Gandalf hat geschrieben:angesichts der Tatsache, dass Du mich auch hier persönlich in der Schublade "Anarchist" ablegst, obwohl ich lediglich diese - 'konstruktive Eigenschaft vieler Zusammenschlüsse, die auf Eigentumsrechte basieren" - zu beschreiben versuche, die man in jedem Dorf antrifft, in dem noch Eigeninitiative auf Lebendigkeit der Beziehungen hindeutet, hält sich meine Diskussionsbereitschaft weitestgegends in Grenzen.
Ich verweise auf den Beitrag von Darth Nefarius, der ausreichend dargelegt hat, warum es so wirkt, als sei "Anarchist" bzw. "Anarchie-Befürworter" mehr eine Selbstbeschreibung deinerseits als eine Fremdzuschreibung meinerseits. Du sagst ja auch in diesem Beitrag selbst, dass du ein "Oszillieren zwischen Anarchie und Minarchie" optimal fändest, also wie soll ich dich und deine Person anders klassifizieren?
Gandalf hat geschrieben:Wie bitte..? ein "...irreguläreer Spezialfall"?? - Sag mal in welchem Elfenbeinturm lebst Du eigentlich - oder hast Du zu viele Zombie-Filme geschaut (Ein aktuelles Genre das von Libertären aufmerksam verfolgt wird, da es doch 'zeigen soll', das 'nach dem staaltichen Zusammenbruch' die die Menschen IMMER UND AUSSCHLIEssLICH aufeinander los gehen und sich gegenseitig morden. Das gigantische finanzielle Mittel in solche Produktionen gesteckt werden, zeigt sich einen "Bedarf" an)
Das ist viel zu lustig, um nicht darauf zu antworten. Also: Ja, ich hab schon mal einen oder zwei Zombiefilme gesehen, aber meine Leidenschaft ist es nicht. Zu viele Ungereimtheiten, z.B.: Warum fressen die Zombies sich nie gegenseitig? Das regt mich jedes Mal auf. Da ist doch noch Fleisch dran! Aber teilweise gutes Popcornkino. Und klar ist da ein Bedarf: Der Mensch im Ringen mit einer feindlichen und unberechenbaren Umwelt, das ist eine der Urerzählungen der Menschheit. Neu verpackt, gute Grafik, joa, kann man sich zwischendurch mal geben.
Gandalf hat geschrieben:Die nicht-eingetragenen Vereine waren und sind die Stütze einer liberalen Gesellschaft, die auf Eigeninitiative baut.
Wer hat jetzt nochmal genau was gegen Vereine gesagt?
Gandalf hat geschrieben:Bolschewikipedia
Das größte private spendenfinanzierte kollaborative freiwilligkeitsbasierte und superleicht für alle Menschen mit Internetanbindung zugängliche Werk der Menschheit. Das ist der Titel, den du ihm gibst? Du musst echt in einer tristen Welt leben.
Gandalf hat geschrieben:Genauso wie meine Vorfahren Selbstschutzgruppen gebildet haben (Freiwillige Feurewehren) oder Straßen und 'private Wasserleitungen' gebaut haben, - die mittlerweile durch die fusionierten Kommunen enteignet wurden, weil man die Wasserversorgung in einen (Stadtwerke-) GmbH überführt hat. (Das lamentieren über die "böse Privatisierung des Wassers"allerorten ist also regelmäßig eine Farce.)
Du erwartest nicht, dass ich zu Fällen, von denen ich keine Ahnung habe(n kann), irgendwas sagen werde, oder?
Gandalf hat geschrieben:Ich habe leider keine Statistik gefunden wieviele nicht-e.V.' es in D gibt. Aber ich gehe nicht davon aus, das es ein "irregulärer Spezialfall" ist, sondern vermute her, dass Du so sehr und so nah an den Zitzen staatlicher Nährlösungen hängst, die wie Pilze auf dem Mist knospen und mangels Abstand deshalb den Überblick verloren hast.
