Gesellschaft&Soziales

Beitragvon Andreas Müller » Do 1. Feb 2007, 21:59

fühle mich da moralisch schon in der Schuld, das empfangene wieder zurückzuzahlen.


Wo fängt man an und wo hört man auf? Wenn man die Leute für das Studium bezahlen lässt, dann muss man sie auch für den Besuch des Gymnasiums und der Realschule bezahlen lassen. Beide Angebote können nur von einem bestimmten Teil der Bevölkerung wahrgenommen werden, was ja das Argument für Studiengebühren ist.

Damit meine ich nicht nur das Bafög.


Was man ja ohnehin zurück zahlen muss.

Oben hat das irgendwie den Eindruck gemacht, du wollest sämtliche irrigen Theorien widerlegen.


Ja, wird mal Zeit, dass sich einer ranwagt. Was spricht dagegen? Ich bin nur ein Fan von Zwischenschritten, wenn sie nötig sind. Beispielsweise bin ich kein Fan von Zwischenschritten, was Ehrenmorde in Deutschland betrifft. Ja, nächstes Jahr einen Mord weniger, das entwickelt sich schon. Nein! Das hört jetzt auf und zwar sofort! Das Gleiche gilt für unsinnige Theorien, mit denen Studenten ihre Zeit verschwenden müssen.

verstehe ich das nicht


Ist doch logisch: Wir könnten den Leuten, die nicht arbeiten wollen glatt dankbar dafür sein, dass sie den Leuten, die arbeiten wollen, nicht die Jobs wegnehmen. Schließlich gibt es einen großen Mangel an Arbeitsplätzen. Wieso auch noch die Leute dazu zwingen, die ohnehin nicht wollen? Die bekommen wenigstens keine psychischen Probleme, wenn sie nicht arbeiten, ganz im Gegensatz zu den Leuten, die arbeiten wollen. Wo ist da mein Logikfehler?

Sollen wir einen neuen Thread aufmachen?


Nein, ich habe keine Lust mehr auf politische Diskussionen. Sozialismus und fertig (und ich meine nicht Planwirtschaft, sondern ökologisch-soziale Marktwirtschaft in konsequent).
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Beitragvon HF******* » Fr 2. Feb 2007, 10:07

Bei „Sozialismus“ muss ich immer an Margot Honecker denken und an Fidel Castro - nicht an Marktwirtschaft, welcher Form auch immer.
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Beitragvon Klaus » Fr 2. Feb 2007, 10:41

Die haben die Idee des Sozialismus auch gründlich versaut.
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Beitragvon Andreas Müller » Fr 2. Feb 2007, 17:27

Bei „Sozialismus“ muss ich immer an Margot Honecker denken und an Fidel Castro - nicht an Marktwirtschaft, welcher Form auch immer.


Das ist aber eine sehr oberflächliche Betrachtung, außerdem falsch. Sagen wir es so:

Marxismus, Marxismus-Leninismus, am besten noch in Verbindung mit Psychoanalyse = dogmatische, politische Ideologie (Marx sagte selbst, er sei kein Marxist)

Sozialismus: Eine soziale und freie Gesellschaft.

Nicht auf die Art und Weise frei wie im Liberalismus: Wer keine Arbeit findet, verhungert; Wählen nur Kandidat A oder B. Verfremdung der Geschlechter voneinander etc. ("Diskosexpartnersuche entspricht nicht meiner Vorstellung von Romantik und Emanzipation)

Sondern etwa so: Mehr direkte Demokratie, z. B. wöchentliches Treffen, in dem man politische Entscheidungen äußern kann. Hier könnte man auch das Internet einsetzen. Dies würde zu größerem Verantwortungsbewusstsein führen. Anständiges Leben auch ohne Arbeit oder mit weniger Arbeit garantiert (z. B. durch Grundeinkommen). Ökologisches Bewusstsein, geringere Resourcenverschwendung und viele weitere schöne Dinge. Bedenke auch, dass die SPD früher "Die Sozialisten" genannt wurden, mit Stalin und co. hat das nichts zu tun.
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Beitragvon Kurt » Fr 2. Feb 2007, 17:41

Der Autor hat geschrieben:Sondern etwa so: Mehr direkte Demokratie, z. B. wöchentliches Treffen, in dem man politische Entscheidungen äußern kann. Hier könnte man auch das Internet einsetzen. Dies würde zu größerem Verantwortungsbewusstsein führen. Anständiges Leben auch ohne Arbeit oder mit weniger Arbeit garantiert (z. B. durch Grundeinkommen). Ökologisches Bewusstsein, geringere Resourcenverschwendung und viele weitere schöne Dinge. Bedenke auch, dass die SPD früher "Die Sozialisten" genannt wurden, mit Stalin und co. hat das nichts zu tun.


