Weltrettung mal anders

Re: Weltrettung mal anders

Beitragvon Nanna » Fr 24. Jan 2014, 21:44

Die zweite Säule des Ansatzes ist, dass man sich selbst entscheiden muss, etwas zu ändern. Du musst also nicht mitmachen und kannst deine wertvolle Zeit in "richtige" Sachen stecken. ;-)
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Re: Weltrettung mal anders

Beitragvon Darth Nefarius » So 26. Jan 2014, 15:01

Tue ich auch. Aber ich will dich mal fragen, was aus dem Ziel geworden ist, über sich selbst hinaus (über das Menschsein) zu wachsen? Eine Idee so alt wie die Menschheit selbst - seien es Götter, Halbgötter, Heilige, Übermenschen, aufgeklärte Menschen.... - sind daraus etwa "10%" geworden? Die Menschheit ist nicht durch "10%" so weit gekommen, wie sie jetzt ist, sondern durch die Auslotung der eigenen Grenzen und ihre permanente Überschreitung. Wie soll man da Genügsamkeit mit 10% gutheißen wenn es doch besser geht?
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Re: Weltrettung mal anders

Beitragvon Nanna » So 26. Jan 2014, 16:05

Es geht doch nicht darum, diesen Ansatz immer und überall anzuwenden. Der Reiz liegt ja gerade darin, nicht dogmatisch, sondern pragmatisch zu sein und es statt mit "ganz oder gar nicht" einfach mal mit "teilweise" zu probieren.
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Re: Weltrettung mal anders

Beitragvon Darth Nefarius » So 26. Jan 2014, 19:40

Nö, finde ich einfach sinnlos. Es ist schon eine dogmatische Frage, wie man an das Leben herangeht - immer nur wenig zu versuchen, oder sein Potential auszuschöpfen? Es ist die Frage, welche Lebensphilosophie man hat. Es wird wohl keiner auf seinem Totenbett bereuen, sein volles Potential ausgeschöpft zu haben (auch wenn es letztendlich zum Scheitern führt), vielmehr kann ich mir vorstellen, dass man bereuen würde, nur "10%" probiert zu haben. Es IST eine Grundsatzfrage, was dann dabei herauskommt, ist etwas anderes (vielleicht schafft man tatsächlich nur 10% seiner Ziele, aber dann hat man es auch wenigstens versucht und nicht bereits vorher sich auf fast nichts festgelegt). Alles zu versuchen ist natürlich keine Erfolgsgarantie, eher das Gegenteil, aber letztlich geht es niemandem a priori um den Erfolg, sondern mit sich selbst leben zu können.
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Re: Weltrettung mal anders

Beitragvon Vollbreit » So 26. Jan 2014, 19:46

Darth, hau ab aus diesem Thread.
Du hast von A bis Z nicht verstanden, worum es geht, das langweilt nur noch.
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Re: Weltrettung mal anders

Beitragvon Darth Nefarius » So 26. Jan 2014, 20:03

Ich hab voll und ganz verstanden, worum es geht - um "Weltrettung" oder den Willen, etwas zu ändern (also etwas zu erreichen). Und dich frustrierte, dass man mit "alles oder nichts" immer scheitert (also nicht 100% schafft):
Vollbreit hat geschrieben:Viele Projekte der versuchten Weltrettung entpuppten sich nachher als Übel, vielleicht deshalb, weil sie zu totalitär waren, zu viel wollten, alles umkrempeln wollten.
So schlecht ist unsere Welt gar nicht gelungen, auch wenn pessimistischen Stimmen lauter werden, die aus verschiedenen Ecken Probleme auftauchen sehen. Klima, Geld, soziale Spannungen, Orientierungslosigkeit, der Umgang mit Tieren, zuviel Religion oder zu wenig, was auch immer.

Aber was eint all die, die meinen, man sollte etwas tun? Unabhängig vom Inhalt genau dieser Impuls und der Wille etwas zu verändern. Doch oft stirbt der Wille in der Flut der Probleme oder weil man sich allein fühlt oder weil viele meinen, ein Wandel müsse radikal sein. Genau da steigen glaube ich viele aus.

Und ich sage dir, dass selbst das Scheitern an den eigenen Ansprüchen dich noch weiter bringen kann, als dich nur auf 10% von vornerein festzulegen. Mag sein, dass z.Bsp. der Kommunismus gescheitert ist, aber mit diesen Umwälzungen ist man zumindest teilweise wohl weiter gekommen, als man es hätte, wenn man sich auf eine konstitutionelle Monarchie in Russland und anderswo geeinigt hätte. Mag sein, dass es viel Blut gekostet hat, aber wie Stalin festgestellt hat, waren hunderte von Jahren (industriell, wirtschaftlich, politisch und militärisch) aufzuholen (und irgendwie hat man es auch teilweise zumindest geschafft). Mag sein, dass die radikalen Demokraten heute unzufrieden wären mit zentralistischen und bürokratischen Systemen im Westen, aber sie haben einiges erreicht. Mag sein, dass Alchimisten den Stein der Weisen finden wollten, aber doch nur eine ( oder einige) chemische Reaktion entschlüsselten - und doch sind sie weiter gekommen als solche, die sich weniger vorgenommen hatten. Zu scheitern bedeutet nicht, dass man nicht trotzdem etwas erreicht hat. Der Pessimismus ist dann eben ein Nebenprodukt, aber kein Drang ohne Defizit. Wer vorher aussteigt, ist selber schuld und wird sich nichtmal sagen können, er habe es versucht.
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Re: Weltrettung mal anders

Beitragvon ganimed » Mo 27. Jan 2014, 21:32

Ich bin gar nicht tot und ausgerechnet dieses Thema animiert mich, nach ein paar Wochen wieder mal meinen Senf abzusondern.

Ich bin einer von diesen Typen, die ernsthaft glauben, dass Weltverbesserung praktisch immer eine Illusion ist. Verbesserung gegenüber was? Wie wollte man das messen? Man müsste vermutlich mit alternativen Realitäten argumentieren, so wie das bei StarTrek passiert mit alternativen Zeitlinien.

