kann man das verschärft ausdrücken!

provinzler hat geschrieben:Dazu muss die moderne Oma aber auch dazu bereit sein. Wenn die sich lieber von der guten Rente die Welt ansieht, hast als junger Mensch auch wieder die Arschkarte. Denn eins kann man definitiv sagen. In der Generation 60+ haben sich die Ansprüche an Konsum und "Selbstverwirklichung" mindestens im selben Maß erhöht, wie dus den jungen Leuten vorwirfst.
Hier bin ich ja mit dir einer Meinung. Die Generation 60+ hat das Gefühl "ihre Rente für sich selbst eingezahlt" zu haben. Ich kenne einige, die immer ein bisschen naiv tun, wenn man auf den Generationenvertrag anspricht.

LG stine
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Re: Wo wollen wir als Gesellschaft hin?

Beitragvon Nanna » So 15. Sep 2013, 12:36

stine hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:...und es gibt Zeit allein, in der die Eltern eigenen Angelegenheiten nachgehen (v.a. Geld erwirtschaften) und das Kind lernt, spielt oder von Anderen beschäftigt wird.
Gilt für Kinder von 0 bis 3, an wie vielen Stunden pro Tag?

Idealerweise sind die Eltern natürlich so lange wie möglich für das Kind da. Wie viele Stunden das letztlich werden, keine Ahnung. Frag mich in dreieinhalb Jahren, dann sag ich dir einen Erfahrungswert. ;-)

stine hat geschrieben:Eineinhalb Jahre? Nenn mir einen Beruf, der diese Pause nicht aushält!

In allen schnelllebigen Berufen, wie z.B. der IT-Industrie hast du schon nach einem Jahr böse den Anschluss verloren. Der Satz gilt aber auch für so ziemlich alle Karriereberufe. Man verliert das aktuelle Wissen, das berufliche Netzwerk schläft ein, der Arbeitgeber schreibt einen zugunsten eines Kinderlosen ab, der die ganzen nervigen Verpflichtungen alle nicht hat. Der finanzielle Verlust lässt sich später so leicht nicht mehr aufholen, weil in der Karriereleiter einfach eineinhalb Sprossen fehlen. Nun ist mir das damit verlorene Prestige nicht so wichtig und auch die Lohnsteigerung ist für mich persönlich nicht derart relevant. Aber wenn ich aus Sicht des Familienvaters denke, dann will ich schon einigermaßen viel Geld nach Hause zu bringen, um meinen Kindern später an Bildung viel ermöglichen zu können. Da ist es doch ironisch, dass Eltern, die das Geld für ihre Kinder viel nötiger hätten als Kinderlose, nicht die Möglichkeiten haben, genau dieses Geld zu erwirtschaften.

Ich sage also keinesfalls, dass Kinderkriegen keine Opfer bedeutet. Ich persönlich bringe die auch gerne. Aber wenn wir es auch mal andersrum betrachten, dann frage ich mich, ob wir wollen sollten, dass die Verantwortlichen in unserer Gesellschaft am Ende diejenigen sind, die keine Erfahrung mit Kindern und Familie haben, weil nur die Kinderlosen es nach oben schaffen. Am Ende regieren in Staat und Unternehmen dann diejenigen, die keine Ahnung von der Realität eines Lebens mit Familie haben über diejenigen, die sich damit den ganzen Tag herumschlagen und das Geld für relevante Sachen und nicht den nächsten Selbsterfahrungstrip brauchen.

stine hat geschrieben:Vielleicht, ja. Aber auch wenn nicht, ist das kein Grund auf Familie zu verzichten. Es gibt jede Menge Wochenendheimfahrer und Fernpendler. Gerade du betonst doch, dass das Berufsleben einen gewissen Aufwand erfordert. Also warum nicht auch diesen?

Ich kann da nur für mich antworten. Ich bin dazu sicherlich bereit und bei mir wird die Familie auch an erster Stelle stehen. Allerdings bedeutet das halt auch, die Familie zu finanzieren, und da bahnen sich natürlich unangenehme Abwägungen an.

provinzler hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Und dabei müssen du und deine Generation schon auch akzeptieren, dass das Modell lebenslanger Bindung mit einem Alleinverdiener für uns seine Attraktivität verloren hat.