Gibt es denn eine Gesellschaft, wo dein Modell funktioniert? Den grundsätzlichen Zielen würde ich ja zustimmen, aber ich sehe keinen Weg, wie sie erreicht werden können. Z.B. wer soll das Grundeinkommen zahlen? Was ist, wenn keiner arbeiten will? Wie wird der Tatsache Rechnung getragen, dass die Menschen unterschiedlich sind (fleißig, hohe Ansprüche <-> anspruchslos und mit weniger zufrieden, körperlich und intellektuell leistungsfähig <-> marktwirtschaftlich nicht zu gebrauchen)? Kann sich im ideales Sozialismus der Mensch so entfalten wie er es will?
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Beitragvon 1von6,5Milliarden » Fr 2. Feb 2007, 17:46

AFAIR hat die CSU auch am Anfang mit Sozialismus geworben :lachtot: ebenso die CDU mit „christlichem Sozialismus“.
Das Wort "Sozialismus" sagt nicht alles, sowohl die CSU wie auch die CDU waren nämlich eher ebenfalls keine Anhänger von Stalin & Co.
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Beitragvon Andreas Müller » Fr 2. Feb 2007, 18:23

Gibt es denn eine Gesellschaft, wo dein Modell funktioniert?


Alle reichen Industrieländer. Das hat Marx ganz richtig erfasst. Die Entwicklungsländer bräuchten den
Kapitalismus nicht als Zwischenstufe, wenn sie Hilfe beim Aufbau von den reichen Ländern erhalten würden.
Schau dir allein mal an, wie es gerade in China aussieht, in Punkto Arbeitsbedingungen und Löhne. Da hätte
Charles Dickens seine helle Freude dran.

wer soll das Grundeinkommen zahlen?


Es gibt verschiedene Modelle. Such dir eines aus:

http://www.grundeinkommen.info

Was ist, wenn keiner arbeiten will?


Dann würden wir von einem Überangebot an Arbeit sprechen. Ich halte diese Gefahr für sehr gering, es ist fest davon auszugehen, dass die meisten Menschen
mehr Geld haben möchten als das Grundeinkommen. Teure Autos und Reisen sind damit nicht drin, obgleich es schon
höher bemessen ist als das Arbeitslosengeld.

Wie wird der Tatsache Rechnung getragen, dass die Menschen unterschiedlich sind (fleißig, hohe Ansprüche <-> anspruchslos und mit weniger zufrieden, körperlich und intellektuell leistungsfähig


Gerade in dieser Hinsicht ist der Sozialismus das bessere Modell. In unserer Gesellschaft ist es schließlich so, dass nur diejenigen anerkannt werden, die eine hohe soziale Stellung haben. Du darfst dir Sozialismus nicht als Gleichmachmaschine vorstellen. Gerade der Individualismus ist die Grundlage für den Sozialismus (hat Marx auch so gesehen). Hier haben wir doch das Problem von eingeschränkter Freiheit. Hier im Kapitalismus ist nur der frei und hat nur derjenige Macht, der dafür bezahlen kann. Der Sozialismus ist das Traummodell für jeden Individualisten.

Kann sich im ideales Sozialismus der Mensch so entfalten wie er es will?