Oder mal in den Skisport übertragen: Wenn eine Person A mir beim Ski-Fahren erzählt, dass er 10% weiter links fährt (um die Welt zu retten oder aus irgend einem anderen Grund), dann habe ich Mühe, das einzuordnen. Dieser Skifahrer A fährt nun 10% weiter links als was? Als A'? Wobei A' eben dieser Skifahrer ist, aber in einer alternativen Realität wo sonst alles gleich ist, nur dass er sich dort nicht zum 10% weiter links fahren entschieden hat?
Oder fährt er am Ende sogar 20% weiter links als A', wobei diesmal A' er selber in einer zweiten alternativen Realität ist, welcher sich entschied, 10% weiter rechts zu fahren?

Ich finde, A bildet sich die 10% oder irgendeinen bestimmten Unterschied irgendwie nur ein. Völlig willkürlich spricht er von 10%. Denn es sind ebensogut auch alternative Realitäten denkbar, wo der "Unterschied" 2% oder 20% oder jeden anderen Wert beträgt.

Die Aussage, ich mache 10% mehr als sonst, um die Welt zu verbessern, macht einfach logisch gar keinen Sinn. Der verlinkte Artikel kommt mir deshalb einfach nur wie ein Wortgeplänkel vor, das wohl vor allem das Ziel hat, ein bisschen Frieden im Leser zu stiften, damit das schlechte Gewissen (durch die Medienlandschaft und Aufklärung geschürt) beruhigt wird. Man fühlt sich wohler, obwohl nichts und niemand sich wirklich "geändert" hat oder "besser" geworden ist. Wir schlingern einen Skihügel runter (nur ein einziges mal). Unsere Bahn wird durch Myriaden Faktoren bestimmt, ein paar Prozent davon spielen sich teilweise in unserem Körper und Kopf ab, die meisten sind äußere Einflüsse. Und wir fahren dann also irgendeinen Schlingerkurs. An irgendeiner Stelle willkürlich zu proklamieren, dass man 10% weiter links führe, ist einfach nur ein gedanklicher Konstrukt, illusorisch und nicht real.
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Re: Weltrettung mal anders

Beitragvon Vollbreit » Mo 27. Jan 2014, 21:45

Hi ganimed,

schön, mal wieder von Dir zu lesen.

Deinen Einwand verstehe ich trotzdem nicht.
Wenn Deine Grundsatzkritik ist - so verstehe ich sie - dass es eigentlich nichts zu verbessern gibt ("dass Weltverbesserung praktisch immer eine Illusion ist. Verbesserung gegenüber was?"), warum soll der verlinkte Artikel denn dann das Gewisssen beruhigen?
Würdest Du damit nicht unausgesprochen behaupten, 10% seien eigentlich zu wenig?

Beide Einwände zusammen beißen sich aber in meinen Augen.
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Re: Weltrettung mal anders

Beitragvon Nanna » Mo 27. Jan 2014, 23:17

ganimed hat geschrieben:Ich finde, A bildet sich die 10% oder irgendeinen bestimmten Unterschied irgendwie nur ein.

Geh mal auf die Landstraße und fahr einfach 3m weiter links als sonst. Merkst den Unterschied schon irgendwann. ;-)
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Re: Weltrettung mal anders

Beitragvon ganimed » Mo 27. Jan 2014, 23:19

Vollbreit hat geschrieben:schön, mal wieder von Dir zu lesen.

Danke sehr. Schön mal wieder hier zu sein. :)

Vollbreit hat geschrieben:Deinen Einwand verstehe ich trotzdem nicht.
Wenn Deine Grundsatzkritik ist - so verstehe ich sie - dass es eigentlich nichts zu verbessern gibt ("dass Weltverbesserung praktisch immer eine Illusion ist. Verbesserung gegenüber was?"), warum soll der verlinkte Artikel denn dann das Gewisssen beruhigen?

Ich behaupte nicht, "dass es eigentlich nichts zu verbessern gibt". Ich finde die Welt grässlich und würde mir viele Verbesserungen wünschen. Und hier kann ich den Begriff "Verbesserung" vielleicht am besten so definieren, dass ich sage: die Welt soll in Zukunft besser sein, als sie jetzt ist.

Was ich an dem Artikel und seinem Zielvorschlag (Verbesserung um 10%) logisch unsinnig finde, ist, dass nicht definiert wird, was mit "Verbesserung" gemeint ist und von was die 10% die 10% sind.
Wenn implizit gemeint sein sollte (was ich jetzt mal vermute), dass man mit der Ausgangsmenge das aktuelle Gut-sein des Menschen meint, und mit 10% Verbesserung meint man, dass der Mensch morgen also 110% gut ist, dann ist das ziemlicher Unfug.

Als Beispiel: heute gebe ich von meinen 50 Pfandflaschen 10 ordnungsgemäß zurück und werfe den Rest fälschlicherweise in den Hausmüll. Der Artikel will vermutlich vorschlagen, dass ich mich um 10% bessern soll. Also gebe ich morgen schon 11 Flaschen ordnungsgemß im Getränkemarkt ab und werfe nur noch 39 Flaschen in den Hausmüll. Mein Morgen hat sich gegenüber dem Heute um 10% verbessert. Aber was ist, wenn ich sowieso schon seit 5 Wochen von Frau Meier aus der Wohnung nebenan ausgeschimpft werde im gemeinsamen Hof. Und ich deshalb schon seit 5 Wochen jeden Tag im Durchschnitt 0,2 Flaschen weniger in den Hausmüll warf? Ja, was ist dann? Wie berechne ich die "Verbesserung"? Ist es überhaupt eine?
Will sagen: wir leben in einer Welt, in der tausende von Frau Meiers von allen Seiten auf uns einreden, wir tausende von Artikeln lesen (vielleicht nicht täglich, aber immerhin) und wir tausende von anderen Einflüssen bekommen. Zudem kaufen wir gar nicht jeden Tag 50 Flaschen, manchmal sind es nur 30 und manchmal bringen wir sie nicht selber in den Müll. Völlig unmöglich, da fundiert von 10% zu reden, oder überhaupt von "Verbesserung". Man kann sich eine Verbesserungstendenz höchstens einbilden, einreden und vormachen. Was der Artikel also vorschlägt "verbessere dich, wenn du magst, um 10%" ist undefiniert und praktisch undefinierbar, weil a) die Art der Verbesserung nicht definiert ist und b) sie schon gar nicht messbar ist.