Wobei das nicht zuletzt auch mit der in den letzten Jahren stark veränderten Gesetzeslage (Scheidungs-/Unterhaltsrecht) und dem außen aufgebauten Druck sich in einer bestimmten Weise zu erhalten zusammenhängt. Ich kenne einige junge Frauen, die nur und nur deswegen Lehramt studieren, weil sie da, wenn mal verbeamtet, ohne jede Schwierigkeit mehrere Jahre Familienpause einlegen können und garantiert wieder in den Job zurück können, sobald die Kinder aus dem Gröbsten raus sind. Außerdem glaub ich siehst du das gane ein bisschen sehr aus der Akademikerwarte, die aber nur einen kleinen Teil der Gesellschaft darstellen.

Das mag sein. Aber die Gesetzeslage folgt hier der gesellschaftlichen Entwicklung, nicht andersherum. Wie laie neulich mal anmerkte: Wusstest du, dass im Jahr 1900 ein Drittel der Kinder aus unehelichen Verbindungen stammte? Die gute alte Zeit ist einfach auch nie das gewesen, was wir auf sie projizieren und der Mensch kein "natürlich" monogames Wesen. Die Steigerung von Wohlstand, die uns der Kapitalismus ja dankenswerterweise gebracht hat (muss man dem ja mal positiv anrechnen), hat uns eben auch in die Lage versetzt, experimentierfreudiger in Beziehungsfragen zu werden. Gerade nach der Entwicklung der Pille waren die Veränderungen sehr groß, mittlerweile schwenkt das Pendel in unserer Krisengeneration wieder mehr zu konservativen Bildern zurück (wie in jeder Zeit von Unsicherheit). Aber zurück in die 50er wird es nie wieder gehen und ich nehme an, dass wir uns einig sind, dass das etwas Gutes ist.

stine hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Altersarmut betrifft so viele in der derzeitigen Generation nämlich nicht.

Und da kann ich mir den Hinweis auf die Armutsdefinition nicht verkneifen. Bei unserer demografischen Situation ist nämlich wachsende Armut mathematisch garantiert, selbst wenn wir 100% Reallohnsteigerung pro Jahr haben.

Ja, das ist sauber argumentiert und da kann ich dein Problem mit der Armutsdefinition auch verstehen.

provinzler hat geschrieben:
stine hat geschrieben:Die rüstige Oma kann ruhig auch mal auf die Kleinen aufpassen, um der Tochter oder Schwiegertochter damit den Arbeitsplatz zu sichern.

Dazu muss die moderne Oma aber auch dazu bereit sein. Wenn die sich lieber von der guten Rente die Welt ansieht, hast als junger Mensch auch wieder die Arschkarte. Denn eins kann man definitiv sagen. In der Generation 60+ haben sich die Ansprüche an Konsum und "Selbstverwirklichung" mindestens im selben Maß erhöht, wie dus den jungen Leuten vorwirfst.

Vielleicht ist das sogar mehr Kern des Problems als wir dem gerade Stellenwert beimessen. Die Haltung, dass mit 65 der interessante Teil des Lebens beginnt, und die 25-50-Jährigen die Last der Renten und Kindererziehung allein schultern sollen, kann es ja irgendwie nicht sein. Es sind ja nicht nur Großfamilienstrukturen, die sich aufgelöst haben, sondern damit auch generationsübergreifende Solidaritätsstrukturen, die nicht mehr da sind.

Gandalf hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Das, oder wir sind halt gezwungen arbeiten zu gehen, weil wir Kinder und eure Rente finanzieren müssen.

..interessant... - Wer zwingt Dich dazu?

Na, der Sta... hach, jetzt wär ich fast drauf reingefallen.

Gandalf hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben: Klar, wenn man nach drei Jahren Babypause problemlos in den Job einsteigen könnte, wär's ja nicht so schlimm, aber da wird man von den wenigsten Arbeitgebern genommen, am wenigsten übrigens von denen, die dem konservativen Familienbild anhängen.