Das kann er nie absolut. Es klappt besser als im Kapitalismus, wo sich nur der frei entfalten kann, der es sich leisten kann. Derjenige, der den ganzen Tag mit Plastiktüte über dem Kopf in seinem Zimmer sitzen möchte, dem wird der Kapitalismus besser gefallen (Zitat: Terry Eagleton), denn im Sozialismus ist er stärker in die Gemeinschaft eingebunden (Stichwort: Basisdemokratie).
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Beitragvon Klaus » Fr 2. Feb 2007, 18:30

Autor du bist ein Utopist, :/
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Beitragvon Andreas Müller » Fr 2. Feb 2007, 18:40

Autor du bist ein Utopist


Man braucht doch Ziele im Leben. "Man muss das Unmögliche fordern, um das Mögliche zu erreichen." Stammt von Bakunin.
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Beitragvon Kurt » Fr 2. Feb 2007, 19:11

Der Autor hat geschrieben:
Gibt es denn eine Gesellschaft, wo dein Modell funktioniert?


Alle reichen Industrieländer. Das hat Marx ganz richtig erfasst. Die Entwicklungsländer bräuchten den
Kapitalismus nicht als Zwischenstufe, wenn sie Hilfe beim Aufbau von den reichen Ländern erhalten würden.
Schau dir allein mal an, wie es gerade in China aussieht, in Punkto Arbeitsbedingungen und Löhne. Da hätte
Charles Dickens seine helle Freude dran.


Ich meinte eigentlich reale Beispiele, damit ich mal sehen kann, wie das funktioniert. So ein Beispiel wäre für mich der Beweis, dass es funktionieren kann.

Es gibt verschiedene Modelle. Such dir eines aus:
http://www.grundeinkommen.info


Da finde ich nach kurzem Suchen nur, dass es das Grundeinkommen geben sollte und dass es höher als Hartz-4 sein sollte. Nicht, wer es genau bezahlt.

Was ist, wenn keiner arbeiten will?


Dann würden wir von einem Überangebot an Arbeit sprechen. Ich halte diese Gefahr für sehr gering, es ist fest davon auszugehen, dass die meisten Menschen
mehr Geld haben möchten als das Grundeinkommen. Teure Autos und Reisen sind damit nicht drin, obgleich es schon
höher bemessen ist als das Arbeitslosengeld.

Ich geh mal von mir aus. Wenn ich 800 Euro umsonst kriegen würde, müsste ich noch so 10h/Woche arbeiten, um meine leicht höheren Ansprüche erfüllen zu können. Sagen wir für nochmal 800 Euro. Im Endeffekt hab ich dann doch doppelt so viel gekriegt, wie ich verdient habe. Du meinst, das funktioniert in der gesamten Gesellschaft?

Wie wird der Tatsache Rechnung getragen, dass die Menschen unterschiedlich sind (fleißig, hohe Ansprüche <-> anspruchslos und mit weniger zufrieden, körperlich und intellektuell leistungsfähig


Gerade in dieser Hinsicht ist der Sozialismus das bessere Modell. In unserer Gesellschaft ist es schließlich so, dass nur diejenigen anerkannt werden, die eine hohe soziale Stellung haben. Du darfst dir Sozialismus nicht als Gleichmachmaschine vorstellen. Gerade der Individualismus ist die Grundlage für den Sozialismus (hat Marx auch so gesehen). Hier haben wir doch das Problem von eingeschränkter Freiheit. Hier im Kapitalismus ist nur der frei und hat nur derjenige Macht, der dafür bezahlen kann. Der Sozialismus ist das Traummodell für jeden Individualisten.

Sozialismus will nicht gleichmachen, aber die realen Beispiele haben gezeigt, dass dieser Effekt eintritt. Wäre die Steuerlast zur Finanzierung des Grundeinkommens nicht erheblich höher? Damit ginge doch der Anreiz verloren, freiwillig mehr zu arbeiten.

Die "Macht" im Kapitalismus muss doch durch Arbeit verdient werden, und jeder hat die Möglichkeit, (mehr) Arbeit anzunehmen oder abzulehnen. Dadurch konzentriert sich das Geld an manchen Stellen und anderswo wird es weniger. Wie stellst du dir in einem idealen Sozialismus das Geschäftsleben vor? Ist Handel etwas verwerfliches, wo er doch die Geldkonzentration fördert? Sollen die Stundenlöhne frei verhandelbar sein, oder irgendwie vorgegeben?

