Weltrettung mal anders

Re: Weltrettung mal anders

Beitragvon Vollbreit » Di 28. Jan 2014, 13:34

ganimed hat geschrieben:Ja, einfallen tut dir sicher viel zum "10% mehr Gemüse esssen". Das klingt halt vertraut. Da fällt einem was ein. Und ich sage jetzt, alles was dir dazu einfällt, können nur Illusionen sein.

Bleiben wir doch mal bei dem Beispiel "10% mehr Gemüse essen". Tun wir so, als hätte der Artikel genau dazu aufgerufen (und entfernen wir den unnötigen Ballast, das der Artikel einem die Wahl lässt, was man macht und wie viel davon).
Nein, denn das hieße die Dinge auf den Kopf zu stellen, denn genau dazu hat der Artikel ganz explizit nicht aufgerufen!

ganimed hat geschrieben:Mein Argument ist nun: der Artikel ruft zu etwas auf, was man nicht definieren kann, was man nicht überprüfen kann, zu dem man sich nicht entschließen kann. Falls das stimmt, was ist ein Appell, der zu etwas aufruft, von dem man nicht sagen kann, was das ist, und von dem man nicht prüfen kann, ob man ihm folgt? So ein Appell ist gequirlter Blödsinn.
Kennst Du den kategorischen Imperativ von Kant, oder den Utilitarimus?
Kannst Du mir sagen, zu was sie konkret raten?
Kannst Du mir erklären, was Du unter einem Prinzip verstehst?

ganimed hat geschrieben:Meine Beweisführung, dass die Definition nicht vorhanden ist:
Wie definierst du genau 10% mehr Gemüse essen?
Wenn man durchschnittlich in der Woche 1000g Gemüse isst, wären 10% mehr 1100g.

ganimed hat geschrieben:Was sind die 100% Ausgangsmenge? Was ist die 10% Steigerung?
Das hängt davon ab, ob man eine quantitative Analyse machen will. Dann nimmt man ein beliebieges Zeitfenster zählt und erhöht die Menge im künftigen Zeitfenster um 10%.

ganimed hat geschrieben:In welchen Zeiträumen? Welches Gemüse? In welcher Form? Darf man dafür andere Essenssachen weglassen, oder sind die 10% Gemüse als reiner Zusatz gemeint?
Das bleibt dem Einzelen überlassen, umso mehr dem, der erkannt hat, dass es nicht um sklavische Pflichterfüllung geht, sondern um die Idee einer leichten Erhöhung derr Aktivität bei jenen Dingen, von den man denkt, sie sollten mal getan werden.

ganimed hat geschrieben:Kann ich als Ausgleich zu dem Mehrgemüse gleichzeitig 30% mehr Schokolade essen? Wie viel vergammeltes Gemüse ist erlaubt? Ab welchem Prozentanteil und Alter gilt das Essen von 10% mehr vergammeltem Gemüse nicht mehr als Verbesserung? Inwiefern ist überhaupt das mit der Verbesserung gemeint? Was soll sich durch die 10% mehr Gemüsse verbessern?
Weder die eigentliche Lebensveränderung ist irgendwie definiert, noch ist der Bezug zum Begriff "Verbesserung" definiert oder irgendwie klar. Vielleicht schadet es ja der Welt, wenn viele kleine Leute an vielen kleinen reichen Orten, die es sich leisten können, den Armen dieser Welt 10% mehr des kostbaren Gemüses wegfuttern?

Bist Du ganz persönlich eigentlich ein Freund von Anweisungen, die Dir haarklein sagen, was Du wann genau, wie oft zu tun und zu lassen hast?

Und dann gibt es die Abgrenzungsprobleme. Wenn du morgen 5 Stangen Karotten mehr isst, ist das dann die besagte, vom Appell induzierte, von dir beschlossene Lebensverbesserung? Wie kannst du sicher sein, dass es nicht zu bestimmten Teilen auch anderen Faktoren geschuldet ist? Woher weißt du, dass diese anderen Faktoren neu sind, so dass man von Veränderung überhaupt sprechen kann? Vielleicht sind sie ja alt und stellen deshalb keine Veränderung dar, sondern einfach nur die Fortsetzung eine dynamischen Lebensprozesses?

ganimed hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:
ganimed hat geschrieben:Sogar das Beibehalten von Angewohnheiten kann eine Veränderung sein, wenn man bisher seine Angewohnheiten immer geändert hatte (oder auch nur glaubt, dass es so gewesen sein könnte).

Das erscheint mir eher etwas konstruiert.

Mir auch. Das IST konstruiert. Ich lege auch wert auf die Tatsache, dass ich nicht willkürliche Wortreihen aneinander füge, sondern logische Argumente konstruiere. Da wo ich herkomme, ist das "konstruiert" ein Gütesiegel.

Gut, da kommen wir wohl nicht zu einander.
Für Dich ist das also nichts, weil es zu unkonkret ist?
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Re: Weltrettung mal anders

Beitragvon ganimed » Di 28. Jan 2014, 14:35

Vollbreit hat geschrieben:Gut, da kommen wir wohl nicht zu einander. Für Dich ist das also nichts, weil es zu unkonkret ist?

Das ist alles? Hm. Muss ja jeder selber wissen, bis wohin er sich wohlfühlt. Aber wenn ich einen Appell gut fände und auch nahe dran wäre, ihm auf welche Art und Weise auch immer zu folgen, und dann käme jemand und würde den Kern der Idee grundsätzlich in Frage stellen, würde ich dann auch achselzuckend sagen: "hm, ist dir wohl zu unkonkret, wa? Muss ja jeder selber wissen, wa?" Ich fühle mich damit ein wenig abgetan.

Du willst nicht auf meine Argumente eingehen, dass eine gerichtete "Verbesserung durch Lebensänderungen" nur eine Illusion sein kann? Das interessiert dich nicht weiter?

Vollbreit hat geschrieben:Das bleibt dem Einzelen überlassen, umso mehr dem, der erkannt hat, dass es nicht um sklavische Pflichterfüllung geht, sondern um die Idee einer leichten Erhöhung derr Aktivität bei jenen Dingen, von den man denkt, sie sollten mal getan werden.

Was war eigentlich gestern? Glaubst du im Ernst, dass du gestern nicht auch bereits gedacht hast, dass die Dinge mal getan werden sollten? Und meinst du wirklich, dass es schlecht war und ein Fehler, die Dinge nicht bereits vor einer Woche getan zu haben bzw. (wir wollen ja nicht konkret werden) leicht erhöht zu haben? Und du glaubst, diesen Fehler jetzt ein für alle Mal zu korrigieren? Ist jede 10% Verbesserung am Ende eine 10% Fehlerverminderung?

Wenn dem so wäre, dann würdest du dir ja von diesem Appell (oder sonst wem) schön was einreden lassen, von Fehlern der Vergangenheit, dass wir alle eigentlich zu wenig tun, dass es eigentlich falsch ist, nicht mehr zu tun, das wir alle doch irgendwie Sünder sind. Mich erinnert das an die katholische Kirche.

Ich glaube ja eher, dass wir letzte Woche ziemlich fehlerfrei genau das getan haben, was in unserem Gehirn verhandelt wurde nach einer jeweiligen Abwägung. Und ich kann darin keinen Fehler erkennen. Ich fühle mich unschuldig. Wenn ich zu faul bin, die Pfandflaschen zurückzubringen, dann hat das sicher seine Gründe. Mit der gesparten Energie, wer weiß das schon, war es mir vielleicht gelungen, der blöden Frau Meier von nebenan trotzdem ein Lächeln und ein halbwegs freundliches "Guten Morgen" rüberwachsen zu lassen, so dass sie vielleicht einen klitzekleinen freundlicheren Tag erlebt hat. Wir haben alle nur so und so viel Ressourcen, Zeit, Energie, Geld, Aufmerksamkeitsspannen, Interessensspannen, Motivation, schlechtes Gewissen. Wenn wir dem Appell folgen und mehr dort machen wird das bestimmt bedeuten müssen, dass wir hier weniger machen. Niemand kann zaubern. Nicht einmal auf dieser grundlegenden Bilanzebene könnte man sich sicher sein, irgendwas zu verbessern.
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Re: Weltrettung mal anders

Beitragvon Vollbreit » Di 28. Jan 2014, 14:54

ganimed hat geschrieben:Du willst nicht auf meine Argumente eingehen, dass eine gerichtete "Verbesserung durch Lebensänderungen" nur eine Illusion sein kann? Das interessiert dich nicht weiter?
Die Tatsache, dass manche Leute lügen, bedeutet für mich nicht, dass alle lügen.
Die Tatsache, dass man sich täsuchen kann, beduetet für mich nciht, dass wir uns immer täsuchen.
Die Tatsache, dass man Ansätze komplett falsch verstehen oder missbrauchen kann, bedeutet für mich nicht, dass dies immer und überall geschieht.

ganimed hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Das bleibt dem Einzelen überlassen, umso mehr dem, der erkannt hat, dass es nicht um sklavische Pflichterfüllung geht, sondern um die Idee einer leichten Erhöhung derr Aktivität bei jenen Dingen, von den man denkt, sie sollten mal getan werden.

