Wie zufrieden seid ihr mit dem Leben in Deutschland?

Wie zufrieden seid ihr mit dem Leben in Deutschland?

sehr zufrieden
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zufrieden
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geht so
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sehr unzufrieden
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6%
 
Abstimmungen insgesamt : 51

Wie zufrieden seid ihr mit dem Leben in Deutschland?

Beitragvon sley43 » Fr 20. Apr 2007, 12:41

Hallo,

mich würde interessieren wie zufrieden ihr mit "dem Leben" in Deutschland seid. Also nicht mit eurem Leben in Deutschland allein.
Wir leben in einer Gesellschaft die aus vielen verschiedenen Gruppen besteht, bitte so viele Gruppen mit einbeziehen, wie möglich. Auch eine kurze, oder von mir aus auch lange Begründung zu eurer Sicht, ist willkommen, sodas auch Diskussionen folgen könnten.

Nun zu meiner Antwort zu dieser Frage.
Ich persönlich bin leider sehr unzufrieden mit Deutschland und bin daher sogar ausgewandert. Gründe dafür sind mannigfaltig und werden grossteils auf meiner Homepage aufgezählt. Kurz gesagt, fühle ich mich auf eine Maschine reduziert die nur zu funktionieren hat. Das Konsumparadies das einem verkauft wird, ist nicht für alle greifbar und leider eine Scheinwelt die mehr Schaden als Gutes tut. Abgründe in die man fallen kann und viele fallen, liegen überall wie Tretminen rum. Einfaches Leben wird für viele zum Glückspiel. Das soll reichen für den Anfang.

MfG,
Christian
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Beitragvon the jug of milk » Fr 20. Apr 2007, 13:38

Ich kenn kein Land, in dem es sicher aktuell besser leben ließe.
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Beitragvon Peter Janotta » Fr 20. Apr 2007, 13:44

Deutschland ist das Land des sich "in Ruhe Lassens". So kommt es zu wenig ernsthaften Konflikten aber Missstände bleiben unberührt und werden von den weinigsten wahrgenommen oder gar angeprangert. Überhaupt herrscht im Allgemeinen Verdrossenheit bzgl. Politik und sonstigen Engagements. Ungerechtigkeiten werden totgeschwiegen und verdrängt. Zwar wird über die Arbeitssituation und angebliche Machtausnutzung von Politikern und Arbeitgebern gejammert und polemisiert aber alles sehr oberflächlich. Konkrete Unterdrückungen von Minderheiten werden hingegen weitläufig ignoriert. Überhaupt herrscht die Meinung "Demokratie ist was die Mehrheit will". Der Minderheitenschutz wird dabei oft vernachlässigt.
Ich persönlich sehe zwar viele Missstände in der Gesellschaft finde aber die Zustände in Deutschland noch vergleichsweise gut. Allerdings ist die Lage oft schlimmer als es offensichtlich scheint, da in Deutschland eben vieles zu keiner öffentlichen Reaktion führt und damit verborgen bleibt.
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Beitragvon [C]Arrowman » Fr 20. Apr 2007, 14:06

leider verhindern deutsche Bürokratie und Medienhetze gegen Computerspiekle, so wie der überzogene Jugendschutz die Bestnote. Auch Schäubles letzte Ergüsse leißen mich darüber nachdenken ob es nicht doch sinnvoll wäre das Land zu verlassen. Wien soll schön sein. :kopfwand:
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Beitragvon sley43 » Fr 20. Apr 2007, 14:12

Hallo,

zu "the jug of milk". Die Antwort kenne ich zu genüge und gehe davon aus, dass hier unsere Definition vom Leben, verschieden sein muss. Ich kann natürlich nur für mich sprechen jetzt, aber in den Philippinen, ist das Leben um ein vielfaches besser für mich. Mehr Freiheit, dadurch mehr Zeit, weniger Stress, weniger Konsumkranke, weniger Menschen die sich in ihren 4 Wänden verstecken, weniger Mobbing, weniger Kosten, weniger Arbeit, mehr Kontrolle über mein Leben und nettes Panorama das sich nicht verstecken muss. Klar wem das nicht wichtig ist im Leben, kann auch in Deutschland glücklich werden.