In unserer (kleinen) Gemeinde veranstaltet der Bürgermeister jedes Jahr eine Bürgerversammlung. Da wird dann quasi der Topf ausgekippt, es wird darüber diskutiert, was da ist, was ausgegeben wurde, was eingenommen wurde und was im nächsten Jahr gemacht wird. Das ist doch mal vorbildliche Bürgerbeteiligung. Die Beteiligung an dieser Veranstaltung ist zwar recht rege, aber die meisten Bürger kommen trotzdem nicht. Würden gar nicht alle reinpassen. ;-) Ich bin da persönlich etwas unentschlossen, was ich von den nicht-anwesenden halten soll. Sind die mit allem zufrieden, soll man sie einfach ignorieren? Oder interessiert sie gar nichts? Ich mache auch mal von meinem Recht Gebrauch, nicht zu wählen, wenn ich mich nicht auskenne oder ich einfach zufrieden bin. Ich bin sogar der etwas extremen Meinung, unsere Demokratie würde besser funktionieren, wenn mehr Leute einfach die Klappe halten würden. Von daher bin ich skeptisch, was die Einbindung aller Mitglieder in den Entscheidungsprozess betrifft. Ich würde es vorziehen, wenn ich mich bei den meisten Fragen raushalten könnte.

Du merkst sicherlich, dass mein Wissen zum Thema Sozialismus recht beschränkt ist. Das liegt daran, dass ich mich mit Dingen, die nicht funktionieren oder die ich für falsch halte, nicht befassen mag. Damit meine ich die historischen, gescheiterten Versuche von Kommunismus, die du auch ablehnst. Aber du bist tatsächlich der einzige Mensch, den ich kenne, der für eine moderne Form des Sozialismus eintritt. Da möchte ich doch gerne die Argumente hören, wie das gehen könnte.
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Beitragvon Andreas Müller » Fr 2. Feb 2007, 20:05

Ich meinte eigentlich reale Beispiele, damit ich mal sehen kann, wie das funktioniert.


Nein, leider gibt es kein sozialistisches Land.

Nicht, wer es genau bezahlt.


Hier werden verschiedene Modelle vorgestellt:

http://www.grundeinkommen.info/fileadmin/Text-Depot/Newsletter8.pdf

Im Endeffekt hab ich dann doch doppelt so viel gekriegt, wie ich verdient habe. Du meinst, das funktioniert in der gesamten Gesellschaft?


Nicht alle haben deine Ansprüche, es gibt auch Leute mit Familien und Luxusschiffahrtsdrang. Tatsächlich müssten wir erheblich weniger arbeiten, als wir tatsächlich arbeiten müssen. An sich haben uns die Maschinen die Arbeit zu großen Teilen abgenommen. Wir sind eine Dienstleistungsgesellschaft geworden. Die alte Hochschätzung von Arbeit ist jedoch geblieben. Es ist schon reichlich lächerlich: Wir sind so reich, dass wir uns eigentlich keine Sorgen mehr machen müssten, aber das Geld ist so idiotisch angelegt und verteilt, dass wir davon nichts merken. Mit Arbeitslosen-Gebashe wird diese Haltung stabilisiert. Übrigens auch eine urchristliche Ansicht, dieses Arbeit = Super. Dazu kann ich nur sagen, dass die Leute im Mittelalter Arbeit für absolut schrecklich gehalten haben, nur eben für notwendig (was sie damals ja auch noch war). Jetzt ist sie angeblich unersetzbarer Bestandteil vom Mensch-Sein. Die Leute sollten mal ins Mittelalter gehen und den Bauern erzählen, wie neidisch sie auf ihre Arbeit sind. Ich glaube, die könnten sie gerne haben.

realen Beispiele haben gezeigt, dass dieser Effekt eintritt


Planwirtschaft war auch eine ziemlich blöde Idee. So war das nicht unbedingt gedacht. Es ging eher darum, dass es kein Privateigentum an Produktionsmitteln geben sollte (Maschinen, Rohstoffe etc.) und um Kooperation statt Konkurrenzdenken. Dass eine Zentralstelle die Wirtschaft steuert ist schon sehr unsinnig. Es ging eher um eine demokratische Regulierung der Wirtschaft. Der Staat greift in die Wirtschaft ein, das ist noch übrig vom Sozialismus. Und ich denke doch, das reicht. Schließlich ist die Marktwirtschaft sehr effektiv, wenn man sie in Schach hält (ökologisch-soziale Einschränkungen). Alle bisherigen Versuche, Arbeitern ihre Fabriken selbst kontrollieren zu lassen, sind gescheitert. Es hat sich immer ein besonders schlimmer Tyrann an die Spitze gesetzt. So viel also zum Anarchismus.