Was war eigentlich gestern? Glaubst du im Ernst, dass du gestern nicht auch bereits gedacht hast, dass die Dinge mal getan werden sollten?
Zu denken, dass man mal etwas für oder gegen dies oder das tun müsste und es zu tun, sind m.E. zwei Paar Schuhe. Der Ansatz rechnet ja damit, dass Menschen das durchaus wissen, sich nur bislang nicht motiviert fühlten, es zu tun und im "Eigentlich müsste man mal ..." stecken blieben.

ganimed hat geschrieben:Und meinst du wirklich, dass es schlecht war und ein Fehler, die Dinge nicht bereits vor einer Woche getan zu haben bzw. (wir wollen ja nicht konkret werden) leicht erhöht zu haben?
Nein, der Ansatz soll explizit kein schlechtes Gewissen auslösen.

ganimed hat geschrieben:Und du glaubst, diesen Fehler jetzt ein für alle Mal zu korrigieren?
Nein, ich glaube, dass der Rekurs auf Fehler in diesem Sinne nicht weiter hilft.

ganimed hat geschrieben:Ist jede 10% Verbesserung am Ende eine 10% Fehlerverminderung?
Eine 10% Verbesserung ist in gewisser Weise eine 10% Fehleerverminderung, wenn man das, was jetzt besser ist, zuvor als Fehler ansehen möchte (wozu aber nicht aufgerufen wird).

ganimed hat geschrieben:Wenn dem so wäre, dann würdest du dir ja von diesem Appell (oder sonst wem) schön was einreden lassen, von Fehlern der Vergangenheit, dass wir alle eigentlich zu wenig tun, dass es eigentlich falsch ist, nicht mehr zu tun, das wir alle doch irgendwie Sünder sind. Mich erinnert das an die katholische Kirche.
Der Ansatz ist eigentlich bewusst nicht so angelegt, dass sich jemand schuldig fühlen muss. Es wird ja der Spaß an der Sache betont.

ganimed hat geschrieben:Ich glaube ja eher, dass wir letzte Woche ziemlich fehlerfrei genau das getan haben, was in unserem Gehirn verhandelt wurde nach einer jeweiligen Abwägung.
Ja, vermutlich.

ganimed hat geschrieben:Und ich kann darin keinen Fehler erkennen. Ich fühle mich unschuldig. Wenn ich zu faul bin, die Pfandflaschen zurückzubringen, dann hat das sicher seine Gründe.
Du musst Dich ja nicht angesprochen und schon gar nicht bedroht fühlen. Das wäre sicher nicht im Sinne des Ansatzes.

ganimed hat geschrieben:Mit der gesparten Energie, wer weiß das schon, war es mir vielleicht gelungen, der blöden Frau Meier von nebenan trotzdem ein Lächeln und ein halbwegs freundliches "Guten Morgen" rüberwachsen zu lassen, so dass sie vielleicht einen klitzekleinen freundlicheren Tag erlebt hat.
Wenn ich das richtig verstehe, siehst Du jede Art von Appell als eine Art Übergriff an. Ist das so?

ganimed hat geschrieben:Wir haben alle nur so und so viel Ressourcen, Zeit, Energie, Geld, Aufmerksamkeitsspannen, Interessensspannen, Motivation, schlechtes Gewissen. Wenn wir dem Appell folgen und mehr dort machen wird das bestimmt bedeuten müssen, dass wir hier weniger machen. Niemand kann zaubern. Nicht einmal auf dieser grundlegenden Bilanzebene könnte man sich sicher sein, irgendwas zu verbessern.
Jetzt versteh ich glaube ich besser, was Du meinst.
Jeder tut schon genau soviel, wie er kann und braucht in keiner Weise zusätzlich motiviert zu werden. Meinst Du es so?
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Re: Weltrettung mal anders

Beitragvon Darth Nefarius » Di 28. Jan 2014, 16:46

ganimed hat geschrieben:Was mir fehlt ist die Verbindung zwischen dem einzelnen Menschen, der vom Artikel angesprochen wird, seinem Leben und dem Weltzustand. Ich glaube, es gibt praktisch keine.

Naja, einige Menschen lassen ihre Stimmung durchaus vom Zustand ihrer Umgebung (auch wenn sie nicht die unmittelbare ist) beeinflussen. In Zeiten der lückenlosen Vernetzung ist das wohl umso mehr zu ebrücksichtigen.
ganimed hat geschrieben: Ob es der Welt besser geht oder nicht, wird nicht von einzelnen Menschen bestimmt.

Doch, manchmal schon. Angenommen der Euro wird von einem auf den nächsten Tag durch einen unwilligen Politiker der Gebernationen nicht mehr halbtbar und die EU bricht zusammen - das wirtschaftliche Chaos würde asiatische und amerikanische Märkte ins Wanken bringen und dann einen Verfall an Arbeitsplätzen, der Kaufkraft usw. bedeuten - das könnte alles ein Mensch provozieren. Umgekehrt kann ein Forscher durch die Heilung einer Pandemie "die Welt" nachhaltig in ihrer Qualität beeinflussen (für die Maßstäbe des Menschen natürlich).
ganimed hat geschrieben:Es wird von gesellschaftlichen Strömungen, von politischen, technischen, soziologischen Entwicklungen bestimmt.

Und aufgrund hierarchischer Organisationsstrukturen (die nunmal notwendig sind) hängen diese Entwicklungen maßgeblich nicht selten von wenigen oder gar nur einer Person ab.
ganimed hat geschrieben: Es mag auch vom Klima, von Naturkatastrophen oder ähnlichen Dingen abhängen. Aber ich finde einfach die Milchmädchenrechnung abstrus, dass Gesellschaften aus Menschen bestehen, und deshalb gesellschaftliche Änderungen von einzelnen Menschen bestimmt werden. "Wenn viele kleine Menschen was tun..."? Sie tun es aber nicht. Jedenfalls nicht gerichtet, jedenfalls nicht aus eigenem Antrieb. Menschen sind in diesen Dimensionen mehr wie Sumpfgras. Sie wiegen sich als Schwarm in der Wasserströmung. Sie beeinflussen nicht als einzelne und auch nicht als Gruppe die Wasserströmung.

Ja, das tun die meisten so - jedenfalls diejenigen, die meinen, dass sie nur im Kollektiv etwas bewegen können (und sich zu 90 % auf den Rest verlassen und meinen, sie könnten sich mit 10 % aus der Situation freikaufen).
ganimed hat geschrieben:Wenn Lieschen Müller morgen ihr Leben ändert und 10 Pfandflaschen mehr recycled, dann ändert sie damit nicht die Welt. Die sich ständig ändernde Welt hatte sie heute geändert, beeinflusst und sie zu ihrem Entschluss veranlasst.

Richtig, damit fühlt sie sich lediglich bedeutend und weniger schuldig - genau das ist wohl auch die Absicht dieses Konzeptes = Augenwischerei.
ganimed hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Die Resignation sollte nicht hingenommen und geduldet werden als menschliche Schwäche - selbst wenn sie eine ist. Soll man dann eben versuchen, über das Menschsein hinauszuwachsen!

Die Resignation ist ebenso eine menschliche Verhaltensform wie Verdauung. Hat sich in abstrus langen evolutionären Zeiträumen als Verhaltensmuster herausgebildet.

Nur weil die meisten folgsam sind, bedeutet es nicht, dass alle es sind und die Gesellschaft nur durch Folgsamkeit überlebt - es muss auch unabhängige Individuen mit Entscheidungsfreude und Dominanz geben (auch wenn sie in der Minderheit wären, wäre der Rest auf sie angewiesen und kaum überlebensfähig).
ganimed hat geschrieben:Ich finde es gelinde gesagt kühn von dir, das mal eben wenn nicht als Schwäche so doch als abschaffungswürdig zu deklarieren.

Oh doch, sie ist eine Schwäche und abschaffungswürdig - was eben fraglich ist, ist das "menschlich" (nicht ob Resignation eine Schwäche darstellt). Aber Grausamkeit, Perversion und Aggression sind auch menschlich - muss man sie hinnehmen?
ganimed hat geschrieben:Resignation hat doch wohl den Sinn, Ressourcen zu schonen sobald sich andeutet, dass man nicht mehr gewinnen kann. Ich habe noch nie gehört, dass Ressourcen schonen eine Schwäche ist. Das ist eine erstklassige Stärke von uns. Die sollten wir uns hübsch warm halten.