Ich treibe z.B. gerade im Rahmen eines nicht-e.V. ein privates Sportprojekt im niedrigen fünfstelligen Eurobereich voran, und nein, staatliche Förderung gibt's dafür wirklich nicht. Nicht immer glauben, dass Andere ihre von deiner Meinung abweichende Meinung nur deshalb haben, weil sie irgendjemand dafür bezahlt. Paranoia ist ein ganz schlechter Ratgeber, weil sie einem erzählt, man habe alles und jeden durchschaut, und das ist erfahrungsgemäß fast immer falsch.
Gandalf hat geschrieben:Nanna hat geschrieben:So sind "Freie" beispielsweise davon abhängig, sich gegenseitig als Freie anzuerkennen.
Freiheits- und Menschenrechte sind stets (natürliche) Abwehrrechte. Die hat ein jeder Mensch, - unanbhängig davon ob Du oder irgendjemand anders sie anerkennen mag.
Du kannst jemandem noch so viele Freiheitsrechte zuschreiben, wie du willst, das macht ihn nicht zu einem Freien.
Gandalf hat geschrieben:Freiheitsrechte sind abstrakt und damit nicht positiv zu definieren - und so ist es für die Gegner stets leicht sie anzugreifen.
Newsflash: Sachen, die sich als leicht angreifbar erweisen, haben sich im Laufe der Evolution als nicht dauerhaft bestandsfähig erwiesen. Kannst ja mal als Gazelle zum Löwen gehen und dem anbieten, arbeitsteilig zu antworten. Da sagt der dir "Machen wir doch schon, du machst die Arbeit und ich krieg die Teile" (sorry, war'n ganz mieser Kalauer) und das war's mit der Kooperation.
Ich weiß, dass Staat und Freiheit für dich nicht zusammen gehen, aber es hat seine Gründe, dass es sowohl bei Praktikern in der Politik als auch was die empirischen Befunde angeht einen breiten Konsens darüber gibt, dass die nachhaltige Sicherung und Durchsetzung von Freiheitsrechten an den Aufbau starker Institutionen im Rahmen von "good governance" gebunden ist.
Gandalf hat geschrieben:Homöostase - ein 'lebendes System' also, das Du mit Deinem statischen Schubladendenken nicht erfassen kannst.
Zwei Punkte:
1. Du hast meine Behauptung, dass minimalorganisierte Vereine nicht über Dorfvereinsgröße hinauskommen, überhaupt nicht angesprochen. Wenn es doch jemand versucht, dann kommt etwas heraus wie bei den Piraten. Oder wie bei Occupy. Riesige Menschmassen, ein Gefühl der Transzendenz und Verbundenheit und dann bricht das ganze mangels Superstruktur wieder schnell zusammen, ohne irgendwas zu erreichen. Ausnahmen sind Revolutionen, aber da geht es immer nur darum, genug Momentum für die Zerstörung einer bestehenden Ordnung zu mobilisieren, im Nachhinein übernehmen dann trotzdem wieder gut organisierte Eliten die Macht.
2. Planbarkeit kann ein solches Umfeld nicht schaffen, wird aber für größere Investitionen eigentlich immer benötigt.
Gandalf hat geschrieben:Auf Staat und die Gesellschaft bezogen: Ich fände es gut wenn das System ständig zwischen Anarchie und Minarchie oszilliieren würde. Keiner würde zu mächtig - und das Individuum könnte sich durch Erfahrung und nicht durch Angstmache weiter entwickeln.