zu Peter. Dein Bild kann ich schon besser nachvollziehen und bestätigen. Aber wie oben gesagt fehlt mir die Freiheit und Ruhe die jedem zusteht, aber auch das mehr an Kontrolle über mein Leben ist mir sehr wichtig. Dann noch die Kinder und Familienfreundlichere Umgebung, die in Deutschland sehr zu wünschen übrig lässt und schon sehe ich das Deutschland trotz wirtschaftlichem und technologischem Fortschritt, beim Leben eher ein Entwicklungsland ist. Und die Philippinen genau umgekehrt. Das gilt jetzt für Ausländer in den Philippinen und nicht für die Philippinos in den Philippinen, die viele Probleme haben beim Leben.

Danke für die Teilnahme soweit, und ich hoffe das noch viele Stimmen nachkommen werden.

MfG,
Christian
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Beitragvon Klaus » Fr 20. Apr 2007, 14:21

Zufrieden kann man mit Deutschland nicht sein, wer Zufriedenheit für sich postuliert schließt die Augen vor vielen schlimmen Dingen. Da muss ich Peter Janotta recht geben. Das Wahlvolk durch korrupte Politiker korrumpiert, so wird scheinheiliger sozialer Friede erreicht. Den Aspekt des guten Lebens habe ich eigentlich nur in skandinavischen Ländern kennengelernt, Leben und leben lassen, nicht so eine Neid-Kultur wie in Deutschland. Die Franzosen haben mehr Arsch in der Hose, die gehen auch für ihre Interessen auf die Strasse. Der Deutsche lebt um zu arbeiten, alle anderen arbeiten um zu leben.
Probleme gibt es überall, Konflikte auch, gerade mit Minderheiten, aber nirgends wird soviel gelogen und gesponnen wie in Deutschland.
In den letzten 10 Jahren habe ich in den USA, Südafrika, Australien, Frankreich, Dänemark, Norwegen und Kanada gelebt und gearbeitet und je größer der Abstand zu Deutschland um so schwerer fällt es mir zurück zu kehren.
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Beitragvon sley43 » Fr 20. Apr 2007, 14:43

Hallo Klaus,

darf ich Fragen, wie es dazu kam, dass du in sovielen Ländern gelebt hast?
Ansonsten stimme ich dir grossteils zu.

Das die Deutschen sich einfach mehr gefallen lassen wie z.B. die Franzosen, finde ich sehr schade, weil ich Aktivismus für sehr wichtig halte. Probleme lösen sich nicht von selbst, daher wünschte ich mir mehr Aktivismus bei den Deutschen.

Dann kommt noch das die Politik an der Wirtschaft stärker interessiert ist wie an dem Leben der Bürger. Sodas selbst politisches Engagement oft untergeht, je näher man sich der Regierung nähert. Kleine Parteien können schöne Sachen fordern und Vertreten, nur diese Aufrechterhalten, wenn sie grösser werden ist sehr schwer bis unmöglich. All das hat mich schwer demotiviert in Deutschland und verhindert das ich überhaupt aktiv werde.

Weiter jetzt aber mit anderen Meinungen.

MfG,
Christian
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Beitragvon Sisyphos » Sa 21. Apr 2007, 15:41

Die Idee der Auswanderung fand ich immer sehr reizvoll. Und ich liebäugele schon seit drei Jahren mit Auslandsschuldienst.

Wie bestreitest du dort deinen Lebensunterhalt?

Andreas
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Beitragvon Andreas Müller » Sa 21. Apr 2007, 16:32

Mein Bild von den Philippinen ist nicht unbedingt positiv. Das Land ist religiöser als alle anderen, der soziale Frieden wird durch verschiedenen Terrorgruppen und letztlich die Regierung selbst gefährdet. Als Individuum könnte man dort vielleicht trotzdem besser auskommen, aber ich bin eher jemand, der sein Augenmerk auf das "große Ganze" legt und in einem solchen Land darum nicht glücklich sein könnte.