Wäre die Steuerlast zur Finanzierung des Grundeinkommens nicht erheblich höher?


Nein, nicht erheblich. Es gäbe schließlich keine Rente mehr, keine Arbeitslosenversicherung, keine Behörden, die das alles verteilen müssen... Der Bürokratieabbau wäre enorm. Dazu noch eine einheitliche Gesundheitsversicherung plus die Dinge, die ich vergessen habe, und die Sache läuft. Außerdem wären die Lohnnebenkosten gleich 0, schließlich ist das Grundeinkommen in den meisten Modellen steuerfinanziert. Insofern müsste es auch Unternehmen gefallen.

Damit ginge doch der Anreiz verloren, freiwillig mehr zu arbeiten.


Im Gegenteil: Genau dieses Problem, das es tatsächlich mit der Arbeitslosenversicherung gibt, würde dann wegfallen: Wieso sollte man arbeiten, wenn die Arbeitslosenversicherung höher ist als der Lohn, den man für die Arbeit erhalten würde? Das Grundeinkommen würde jeder bekommen. Arbeit wäre also immer zusätzlich und man bekommt das Geld wirklich.

jeder hat die Möglichkeit, (mehr) Arbeit anzunehmen oder abzulehnen.


Im Gegenteil: Nicht jeder hat die gleichen Möglichkeiten, an Macht zu kommen. Allein schon, wenn du in eine reiche Familie geboren wurdest, bist du klar im Vorteil. Auch Leute, denen die intellektuelle Kapazität oder die Ellbogen fehlen, um sich durchzusetzen, sind im Nachteil. Im Kapitalismus wird asoziales Verhalten belohnt, wenn man sich das mal überlegt.

Ist Handel etwas verwerfliches, wo er doch die Geldkonzentration fördert?


Nein, gar nicht. Ich bin ja für Marktwirtschaft, nur nicht für Kapitalismus (freie Marktwirtschaft). Es gäbe auch im Sozialismus Leute, die reicher und Leute, die ärmer sind. Das ändert sich nie wirklich. Aber: Jeder kann sich im Sozialismus frei entfalten und gleichberechtigt an der Gesellschaft teilhaben, hat außerdem ein Recht auf ein anständiges Leben, auch ohne Arbeit - von der es ohnehin zu wenig gibt, so dass momentan nicht einmal die Leute arbeiten können, die das wollen.

Sollen die Stundenlöhne frei verhandelbar sein, oder irgendwie vorgegeben?


Ich bin an sich gegen Mindestlöhne - wenn es dafür Grundeinkommen gäbe. Ich denke, Mindestlöhne sind wirtschaftlich unsinnvoll. Löhne würden wie bereits jetzt zwischen Gewerkschaften und Unternehmen ausgehandelt werden.

Ich bin da persönlich etwas unentschlossen, was ich von den nicht-anwesenden halten soll.


Wir leben in einer Zeit der politischen Gleichgültigkeit. Die Leute haben das Gefühl - nicht ganz unberechtigt - dass sie auf die Politik keinen Einfluss nehmen können und "die da oben sowieso machen, was sie wollen". Die Veranstaltung des Bürgermeisters ist vorbildlich, kann aber gegen ein gesamtgesellschaftliches Problem nicht viel ausrichten. Ich würde knallhart sagen: Wer sich zu schade ist, da mitzumachen, der kann eben auch nicht mitentscheiden. Logisch eigentlich.

Ich würde es vorziehen, wenn ich mich bei den meisten Fragen raushalten könnte.