Vollbreit hat geschrieben:Würdest Du damit nicht unausgesprochen behaupten, 10% seien eigentlich zu wenig?

Ich will behaupten, dass jeder, der von 10% redet bei etwas, wo man nie und nimmer Prozentzahlen benutzen kann, dass der gequirlten Unsinn redet. Und jeder, der darauf eingeht und sich vornimmt, wirklich mal so etwa 10% Verbesserung vorzunehmen, kann sich fast mühelos irgendeinen Unsinn zusammenrechnen, der zwar nicht stimmt, aber sich gut anfühlt und einem die Illusion vermittelt, zur Verbesserung der Welt beizutragen. In dem Artikel hätte also faktisch ebensogut stehen können: "Bildet euch einfach ein, ihr hättet durch 10% Fluxlipuxli zur Besserung der Welt beigetragen. Und denkt euch einfach selber aus, was ihr ganz persönlich unter Fluxlipuxli versteht. Und lächelt entspannt denn alles wird gut."

Ein Aufruf, sich etwas vorzumachen und sich weniger zu sorgen. Psychologisch also relativ sinnvoll. Wenn ich nur drauf reinfallen könnte.
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Re: Weltrettung mal anders

Beitragvon ganimed » Mo 27. Jan 2014, 23:29

Nanna hat geschrieben:Geh mal auf die Landstraße und fahr einfach 3m weiter links als sonst. Merkst den Unterschied schon irgendwann. ;-)

Wenn 3m 10% sind, was ist da 30m?
Ich schlage vor, du verbesserst deine Beispiel um weitere 10% :)
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Re: Weltrettung mal anders

Beitragvon Nanna » Di 28. Jan 2014, 01:14

Auch bei 30m weiter links wirst du den Unterschied merken, vor allem in bewaldeten Gebieten.

Der Punkt ist, dass "x mehr als sonst" keine eingebildete Veränderung darstellt, sondern eine tatsächliche. Wenn ich 10% weniger Auto fahre und damit weniger CO2 emittiere, wenn ich 10% meiner Ernährung auf Bio umstelle, wenn ich meine Spendenmenge um 10% erhöhe, wenn ich um 10% häufiger freundlich zu Leuten bin, die ich bisher eher mürrisch gegrüßt habe, usw., dann sind das reale Verbesserungen mit (theoretisch) messbarem Effekt. Und eine kleine Verbesserung ist in sehr vielen Fällen besser als gar keine, insbesondere dann, wenn viele Menschen mitmachen. 10% weniger Feinstaub, da wären viele Bewohner stark frequentierter Straßen froh, für die wären das keine eingebildeten Veränderungen, vielleicht würde sich gar ihre Lebenserwartung um 10% erhöhen.

Die 10% als Zahl oder Marke sind außerdem auch in vielen Fällen symbolisch zu verstehen. Mach wenigstens ein bisschen, bevor du gar nichts machst. Anstelle gleich Veganer zu werden kann man einmal die Woche auf Fleisch verzichten. Anstelle dein ganzes Geld zu spenden, spende wenigstens ein bisschen. Anstelle auf das Auto komplett zu verzichten, überlege ein sparsameres anzuschaffen oder auf Carsharing umzusteigen oder wenigstens die kleineren Sachen mit dem Fahrrad zu erledigen. Solche Sachen. Und das ändert auch ganz konkret was, insbesondere in der Masse. Und von da kann man ja dann weiter gehen. Besser als den Kopf im Sand zu verbuddeln ist das allemal, und zwar nicht nur psychisch.
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Re: Weltrettung mal anders

Beitragvon ganimed » Di 28. Jan 2014, 07:36

Der Punkt ist, dass "x mehr als sonst" keine eingebildete Veränderung darstellt, sondern eine tatsächliche.

Ich glaube, zu denken, dass du "sonst" einen halbwegs konstanten Wert "leben" würdest ist schon mal die erste Illusion. Der Wert ist bestimmt nicht konstant. Und dann zu denken, dass du diesen angeblichen Wert kennen würdest (oder halbwegs zuverlässig abschätzen könntest) ist die zweite Illusion. Einhergehend mit der Illusion, dass du davon dann also auch 10% messen bzw. beziffern könntest. Und dass du eine Verhaltensänderung von vorher auf nachher halbwegs monokausal durch bloßes "Entscheiden" herbeiführen könntest ist eine weitere Illusion. Und dass du diesen neuen veränderten Wert konstant und einschätzbar/messbar halten könntest, ist ebenfalls eine.

Oder um in deinem Beispiel zu bleiben: das Leben ist gar keine gerade Landstraße in eine Richtung, sondern ein wirrer Knäuel- und Zickzackkurs durch einen undurchsichtigen Dschungel. Der Kurs besteht auch aus vielen kreisförmigen Bewegungen, wo gar nicht klar definiert ist, was "weiter links" bedeutet, in Gehrichtung oder absolut? Deine "Landstraße" ist in dem Beispiel ein gutes Gegenstück für all diese Illusionen, so scheint mir.

Natürlich verändern wir uns ständig, die Welt um uns verändert sich ständig. Im Großen und im Kleinen. Welche Veränderungen in unserem kleinen Mikrokosmos bei unserem eigenen Verhalten irgendwelche Auswirkungen auf große, gesellschaftliche möglicherweise sogar globale Entwicklungen haben, können wir nur mutmaßen aber wohl niemals feststellen. Davon zu träumen, dass deine illusorischen, nebulösen "Verbesserungen" einen messbaren, realen Effekt auf deine Umgebung, vielleicht sogar auf die Gesellschaft, vielleicht sogar auf Welt hat, ist eine Illusion, die dermaßen groß ist, dass 10% (wie auch immer gerechnet) wie eine sensationelle Verharmlosung dagegen wirken.