Die skandinavischen Länder werden auch ein bisschen überbewertet. Dort wird Arbeit ebenfalls sehr hoch geschätzt, was man daran erkennen kann, wie mit Leuten umgegangen wird, die "nicht arbeiten wollen". Denen wird einfach alles an Leistungen gestrichen. Wenn man sich als Arbeitsloser nicht bis zur Selbstaufgabe reinhängt, um einen neuen Job zu finden, war's das.

Der Vorteil von Deutschland, trotz der schon von anderen angesprochenen Nachteile, liegt, wie ich finde, in den Traditionen von Aufklärung und Sozialismus (oder Humanismus, wer das lieber mag). Die haben noch einen gewissen Einfluss auf das gesellschaftliche Leben, was man etwa an der hierzulande starken Idee eines Grundeinkommens feststellen kann. Würde man das einführen, dann fände ich es hier schön. Man muss dem Konsumwahn schließlich nicht unterliegen, das tue ich auch nicht. Den ignoriert man einfach und treibt sich auf Punk-Konzerten rum, liest und schreibt Bücher und Artikel...
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Beitragvon sley43 » Sa 21. Apr 2007, 20:48

Hallo,

zu deiner Frage Andreas (Sisyphos), wie ich mein Lebensunterhalt bestreite.

Nun, wer meine Homepage gelesen hat, weiss es in etwa.
Kurz gesagt, das Leben ist hier so billig, dass man von den Zinsen allein leben kann, welches man auf sein gespartes Kapital bekommt. Wer gerne auf 2 Beinen steht, eröffnet ein kleines Geschäft und lebt so glücklich und zufrieden ohne Angst und Sorgen. Also sicherer und besser, da für viele Deutsche in Deutschland, eine fester und vernünftiger Arbeitsplatz oft ein Glückspiel ist.

Nun zu Andreas (der Autor). Das Philippinos sehr religiös sind stimmt. Nur ist es, wie mit vielen religiösen Menschen, ein Mangel an Bildung (ich hoffe jetzt keinen beleidigt zu haben). Und dazu kommt noch, dass ich als nicht religiöser Mensch, die hier beliebte Bibel, besser kenne wie die Religiösen hier. Was mir zeigt, das dieser Glauben sehr halbherzig ist.

Wenn man nun hier mit Studenten redet, merkt man schnell, dass es nicht viel anders ist, wie in den USA, wo sich viele Leute nicht trauen ein Bright zu sein, aber letzten endes sind. Soll heissen das es halb so schlimm ist hier, und sich nach und nach die Situation normalisieren wird, diesbezüglich.

Die Terrorgruppen sind im Süden auf der Insel Mindanao, wobei man wissen muss, dass dort der Islam dafür verantwortlich ist. Ich würde daher den Süden von Mindanao meiden, dort ist die Gefahr sicherlich um einiges höher wie sonst wo auf den Philippinen.

Das die Regierung etwas unfähig ist, liegt wohl daran, dass es äussert schwer ist ein Entwicklungsland zu regieren. Ganz einfach, weil die Gelder die zur Verfügung stehen nicht ausreichen um das Land so zu verändern wie es die Bevölkerung gerne hätte, aber durchaus ausreichen tut, um sich die eigene Taschen zu füllen.
Und ausländische Investoren helfen auch nicht richtig weiter, da sie nur kommen, wenn die Leute kaum was kosten.

Die unfähige Regierung hat aber viele Vorteile. Die Kontrolle die von der Regierung ausgeht ist kaum erkennbar, und somit hat man das Gefühl von Freiheit wie es in Deutschland unmöglich ist.

Aber wie gesagt, ist diese Regierung sehr angenehm. Und diese war ein Grund für mich herzukommen. Also, es ist nicht alles negativ, was negativ scheint, wenn man vom Leben hier redet.

Du sagst du könntest hier nicht glücklich werden, weil du auf das Ganze Bild Wert legst? Na dann solltest du mal herkommen, denn du scheinst ein falsches Bild zu haben. Wie in vielen armen Ländern bekannt, sind die Menschen hier ausgeglichener und glücklicher wie in Deutschland.

Mal ein Beispiel. Als ich das erste mal hier war, für nur 2 Wochen, und dann zurück kam nach Frankfurt, ist mir fast schlecht geworden. Es war, um es mal hart zu sagen, richtig abstossend zurück zu sein in Deutschland. Die Menschen, wie sie wirken, schauen und sich verhalten.