Ja... kannst du das bitte irgendwo anders umsetzen? Das wäre sehr rücksichtsvoll von dir. Ich mag meinen Rechtsstaat und meine Polizei und meine Verwaltung und meinen Sozialstaat, auch wenn ich mich oft über ihn ärgere. Ist aber auf jeden Fall besser als das T(r)ollhaus, das dir da vorschwebt (bzw. sicherlich nicht vorschwebt, aber entstehen würde, setzte man so eine Vision um. Die Leute würden schnell Hurra rufen, wenn wieder einer käme, der die Komplexität der Wirklichkeit reduziert und ihnen einen Orientierungs- und Ordnungsrahmen bereitstellt. Dass du dauernd über Dorfvereine und Dorfbäcker redest, ist eventuell auch Ursache eines blinden Flecks bei dir, weil Dorfgemeinschaften mit ihrer hohen sozialen Kontrolle viele Güter wie z.B. die soziale Kontrolle, die die Einhaltung einer häufig recht rigorosen lokalen Sozialordnung garantiert, implizit bereitstellen, die aber in größeren Verbänden nicht mehr derart automatisch generiert werden können - und schon gar nicht auf eine Weise, die sich so natürlich anfühlt, dass man gar nicht mehr immer merkt, dass man in seinem Verhalten stark von einer bestehenden Ordnung mitgelenkt wird. Daher ist Darth Nefarius' Bild des Dorfes als Mini-Überwachungsstaat nicht ganz verkehrt und genau dieses Phänomen verhindert auf kleiner Dorfebene, dass es zu den Problemen, mit denen sich komplexere Gesellschaften herumschlagen, überhaupt nicht erst kommt. Man sieht diese Regelungsbedürfnisse vielleicht weniger, wenn man sich nicht permanent in einem (groß)städtischen Umfeld bewegt. Nur so als Denkanstoß, dass deine Vision da vielleicht zu sehr von deinem persönlichen Umfeld aus auf das große Ganze geschlossen ist).
Gandalf hat geschrieben: Anrchie, basiert immer auf 'Eigentumsrechten'! ..am eigenem Körper - und dem was man vermittels Einsatz von Körper und Geist rechtmäßig erworben hat. Egal aob als Individuum oder als Gruppe. Da die Piraten in Somalia auf Raub aus sind, Eigentumsrechte an Leib und Vermögen nicht achten, sind sie keine Anarchisten, sondern eine Mafiaorganisation. Mehrere solcher rivalisierenden Gruppen ergeben dann die Anomie.
Ja, und genau deshalb geht jede Anarchie so leicht in eine Anomie über. Es muss nur einer kapieren, dass er seinen Gewinn vervielfachen kann, wenn zehn Leute unterjocht. Das, was Zwei erwerben, wird allen Zehn zum Überleben gegeben, das was nochmal Zwei überleben, wird einem Elften gegeben, der sich davon eine Knarre kauft und auf die anderen zehn armen Schweine aufpassen darf. Die restlichen sechs Teile gehen in den Palast, wo der Anführer mit der noch größeren Knarre sitzt. Wozu erst lang Arbeit leisten und tauschen, wenn man den schnellen, effektiven Umweg gehen kann? Und
irgendeiner kapiert das aber so was von schnell, das ist eine sichere Wette. Genau dann beginnt der Prozess, den wir in der Menschheitsgeschichte schon unzählige Male hatten, nämlich, dass Leute hochrüsten, sich zu Kollektiven zusammenschließen, diese Kollektive gemeinschaftlich finanzieren müssen (die Geburt der Steuern), usw... kennst die Geschichte ja. Es ist egal, wenn 90% der Menschheit für eine Anarchie nach deiner Vorstellung geeignet wären (ich denke eher <1%), es reicht, wenn nur einige wenige in einer einmal erreichten Anarchie den Geist der Herrschaft wieder aus der Flasche lassen. Dass alle kapieren, dass der freie Gütertausch für alle das Beste wäre, kannst du mal gleich vergessen, so homogene Überzeugungen wirst du nie in irgendeiner Gesellschaft finden und als allerletztes in einem Gesellschaftsmodell, das auf Pluralität ausgelegt ist. Irgendwo laufen immer ein paar Schwache und Orientierungslose herum, die sich für einen Raubzug auf die Bessergestellten