Ich muss dabei an einen Spruch aus der Kirche denken, dem ich damals im Posaunenchor ausgesetzt war. "Viele kleine Leute, an vielen kleinen Orten, die viele kleine Dinge tun, können das Gesicht dieser Welt verändern." Alle kleinen Leute tun an allen Orten ständig kleine Dinge. Das kann man wohl kaum Veränderung nennen. Veränderung gegenüber was? Es gibt keine gerichtete Veränderung, weil es keine Richtung in diesem Sinne gibt. Die Welt hat kein bestimmtes, konstantes Gesicht. Das Gesicht ist ein riesiges Gewusel, dass sich ständig verändert. Was will man an etwas, dass sich ständig verändert, verändern? Nein, ich glaube, da bilden sich viele kleine Leute auf sehr naive Weise viel ein.
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Re: Weltrettung mal anders

Beitragvon Vollbreit » Di 28. Jan 2014, 08:27

ganimed hat geschrieben:Ich behaupte nicht, "dass es eigentlich nichts zu verbessern gibt". Ich finde die Welt grässlich und würde mir viele Verbesserungen wünschen. Und hier kann ich den Begriff "Verbesserung" vielleicht am besten so definieren, dass ich sage: die Welt soll in Zukunft besser sein, als sie jetzt ist.

Was ich an dem Artikel und seinem Zielvorschlag (Verbesserung um 10%) logisch unsinnig finde, ist, dass nicht definiert wird, was mit "Verbesserung" gemeint ist und von was die 10% die 10% sind.
Wenn implizit gemeint sein sollte (was ich jetzt mal vermute), dass man mit der Ausgangsmenge das aktuelle Gut-sein des Menschen meint, und mit 10% Verbesserung meint man, dass der Mensch morgen also 110% gut ist, dann ist das ziemlicher Unfug.

Es sollte doch jeder für sich entscheiden, wo er 10% mehr tun möchte.

Es ist ja nicht so, dass man nicht mit Angeboten, was es zu tun gäbe, was man mal machen sollte, was bestimmt richtig wäre und so weiter, überschüttet wird.
Die Reaktion ist doch oft genug die, die stine auch zeigte: Sie weiß, wo sie bestimmt mehr machen könnte, aber das führt irgendwie zu einem Gefühl der Ohnmacht und der Überforderung und um das abzuwehren landen die einen in der Resignation, die anderen im Zynismus … weil's, so habe ich es auch schon öfter gehört, zuviel ist.

ganimed hat geschrieben:Aber was ist, wenn ich sowieso schon seit 5 Wochen von Frau Meier aus der Wohnung nebenan ausgeschimpft werde im gemeinsamen Hof.

Dann könntest Du versuchen, Deine Beziehung zu Frau Meier ein klein wenig zu verbessern, denn da liegt dann ja offenbar der Druck.

ganimed hat geschrieben:Will sagen: wir leben in einer Welt, in der tausende von Frau Meiers von allen Seiten auf uns einreden, wir tausende von Artikeln lesen (vielleicht nicht täglich, aber immerhin) und wir tausende von anderen Einflüssen bekommen. Zudem kaufen wir gar nicht jeden Tag 50 Flaschen, manchmal sind es nur 30 und manchmal bringen wir sie nicht selber in den Müll. Völlig unmöglich, da fundiert von 10% zu reden, oder überhaupt von "Verbesserung".
Von fundiert und genau definiert ist doch gar nicht die Rede, bewusst nicht.
Es geht ja gerade nicht darum, den Nervereien und Vorhaltung noch eine weitere hinzuzufügen, die uns haarklein vorrechnen, was wir alles falsch machen und warum die Welt untergeht, wenn wir nicht bis 2015 alle dies oder das tun. Statt dessen steht da doch:
Wer kann mitmachen?
Jeder, der die Idee versteht und die ist wirklich leicht. Weltanschaulich gibt es keine Grenzen, ob Atheisten oder Gläubige, politisch Linke oder Rechte, arm oder reich, Veganer, Femistinnen und auch weltanschaulich ungebundene Individualisten, ich glaube jeder kann seinen moderaten Beitrag zum Gelingen eines etwas besseren Ganzen beitragen. Das dürfen ruhig mehr als zehn Prozent werden, aber es ist ein bescheidener Ansatz, jeder kleine Beitrag bewirkt etwas.
Was genau soll ich machen?
Was immer ihr wollt. Euch selbst vertrauen an erster Stelle. Lasst euch was einfallen, es wird schon stimmmen. Wenn ihr ein gutes Gefühl dabei habt, dann wird das so falsch nicht sein. Schaut nicht 10 Jahre in die Zukunft (kein Mensch kann sagen, was in 5 Monaten ist), sondern macht heute irgendwas. Ruft ne Freudin an und fragt, wie’s ihr geht, hebt eine weggeworfene Flasche im Wald auf, schreibt ein paar nette Zeilen, da gibt es bestimmt was, von dem ihr denkt: “Eigentlich müsste man mal…” Macht es doch einfach. Nicht mit Brachialgewalt, immer mal wieder ein wenig.“
Quelle: http://www.psyheu.de/6638/ein-bescheide ... n-prozent/

ganimed hat geschrieben:„Man kann sich eine Verbesserungstendenz höchstens einbilden, einreden und vormachen. Was der Artikel also vorschlägt "verbessere dich, wenn du magst, um 10%" ist undefiniert und praktisch undefinierbar, weil a) die Art der Verbesserung nicht definiert ist und b) sie schon gar nicht messbar ist.“

Darum geht es ja offenbar gerade nicht, da der Reiz des Ansatzes darin bestehen könnte, es gerade nicht mit Breifwaage abzuwiegen:

„Die zehn Prozent sind ein Symbol, eine Idee. Wer sich radikaler ändern will, kein Problem, wer gerade nicht mal zehn Prozent hinbekommt, weil es ihm schlecht geht
oder er alle Kraft braucht, okay, dann geht es im Moment eben nicht.“
Quelle: http://www.psyheu.de/6638/ein-bescheide ... n-prozent/

ganimed hat geschrieben:Ich will behaupten, dass jeder, der von 10% redet bei etwas, wo man nie und nimmer Prozentzahlen benutzen kann, dass der gequirlten Unsinn redet.
Denke, das löst sich auf, wenn man dem Autor unterstellt, dass es ihm nicht um 10% geht, sondern um eine Idee, die man auch „Lieber wenig, statt gar nichts“ nennen könnte, wobei „wenig“ wohl nicht als Fehler betrachtet wird.