Nichts hat einen "Sinn". Resignation ist nur das Fehlen von Willensstärke und durch einen sprachlichen Dreh wird sie nicht nützlich. Man könnte ebensogut die Beeinflussbarkeit durch die Schwerkraft als vermeindlichen evolutionären Vorteil betrachten, weil doch schließlich alle diese Eigenschaft haben! Ist aber purer Unsinn, weil es lediglich eine Angelegenheit ist, die schlichtweg nicht wegzubekommen ist.
Und Ressourcen zu schonen ist einfach nicht gleichzusetzen mit "Resignation". Die Resignation der Industrieländer (bezüglich des Klimawandels) besteht z.Bsp. in weiterhin zunehmender Verschwendung von Ressourcen und nicht ihrer allmählichen Schonung.
Vollbreit hat geschrieben:Wenn ich mir vornehme, weniger zu rauchen, mehr zu lernen, mich weniger zu streiten und weniger Fleisch zu essen, dann ändere ich doch was. Wo ist das Problem?

Das wäre kein Problem - vorrausgesetzt du ziehst es auch durch und bist nicht nur mit 10% mehr zufrieden. Das wäre schwach und dein Problem ist, dass du es wüsstest und man es dir gerade sagt, dass es schwach ist. Anstatt wütend auf dich selber zu sein, weil du nicht 100% versuchst, bist du wütend auf diejenigen, die dir deine Zufriedenheit mit deinem mageren "Erfolg" madig machen. Dieser Ärger wäre nicht vorhanden, wärst du tatsächlich mit 10% zufriedenzustellen. Die Meinung anderer würde dich einfach nicht interessieren.
Vollbreit hat geschrieben:Die erste Reaktion auf die links war ja von fopa: Was ist mit denen, die das überfordert? Die zweite von Darth: Ist das nicht viel zu wenig?
Die Palette ist breit und fopa und Darth kriegt man schwer auf einen Nenner, weshalb der Ball zurückgespielt wird mit der Anregung selbst zu entscheiden und diese Entscheidung selbst zu verantworten. Tue das, von dem du meinst, dass es gut und richtig ist, aber eben nicht radikal und überfordernd (außer man fühlt sich zu mehr berufen, das geht ganz ausdrücklich), sondern ein wenig.

Ja, dem kann ich zustimmen (außer dem, dass man nicht radikal und überfordernd sein soll - wie soll man das wissen, wenn man nicht an die Grenzen geht?). Ich habe an mir selbst gemerkt, wie oft ich selbst nicht gedacht habe, dass ich xyz schaffe und fand es auch ziemlich schwierig, aber dann war es doch erreicht. Warum sträubst du dich gegen (Über)Forderung? Du würdest dich doch selbst nicht so angegriffen fühlen, wenn du nicht selbst sehen würdest, dass dir das auch zu wenig ist.
Ansonsten stimme ich dir insofern zu, dass sich durchaus etwas verändern kann - meinetwegen auch mit 10%, aber warum sollte man nicht mehr versuchen oder schon damit zufrieden sein?
Zuletzt geändert von Darth Nefarius am Di 28. Jan 2014, 16:47, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Weltrettung mal anders

Beitragvon ganimed » Di 28. Jan 2014, 16:47

Vollbreit hat geschrieben:Nein, der Ansatz soll explizit kein schlechtes Gewissen auslösen.

Hier und an anderen Stellen, argumentierst du mit dem Ansatz. Dem Ansatz, den ich gequirlten Unsinn nenne. Weil ich ihn dafür halte. Als Argumente bräuchte ich also dringend etwas mehr als Hinweise darauf, was der gequirlte Appell beabsichtigt.

Vollbreit hat geschrieben:Wenn ich das richtig verstehe, siehst Du jede Art von Appell als eine Art Übergriff an. Ist das so?

Das ist deine naheliegende Schlussfolgerung? Wenn ich diesen Appell ablehne (aus Gründen, die du nicht nachvollziehen möchtest), dann vermutest du, lehne ich einfach nur aus Prinzip alle Appelle ab? Weil spezifische Gründe habe ich ja anscheinend nicht. Außer alle die, die ich aufgezählt habe und die alle von dir ignoriert werden. Logisch widerspruchsfrei, deine Position, das muss ich zugeben. Aber gefällt mir trotzdem nicht.

Vollbreit hat geschrieben:Jeder tut schon genau soviel, wie er kann und braucht in keiner Weise zusätzlich motiviert zu werden. Meinst Du es so?

Nein, so meinte ich das nicht. Wir machen alle schon 100% irgendwas. Wir können gar nicht 110% machen, weil das prinzipiell unmöglich ist. Ich bezeichne nur Appelle als Blödsinn, die aber trotzdem vorschlagen, mehr als die jetzigen 100% zu tun. Und entsprechendes halte ich, ehrlich gesagt auch, von Leuten, die sich dann einbilden, 110% zu leisten. Träumt weiter.
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Re: Weltrettung mal anders

Beitragvon ganimed » Di 28. Jan 2014, 17:32

Darth Nefarius hat geschrieben:Und aufgrund hierarchischer Organisationsstrukturen (die nunmal notwendig sind) hängen diese Entwicklungen maßgeblich nicht selten von wenigen oder gar nur einer Person ab.

Du machst tatsächlich das auf, was ich eben als Milchmädchenrechnung bezeichnet habe. Wunderbar. Posaunen, blast zum Kampf!

Darth Nefarius hat geschrieben:Angenommen der Euro wird von einem auf den nächsten Tag durch einen unwilligen Politiker der Gebernationen nicht mehr halbtbar und die EU bricht zusammen - das wirtschaftliche Chaos würde asiatische und amerikanische Märkte ins Wanken bringen und dann einen Verfall an Arbeitsplätzen, der Kaufkraft usw. bedeuten - das könnte alles ein Mensch provozieren.

Bis dahin stimme ich dir zu. Ich bin nur nicht einverstanden, dass du die Kette so plötzlich und willkürlich an dem letzten "." beendest. Sieht mir verdächtig nach genau der Stelle aus, die als Untermauerung deiner aberwitzigen Behauptung dienen könnte. Aber lass uns diesen Versuch ruhig mal ignorieren und die kausale Kette weiterdenken (oder du begründest mal, wieso sie bei dem Menschen endet). Also, was hat denn den Politiker provoziert, alles zusammenbrechen zu lassen? Vermutlich seine Parteifreunde, seine Frau, das was er in der Zeitung gelesen hat, das was er in der Presse gelesen hat, das was er gelernt, erfahren und gedacht hat, kurzum, die Welt hat ihn dazu provoziert. Der kausale Faden mag manchmal durch einen oder wenige Menschen gehen, aber er endet nicht dort. Der Politiker kann beruhigt sein, er war nur ein Sumpfgras in der Strömung und hat die Welt nicht wirklich aus sich heraus geändert. Wäre er nicht gewesen, hätte vielleicht ein anderer Politiker das gemacht, oder es wäre später vom Parlament so beschlossen worden, irgendwas passiert immer.

Darth Nefarius hat geschrieben:
ganimed hat geschrieben:Die Resignation ist ebenso eine menschliche Verhaltensform wie Verdauung. Hat sich in abstrus langen evolutionären Zeiträumen als Verhaltensmuster herausgebildet.

Nur weil die meisten folgsam sind, bedeutet es nicht, dass alle es sind und die Gesellschaft nur durch Folgsamkeit überlebt - es muss auch unabhängige Individuen mit Entscheidungsfreude und Dominanz geben (auch wenn sie in der Minderheit wären, wäre der Rest auf sie angewiesen und kaum überlebensfähig).

Wieso ist Resignation jetzt plötzlich Folgsamkeit bei dir? Ist das nur ein Verschreiber?
Mein Argument war: Resignation gibt es schon sehr lange und sie muss deshalb wichtig, nützlich und gut sein.
Dein Gegenargument: wenn alle nur resignieren würden, wäre das nicht gut.
Meine Reaktion darauf: hää? Was ist das denn für eine Logik? Wer hat denn behauptet, dass alle jetzt immer resignieren sollen? Du wolltest die Resignation abschaffen, remember? Also müsstest du doch jetzt eigentlich argumentativ darlegen, was dich so sicher macht, dass die Resignation IMMER schlecht ist. Ich brauche nicht zeigen, dass sie IMMER gut ist, ich brauche nur zeigen, dass sie gut genug ist, um nicht abgeschafft zu gehören und nicht als Schwäche von dir verunglimpft zu werden. Und das habe ich ja schon gemacht, indem ich auf die Weisheit der Evolution verwies. Nu komms du.

Darth Nefarius hat geschrieben:Resignation ist nur das Fehlen von Willensstärke und durch einen sprachlichen Dreh wird sie nicht nützlich.

Du weißt aber schon, dass man ein zuviel an Willensstärke mit Ausdrücken wie Starrsinn, Kritikunfähigkeit und Übermotivation belegt. Lächerlich also, wenn du jetzt darauf hinaus wolltest, dass es ein zuviel gar nicht gibt und dass je mehr Willensstärke desto besser. Das wäre eine exotische Einzelmeinung, die durch simpelste Gegenbeispiele einfach zu widerlegen wäre.

Darth Nefarius hat geschrieben:Und Ressourcen zu schonen ist einfach nicht gleichzusetzen mit "Resignation".