Ich denke, diese Haltung würdest du ändern, wenn du wirklich mitentscheiden könntest. Wenn nicht: Niemand ist dazu gezwungen, es ist nur ein Angebot. Wenn sich die Leute nicht selbst regieren wollen, dann werden sie eben von denjenigen vertreten, die solche Angebote nutzen. Es liegt vielleicht auch daran, dass die Menschen so viel arbeiten müssen. Sie haben kaum Zeit, gute politische Entscheidungen zu treffen und sich richtig zu informieren (siehe Wahlergebnisse...). Das würde sich ändern.

Aber du bist tatsächlich der einzige Mensch, den ich kenne, der für eine moderne Form des Sozialismus eintritt.


Gibt es tatsächlich kaum noch. Mir fällt eigentlich nur der Literaturwissenschaftler Terry Eagleton ein, der auch so etwas vertritt. Aber ich vergesse hier bestimmt viele Leute. Die GBS werkelt ja daran, wie so ein System aussehen müsste, das ihre humanistischen Werte umsetzt. Bis das fertig ist und mich überzeugt, bleibe ich bei meiner modernen Version des Sozialismus.
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Beitragvon the jug of milk » Fr 2. Feb 2007, 20:38

Juhu, Grundeinkommen! Arbeit? Freiwillige vor! Es gibt doch genug Menschen die sich am Fließband oder bei der Müllabfuhr selbst verwirklichen wollen. Ja, Postboten tragen die Briefe auch zur tiefen inneren Befriedigung aus. Raumpfleger arbeiten natürlich auch nur um des Ansehens willen. Natürlich sitzt die Dame bei ALDI an der Kasse nur, um ein erfülltes Leben zu haben und sich zweimal im Jahr die Kreuzfahrt leisten zu können. Ich seh es schon kommen: Die gebratenen Hähnchen fliegen mir in den Mund! Schokoflüsse! Freudentaumel, welch Schlaraffenland! :2thumbs:

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Beitragvon Andreas Müller » Fr 2. Feb 2007, 20:41

Raumpfleger arbeiten natürlich auch nur um des Ansehens willen.


Nein, für das Geld, das sie ja nach wie vor bekommen würden.

Schokoflüsse! Freudentaumel, welch Schlaraffenland!


Sorry. Ich wollte nicht dein perfektes, unangreifbares System kritisieren.
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Beitragvon the jug of milk » Fr 2. Feb 2007, 20:58

Naja vielleicht hast du die ernste Kritik hinter das parodistischen Fassade nicht erkannt:

Die - mit Verlaub - eher niedrigen Arbeiten wie z.B. die oben angeführten würde niemand mehr freiwillig ausführen, wenn ihm das Grundeinkommen ein Überleben in einigermaßen akzeptablem Rahmen garantiert. Alles würde zusammenbrechen. Die Idee "Grundeinkommen" gehört auf den Berg des geistigen Abfalls.
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Beitragvon Andreas Müller » Fr 2. Feb 2007, 21:16

geistigen Abfalls


Demnach darf ich also davon ausgehen, dass du eine erheblich bessere Idee hast? Wenn das geistiger Abfall ist, was ist dann der Kapitalismus, in dem es gewaltige Verschwendung gibt, Ausbeutung, 12 oder mehr Stundenarbeit, Massentierhaltung etc.? Ist das deine Traumgesellschaft oder wie sieht die aus?

Die - mit Verlaub - eher niedrigen Arbeiten wie z.B. die oben angeführten würde niemand mehr freiwillig ausführen


Hier geht es wieder um Fähigkeiten. Etwas wollen die allermeisten Leute schon machen. Ob das jetzt ehrenamtliche Arbeit ist oder "niedere" Tätigkeiten. Etwas dazu verdienen kann man sich locker mit solchen Tätigkeiten. Teilzeit kann man durchaus an der Kasse arbeiten oder Briefe austragen, Vollzeit halte ich für unmenschlich für bestimmte Jobs - ist auch völlig unnötig. Oder willst du mir sagen, dass eine Vollzeit-Fließbandtätigkeit deine Vorstellung von Humanität erfüllt? Ich halte das für eine glatte Entmenschlichung. Niemand sollte gezwungen sein, 8 Stunden am Tag oder länger am Fließband zu stehen. Dir scheint nicht klar zu sein, was das für Folgen hat.