ganimed hat geschrieben:Und jeder, der darauf eingeht und sich vornimmt, wirklich mal so etwa 10% Verbesserung vorzunehmen, kann sich fast mühelos irgendeinen Unsinn zusammenrechnen, der zwar nicht stimmt, aber sich gut anfühlt und einem die Illusion vermittelt, zur Verbesserung der Welt beizutragen.
Ja, wenn man unterstellt, dass die Mitmenschen, nachlässige und böswillige Trottel sind, denen es darum geht, nichts an ihrem Leben und der Welt zu ändern und die im Grunde nur nach einem Vorwand suchen, dies auch weiterhin nicht zu tun.

In der Kurzeinführung zum zweiten Artikel heißt es aber:
„Die Kraft der zehn Prozent ist ein bescheidener Ansaz, der auf Kooperation, die Intelligenz, das Selbstvertrauen und die Kreativität seiner Mitspieler setzt. Wir haben es in der Hand.“
http://www.psyheu.de/?s=zehn+prozent

ganimed hat geschrieben:In dem Artikel hätte also faktisch ebensogut stehen können: "Bildet euch einfach ein, ihr hättet durch 10% Fluxlipuxli zur Besserung der Welt beigetragen. Und denkt euch einfach selber aus, was ihr ganz persönlich unter Fluxlipuxli versteht. Und lächelt entspannt denn alles wird gut."

Im Grunde, ja.
Denn wer sich 10% entspannt und dadurch selbst besser fühlt, ist ein 10% entspannterer Mensch, etwas, was in einer Burnout-Gesellschaft, bei der viele zwischen Depression und Überforderung pendeln ja auch schon mal etwas wert ist.

ganimed hat geschrieben:Ein Aufruf, sich etwas vorzumachen und sich weniger zu sorgen. Psychologisch also relativ sinnvoll. Wenn ich nur drauf reinfallen könnte.

Das Angebot es in Eigenregie zu machen und jederzeit, je nach aktuellen Lebensbedingungen und eigenen Wunsch etwas mehr (oder etwas weniger) zu machen habe ich mehrfach gelesen.

Aber mal anders gefragt: Wie würdest Du den/die Artikel oder Ansatz verbessern? Der Autor hat uns ja erlaubt oder aufgefordert, das zu tun.
Was fehlt, was müsste korrigiert werden, um wen zu erreichen und wen nicht zu verprellen?
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Re: Weltrettung mal anders

Beitragvon ganimed » Di 28. Jan 2014, 10:54

Vollbreit hat geschrieben:Es sollte doch jeder für sich entscheiden, wo er 10% mehr tun möchte.

Mein Einwand war nicht, dass die 10% Forderung zu spezifisch und unflexibel gewesen sei. Ich verstehe schon, dass man sich selber aussuchen kann, was man ändert und um wie viel Prozent. Mein Einwand war, dass hier praktisch ein Kategoriefehler vorliegt. Es gibt keine zielgerichtete Änderung und es gibt keine quantifizierte Änderung. Deshalb sind alle Stellen, wo es in dem Artikel um zielgerichtete Änderungen oder irgendwelche Prozentzahlen geht, ausgemachter Unsinn.

Als Beispiel: man bittet einen Maler, die Wand um 40 Grad weiter im Kluxlipluxli-Stil des ausgehenden achten Jahrtausends zu streichen. Er könne sich aber aussuchen, mit welchem Pinsel und wie viel Grad.

Jetzt sage ich: das ist völliger Blödsinn. Es gibt keinen Kluxlipluxli-Stil (der ist nicht definiert) und ein achtes Jahrtausend gibt es auch nicht. Und das ganze kann auch nicht in Grad quantifiziert werden.

Und du willst wirklich gegen meinen Einwand argumentieren, dass dem Maler ja die Wahl des Pinsels und die Gradzahl freigestellt ist? Und damit also kein Druck erzeugt wird?

Ich habe den Eindruck, du bist meinem Einwand noch nicht wirklich gefolgt. Die Bitte an den Maler ist Unsinn, auch wenn sie dem Maler syntaktisch Freiheitsgrade zugesteht!


Vollbreit hat geschrieben:Ja, wenn man unterstellt, dass die Mitmenschen, nachlässige und böswillige Trottel sind, denen es darum geht, nichts an ihrem Leben und der Welt zu ändern und die im Grunde nur nach einem Vorwand suchen, dies auch weiterhin nicht zu tun.

Ich trinke heute andere Milchmoleküle, als ich es gestern tat. Ist ja klar. Habe ich dadurch mein Leben geändert?
Ändert euer Leben und belegt euer morgendliches Brot mal mit einer anderen Sorte Gouda. Jung statt alt!
Die einen sagen, hey, der schmiert sich jeden Morgen ein Käsebrot, das ist doch gar keine Änderung! Die anderen werden sagen, das heutige Käsebrot besteht aus komplett anderen Molekülen, 10hoch13 Änderungen an einem Tag, alle Achtung! Beide haben recht. Eine "Lebensänderung" ist einfach undefiniert und jeder kann darunter alles verstehen. Sogar das Beibehalten von Angewohnheiten kann eine Veränderung sein, wenn man bisher seine Angewohnheiten immer geändert hatte (oder auch nur glaubt, dass es so gewesen sein könnte). Also vergessen wir es lieber. Reden wir nicht mehr von Veränderungen, rufen wir niemanden auf, Veränderungen zu machen oder nicht zu machen. Und lassen wir den lächerlichen Zusatz auf jegliche Prozentzahl von etwas, was gar nicht zu fassen ist. Hören wir einfach auf, Unsinn zu reden. Wäre mein Vorschlag.
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Re: Weltrettung mal anders

Beitragvon Darth Nefarius » Di 28. Jan 2014, 11:15

ganimed hat geschrieben:Ich bin einer von diesen Typen, die ernsthaft glauben, dass Weltverbesserung praktisch immer eine Illusion ist. Verbesserung gegenüber was? Wie wollte man das messen? Man müsste vermutlich mit alternativen Realitäten argumentieren, so wie das bei StarTrek passiert mit alternativen Zeitlinien.