Niemand wollte das gleichsetzen, niemand tat es. Resignation ist der Versuch, Ressourcen zu schonen. Klappt sicher nicht immer, aber manchmal. In den Fällen, wo ein Weitermachen aussichtslos und wirkungslos wäre, ist Resignation Ressourcen schonend und gut und richtig und gehört deshalb nicht abgeschafft.
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Re: Weltrettung mal anders

Beitragvon Vollbreit » Di 28. Jan 2014, 18:43

ganimed hat geschrieben: Dem Ansatz, den ich gequirlten Unsinn nenne. Weil ich ihn dafür halte. Als Argumente bräuchte ich also dringend etwas mehr als Hinweise darauf, was der gequirlte Appell beabsichtigt.


ganimed hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Jeder tut schon genau soviel, wie er kann und braucht in keiner Weise zusätzlich motiviert zu werden. Meinst Du es so?

Nein, so meinte ich das nicht. Wir machen alle schon 100% irgendwas. Wir können gar nicht 110% machen, weil das prinzipiell unmöglich ist. Ich bezeichne nur Appelle als Blödsinn, die aber trotzdem vorschlagen, mehr als die jetzigen 100% zu tun. Und entsprechendes halte ich, ehrlich gesagt auch, von Leuten, die sich dann einbilden, 110% zu leisten. Träumt weiter.


Was versprichst Du Dir von einem weiteren Austausch zu dem Thema?
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Re: Weltrettung mal anders

Beitragvon ganimed » Di 28. Jan 2014, 20:41

Was versprichst Du Dir von einem weiteren Austausch zu dem Thema?

Wieso fragst du?
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Re: Weltrettung mal anders

Beitragvon Vollbreit » Di 28. Jan 2014, 22:22

Nachdem ich seit einigen Beiträgen im Grunde keinerlei Hoffnung habe, dass wir uns auch nur entfernt verständigen können, Du Dich aber "ein wenig abgetan" fühltest durch meine Bemerkung, kann ich weiterhin weder erkennen, worauf wir uns eingen, noch worüber wir uns verständigen könnten.

Du bemühst Dich mir zu erklären, wie behämmert Du den Ansatz findest, das habe ich verstanden, dass Du die andere Position erfasst hast, kann ich nicht erkennen, ich sehe keinerlei Sinn darin, hier weiter zu machen, sollen wir's nicht besser lassen?
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Re: Weltrettung mal anders

Beitragvon ganimed » Di 28. Jan 2014, 22:28

dass Du die andere Position erfasst hast, kann ich nicht erkennen

Was meinst du hier mit "andere Position"? Meinst du damit deine Position? Ich hatte in der Tat den Eindruck, dass du mich und meine Kritik nicht verstehst oder nachvollziehen mochtest. Mir schien, dass du aber dabei auch keine eigene Position vertreten hast. Habe ich da was übersehen?
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Re: Weltrettung mal anders

Beitragvon Vollbreit » Di 28. Jan 2014, 23:28

Ich bin z.B. nicht der Ansicht, dass jeder schon 100% gibt.
Für mich kann ich z.B. sagen, dass es immer wieder Situationen gibt, in denen ich das Gefühl habe, ich hätte etwas (auch zum damaligen Zeitpunkt, nicht erst im Rückblick) besser machen können, es aber aus Bequemlichkeit nicht tat.
Ich kann mir das zum Teil schönreden und auch verzeihen, aber ich kenne solche Situationen.

Das andere ist auch aus eigener Erfahrung: Ich esse kein Fleisch. Inhaltlich will ich das nicht besprechen, soll jeder machen, wie er es für richtig hält. Nun kannte ich all die Argumente eigentlich schon und fand sie irgendwie auch überzeugend, als ich einen Artikel über Vegetarismus las, der mir im Grunde keine neuen Informationen brachte. Aber ab dem Tag habe ich dann (bis auf wenige Ausnahmen) kein Fleisch mehr gegessen.

Ich finde auch die Drehung, der Ansatz der 10% meint und sich bescheiden nennt würde 110% verlangen, relativ gewaltsam und absurd.
Aber Du siehst das alles eben anders und ich sehe nicht einmal, dass wir einen ordentlichen Streit hinbekommen, sondern wir schreiben völlig aneinander vorbei und jeder Versuch der Klärung entfernt uns m.E. nur noch weiter.

Vielleicht taucht ja noch ein genialer Vermittler auf, aber ich bin mit meinen Fähigkeiten am Ende.
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Re: Weltrettung mal anders

Beitragvon Nanna » Mi 29. Jan 2014, 00:41

Haters gonna hate. ;-)

Da ganimed abstreitet, dass menschliches Verhalten konstant genug ist, dass man Veränderungen messen kann (also meine Familie, Freunde und Kollegen sprechen mich an, wenn ich mich ungewöhnlich verhalte, aber gut...) und Darth Selbstgespräche führt, sehe ich auch nicht viel Sinn darin, hier weiter zu diskutieren, da wir uns nicht mal über die Ausgangssituation einigen können. Ich finde den Ansatz prima, aber es ist eine klassische "Take it or leave it!"-Geschichte, und wer darin keinen Sinn erkennen mag, kann sich ja anders verhalten.
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Re: Weltrettung mal anders

Beitragvon Darth Nefarius » Mi 29. Jan 2014, 12:11

ganimed hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Angenommen der Euro wird von einem auf den nächsten Tag durch einen unwilligen Politiker der Gebernationen nicht mehr halbtbar und die EU bricht zusammen - das wirtschaftliche Chaos würde asiatische und amerikanische Märkte ins Wanken bringen und dann einen Verfall an Arbeitsplätzen, der Kaufkraft usw. bedeuten - das könnte alles ein Mensch provozieren.

Bis dahin stimme ich dir zu. Ich bin nur nicht einverstanden, dass du die Kette so plötzlich und willkürlich an dem letzten "." beendest.

Die kausale Kette hat ja nicht am Ende des Satzes angefangen, sondern (wer hätte das gedacht) am Anfang. Klar ist dieser Mensch nicht unbeeinflusst von Frau/Arbeit/Stuhlgang..... wenn man das wirklich konsequent durchziehen will, endet man beim harten Determinismus und das erübrigt jede Diskussion über Verhaltensweisen und Entscheidungen. Ich bin ja selbst auch vom harten Determinismus überzeugt und halte soetwas wie freien Willen für Geschwätz, aber aus praktischen Gründen kann man innerhalb einer (von vielen) Kausalketten vom Urknall bis zum Zusammenbruch des Euro sogenannte "Flaschenhälse" erkennen, in denen viele kausale Stränge zusammenlaufen - das können einzelne Menschen sein. Es geht um die Überschaubarkeit von Zusammenhängen und da ist es oft ausreichend nicht bis zum Urknall zu gehen. Es hat auch keine praktische Relevanz vom Determinismus auszugehen, wenn man sich entscheidet (oder meint es zu tun) - vielleicht ist man ja schließlich determiniert, nicht vom Determinismus auszugehen und sich als frei zu betrachten und fällt dann eben Entscheidung xyz, die gravierende Folgen hat usw.. Der Punkt ist, dass es bei solchen Kausalketten immer Unwägbarkeiten gibt, die man nicht berücksichtigt. Die größte Unwägbarkeiten liegen in den komplexeren Systemen und dieses stellt oft der Mensch dar. Die Unwägbarkeiten, die Unberechenbarkeit wird beim Menschen zusammengeführt und erscheint als Ursächlichkeit. Da wir also nunmal weder die Ursachen vollständig durchschauen ebenso wie die Wirkungen, versuche ich Vollbreit davon zu überzeugen, dass er sich mehr anstrengen kann als nur zu 10% - die Wirkung sehe ich in etwa ab (er wird es ignorieren und wie bei dir und allen anderen auch, die seinen Standpunkt nicht teilen, sagen, dass ich ihn nicht verstünde), trotzdem schaue ich, was draus wird. Und wenn doch was draus wird, bin ich natürlich nicht die letztendliche Ursache dafür, kann aber ausschlaggebend sein. Und es hat sowieso nicht jede Determinante den gleichen Einfluss. Einen Abschnitt in einer Kausalkette zu betrachten ist nicht falsch oder sinnlos, da auch letztlich von diesem die Wirkung (so wie sie beobachtet wird) abhängt (auch wenn meinetwegen eben bei meinem Beispiel auch ein anderer Politiker ein ähnliches Resultat aber doch nie genau dasselbe erzielen könnte - es wäre bestimmt eine andere Wirkung auf Europa, wenn es ein deutscher und kein französischer Politiker wäre). Ich habe also gar nicht behauptet, dass die Kausalkette beim Menschen endet, wohl aber, dass der Mensch innerhalb der Kausalkette auch eine Rolle spielt.
ganimed hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:
ganimed hat geschrieben:Die Resignation ist ebenso eine menschliche Verhaltensform wie Verdauung. Hat sich in abstrus langen evolutionären Zeiträumen als Verhaltensmuster herausgebildet.