An deinem Zynismus kannst du dich jetzt aufgeilen, aber reale Probleme wird der nicht lösen. Der Sozialismus ist zumindest eine Idee, man versucht wenigstens, etwas zu verbessern, anstatt in postmoderner Selbstgefälligkeit mit dem Bestehenden zu kopulieren.
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Beitragvon Klaus » Fr 2. Feb 2007, 21:42

Die - mit Verlaub - eher niedrigen Arbeiten


Stimmt die Verproletarisierung hat eingesetzt, vor 20 Jahren hätten sich die Ärzte einen Vogel gezeigt, streiken?, gewerkschaftliche Urabstimmungen?.

"Die niedrigen Arbeiten, für die ungebildeten, faulen Proleten, die etwas höherwertigeren Arbeiten, wie Taxifahren, Kellnern, u.ä. für die akademische Elite, die es nicht in den Markt geschafft hat und natürlich nicht die vergessen, die in der sozialen Hängematte liegen".

Ist wie mit einer Krankenversicherung, in Dänemark hat jeder eine vom Staat, wer Extras will muss bezahlen, die Grundsicherung ist aber gut.
Grundeinkommen ist nicht schlecht die Idee, und die Vorstellungen es umzusetzen sind konkret und realistisch, diese Strukturrefomen, welche einschneidend in der Übergangszeit sind, dürften ein grosses gewaltiges Potential enthalten.
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Beitragvon the jug of milk » Fr 2. Feb 2007, 21:53

Die Fehler im System, die zu völlig zu Recht nennst, sind aber durch Reformen (die zunehmenden negativen Assoziationen zu diesem Wort sind traurig, da es eigentlich etwas positives ist) behebbar. Reformation statt Revolution. Sowohl Massentierhaltung als auch die unmenschlichen (da hast du auch Recht!) Jobs an Fließbändern lassen sich beheben. Mit zunehmendem technischen Fortschritt wird die Entwicklung der letzten 100 Jahre forgesetzt werden. Dir ist scheinbar nicht bewusst, dass die unzumutbaren Arbeiten über die Jahrzehnte kontinuierlich auf dem Rückzug sind und mittelfristig fast komplett zurückgedrängt sein werden.
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Beitragvon Andreas Müller » Fr 2. Feb 2007, 22:31

kontinuierlich auf dem Rückzug sind


Ja, in die dritte Welt.

Gut, stimmt schon. Gäbe es den technischen Fortschritt überall, dann gäbe es immer weniger solcher Arbeiten. Allerdings: Es gäbe prinzipiell immer weniger Arbeit. Dann sind wir wieder am Anfang. Es wird Leute geben, die nicht arbeiten können, weil keine Arbeit da ist. Zunehmend viele davon. Was machst du nun mit denen? Lässt du sie 200 000 sinnlose Bewerbungen schreiben und bezeichnest sie als Sozialschmarotzer oder gibst du ihnen einfach ein annehmbares Einkommen - was ja wiederum der Wirtschaft dienlich ist, da es unmittelbar zum Konsum verwendet wird?

Mal ganz davon abgesehen: Die Art und Weise, wie wir Arbeit bewerten, was wir als Arbeit ansehen und was nicht, halte ich für absurd. Der Lektor, der das Cover von Dieter Bohlens Büchern ausgewählt hat, dürfte recht vermögend sein. Man kann davon ausgehen, dass ihm ein halbwegs hohes Ansehen zuteil wird. Nun finde ich seine Tätigkeit komplett zwecklos. Oder die Leute, die sich Big Brother ausgedacht haben. Reich - garantiert. Aber was haben sie denn Konstruktives für die Gesellschaft geleistet?

Kapitalismus ist unter anderem das Erwecken von Verlangen, Müll zu kaufen, sowie Produktion und Absatz dieses Mülls. Wie kann man nun auf die abwegige Idee kommen, Erfolg innerhalb dieses Systems mit gesellschaftlichem Ansehen zu verknüpfen? Was ist so toll an den goldbeschwerten Gangster-Rappern?