Wenn man sich das Leben hier und das Leben in Deutschland anschaut, hat Deutschland nicht den Hauch einer Chance. Deutschland ist nur toll zum arbeiten, oder wenn man reich ist, aber zum leben ist es nicht empfehlenswert. Wer sich mal richtig umschaut in Deutschland wird sehen das es echt nicht mehr ok ist. Nur weil man vielleicht mit gewissen Leuten keinen Kontakt hat, heisst das nicht, dass sie nicht da sind.

Einzelne haben ein sicherlich nettes Leben in Deutschland, aber die Masse ist definitiv nicht glücklich und das sieht und spürt man. Man muss nur die Menschen hier, mit denen in Deutschland vergleichen und dann sollte es jedem klar sein.

Zu den skandinavischen Ländern kann ich leider nichts sagen, habe keines dieser besucht. Aber so wie du es beschreibst, scheint es nicht soviel anders zu sein wie Deutschland. Aber statistisch kommen die glaube ich meistens besser weg wie Deutschland.

Die Tradition von Aufklärung und Humanismus in Deutschland, ist mir noch nicht sonderlich aufgefallen. Aber ehrlich gesagt wäre das für mich mit Sicherheit kein Grund die ganzen Problemherde zu ignorieren.

Man muss dem Konsumwahn nicht unterliegen sagst du? Das Problem ist doch, dass gerade Kinder aus armen Familien da keine Chance haben. Nicht nur viele Kinder, auch viele Jugendliche sind nicht in der Lage mit der Situation richtig umzugehen.

Diese Menschen ignorierst du scheinbar, obwohl du sagst, dass du das ganze Bild dir anschaust. Es sind Millionen die davon betroffen sind in Deutschland. Dieses Problem ist in den Philippinen praktisch nicht vorhanden.

Viele Menschen in Deutschland sind schwach bis sehr schwach durch das tolle Leben, von denen Stärke zu erwarten ist dumm. Diese geschwächten Menschen haben keine Wahl. Von einer Wahl, die jeder angeblich hat, reden immer nur die, die Glück und Kraft in ausreichenden Mengen haben und hatten.

Ich kenne Menschen aus beiden Gruppen, die Millionen von Menschen die zugrunde gehen in Deutschland und auch die, die sagen, sie sind doch alle selber schuld. Kein Mensch richtet sich selber zu Grunde, wer das glaubt hat eine gefährliche Ansicht.

Ich habe im Freundeskreis nicht nur einen gehabt, bei dem ich zuschauen konnte, wie er Schritt für Schritt sich dem Abgrund näherte. Wie Familien zerfielen, und die Kinder drunter leiden mussten. Die meisten dieser Problem sind künstlicher Art und hängen mit dem Leben in Deutschland zusammen. Natürlich gibt es diese Probleme auch in anderen Ländern, aber auch dort ist es das künstliche Leben das die Probleme schaft. Die USA sind nunmal Vorbild für so ziemlich jedes Land, und je besser man die USA kopieren kann, um so mehr kriegen wir die Probleme von diesem System.

Ich bin auch ein Mensch der sich das ganze Bild anschaut, und ich kann dir versichern, dass Deutschland mehr Probleme hat, wie die Philippinen. Naturalistisch betrachtet, nicht kapitalistisch.

Das soll jetzt reichen, ich möchte kein Monolog führen in einem Forum. Daher würde ich mich freuen über weitere Meinungen, Sichtweisen und Fakten.

MfG,
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Beitragvon Andreas Müller » Sa 21. Apr 2007, 21:24

Die Tradition von Aufklärung und Humanismus in Deutschland, ist mir noch nicht sonderlich aufgefallen. Aber ehrlich gesagt wäre das für mich mit Sicherheit kein Grund die ganzen Problemherde zu ignorieren.


Das ist schon eine ziemlich obskure Logik. Wie könnte denn ausgerechnet die Aufklärung ein Grund sein, Probleme zu ignorieren?

Man muss dem Konsumwahn nicht unterliegen sagst du?