Nur weil die meisten folgsam sind, bedeutet es nicht, dass alle es sind und die Gesellschaft nur durch Folgsamkeit überlebt - es muss auch unabhängige Individuen mit Entscheidungsfreude und Dominanz geben (auch wenn sie in der Minderheit wären, wäre der Rest auf sie angewiesen und kaum überlebensfähig).

Wieso ist Resignation jetzt plötzlich Folgsamkeit bei dir? Ist das nur ein Verschreiber?

Das ist eine Analogie - so schwierig kann es nicht sein, darauf zu kommen. Willensstärke ebenso wie Dominanz mag in der Minderheit sein, ist aber deswegen nicht weniger ausschlaggebend.
ganimed hat geschrieben:Mein Argument war: Resignation gibt es schon sehr lange und sie muss deshalb wichtig, nützlich und gut sein.
Dein Gegenargument: wenn alle nur resignieren würden, wäre das nicht gut.
Meine Reaktion darauf: hää? Was ist das denn für eine Logik?

Nein, mein Gegenargument war ein anderes, welches ich dir auch geschrieben habe - ich werde es deswegen eiskalt nochmal zitieren und nicht umformulieren (aber doch noch unterstreichen):
Darth Nefarius hat geschrieben:Resignation ist nur das Fehlen von Willensstärke und durch einen sprachlichen Dreh wird sie nicht nützlich. Man könnte ebensogut die Beeinflussbarkeit durch die Schwerkraft als vermeindlichen evolutionären Vorteil betrachten, weil doch schließlich alle diese Eigenschaft haben! Ist aber purer Unsinn, weil es lediglich eine Angelegenheit ist, die schlichtweg nicht wegzubekommen ist.

Na? Ist der Groschen noch immer nicht gefallen? Ein anderes Beispiel wäre Hässlichkeit - etwa die hälfte der Menschen wird nach intersubjektiven Maßstäben eher hässlich als hübsch sein - ist Hässlichkeit deswegen ein evolutionärer Vorteil oder wurde der Genpool lediglich ungünstig gemischt?
Resignation ist lediglich so weit verbreitet, weil scheinbar immer nur eine kleine Minderheit an willensstarken Individuen ausreichend war, damit die Spezies überlebt - mit anderen Worten: Resignation ist ein evolutionärer Trittbrettfahrer und lediglich das Fehlen von Willensstärke, keine gesondert selektierte und evolutionär nürtzliche Eigenschaft. Und ja, streng genommen ist das kein Argument dafür, wieso Resignation abgeschafft werden sollte - so war es aber auch nicht gedacht. Die Absicht war, dein Argument zu entkräften (also dass diese Eigenschaft selektiert wurde und deswegen nützlich sein muss). Mein Argument gegen Resignation war das Potential, welches nicht ausgeschöpft wird, aber dennoch vorhanden ist. Keiner wird dem widersprechen, dass durch Handlung immer mehr erreicht werden kann als durch absolute Verweigerung der Handlung (ein Resultat der Resignation) - und selbst wenn die Handlung doch nicht erfolgreich ist, so kann man dies nicht vorher wissen und allein die Absicht es zu versuchen bedeutet eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass man Erfolg hat als wenn man passiv ist.
Dein zweites Argument war, dass Resignation ressourcenschonend ist (oder es der Versuch ist), aber ich habe dir ein klares Beispiel genannt, wo das Gegenteil der Fall ist (die Resignation bezüglich des Klimawandels führt eben nicht dazu, die Ressourcen zu schonen, sondern sie immer weiter zu verfeuern - ich sehe nichtmal im Ansatz, wo da ein Versuch besteht, diese zu schonen) - Resignation ist im besten Fall wirkungslos und im schlimmsten Fall schädlich, folglich ist sie nicht erhaltenswert.
ganimed hat geschrieben:Du weißt aber schon, dass man ein zuviel an Willensstärke mit Ausdrücken wie Starrsinn, Kritikunfähigkeit und Übermotivation belegt. Lächerlich also, wenn du jetzt darauf hinaus wolltest, dass es ein zuviel gar nicht gibt und dass je mehr Willensstärke desto besser. Das wäre eine exotische Einzelmeinung, die durch simpelste Gegenbeispiele einfach zu widerlegen wäre.

Ja, viele positive Eigenschaften werden von Unterlegenen neidisch beäugt und deswegen gering geschätzt. Skeptizismus kann man auch als mangelndes Vertrauen auslegen, Individualismus als Einzelgängertum und Asozialität, Bildung als Klugscheißerei ...... Es gibt aber eine Möglichkeit, wie man herausfindet, welcher Standpunkt denn eher gerechtfertigt ist - man vergleicht den maximalen und minimalen Nutzen und Schaden miteinander. Wenn Bildung/Klugscheißerei im schlimmsten Fall kaum Schaden verursacht, aber großes Potential zum Nutzen hat (und auch eine hohe Wahrscheinlichkeit), werde ich eher zum Begriff Bildung als zur Klugscheißerei neigen. So ist es auch mit der Willensstärke (damit nicht wieder ein "hä?" kommt, erkläre ich, dass die vorigen Ausführungen Analogien waren - also ähnliche Beispiele, die praktisch sind, weil deine Erfahrung in diesen Bereichen vielleicht ähnlich ist und du deswegen diese Situation mit der der Willensstärke abstrahieren kannst).
Eine Anmerkung zu Nanna:
Nein, das ist keine Angelegenheit, die man entweder annimmt, oder nicht - diese Enstellung wie jede andere auch lässt sich diskutieren und auch ändern. Jeder kann bezüglich einer bestimmten Position seine Einstellung durch Überzeugungskraft ändern; jemand kann überzeugt werden, dass seine Bemühungen sinnlos sind oder auch, dass er sich nicht genug bemüht - beides kommt vor. Über die Sinnhaftigkeit einer Einstellung lässt sich immer streiten.
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Re: Weltrettung mal anders

Beitragvon ganimed » Mi 29. Jan 2014, 17:18

Vollbreit hat geschrieben:Für mich kann ich z.B. sagen, dass es immer wieder Situationen gibt, in denen ich das Gefühl habe, ich hätte etwas (auch zum damaligen Zeitpunkt, nicht erst im Rückblick) besser machen können, es aber aus Bequemlichkeit nicht tat.

Ich mag mich ja irren, aber mein Modell von Entscheidungsvorgängen im Gehirn ist ungefähr das folgende. Man hat ein Gefühl A und ein Gefühl B (ist ein sehr übersichtlicher Fall, es können natürlich auch mehr Faktoren sein). In deinem Fall war A zum Beispiel ein unbestimmtes, schlechtes Gewissen (oder positiv ausgedrückt: eine Motivation, etwas zum Guten zu ändern, mehr zu tun). B wäre dann die Bequemlichkeit, das Gefühl, lieber jetzt nichts zu machen, nicht zu viel Energie aufzuwänden, oder, um mich aus der Diskussion mit Darth Nefarius zu bedienen, Ressourcen zu schonen. Diese Gefühle haben meiner Vorstellung nach also irgendwie um die Entscheidung gerungen (Singer nennt so etwas "Verhandlung"), es wird abgewogen und offenbar hat sich zum damaligen Zeitpunkt die Waage der B-Seite zugeneigt und als Entscheidung kam dann folgerichtig heraus: do nothing.

Nun hat das Wort "Bequemlichkeit" ja heutzutage in unserer Kultur einen leicht negativen touch. (Was sich vielleicht auch mal wieder ändert, wenn die Rufe nach Entschleunigung und die Sorge um psychisch überforderte Stressarbeiter und krank gewordene Burnout-Patienten weiter verstärkt). Da liegt es nahe, die damalige Entscheidung vielleicht zu bereuen. Vielleicht siehst du dich eben einfach nicht gerne als Bequemling, als Faulpelz (oder um es positiv zu formulieren, als klugen Verwalter knapper Ressourcen). Mir scheint es also so, dass du allmählich ein Gefühl C entwickelst. (Gefühl ist vielleicht der falsche Begriff, eher ein emotional-rationaler Faktor für zukünftige Entscheidungsprozesse). C ist die Unzufriedenheit mit der damaligen Entscheidung. C ist neu auf dem Spielplan, A ist nicht verschwunden und nach einer aufrüttelnden Fernsehdoku beispielsweise größer denn je, B ist vielleicht konstant geblieben. Ich könnte mir also vorstellen, dass bei nächster Gelegenheit eine Verhandlung zwischen A, B und C dann so abläuft, dass du dich für "was tun" entscheidest. Was auch immer das dann ist.