Woran liegt das? ..und warum meinst Du das (Konservative) Arbeitgeber lieber Leute einstellen, die ähnlich denken wie sie selbst?

Neben psychologischen Gründen (Fremdes ist bäh) natürlich die Verlässlichkeit. Ein Mann mit einer Frau, die sich um die Familie kümmert, ist störungsfrei für das Unternehmen da, eine Frau, die am Ende gar ein Kind kriegt, fällt aus, muss ersetzt werden, und das kostet und ist unangenehm. Wenn sie dann wieder einsteigen will, traut man ihr evtl. nicht zu, die Doppelbelastung Beruf und Familie hinzukriegen. Nicht wenige werden dann lieber aus der Firma rausgeekelt (weil das ja genau das ist, was der Frau dann so richtig hilft).

Gandalf hat geschrieben:Es geht imho darum das in der Schule nicht mal mehr die rudimentärsten ökonomischen Gesetze und damit auch "Moral" vermittelt wird. Grundlegende Beziehungen werden in einem (unbegründeten) Machbarkeitswahn dekonstruiert, d.h. zerstört, weil man glaubt, es "neu und besser" zusammenbauen zu können. Das "Neue (intellektuelle) Konstrukt" ist jedoch mit (sehr) großer Wahrscheinlichkeit nicht besser als das, was sich in Millionen von Jahren in vielfältigen Varianten als tragfähig erweisen hat, weil es durch das "Fegefeuer" der (physischen) Auslese ging.

Da spielst du mal wieder eifrig mit dem naturalistischen Fehlschluss, indem du behauptest, die patriarchalische Gesellschaftsordnung sei das hervorragendste Ergebnis der natürlichen Auslese. Wie ich aber schon oben zu provinzler sagte, ist die Gesellschafsordnung von heute auch Folge der größeren Wahlmöglichkeiten, die das Einheitsmodell der konservativen Familienordnung zerschlagen hat. Ironischerweise hat gerade der Kapitalismus die Voraussetzungen geschaffen, das zu realisieren.
Es gibt indigene Gesellschaften, die keine Familienverbände im klassischen Sinne kennen und wo Kinder als Teil der Gemeinschaft aufwachsen und nicht als Teil einer Familie. Das heißt nicht, dass es deshalb jetzt besser ist, aber offenbar hat die Evolution auch diese Gesellschaften überleben lassen. Ich glaube nicht, dass die Evolution derart beschränkt ist, dass nur der europäisch-christliche patriarchalische Liberalismus als Antwort auf die Frage nach einem guten Zusammenleben stehen kann.

Gandalf hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Wir brauchen halt auch die Unterstützung der Älteren, wenn wir Geld erwirtschaften und Kinder kriegen unter einen Hut bringen sollen.

Lernt zunächst dazu das kleine 1x1 der Ökonomie.

Bin gerade dabei, aber hatte für sinnvolles Wirtschaften ohnehin nie ein schlechtes Händchen. ;-)

Gandalf hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Ich finde ja persönlich eine Stärkung von nachbarschaftlicher Hilfe attraktiv, Mehrgenerationenhäuser usw., alles was halt die Großfamilienstrukturen ein Stück weit ersetzen kann. Und Tagesmütter und Kitas gehören da genauso dazu.


Vorsicht!
Hayek, bzw. alle Libertäre 'warnen' ganz bewusst und nicht ohne Grund davor, die 'persönliche Sphäre' (in der Gemeinschaftseigentum und 'Beziehungswirtschaft' herrscht) mit der 'öffentlichen Sphäre' (in der Arbeitsteilung und 'Geldwirtschaft herrscht), - zu vermengen. Tut man dies (wie es gegenwärtig geschieht) - zerstört man unweigerlich Beide.

Und inwiefern vermengt man diese Sphären, wenn sich beispielsweise drei alleinerziehende Mütter zu einer WG zusammen schließen? Ich sehe darin einfach einen Lösungsansatz in einer bestimmten Lebenssituation, und sicherlich ist das nicht der schlechteste.