Ja, das ist auch eine philosophische Haltung. Wenn man eine Weile darüber nachdenkt und sich informiert, kommt man zu dem Schluss, dass Konsum zu großen Teilen Zeitverschwendung ist und es viel Wichtigeres im Leben gibt. Ich wüsste nicht, warum arme Menschen nicht in der Lage sein sollten, sich zu informieren. Es sei denn, sie müssen länger arbeiten und haben dann keine Energie mehr oder fühlen sich so herabgewürdigt, dass sie nichts mehr kümmert, wobei sie in einen Frustkonsum verfallen. Aber wie schon gesagt: Grundeinkommen und alles wird gut. Ich bin Optimist und trete darum für eine Verbesserung der Verhältnisse ein. Ich laufe nicht weg, sondern verteile Ohrfeigen, metaphorisch ausgedrückt. Man drischt so lange auf sein Land ein, bis es wieder in Form ist und passt.

Diese Menschen ignorierst du scheinbar, obwohl du sagst, dass du das ganze Bild dir anschaust.


Keine Ahnung, was all diese Unterstellungen sollen.

Viele Menschen in Deutschland sind schwach bis sehr schwach durch das tolle Leben, von denen Stärke zu erwarten ist dumm


Damit redet man sich aber auch heraus und von jeder Verantwortung frei. Das halte ich für kontraproduktiv. Die Leute sind schwach, weil sie zu viel Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes haben, da lassen sie sich alles gefallen. Es ist aber nicht dumm, von den Menschen zu fordern, dass sie kämpfen sollen. Gute sozialistische Tradition. Die Gewerkschaften werden nur von den Liberalen schlecht geredet und trauen sich immer weniger. Dagegen kann man durchaus rein argumentativ und propagandistisch vorgehen. Auch die Erwerbslosen-Verbände kann man stärken. Für den (politischen) Kampf allein ist noch kein Umwurf der Verhältnisse erforderlich, vielmehr ist der Kampf die Voraussetzung dafür, um das hier mal etwas überzogen auszudrücken.

sie sind doch alle selber schuld


Streng genommen ist keiner an irgend etwas schuld. Aber das bringt uns auch nicht weiter.

Ich bin auch ein Mensch der sich das ganze Bild anschaut, und ich kann dir versichern, dass Deutschland mehr Probleme hat, wie die Philippinen. Naturalistisch betrachtet, nicht kapitalistisch.


"Kapitalistisch" sehe ich das auch nicht. Ich glaube aber doch, dass ein gewisser Wohlstand und ein Minimum an Sicherheit erforderlich ist, um glücklich zu sein. Wenn man willkürlich von Regierungstruppen verhaftet und von Terrorgruppen entführt werden kann, dann ist dieses Minimum an Sicherheit nicht gegeben. Den Wohlstand, den du hast, werden auch nicht alle Menschen in den Phillipinen teilen. Ich will das Land nicht schlecht reden, aber deine Position klingt mir dann schon wieder zu positiv, um wahr zu sein.
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Beitragvon Klaus » Sa 21. Apr 2007, 21:34

Die Skandinavier kommen nicht nur statistisch besser weg, es herrscht keine Neidkultur. Und zum angesprochenen Kündigungsrecht. Wer gefeuert wird, hat binnen 4 Wochen einen neuen Job, das ist Fakt, mit rund 3 % Arbeitslosigkeit, auf Deutschland umgelegt heißt das Vollbeschäftigung. Es wird jeder geduzt, und wenn es der Vorstandsvorsitzende ist, wer mit Sie angesprochen wird muss sich fragen warum.
Grundlegend ist jeder krankenversichert, vom Staat, es gibt nur eine Krankenversicherung, wer Zusatzleistungen haben will, bezahlt extra. Die Renten sind sicher. Über 60% der Dänen wohnen in Eigentum, und sie sind zänkisch demokratisch, das gefällt mir.
Das Lebensgefühl in Dänemark und Norwegen ist definitiv besser als in Deutschland, wenn ich dort zum Arzt gehe kann ich Deutsch sprechen, nicht weil der dänische Arzt Deutsch kann, sondern weil ein deutscher Arzt vor mir sitzt, der ausgewandert ist. Selbst deutsche Studenten erhalten vom dänischen Staat ein Stipendium, unkompliziert. Designer, Bauleute, alle möglichen Berufsgruppen sind dort anzutreffen, bei denen die Menschen aus deutschland kommten
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Beitragvon Andreas Müller » Sa 21. Apr 2007, 21:38

Deutsche Studenten in Dänemark meinst du wahrscheinlich.