Meine Bauchschmerzen mit dem ganzen rühren daher, dass ich es falsch finde, B als negativ, nicht wünschenswert und Fehler darzustellen oder zu empfinden. B ist möglicherweise ein wichtiger Schutzmechanismus bei dir, vielleicht der einzige Grund, wieso du nicht bereits vor Jahren psychisch erkrankt, ausgelaugt und arbeitsunfähig geworden bist. Da wäre ich mit dem negativen Urteilen sehr vorsichtig. Ich würde es daher viel neutraler sehen wollen. So nach dem Motto: mal gewinnt man, mal verliert man (womit die einzelnen Gefühlsblöcke gemeint sind). Mal ist A und C oben, mal ist B oben. Und dann kommen wieder neue Mitspieler hinzu, andere verlieren an Bedeutung oder steigen aus. Eine ständig vor sich hin köchelnde Suppe aus Blasen mit der Aufschrift A, B, C, ...

Heut sammle ich Pfandflaschen ein, nicht weil ich ein Held oder besserer Mensch geworden bin, sondern weil heute morgen A/C gewonnen haben. Morgen bleibe ich der Demo gegen Fluglärm fern, weil B gewinnt. Und selbst wenn, wie ihr offenbar meint, es euch gelingt, euer Leben gerichtet und streng monoton wachsend zu verbessern (also nur besseres oder mindestens gleich gutes zu machen und keine ausgleichenden schlechter einzuführen): was ist in Wirklichkeit geschehen? Es sind neue Blasen entstanden E, F oder G und die nehmen an den Verhandlungen teil und führen zu konstant "besseren" Entscheidungen.

Wie kann man Blasen erzeugen? Durch Aufklärung, durch Informationen, durch den Blick auf Missstände, durch Vorbilder, die man mag, durch kleine spitze Sticheleien der bereits besseren Mitmenschen, durch sozialen Druck, durch die Kirche, was auch immer. Und die Blase Z, wenn ich das richtig in mein Modell importiere, soll nun also bei mir durch diesen Appell erzeugt werden. Inhaltlich soll Z mir vor allem Leistungsdruck und andere blockierende Faktoren nehmen bzw. die Einstiegsschwelle senken. Für sich genommen ein ehrenwerter Versuch.

Meine ganze Quengelei über den Unsinn des "Verbesserungs"-Wahns ist darauf begründet, dass ich mich schwer tue, bestimmte Gehirnzustände als besser zu markieren.
Wenn bei dir zum damaligen Zeitpunkt der Hirnzustand war: A+B=B (es gab A und B und B hat gewonnen). Und irgendwann später ist er A+C+B+Z=ACZ.
Ist A+B wirklich schlechter als A+C+B+Z? Das ist mein Knackpunkt. Ich glaube, jede Gleichung ist genau gleich wunderschön, denn ich entscheide mich zu jedem Zeitpunkt vernünftig, logisch und gemäß den Blasen-Gewichten richtig. RICHTIG. Es gibt keine Fehler. Ich mag solche Eigenschaften. A+B=B finde ich perfekt (wenn B nunmal stärker war). Das meinte ich wohl vor allem mit der Formulierung "jeder gibt schon 100%", also jeder verhandelt im Gehirn und kommt automatisch zum richtigen Ergebnis (der Verhandlungsprozess ist, zumindest in meinem Modell, praktisch immer fehlerfrei). Eine "Verbesserung" ist nur durch neue Blasen oder Größenverschiebung der vorhandenen Blasen zu erreichen. Das heißt, durch neue Erfahrungen, neue Informationen, neue Emotionen, die wir dabei aufbauen. Das ist neu, das ist anders, aber ist es besser? Der Verhandlungsprozess ist doch gerade der Mechanismus, zu JEDEM Zeitpunkt schon zu sagen, was besser ist. Zum damaligen Zeitpunkt war B besser. Ein Gericht, das jeden Tag eine optimale Entscheidung trifft, kann man nicht verbessern. Man kann höchstens die Urteile tendenziell in eine Richtung verschieben. Der Mensch selber und seine Entscheidungen sind aber jeden Tag richtig gut.
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Re: Weltrettung mal anders

Beitragvon ganimed » Mi 29. Jan 2014, 17:31

Nanna hat geschrieben:sehe ich auch nicht viel Sinn darin, hier weiter zu diskutieren, da wir uns nicht mal über die Ausgangssituation einigen können

Da muss ich zustimmen. Kann mir aber nicht verkneifen, kritisch hinzuzufügen, dass ich es anders formulieren würde. Ich kann nicht sehen, an welcher Stelle wir uns darum bemüht hätten, eine Einigung auf eine Ausgangssituation zu erzielen. Niemand fragte: was ist denn jetzt die richtige Ausgangssituation? Ich habe eher den Eindruck, man könnte es vielleicht besser so sagen: Niemand außer mir war, aus welchen Gründen auch immer, an einer Diskussion über den Begriff "Verbesserung" interessiert. Was ja vollkommen in Ordnung ist. Man muss ja nun nicht jedes Thema diskutieren.

Verwunderlich finde ich, dass ihr, nach meinem Eindruck, das vielleicht etwas verschleiern wollt mit Formulierungen wie: "aneinander vorbei schreiben", "alles sinnlos", "können uns nicht einigen", "wir schaffen es einfach nicht". (Mit "ihr" meinte ich jetzt Nanna und Vollbreit. Der gute alte Darth Nefarius redet noch mit mir, allerdings über ein anderes Thema)

Wir sind doch unter uns und nicht eine Kommission, die diplomatischen Wortsalat für die Pressemitteilung generieren muss.
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Re: Weltrettung mal anders

Beitragvon Darth Nefarius » Mi 29. Jan 2014, 21:03

Nun, zum Thema "Verbesserung" - denke ich - diskutiere ich ja mit dir (falls das dir ein Trost ist :cookie: ). Und ich denke, dass nicht jeder Zustand oder jede Entscheidung gleichwertig zu betrachten ist (oder um deine Beispiele zu verwenden: A ist nicht gleichwertig mit B oder Z zu betrachten). Deine Erklärung, dass du mal so mal so entscheidest, ist doch ein interessanter Hinweis darauf, was eigentlich läuft - ich würde dir mal empfehlen (wenn deine Antriebslosigkeit und dein Tatendrang vermeindlich gleichwertig sind) doch einfach mal jeden Tag nichts zu tun; wäre deine provozierte Tatenlosigkeit deinem Tatendrang gegenüber gleichwertig, sollte doch keine Rolle spielen, ob du etwas tust oder nicht! Tatsächlich würdest du dich aber irgendwann gewaltig langweilen, dich schämen und selbst anfangen zu hassen. Aber was wäre denn im umgekehrten Fall das schlimmste Szenario (also wenn du tatsächlich immer dem Antrieb, etwas zu tun, folgst)? Diese psychosomatischen pseudo-Erkrankungen sind doch nur Resultat von falschen Entscheidungen und gerade von Resignation - wenn jemandem seine Arbeit nicht gefällt und der sich in einer Sackgasse (karrieretechnisch oder sonstwie) befindet, wird derjenige dann deswegen und nicht des Bedürfnisses wegen, mehr zu tun, depressiv (burn-out ist nur die gesellschaftlich geduldete Bezeichnung für eine Depression - und ich habe nie gehört, dass jemand depressiv wurde, weil er zu viel geleistet hat, sondern immer nur, weil er nicht genug oder nicht das geleistet/erreicht hat, was derjenige wollte).
Überigens fällt mir noch ein Beispiel zum Thema Resignation und der erhöhten Verschwendung von Ressourcen ein: Fettsucht - diese stellt die Resignation dar, sich nicht gesund zu ernähren und sich nicht mehr zu bewegen und ist damit eher verschwenderisch als sparsam.
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Re: Weltrettung mal anders

Beitragvon ganimed » Mi 29. Jan 2014, 21:16

Ja vielen Dank, Darth Nefarius, dass du tatsächlich noch weiter mit mir redest. Den Cookie nehm ich gern :)

Zu den Themen "kann einer die Welt verändern" und "ist Resignation immer doof" habe ich den ganzen Abend schon an einer Antwort gebastelt, immer wieder durch Alltagssachen unterbrochen, wo ich entweder Kontinente retten oder resignieren musste. Ich hab dann beides gemacht :)


Darth Nefarius hat geschrieben:Ich bin ja selbst auch vom harten Determinismus überzeugt und halte soetwas wie freien Willen für Geschwätz

Da stimmen wir also schonmal vollkommen überein.


Darth Nefarius hat geschrieben:aber aus praktischen Gründen kann man innerhalb einer (von vielen) Kausalketten vom Urknall bis zum Zusammenbruch des Euro sogenannte "Flaschenhälse" erkennen, in denen viele kausale Stränge zusammenlaufen - das können einzelne Menschen sein.