gewinnen lassen, und auch Schwache werden stark, wenn sie sich organisieren bzw. von einer Elite effektiv gemandaged werden. Ein oder zwei Mal und mit der Hilfe von Söldnern sind solche Bedrohungen für privatwirtschaftlich organisierte Siedlungen vielleicht abzuwehren, aber die grundlegende Dynamik, die damit in Gang gekommen ist, dass hierarchisch organisierte Gewaltorganisationen in der Welt sind, kriegst du in einer Anarchie nicht mehr in den Griff, und zwar deshalb, weil die Anarchie eine Anarchie ist: Es gibt keine Institutionen, die gleichzeitig ausreichend ermächtigt und organisiert genug sind, um so einer Bedrohung wirksam zu begegnen. Überdies bist du mit dem typischen Problem asymmetrischer Bedrohungen konfrontiert: Ein Gegner muss nur wenig tun (Machtprojektion und Androhung von Gewalt reicht vollkommen aus, da muss kein einzelner Tropfen Blut fließen), um dein anarchisches Gesamtsystem in Bewegung zu versetzen, d.h. entweder geht es schnell und das Anarchische ist zugunsten von Sicherheitsapparaten mit robustem Mandat schnell verschwunden oder eine so massive Mittelbindung in Sicherheitsdienste muss erfolgen (9/11-Effekt), dass kollektive Zwangsabgaben zur Finanzierung früher oder später nicht mehr ausbleiben. Und das reicht als Keim der Staatlichkeit, der nur an einem von tausend Orten der Welt aufgehen muss und dann von dort aus territorial expandiert.
Gandalf hat geschrieben:ja, der Thermostat meiner Heizung funktioniert so - Die Preisbildung in der Natur - NICHT! Ganz einfach deshalb, weil Du NIE alle Parameter erfasen kannst und NIE alle erforderlichen Berechnugnen druchführen kannst
Äh... wo hab ich nochmal genau von Fünfjahresplänen und Festpreisen gesprochen? Ich hab nur gesagt, dass zentrale Regelungseingriffe nicht per definitionem zum Scheitern verurteilt sein müssen, weil man ja nachregeln kann.
Gandalf hat geschrieben:Nanna hat geschrieben:Und die letzten 10.000 Jahre Zivilisation haben beschleunigste Entwicklung mit beschleunigter Zunahme des Organisationsgrades bedeutet, nicht andersherum. Man kann mit großer Berechtigung an staatlichen Eingriffen viel kritisieren, aber die Grundthese, die du da präsentierst, hat keinen Realitätsbezug (nur reinsteigern kann man sich gut
).
Auch hier birngst du wieder vieles ducheinander in Deinem Schubladenbekenntnis. Aber ohne jetzt nochmal alles aufdröseln zu wollen: Wie erklärst Du dir, das man erst seit ca. 200 Jahren eine realistische Chance hat, die immer noch zunehmend eBevölkerung auf der Erde zu ernähren?
Ich würde annehmen, die Lernphase der vorhergehenden 9.800 Jahre hatte vermutlich etwas damit zu tun.
Gandalf hat geschrieben:Ist dir überhaupt der Unterschied zwischen verbrecherischen Gedanken und Verbrechen bewusst?
Der, den du dir ausgedacht hast, damit deine Privatdefintionen passen? Nö. Sollte er?
Gandalf hat geschrieben:Ein Verbrechen ist eine moralische Kategorie (also ein 'praktisches Handlungsmuster' ) - ein Gedanke ein Bereich der Ethik (also u.a. der Religion). Dies widerum bewusst durcheinander zu bringen - ist verbrecherisch.
Wenn ich das semantisch richtig zusammen setze, sagst du gerade, dass ein Gedanke nicht verbrecherisch sein kann, weil ein Verbrechen immer Praxis und nicht Überlegung ist. Der Ausdruck "verbrecherischer Gedanke" ergibt vor diesem Hintergrund überhaupt keinen Sinn mehr, sondern ist ein Selbstwiderspruch, und ich frage mich, warum du ihn dann verwendest.
Gandalf hat geschrieben:Oft stelle ich aber auch dort ein gewisses Schubladendenken fest, das zu keiner Emergenz führt.
Ich glaube ja, dass Menschen sich einfach nur durch die Anzahl ihrer inneren Schubladen unterscheiden, nicht durch deren An- oder Abwesenheit.