Ich sage ja nicht, dass es dort nicht besser ist als hier, klar ist es das, aber perfekt ist es eben auch nicht.
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Beitragvon Sisyphos » Sa 21. Apr 2007, 21:48

sley43 hat geschrieben:Mal ein Beispiel. Als ich das erste mal hier war, für nur 2 Wochen, und dann zurück kam nach Frankfurt, ist mir fast schlecht geworden. Es war, um es mal hart zu sagen, richtig abstossend zurück zu sein in Deutschland. Die Menschen, wie sie wirken, schauen und sich verhalten.


Ich habe diese Erfahrung auch gemacht, nachdem ich vier Wochen auf einer Exkursion in Indien war, nicht nur in Delhi, auch in abgelegenen Dörfern. Ich stieg dann in Frankfurt aus dem Flugzeug und erlebte etwas, das ich heute ganz passend in Camus'sche Worte kleiden könnte: das Gefühl des Absurden sprang mich mit aller Wucht an.

So sehen Deutsche auf der Straße aus, wenn man vier Wochen in Asien war: :igitt: :bäh: :omg: :dead2: :verzweifelt: :lepra: :xface: :aengstlich: :muede2: :muede: :sauer: :nosmile:
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Beitragvon Andersdenker » So 22. Apr 2007, 00:34

Sisyphos hat geschrieben:
sley43 hat geschrieben:Mal ein Beispiel. Als ich das erste mal hier war, für nur 2 Wochen, und dann zurück kam nach Frankfurt, ist mir fast schlecht geworden. Es war, um es mal hart zu sagen, richtig abstossend zurück zu sein in Deutschland. Die Menschen, wie sie wirken, schauen und sich verhalten.


Ich habe diese Erfahrung auch gemacht, nachdem ich vier Wochen auf einer Exkursion in Indien war, nicht nur in Delhi, auch in abgelegenen Dörfern. Ich stieg dann in Frankfurt aus dem Flugzeug und erlebte etwas, das ich heute ganz passend in Camus'sche Worte kleiden könnte: das Gefühl des Absurden sprang mich mit aller Wucht an.

So sehen Deutsche auf der Straße aus, wenn man vier Wochen in Asien war: :igitt: :bäh: :omg: :dead2: :verzweifelt: :lepra: :xface: :aengstlich: :muede2: :muede: :sauer: :nosmile:

Genau dasselbe passiert mir jedes Mal, wenn ich von GB oder Irland wiederkomme. :nosmile:
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Beitragvon Andreas Müller » So 22. Apr 2007, 01:31

Kann doch gar nicht sein. Ihr wart doch bloß sauer, weil euer Urlaub vorbei war.
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Beitragvon musikdusche » So 22. Apr 2007, 10:09

Sehr interessant, die ganze Diskussion

Mit dem Gedanken an Auswanderung habe ich mich auch immer schon mal mehr, mal weniger beschäftigt. Als Erfahrungswerte kann ich 1 Jahr Programmierer in Südfrankreich und 1 Jahr soziale Arbeit in Peru vorweisen.

In beiden Fällen hat mich oft die Mentalität fasziniert, die in vielen Fällen sympathischer war, als ich sie von Deutschland her kannte.
Ich hatte aber leider auch das Gefühl, nie so richtig dazuzugehören. Sprich: Sollte ich tatsächlich mal auswandern, dann bin ich immer noch bis zu einem gewissen Maße ein Fremder. Deswegen könnte ich schon fast wieder "jug of milk"s Statement unterschreiben: "Ich kenn kein Land, in dem es sicher aktuell besser leben ließe."

Mich würde interessieren, wie sley das "Leben in der Fremde" empfindet... (vielleicht kann er mich ja noch umstimmen :^^: )
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Beitragvon Sisyphos » So 22. Apr 2007, 10:14

Der Autor hat geschrieben:Kann doch gar nicht sein. Ihr wart doch bloß sauer, weil euer Urlaub vorbei war.