Dagegen die Leute, die ehrenamtlich in Altenheimen arbeiten. Ich war ja selbst dort tätig in meiner Zivizeit und ich weiß, wie bedeutend diese Tätigkeit ist. Es gab da eine Frau, die kam jede Woche und hat sich um die Bewohner gekümmert, um die sich ansonsten niemand kümmert (außer die Pfleger, die aber für Betreuung natürlich kaum Zeit haben). Zweifellos haben solche Leute sehr viel Achtung verdient.

Oder auf anderer Ebene etwa Hrant Dink, der die Zustände in der Türkei kritisierte und dafür ermordet wurde:

http://hpd-online.de/node/955

Reich war der nicht. Er hatte nicht einmal viele Anhänger, zumindest kaum welche, die sich zu Lebzeiten zu ihm bekannten. Laut kapitalistischer Logik ein kompletter Verlierer (ich hatte mal einen Wirtschaftslehrer, der es kaum anders formuliert hätte). Irgend etwas stimmt da nicht mit unserem System, so viel steht mal fest.

Reformation statt Revolution


Man kann leider nicht Schritt für Schritt das Grundeinkommen einführen. Das ist ein komplett anderes System. Andere Elemente des Sozialismus kann man aber gewiss nach und nach einführen.

Reformen sind allerdings nicht prinzipiell die Patentlösung für alles. Ohne die französische Revolution, auch ohne die Gewalt, hätte es einfach keine Demokratie und keine Menschenrechte gegeben. Man konnte den Adel nicht darum bitten, seine Macht abzugeben. Was wir gerne verdrängen, ist, dass auch unser System gewaltsam hervorgebracht wurde. Da sind sich die meisten Historiker überraschend einig und auch wir Looser im Philosophischen Institut sehen das überwiegend so.

Aber es ist natürlich sonnenklar, dass wir nicht den Sozialismus gewaltsam einführen sollten oder könnten. Das hätte ich vielleicht in den Anfangszeiten der Industrialisierung befürwortet, jetzt aber gewiss nicht mehr. Reformen so weit möglich gerne. Aber man muss es halt auch machen...
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Beitragvon the jug of milk » Fr 2. Feb 2007, 22:53

"Reformation statt Revolution" war auch auf das heutige deutsche System bezogen. Revolution ist auch manchmal der notwendige Weg, z.B. damals in Frankreich oder heute in Cuba, China und diversen anderen Ländern dieser Erde. Soweit sollten wir ja übereinstimmen.

Kapitalismus ist unter anderem das Erwecken von Verlangen, Müll zu kaufen, sowie Produktion und Absatz dieses Mülls.


Das brigen die Freiheitsrechte nunmal mit sich. Die Leute dürfen sich ihr Leben vertrashen. Allerdings sollte man versuchen sie davon abzuhalten. Aber die Möglichkeit des Vertrashens wird von den Freiheitsrechten garantiert.

Im Punkt der Stärkung des Ehrenamtes stimme ich dir zu. Der (deutsche) politische Zeitgeist übrigens auch.

Es wird Leute geben, die nicht arbeiten können, weil keine Arbeit da ist.


Die Berufsbilder wandeln sich fortgehend dynamisch. Zu denken, es würde "überflüssige" Arbeitskräfte geben, ist ein Tragschluss. Generell ist immer genug potenzielle Arbeit vorhanden. Die Eröffnung dessen Zugangs ist Aufgabe der Politik.
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Beitragvon Andreas Müller » Fr 2. Feb 2007, 23:42

Die Leute dürfen sich ihr Leben vertrashen.


Man muss schon mit einbeziehen, dass hier wertvolle Resourcen verschwendet werden. Außerdem werden die Leute dahingehend manipuliert, sich Müll zu kaufen, den sie sich andernfalls nicht kaufen würden, weil es einfach keine guten Gründe dafür gibt.

Generell ist immer genug potenzielle Arbeit vorhanden.


Wie kommst du darauf? Für mich klingt das nach purer Spekulation, so einer Art "Gottvertrauen" in die unsichtbare Hand des Marktes. Ich wüsste nicht, wieso immer genug potenzielle Arbeit vorhanden sein sollte. Es scheint vielmehr immer weniger davon zu geben, gleichzeitig Fluch und Segen der Industrialisierung und Tertiärisierung (Unwandlung in eine Dienstleistungsgesellschaft).
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