Keiner ist eine Insel. Ich glaube nicht, dass die kausalen Stränge wirklich zu einem Zeitpunkt "durch" einen Menschen gehen. Natürlich bestimmt meinetwegen am Dienstag Abend der Chef einer bestimmten Kommission oder Regierung: "wir lassen den Euro fallen"! Aber vorher hat der mit 13 Leuten gesprochen und 3 davon haben ihm das so deutlich nahegelegt, dass er sich davon beeinflussen ließ. Und als er das sagte, haben 25 mächtige Leute im Hintergrund, die das ganze noch hätten aufhalten oder verhindern können, beifällig genickt oder zumindest nur mit den Zähnen geknirscht, es also passiv ermöglicht. Und dann haben 157 Journalisten das weitergegeben, die Entscheidung also transportiert. Dann haben 2500 Politiker das gelesen und 26 davon haben dann hitzig miteinander telefoniert und danach den nächsten Dominostein in der Kette zum Eurosturz umgeworfen.

Ich will sagen: wenn du mit der Kamera näher ranfährst und genauer hinschaust, siehst du doch immer Menschennetze, die untereinander kommunizieren, sich gegenseitig beeinflussen. Keine Entscheidung von Gewicht wird wirklich im Solomodus entwickelt, vollzogen, kommuniziert, umgesetzt und akzeptiert.

Ein anderes Beispiel: man könnte ungenauerweise sagen, dass Boris Becker und Steffi Graf als Duo einen unvergleichlichen Tennisboom im Deutschland der Achtziger ausgelöst haben. Aber nur solange, bis man genauer hinschaut und die Medien mit ins Boot holt, und Interessenverbände und Turnierveranstalter und Sportredakteure und ihre Interviewpartner und die Werbeindustrie und die Tennisartikelhersteller und wer alles noch an so einem Boom entscheident beteiligt ist. Und Boris und Steffi haben einfach nur so gut Tennis gespielt, wie sie konnten, und alles andere passiert als ungeplanter, unkontrollierter Nebeneffekt.

Ich kann mir kein Beispiel vorstellen, wo einer alleine die Welt verändert hat oder auch nur seine Gesellschaft.


Darth Nefarius hat geschrieben:Und wenn doch was draus wird, bin ich natürlich nicht die letztendliche Ursache dafür, kann aber ausschlaggebend sein.

Vielleicht kann man manchmal ausschlaggebend sein. Aber man reagiert dabei nur auf die Impulse von der Seite und gibt ein paar Impulse weiter. Wie im Netz. Und wenn man nicht da gewesen wäre, dann hätte es ein anderer gemacht oder/und es wäre ein bisschen später und ein bisschen anders passiert. Ausschlaggebend im Sinne von nicht so wichtig.


Darth Nefarius hat geschrieben:Resignation ist lediglich so weit verbreitet, weil scheinbar immer nur eine kleine Minderheit an willensstarken Individuen ausreichend war, damit die Spezies überlebt - mit anderen Worten: Resignation ist ein evolutionärer Trittbrettfahrer und lediglich das Fehlen von Willensstärke

Ja zugegeben. Der Hinweis, dass wenn heute nach all dieser Evolution Resignationsfähigkeit verbreitet ist, dann muss das bedeuten, dass das eine tolle und wichtige Eigenschaft ist, dieser Hinweis ist eher schwach. Es könnte auch so sein, wie du es darstellst.


Darth Nefarius hat geschrieben:Keiner wird dem widersprechen, dass durch Handlung immer mehr erreicht werden kann als durch absolute Verweigerung der Handlung (ein Resultat der Resignation) - und selbst wenn die Handlung doch nicht erfolgreich ist, so kann man dies nicht vorher wissen und allein die Absicht es zu versuchen bedeutet eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass man Erfolg hat als wenn man passiv ist.

Das sehe ich aber mal ganz anders. Woher hast du nur diese Idee, dass Handlung immer besser ist als Nicht-Handlung? Du kannst dir wirklich keinen einfachen Fall überlegen, wo das Blödsinn ist? Ich nenne jetzt kein einfaches Beispiel, sondern versuche es mal mathematisch.

Sei H eine Handlung. Wenn sie funktioniert, bekomme ich B als Belohnung. Egal ob sie funktioniert oder nicht, die Handlung kostet mich K. Die Handlung H funktioniert mit einer Wahrscheinlichkeit von P und liefert mir B nur, wenn sie funktioniert.
Die Handlung hat also den statistischen Benefit: B*P - K. Wann immer dieser Ausdruck < 0 wird, ist Resignation besser, denn dann riskiert man lieber nicht die Kosten K. Wann immer also eine Handlung zu risikoreich ist, oder der Benefit nicht ausreicht, um das Risiko zu lohnen, oder die Kosten einfach zu hoch sind, ist Resignation eine gute Eigenschaft. Angesichts dieser Verhältnisse halte ich es wieder für sehr wahrscheinlich, dass dies eine wichtige Eigenschaft ist, die durchaus einen Selektionsvorteil für Menschen darstellt.


Darth Nefarius hat geschrieben:ich habe dir ein klares Beispiel genannt, wo das Gegenteil der Fall ist (die Resignation bezüglich des Klimawandels führt eben nicht dazu, die Ressourcen zu schonen, sondern sie immer weiter zu verfeuern

Moment mal. Mit Ressourcen sind natürlich die Ressourcen des Handelnden gemeint, und davon genau die, welche für das Handeln aufgewändet würden. Vielleicht weil das Fremdwort "Ressourcen" auch sehr gerne im Zusammenhang mit Bodenschätzen und Energiereserven benutzt wird, scheinst du da was zu verwechseln. Wenn man beim Klimawandel resigniert, dann schont man die Ressourcen, die man sonst für den Ausbau der Stromnetze, für das Aufstellen von Windkrafträdern oder ähnliches spendiert hätte. In diesem Beispiel würde ich zwar jetzt auch sagen, dass Resignation eher falsch wäre, aber was sollen Einzelbeispiele bringen. Es geht ja um Resignation versus Willenskraft. Der Mensch braucht beides. Mal ist das eine besser, mal das andere.


Darth Nefarius hat geschrieben:Skeptizismus kann man auch als mangelndes Vertrauen auslegen, Individualismus als Einzelgängertum und Asozialität, Bildung als Klugscheißerei ...... Es gibt aber eine Möglichkeit, wie man herausfindet, welcher Standpunkt denn eher gerechtfertigt ist - man vergleicht den maximalen und minimalen Nutzen und Schaden miteinander.

Damit wäre ich einverstanden. Eine Nutzen/Schaden-rechnung. Aber diese Rechnung hängt von einer Person, ihren Interessen, ihren Befindlichkeiten ab, von den Umständen und vielleicht auch von der Zeit. Eine globale Rechnung für die Menschheit, um ein für allemal zu klären, ob Resignation gut oder doof ist, kann es nicht geben.
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Re: Weltrettung mal anders

Beitragvon Vollbreit » Mi 29. Jan 2014, 22:37

@ ganimed:

Ich finde es wirklich nett und anständig, dass Du Dich bemühst, die Flinte nicht ins Korn zu werfen und ich erkenne da den guten Willen.
Andererseits ist es gerade deshalb umso kurioser, dass wir irgendwie auf keinen grünen Zweig kommen.

Zum Beispiel hier: „Verschleiern“ schreibst Du. Was? Zu welchem Zweck?
Waurm sollte man etwas verschleiern, wenn man einen Ansatz vorstellt, der maximale Eigenregie verlangt?
Dein Argument, dass jeder – Du zumindet – das Gefühl hast ohnehin schon immer alles zu geben (was man geben will) hat ja auch was für sich.

Hatte mal in einem anderen Kontext eine Diskussion um das Thema authentisch sein, wozu ja auch aufgerufen wird und die kluge Entgegnung war die Frage, ob man überhaupt jemals nicht authentisch, echt sein kann? Man ist ja immer, wie man ist selnbst wenn man gekünstelt wirkt … so ist man halt.

Wenn ich Deinen Einwand so verstehe, kann ich ihn immerhin verstehen.
Meine eigenen Erfahrungen habe ich dargestellt, Deine Versuche das immer in Formeln zu pressen, die Dir offenbar gefallen, machen mich allerdings völlig wahnsinnig.
Ich bin überhauptkein Formeltyp und muss mir im Grunde jede Formel in echtes Leben übersetzen, ich komme da eindeutig vion der sprachlichen Seite her.

Es ist nicht so, dass ich nicht mit Dir reden will, ich habe manchmal den Eindruck, dass die entscheidenden Punkte regelmäßig in Diskussionen mit Dir ungeheur ausfransen und irgendwie unproduktiv werden.
Vermutlich ist das aber einfach Dein Stil und für Dich passt das und mit Agent kommst Du ja bestens klar.
Aber meinetwegen, lass uns einfach weiter machen, vielleicht platzt ja der Knoten und generell macht mir der Austausch gerade auch mit ganz anderen Denkern Spaß.
(Wenn ich manchmal nicht antworte, dann liegt das daran, dass ich manchmal etwas weniger Zeit habe, als es scheint. Und ich kann nicht immer planen, wann ich Zeit habe.)