Abgesehen, dass es nicht nur um Weltverbesserung geht, sondern übergeordnet um das Erreichen und Setzen von Zielen (mit Beispiel Weltrettung), ist "Verbesserung" in verschiedenen Bereichen möglich: Biologisch betrachtet ist das Wachstum einer Population und die Lebensspanne ein gutes Indiz für die Qualität der Umgebung. Wenn Die Lebensspanne abnimmt (oder geringer ist als im ergleich zu einer anderen Gruppe) oder die Population abnimmt (oder geringer ist....) oder beides, gibt es einen Maßstab.
ganimed hat geschrieben:Ich finde, A bildet sich die 10% oder irgendeinen bestimmten Unterschied irgendwie nur ein. Völlig willkürlich spricht er von 10%. Denn es sind ebensogut auch alternative Realitäten denkbar, wo der "Unterschied" 2% oder 20% oder jeden anderen Wert beträgt.

Ja, das sehe ich auch so - aber letztlich ist das wohl nur eine symbolische Größe für die Aussage "Nimm dir kleine Ziele vor, damit du sie auch erreichen kannst und nicht enttäuscht bist, dass du ein Versager bist." - Ich finde diese Aussage allerdings eckelhaft.
Dem Rest deiner Ausführungen stimme ich zu und will noch für die anderen beiden anmerken, dass die Resignation vor vermeindlich unlösbaren Aufgaben bereits selbst bekämpft werden müsse und nicht durch diese Illusion von kleinen, kollektiven Verbesserungen umgangen werden sollte. Die Resignation sollte nicht hingenommen und geduldet werden als menschliche Schwäche - selbst wenn sie eine ist. Soll man dann eben versuchen, über das Menschsein hinauszuwachsen!
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Re: Weltrettung mal anders

Beitragvon ganimed » Di 28. Jan 2014, 11:45

Darth Nefarius hat geschrieben:Biologisch betrachtet ist das Wachstum einer Population und die Lebensspanne ein gutes Indiz für die Qualität der Umgebung.

Ja, zugegeben, es gibt viele Indikatoren für die Güte des Weltzustandes. Anzahl der Kriege, Anzahl der Hungernden, Statistiken von Amnesty International, Bruttosozialprodukt oder andere Statistiken der einzelnen Länder, usw.
Was mir fehlt ist die Verbindung zwischen dem einzelnen Menschen, der vom Artikel angesprochen wird, seinem Leben und dem Weltzustand. Ich glaube, es gibt praktisch keine. Ob es der Welt besser geht oder nicht, wird nicht von einzelnen Menschen bestimmt. Es wird von gesellschaftlichen Strömungen, von politischen, technischen, soziologischen Entwicklungen bestimmt. Es mag auch vom Klima, von Naturkatastrophen oder ähnlichen Dingen abhängen. Aber ich finde einfach die Milchmädchenrechnung abstrus, dass Gesellschaften aus Menschen bestehen, und deshalb gesellschaftliche Änderungen von einzelnen Menschen bestimmt werden. "Wenn viele kleine Menschen was tun..."? Sie tun es aber nicht. Jedenfalls nicht gerichtet, jedenfalls nicht aus eigenem Antrieb. Menschen sind in diesen Dimensionen mehr wie Sumpfgras. Sie wiegen sich als Schwarm in der Wasserströmung. Sie beeinflussen nicht als einzelne und auch nicht als Gruppe die Wasserströmung.

Wenn Lieschen Müller morgen ihr Leben ändert und 10 Pfandflaschen mehr recycled, dann ändert sie damit nicht die Welt. Die sich ständig ändernde Welt hatte sie heute geändert, beeinflusst und sie zu ihrem Entschluss veranlasst.

Darth Nefarius hat geschrieben:Die Resignation sollte nicht hingenommen und geduldet werden als menschliche Schwäche - selbst wenn sie eine ist. Soll man dann eben versuchen, über das Menschsein hinauszuwachsen!

Die Resignation ist ebenso eine menschliche Verhaltensform wie Verdauung. Hat sich in abstrus langen evolutionären Zeiträumen als Verhaltensmuster herausgebildet. Ich finde es gelinde gesagt kühn von dir, das mal eben wenn nicht als Schwäche so doch als abschaffungswürdig zu deklarieren. Resignation hat doch wohl den Sinn, Ressourcen zu schonen sobald sich andeutet, dass man nicht mehr gewinnen kann. Ich habe noch nie gehört, dass Ressourcen schonen eine Schwäche ist. Das ist eine erstklassige Stärke von uns. Die sollten wir uns hübsch warm halten.
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Re: Weltrettung mal anders

Beitragvon Vollbreit » Di 28. Jan 2014, 11:52

ganimed hat geschrieben:Mein Einwand war nicht, dass die 10% Forderung zu spezifisch und unflexibel gewesen sei. Ich verstehe schon, dass man sich selber aussuchen kann, was man ändert und um wie viel Prozent. Mein Einwand war, dass hier praktisch ein Kategoriefehler vorliegt.
Bei einem lockeren Appell?

ganimed hat geschrieben:Es gibt keine zielgerichtete Änderung und es gibt keine quantifizierte Änderung. Deshalb sind alle Stellen, wo es in dem Artikel um zielgerichtete Änderungen oder irgendwelche Prozentzahlen geht, ausgemachter Unsinn.
Was heißt das jetzt, dass man sich und auch sonst nichts verändern kann?
Wenn ich mir vornehme, weniger zu rauchen, mehr zu lernen, mich weniger zu streiten und weniger Fleisch zu essen, dann ändere ich doch was. Wo ist das Problem?

ganimed hat geschrieben:Als Beispiel: man bittet einen Maler, die Wand um 40 Grad weiter im Kluxlipluxli-Stil des ausgehenden achten Jahrtausends zu streichen. Er könne sich aber aussuchen, mit welchem Pinsel und wie viel Grad.