Nein, es ist die Wahrnehmung eines Gegensatzes. Sie verstärkt sich, nachdem man längere Zeit umgeben war von Menschen, die einen gelösten, entspannten und - trotz (oder gerade wegen) Armut - glücklichen Eindruck machten. Zurück in Deutschland fallen dann die vielen gestressten, gehetzten, ängstlichen und verkrampften Gesichter besonders auf.

Das hat etwas damit zu tun, wie in unserer Gesellschaft das Zusammenleben und die Arbeit definiert wird. Es hat etwas damit zu tun, was wir - vermittelt durch Überlieferung, Tradition und Werbung - als wichtig und unwichtig erachten, wie wir unsere Lebenszeit z.T. gegen Biorhythmen organisieren. Und es hat etwas damit zu tun, dass beim politischen Agandasetting nicht gefragt wird: "Wie schaffen wir es, dass die Menschen glücklich leben?", sondern: "Wie schaffen wir es, dass die Menschen erwerbstätig werden und dass die Wirtschaft brummt?".

Bei uns steht leider nicht das "selbstbestimmte Individuum" im Mittelpunkt, sondern das übergeordnete Ganze. Entweder sind wir frei, selbstbestimmt und leben unserer Natur gemäß; dann pfeifen wir auf den gesellschaftlich verordneten Arbeits- und Konsumstress. Oder wir sind reduziert auf konsumierende Erwerbstätige; dann werden wir krank, jedenfalls nicht wirklich glücklich. Alle weltanschaulichen und politischen Spitzfindigkeiten ("Verantwortung!", "Tugenden!", "Moral!", "Vereinbarkeit von X und Y!") haben der Schärfe dieses Paradoxons nichts hinzugefügt und nichts genommen. (Variation eines Camus'schen Satzes)

Die Organisation unserer komplexen Gesellschaft ist schon längst von der notwendigen Übereinkunft, "anderen keinen Schaden zuzufügen und selbst keinen Schaden zu erleiden" (Epikur), anderen zu helfen und selbst Hilfe zu erhalten, "genießen und genießen zu lassen" (Onfray), abgewichen.

Vielleicht ist unsere Gesellschaft schon zu groß und zu komplex für ein naturgemäßes, glückliches Leben. Unsere Fähigkeiten und unser Fortschritt haben dazu geführt, dass wir uns überstrapazieren und überlasten - und dies fälschlicherweise als notwendig und normal erachten. Viele Menschen können die abstrakten sozialen, politischen und ökonomischen Zusammenhänge kaum noch ansatzweise erfassen und verarbeiten. Möglicherweise ist das auch ein Grund für Politikverdrossenheit und geringe Wahlbeteiligung. Warum vermögen wir keine europäische Identität zu entwickeln, wie man es von uns erwartet? Warum gilt Globalisierung als Bedrohung? Jedenfalls kann man es keinem verübeln, sich in kleinere überschaubarere soziale Zusammenhänge zurückzuziehen bzw. zu resignieren. Epikur legte - in einer damals ebenfalls politisch wirren Zeit - nahe: "Lebe im Verborgenen!"

Die kulturelle Evolution ist der biologischen um ein tausendfaches voraus. Wir überschreiten unsere natürlichen Grenzen, ohne wirklich dazu in der Lage zu sein. Unter diesem Druck kann man nicht glücklich leben. Für sich selbst die Konsequenzen zu ziehen und auf einer kleinen Insel in einer kleinen Gemeinschaft glücklich und einfach zu leben, ist - wenn man das alles erkannt hat - eine weise und mutige Entscheidung.