Gandalf hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Naja, gerade die Mittelklasse kriegt am Ende auch wieder viel von diesem Geld an Förderungen heraus.

Nur ein Bruchteil dessen was sie "einzahlt" (Wozu auch die vielen ehrenamtlichen Tätigkeiten zählen, die seltsamerweise nicht von denen geleistet wird, die vlt "mehr Zeit" dazu hätten, - und wie es im Bild des "neu gestalteten Menschen" vorgesehen ist). Der Rest bleibt bei den Schmarotzern dieses Systems.

Die da wären? (Wer übrigens ist dieser ominöse neu gestaltete Mensch und wer gestaltet ihn? Gibt's eine geheime Kommission bei der Bilderberger-Konferenz, die dafür zuständig ist?)

Gandalf hat geschrieben:Wer ist also dafür verantwortlich, dass das Geld nicht mehr reicht, bzw. seine Kaufkraft verloren hat?

Die Jahresarbeitszeit betrug 1970 1966h während es 2012 nur noch 1396h waren. Gleichzeitig ist die Arbeitszeit für den Erwerb eines Brotes von 20 min. im Jahr 1960 auf unter 3 min. gefallen. Aber ja, wir stehen kurz vor dem Untergang und kriegen nichts mehr für unser Geld, schon klar. Ich kann den Mangel an Waren in deutschen Geschäften ja auch kaum mehr ertragen. Gestern musste ich 25 Sekunden beim Bäcker anstehen. Fast wie in der DDR.
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Re: Wo wollen wir als Gesellschaft hin?

Beitragvon provinzler » So 15. Sep 2013, 13:15

stine hat geschrieben:Wer ist EUCH? :o0:
Ich fühle mich unschuldig, auch wenn ich mich nicht mehr zu den Dreißigjährigen zähle.

Na die Generation 50+ zu der ich dich nach deinen bisherigen Äußerungen gerechnet hätte. Vor 30 Jahren, als man diesen Wahnsinn noch mit erträglichen Kosten beenden hätte können hatte diese Generation Wahlrecht, meine nicht. Solltest du jünger sein, entschuldige bitte meine Dreistigkeit.

Nanna hat geschrieben:Idealerweise sind die Eltern natürlich so lange wie möglich für das Kind da. Wie viele Stunden das letztlich werden, keine Ahnung. Frag mich in dreieinhalb Jahren, dann sag ich dir einen Erfahrungswert.

Hoppla, heißt das man darf gratulieren? :mg:

Nanna hat geschrieben:In allen schnelllebigen Berufen, wie z.B. der IT-Industrie hast du schon nach einem Jahr böse den Anschluss verloren.

Das ist auch ein bisschen überzeichnet. Wenn die technische Basis da ist (Uniabschluss), findet sich im Normalfall grade im Technik/IT-Bereich wieder was. Gerade wenn die alte Firma einen guten Ruf/großen Namen hat. Kenne einige Ingenieure, die bei Siemens waren, durch Arbeitsplatzabbau arbeitslos wurden, und zwei oder drei Jahre später wieder gut besoldet unterkamen.
Ein, zwei Jahre sind relativ unproblematisch. Schwierig wirds für Leute, die 10 oder mehr Jahre draußen sind (was Frauen oft betrifft). Aber auch da eigentlich nur in Akademikerberufen. Bei ner Supermarktverkäuferin ist sowas ziemlich wurscht. Man sollte da auch nicht übermäßig Panik schieben.