Jetzt sage ich: das ist völliger Blödsinn. Es gibt keinen Kluxlipluxli-Stil (der ist nicht definiert) und ein achtes Jahrtausend gibt es auch nicht. Und das ganze kann auch nicht in Grad quantifiziert werden.

Hier verstehe ich die Beispiele gar nicht. „Die Wand um 40 Grad weiter im Kluxlipluxli-Stil des ausgehenden achten Jahrtausends zu streichen“, da würde mir auch nichts einfallen. Aber 10% mehr Gemüse zu essen, 10% mehr spazieren zu gehen, 10% weniger schnell aus der Haut zu fahren, 10% mehr für unbedenkliche Kleidung auszugeben falls man meint, das sei wichtig (sonst kann man auch etwas anderes tun, von dem man meint, es sei gut und sollte mal getan werden), das ist doch zu verstehen.

ganimed hat geschrieben:Und du willst wirklich gegen meinen Einwand argumentieren, dass dem Maler ja die Wahl des Pinsels und die Gradzahl freigestellt ist? Und damit also kein Druck erzeugt wird?
Nein, ich weiß gar nicht wie ich dagegen argumentieren kann, weil ich Dein Beispiel vollkommen absurd finde und nicht sehen kann, was es mit den verlinkten Artikeln zu tun hat.

ganimed hat geschrieben:Ich habe den Eindruck, du bist meinem Einwand noch nicht wirklich gefolgt. Die Bitte an den Maler ist Unsinn, auch wenn sie dem Maler syntaktisch Freiheitsgrade zugesteht!
Ja, ich bin Deinem Einwand nicht gefolgt, weil ich ihn überhaupt nicht verstehe. Also wirklich überhaupt nicht.
Kannst Du bitte mal Deinen Hauptkritikpunkt noch mal erläutern, so dass ich eine Chance habe ihn zu erfassen, interessiert mich nämlich tatsächlich.

ganimed hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Ja, wenn man unterstellt, dass die Mitmenschen, nachlässige und böswillige Trottel sind, denen es darum geht, nichts an ihrem Leben und der Welt zu ändern und die im Grunde nur nach einem Vorwand suchen, dies auch weiterhin nicht zu tun.

Ich trinke heute andere Milchmoleküle, als ich es gestern tat. Ist ja klar. Habe ich dadurch mein Leben geändert?
Geht es darum?

ganimed hat geschrieben:Ändert euer Leben und belegt euer morgendliches Brot mal mit einer anderen Sorte Gouda. Jung statt alt!

Ja, wenn es darum geht (also: wenn man selbst meint, dass es wichtig ist), etwas mehr Abwechslung ins eigene Leben zu bringen, dann kann das ein Ansatz sein.
Ich weiß nicht, ob jemand ersnsthaft damit zufrieden ist, dass sich sein Leben nun geändert hat, wenn er jungen Gouda aufs Brot legt, statt altem, aber der Ansatz will ja bewusst keine inhaltlichen Vorschriften machen.

ganimed hat geschrieben:Die einen sagen, hey, der schmiert sich jeden Morgen ein Käsebrot, das ist doch gar keine Änderung! Die anderen werden sagen, das heutige Käsebrot besteht aus komplett anderen Molekülen, 10hoch13 Änderungen an einem Tag, alle Achtung! Beide haben recht.
Richtig.
Die erste Reaktion auf die links war ja von fopa: Was ist mit denen, die das überfordert? Die zweite von Darth: Ist das nicht viel zu wenig?
Die Palette ist breit und fopa und Darth kriegt man schwer auf einen Nenner, weshalb der Ball zurückgespielt wird mit der Anregung selbst zu entscheiden und diese Entscheidung selbst zu verantworten. Tue das, von dem du meinst, dass es gut und richtig ist, aber eben nicht radikal und überfordernd (außer man fühlt sich zu mehr berufen, das geht ganz ausdrücklich), sondern ein wenig.

ganimed hat geschrieben:Eine "Lebensänderung" ist einfach undefiniert und jeder kann darunter alles verstehen.
Im Grunde schon.

ganimed hat geschrieben:Sogar das Beibehalten von Angewohnheiten kann eine Veränderung sein, wenn man bisher seine Angewohnheiten immer geändert hatte (oder auch nur glaubt, dass es so gewesen sein könnte).
Das erscheint mir eher etwas konstruiert. Aber falls es so gemeint ist, dass ein „Chaot“ etwas ordentlichenr wird, so um 10%, dann ist das vermutlich für ihn (und seine Umgebung) ein Fortschritt.

ganimed hat geschrieben:Also vergessen wir es lieber. Reden wir nicht mehr von Veränderungen, rufen wir niemanden auf, Veränderungen zu machen oder nicht zu machen.
Du plädierst für totale Resignation?
0% sind besser als 10%, weil von allen die das lesen vielleicht nur 20% darauf reagieren und von diesen 20% meinstewegen 40% (oder 60% oder 80%) die Anregung als Legitimation auffassen nichts zu verändern? Dann lieber die garantierte 0? Verstehe ich Dich richtig?

ganimed hat geschrieben:Und lassen wir den lächerlichen Zusatz auf jegliche Prozentzahl von etwas, was gar nicht zu fassen ist. Hören wir einfach auf, Unsinn zu reden. Wäre mein Vorschlag.
Worin besteht jetzt der Unsinn? Veränderung anzustreben, sie mit Zahlen zu belegen oder die Zahlen/Anregung nicht zu konretisieren?
Wäre also ein Hinweis dieser Art, Deiner Meinung nach, besser: Gehen sie jede Woche mindestens 5 Kilometer spazieren, essen sie täglich drei verschiedene Obst- oder Gemüsesorten, mindestens 380g und lächeln sie mindstens 7x täglich einen Mitmenschen an und spenden die mindestens 10 Euro im Monat an eine Hilfsorganisation.
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Re: Weltrettung mal anders

Beitragvon Vollbreit » Di 28. Jan 2014, 12:09

ganimed hat geschrieben:Was mir fehlt ist die Verbindung zwischen dem einzelnen Menschen, der vom Artikel angesprochen wird, seinem Leben und dem Weltzustand. Ich glaube, es gibt praktisch keine. Ob es der Welt besser geht oder nicht, wird nicht von einzelnen Menschen bestimmt. Es wird von gesellschaftlichen Strömungen, von politischen, technischen, soziologischen Entwicklungen bestimmt.