Aber bevor man resigniert, lieber locker machen und mit 10% Anstrengung weiter machen. ;-)
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Re: Weltrettung mal anders

Beitragvon Vollbreit » Do 30. Jan 2014, 10:43

@ ganimed:

Gut, dann zur „Verbesserung“, ist ja einer der zentralen Begriffe des Ansatzes.
Meinst Du, dass eine Verbesserung der Welt generell möglich ist?
Meinst Du, dass eine Verbesserung der Welt generell darstellbar ist?

Falls ja, meinst Du, dass man eine Verbesserung nur in Gänze bewerten kann? (Also, ingesamt ist die Welt besser geworden, auch wenn es nun Onlinerkiminalität und mehr Depressionen gibt.)
Oder meinst Du, dass es legitim ist, ein Bild von den Teilbereichen her zu zeichnen? (Zahl der Unfalltoten, Glücksindex, Lebenserwartung, soziale Absicherung ...)

Welche Kriterein würdest Du gelten lassen, um von einer Verbesserung zu reden? Also, z.B. man wird alt, hungert und friert nicht, ist aber einsam und bekommt keine soziale Funktion mehr zugeschrieben. Hier ist die Frage, ob das eine Verbesserung oder Verschlimmerung ist? Wer urteilt, wie wird das hierarchisch gewichtet?
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Re: Weltrettung mal anders

Beitragvon Darth Nefarius » Do 30. Jan 2014, 12:59

ganimed hat geschrieben:Zu den Themen "kann einer die Welt verändern" und "ist Resignation immer doof" habe ich den ganzen Abend schon an einer Antwort gebastelt, immer wieder durch Alltagssachen unterbrochen, wo ich entweder Kontinente retten oder resignieren musste. Ich hab dann beides gemacht :)

Sehr schön - ich bereite mich währenddessen auf die Forschung in Tumordiagnostik vor.
ganimed hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:aber aus praktischen Gründen kann man innerhalb einer (von vielen) Kausalketten vom Urknall bis zum Zusammenbruch des Euro sogenannte "Flaschenhälse" erkennen, in denen viele kausale Stränge zusammenlaufen - das können einzelne Menschen sein.

Keiner ist eine Insel. Ich glaube nicht, dass die kausalen Stränge wirklich zu einem Zeitpunkt "durch" einen Menschen gehen.

Das sind sprachliche Präferenzen - bestreiten wirst du aber wohl kaum, dass auch ein Mensch Teil einer Kausalkette sein kann und deswegen auch Bedeutung hat. Worin wir uns wohl nicht einig sind, ist die Austauschbarkeit - während du Beispiele bringst, wo eine Führungsperson irgendwelche Mehrheitsentscheidungen durchwinkt, solltest du dich mal fragen, was passieren würde, wenn sie es nicht tut (du hast offensichtlich immer das demokratisch-bürokratische Modell im Kopf - aber es gibt auch soetwas wie Alleinherrschaften und Notstandsverordnungen, die die Macht bündeln)! Nicht jeder entscheidet abhängig von vielen Beratern und Untergebenen, sondern kann auch relativ alleine Entscheidungen treffen (und dabei meinetwegen auch von verschiedenen Faktoren beeinflusst worden sein). Für austauschbar halte ich die Glieder innerhalb einer Kausalkette nicht, bei jedem einzelnen kommen neue Informationen hinzu (oder besser gesagt - es laufen nie dieselben Kausalketten in einer Person zusammen) und folglich ist auch die Wirkung nie zweimal die gleiche.
ganimed hat geschrieben:Ein anderes Beispiel: man könnte ungenauerweise sagen, dass Boris Becker und Steffi Graf als Duo einen unvergleichlichen Tennisboom im Deutschland der Achtziger ausgelöst haben. Aber nur solange, bis man genauer hinschaut und die Medien mit ins Boot holt, und Interessenverbände und Turnierveranstalter und Sportredakteure und ihre Interviewpartner und die Werbeindustrie und die Tennisartikelhersteller und wer alles noch an so einem Boom entscheident beteiligt ist. Und Boris und Steffi haben einfach nur so gut Tennis gespielt, wie sie konnten, und alles andere passiert als ungeplanter, unkontrollierter Nebeneffekt.

Aber was wäre, wenn sie nicht so gut Tennis gespielt hätten? Am Ende hing es letztlich doch davon ab, dass 2 Personen nicht resignieren.
ganimed hat geschrieben:Ich kann mir kein Beispiel vorstellen, wo einer alleine die Welt verändert hat oder auch nur seine Gesellschaft.

Dann überdenke deine eigenen Beispiele und schau auf Diktatoren und andere Alleinherrscher oder wichtige Erfinder. Sie sind oft genug eben nicht austauschbar und haben nicht einfach als Teil eines bürokratischen Systems funktioniert, sondern einzigartige Entscheidungen getroffen.
ganimed hat geschrieben:Vielleicht kann man manchmal ausschlaggebend sein. Aber man reagiert dabei nur auf die Impulse von der Seite und gibt ein paar Impulse weiter. Wie im Netz. Und wenn man nicht da gewesen wäre, dann hätte es ein anderer gemacht oder/und es wäre ein bisschen später und ein bisschen anders passiert. Ausschlaggebend im Sinne von nicht so wichtig.

Es ist nicht sicher, dass ein anderer den eigenen Platz hätte einnehmen können und das Resultat wäre allemal ein anderes. Und gerade als Determinist solltest du doch die Wirkung von kleinen Abweichungen nicht unterschätzen für den weiteren Verlauf.
ganimed hat geschrieben:Woher hast du nur diese Idee, dass Handlung immer besser ist als Nicht-Handlung? Du kannst dir wirklich keinen einfachen Fall überlegen, wo das Blödsinn ist?

Klar kann Aktionismus problematisch sein - aber wir vergleichen ja nicht Handeln mit Nicht-Handeln, sondern Willensstärke mit Resignation. Worauf du jetzt anspielst, würde ich Geduld nennen, aber nicht Resignation. Selbst die Absicht, im Zweifelsfall Ressourcen zu schonen, ist schon deswegen keine Resignation, weil sie zielgerichtet ist und zumindest in der Zukunft das Handeln ermöglichen soll. Resignation ist das Fehlen jeglicher Motivation - oder eindeutiger: Verzweiflung (hierzu ein Link:
https://www.duden.de/rechtschreibung/Resignation). Die Absicht, Ressourcen zu schonen, ist damit eine motivierte Entscheidung und damit keine Resignation.
Nicht-Handlung kann durchaus besser sein als Handlung, aber Resignation wird nie besser sein als Willensstärke.
ganimed hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:ich habe dir ein klares Beispiel genannt, wo das Gegenteil der Fall ist (die Resignation bezüglich des Klimawandels führt eben nicht dazu, die Ressourcen zu schonen, sondern sie immer weiter zu verfeuern

Moment mal. Mit Ressourcen sind natürlich die Ressourcen des Handelnden gemeint, und davon genau die, welche für das Handeln aufgewändet würden. Vielleicht weil das Fremdwort "Ressourcen" auch sehr gerne im Zusammenhang mit Bodenschätzen und Energiereserven benutzt wird, scheinst du da was zu verwechseln. Wenn man beim Klimawandel resigniert, dann schont man die Ressourcen, die man sonst für den Ausbau der Stromnetze, für das Aufstellen von Windkrafträdern oder ähnliches spendiert hätte. In diesem Beispiel würde ich zwar jetzt auch sagen, dass Resignation eher falsch wäre, aber was sollen Einzelbeispiele bringen. Es geht ja um Resignation versus Willenskraft. Der Mensch braucht beides. Mal ist das eine besser, mal das andere.

Ich habe nichts verwechselt, sondern eben ein Beispiel genannt, wo allgemein Ressourcen bei Resignation nicht geschont werden. Aber wenn es unbedingt um die eigenen Ressourcen geht (wenn man mal die weltweiten Energiereserven nicht als "eigen" ansieht), kann ich da nochmal das Problem der Fettleibigkeit nennen - die Resignation würde wieder dazu führen, dass man sich in seine fettleibigkeit ergibt und nicht versucht weniger zu essen und sich mehr zu bewegen. Das würde auch zum größeren Verbrauch führen (sofern du jetzt Lebensmittel wenigstens als eigene Ressourcen ansiehst).
Der Punkt ist einfach, dass in bestimmten Situationen auch mit dem Nicht-Handeln einfach nichts gewonnen ist, beim Versuch jedoch zu Handeln (auch wenn die Erfolgssaussichten gering sind), kann man schlimmstenfalls auch nur das gleiche Ergebnis bekommen (also nichts).
ganimed hat geschrieben:Damit wäre ich einverstanden. Eine Nutzen/Schaden-rechnung. Aber diese Rechnung hängt von einer Person, ihren Interessen, ihren Befindlichkeiten ab, von den Umständen und vielleicht auch von der Zeit. Eine globale Rechnung für die Menschheit, um ein für allemal zu klären, ob Resignation gut oder doof ist, kann es nicht geben.

Klar, das war aber auch nicht die Absicht. Wir reden ja von der Motivation des einzelnen Individuums und da kann diese Betrachtungsweise helfen.
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