Nanna hat geschrieben:Das mag sein. Aber die Gesetzeslage folgt hier der gesellschaftlichen Entwicklung, nicht andersherum. Wie laie neulich mal anmerkte: Wusstest du, dass im Jahr 1900 ein Drittel der Kinder aus unehelichen Verbindungen stammte? Die gute alte Zeit ist einfach auch nie das gewesen, was wir auf sie projizieren und der Mensch kein "natürlich" monogames Wesen. Die Steigerung von Wohlstand, die uns der Kapitalismus ja dankenswerterweise gebracht hat (muss man dem ja mal positiv anrechnen), hat uns eben auch in die Lage versetzt, experimentierfreudiger in Beziehungsfragen zu werden. Gerade nach der Entwicklung der Pille waren die Veränderungen sehr groß, mittlerweile schwenkt das Pendel in unserer Krisengeneration wieder mehr zu konservativen Bildern zurück (wie in jeder Zeit von Unsicherheit). Aber zurück in die 50er wird es nie wieder gehen und ich nehme an, dass wir uns einig sind, dass das etwas Gutes ist.

Ich halte die Frage nach der Kausalität hier für eine Henne-Ei-Diskussion. Das ist parallel passiert.
Wusste ich nicht, ich weiß aber dass es um 1800 eher die Hälfte bis zwei Drittel waren (bedingt durch das ganze Chaos durch Napoleon). Geschichte ist keine Einbahnstraße, das ist mir durchaus klar.
Die 50er hatten wie fast jede Zeit ihr Vor- und ihre Nachteile. Zurückkommen werden sie nicht, genauso wenig wie 70er oder die 90er. Geschichte wiederholt sich nicht, sie reimt sich höchstens.
Ich persönlich glaube, dass der Rückschwung zum Konservatismus nicht nur mit der Unsicherheit zusammenhängt, sondern auch mit den eigenen Kindheitserfahrungen der "Schlüsselkinder", die es nun selbst als Eltern anders machen wollen. Diese Erfahrungen hatte die Generation vorher in Breite mutmaßlich nicht. Die erlebte eher frustrierte, weil isolierte Mütter. Das ist meines Erachtens auch ein Hauptgrund für solche Pendelbewegungen, weil jede Generation versucht, die in der Kindheit als schlecht wahrgenommenen Gegebenheiten, zu korrigieren.
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Re: Wo wollen wir als Gesellschaft hin?

Beitragvon Nanna » So 15. Sep 2013, 13:40

provinzler hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Idealerweise sind die Eltern natürlich so lange wie möglich für das Kind da. Wie viele Stunden das letztlich werden, keine Ahnung. Frag mich in dreieinhalb Jahren, dann sag ich dir einen Erfahrungswert.

Hoppla, heißt das man darf gratulieren? :mg:

Mal abwarten, noch kann ja viel schiefgehen. ;-)

provinzler hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:In allen schnelllebigen Berufen, wie z.B. der IT-Industrie hast du schon nach einem Jahr böse den Anschluss verloren.

Das ist auch ein bisschen überzeichnet.

Wurde mir von einem befreundeten Informatiker mal so geschildert. Ein anderer, der bei BMW war, hat mir mal erklärt, dass man mit Mitte/Ende Dreißig lieber die Flucht ins Management antritt, weil man sonst von einem aktuell ausgebildeten Jungspund von der Uni ersetzt wird. Ich hab nichts dagegen, wenn die Realität etwas harmloser ist.

provinzler hat geschrieben:Ich halte die Frage nach der Kausalität hier für eine Henne-Ei-Diskussion. Das ist parallel passiert.

Darauf können wir uns sicher einigen.

provinzler hat geschrieben:Ich persönlich glaube, dass der Rückschwung zum Konservatismus nicht nur mit der Unsicherheit zusammenhängt, sondern auch mit den eigenen Kindheitserfahrungen der "Schlüsselkinder", die es nun selbst als Eltern anders machen wollen. Diese Erfahrungen hatte die Generation vorher in Breite mutmaßlich nicht. Die erlebte eher frustrierte, weil isolierte Mütter. Das ist meines Erachtens auch ein Hauptgrund für solche Pendelbewegungen, weil jede Generation versucht, die in der Kindheit als schlecht wahrgenommenen Gegebenheiten, zu korrigieren.

Ja, sicherlich. Und da man aber auch von den Eltern Erfahrungen übernimmt, hat man nach ein, zwei Generationen vielleicht eine ganz gute Chance, bei einem vernünftigen Mittelweg rauszukommen.
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