Das kann ich verstehen.
Meinst Du denn, dass die von Dir genannten Veränderungen einfach so passieren? Ich nicht.
Ich glaube, dass sich da jemand dran setzt und sich fragt: Was könnte man da (noch) besser machen?
Die Technik-Welt ist ein gutes Beispiel. Nachdem man Geräte gebaut hat, die allerlei Schnickschnack können und Dein Rasierer Dir das Wetter vorhersagt und das Fieberthermoter auch selbstgedrehte Videos bearbeiten kann, hat man irgendwann gemerkt, dass das technisch Mögliche maximal rauszukitzeln keinen interessiert und 90% der Funktionen nie genutzt werden.

Dann hat man damit begonnen, die Welt benutzerfreundlich zu machen, so dass heute jeder motivierte Rentner, mit einem virtuellen Knopfdruck seinen Laptop jederzeit aktualisieren kann.

Auch bei Firmen ist es heute so, dass man darauf achtet, kein Arschlochunternehemn zu sein.
Ob der gute Ruf bares Geld ist (in einigen Branchen) und man sich nur aus wirtschaftlichem Kalkül verändert oder man echter Überzeugungstäter ist, ist dabei erst mal gar nicht so wichtig.
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Re: Weltrettung mal anders

Beitragvon ganimed » Di 28. Jan 2014, 13:10

Vollbreit hat geschrieben:„Die Wand um 40 Grad weiter im Kluxlipluxli-Stil des ausgehenden achten Jahrtausends zu streichen“, da würde mir auch nichts einfallen. Aber 10% mehr Gemüse zu essen, 10% mehr spazieren zu gehen, 10% weniger schnell aus der Haut zu fahren, 10% mehr für unbedenkliche Kleidung auszugeben falls man meint, das sei wichtig (sonst kann man auch etwas anderes tun, von dem man meint, es sei gut und sollte mal getan werden), das ist doch zu verstehen.

Ja, einfallen tut dir sicher viel zum "10% mehr Gemüse esssen". Das klingt halt vertraut. Da fällt einem was ein. Und ich sage jetzt, alles was dir dazu einfällt, können nur Illusionen sein.

Bleiben wir doch mal bei dem Beispiel "10% mehr Gemüse essen". Tun wir so, als hätte der Artikel genau dazu aufgerufen (und entfernen wir den unnötigen Ballast, das der Artikel einem die Wahl lässt, was man macht und wie viel davon). Mein Argument ist nun: der Artikel ruft zu etwas auf, was man nicht definieren kann, was man nicht überprüfen kann, zu dem man sich nicht entschließen kann. Falls das stimmt, was ist ein Appell, der zu etwas aufruft, von dem man nicht sagen kann, was das ist, und von dem man nicht prüfen kann, ob man ihm folgt? So ein Appell ist gequirlter Blödsinn.

Meine Beweisführung, dass die Definition nicht vorhanden ist:
Wie definierst du genau 10% mehr Gemüse essen? Was sind die 100% Ausgangsmenge? Was ist die 10% Steigerung? In welchen Zeiträumen? Welches Gemüse? In welcher Form? Darf man dafür andere Essenssachen weglassen, oder sind die 10% Gemüse als reiner Zusatz gemeint? Kann ich als Ausgleich zu dem Mehrgemüse gleichzeitig 30% mehr Schokolade essen? Wie viel vergammeltes Gemüse ist erlaubt? Ab welchem Prozentanteil und Alter gilt das Essen von 10% mehr vergammeltem Gemüse nicht mehr als Verbesserung? Inwiefern ist überhaupt das mit der Verbesserung gemeint? Was soll sich durch die 10% mehr Gemüsse verbessern?
Weder die eigentliche Lebensveränderung ist irgendwie definiert, noch ist der Bezug zum Begriff "Verbesserung" definiert oder irgendwie klar. Vielleicht schadet es ja der Welt, wenn viele kleine Leute an vielen kleinen reichen Orten, die es sich leisten können, den Armen dieser Welt 10% mehr des kostbaren Gemüses wegfuttern?

Und dann gibt es die Abgrenzungsprobleme. Wenn du morgen 5 Stangen Karotten mehr isst, ist das dann die besagte, vom Appell induzierte, von dir beschlossene Lebensverbesserung? Wie kannst du sicher sein, dass es nicht zu bestimmten Teilen auch anderen Faktoren geschuldet ist? Woher weißt du, dass diese anderen Faktoren neu sind, so dass man von Veränderung überhaupt sprechen kann? Vielleicht sind sie ja alt und stellen deshalb keine Veränderung dar, sondern einfach nur die Fortsetzung eine dynamischen Lebensprozesses?

Es ist, folgere ich aus all diesen Fragen, einfach eine Illusion, wenn man sich vorstellt, auf diesen Appell hin sein Leben verändert zu haben, ungefähr um 10% und damit irgendwas zu verbessern. Und mit Illusion meine ich: nein, du wirst dem Appell nicht folgen können und irgendwas ändern können um so und soviel Prozent. Weil einfach nicht definierbar ist, was du dafür tun müsstest und wie das geschehen und überprüft werden sollte.

Vollbreit hat geschrieben:
ganimed hat geschrieben:Sogar das Beibehalten von Angewohnheiten kann eine Veränderung sein, wenn man bisher seine Angewohnheiten immer geändert hatte (oder auch nur glaubt, dass es so gewesen sein könnte).

Das erscheint mir eher etwas konstruiert.

Mir auch. Das IST konstruiert. Ich lege auch wert auf die Tatsache, dass ich nicht willkürliche Wortreihen aneinander füge, sondern logische Argumente konstruiere. Da wo ich herkomme, ist das "konstruiert" ein Gütesiegel.
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