Andreas
Zuletzt geändert von Sisyphos am So 22. Apr 2007, 10:28, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitragvon Klaus » So 22. Apr 2007, 10:25

@Sisyphos, schon fast ein gutes Schlußwort =)
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Beitragvon Andreas Müller » So 22. Apr 2007, 11:13

Ich finde, dass man sein Leben auch selbst gestalten kann. Trotz der Nachteile bin ich immer noch ein Zivilisationsfan. Ich weiß nicht, wie es in den Philippinen ist, aber zwischen Naturvölkern werden so oft Kriege geführt, dass dort mehr Leute durch Gewalt sterben als in der Bronx (Bild der Wissenschaft). Schaut euch doch nur mal die afrikanischen Völker an, die jetzt Maschinenpistolen haben, da gehen tausende Leute drauf wegen jahrhunderte alten Stammesfehden. Unaufgeklärt zu sein bedeutet nicht ein "natürliches Leben" zu führen, wogegen ich mich schon mal gleich erwehre, weil man erst mal gut begründen müsste, welches Leben für den Menschen warum "natürlich" sein soll. Es ist eben auch natürlich, seinem Rivalen den Schäden einzuschlagen oder seine Frau zu vergewaltigen, wenn man sie nicht anders haben kann. Es ist natürlich, Tierarten auszurotten - die amerikanischen Ureinwohner haben mehr Tierarten ausgerottet als jemals jemand zuvor oder danach (Jared Diamond). Früher gab es zwei Meter große Vögel und andere Tiere, die wir heute nur in Fantasyfilmen vermuten würden - alle ausgerottet von Naturvölkern.

Tatsächlich ist der Umweltschutz nur etwas, zu dem zivilisierte Völker in der Lage und willens sind. Naturvölker sehen meist gar keinen Wert darin, einem riesigen Emu, der sich nicht wehrt, den Schäden nicht einzuschlagen. Wisst ihr, wie die Osterinsel-Kultur zugrunde gegangen ist? Die haben ihre gesamte Zeit und Rohstoffe dazu verwendet, diese berühmten Steinfiguren zu bauen und sind irgendwann einfach verhungert. Hätten sie Wert auf Forschung und Bildung gelegt, wäre das nicht passiert. Und auf ähnliche, fast schon lachhafte Weise, sind viele Kulturen ausgestorben. Es gibt einfach viele Dinge, die wir heute besser wissen und es geht darum, dieses Wissen konstruktiv zu nutzen und nicht von irgendwelchen "Goldenen Zeitaltern" zu träumen, die es nie gab und auch nicht darum, alle Probleme anderer Länder wegzufantasieren. Wenn ihr eine bessere Gesellschaft haben wollt, dann baut sie auf und rennt nicht weg. So sehe ich das.

Und Sisyphos: Du würdest all diese Dinge wahrscheinlich nicht wissen, wenn du in den Philippinen (80 % Katholiken) aufgewachsen wärst. Vielleicht würdest du davon träumen, auch mal so ein reicher Deutscher zu werden. Jeden Sonntag würdest du in die Kirche rennen, deinen Kindern vorehelichen Sex verbieten und gegen Abtreibung und Sterbehilfe demonstrieren. Und du wärst vielleicht damit beschäftigt, beim Bau der größten Marienstatue der Welt (102m) zu helfen, die dort gerade gebaut wird. Wenn du gegen die korrupte Regierung - eine Beinahe-Diktatur - protestierst, wirst du verhaftet und in irgendein Verlies geworfen. Wenn du links bist, wirst du vom Militär unter General Palparan ermordet. Im Bürgerkrieg des Südens sind seit 1979 über 120 000 Menschen gestorben. Der Großteil der Bevölkerung wohnt in Slums ohne ausreichende Wasser- und Stromversorgung. Der Grund, warum Familien und kleine Gruppen so eng zusammenhalten ist schlicht der, dass sie die Familie oft die einzige Sozialversicherung ist. Bevor du deine Frau verlässt, denk noch mal nach, denn Ehebruch steht dort unter Strafe.

Wenn Armut schön geredet wird, dann stimmt etwas nicht. Überhaupt ist eure Darstellung des "natürlichen Lebens" historisch unhaltbar.

Trotz all der Vorteile von kleinen Stammeskulturen überwiegen für mich klar die Nachteile. Aber wer so etwas braucht, der kann ja mal bei den Evangelikalen vorbeischauen, von denen leben einige nach dem Vorbild der biblischen Stämme. Das dürfte tatsächlich recht typisch sein. Oder fahrt nach Neuginea, aber meldet euch vorher bei den Häuptlingen an, sonst werdet ihr am Lagerfeuer geröstet. Viel Spaß.
Andreas Müller
 
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