xander1 hat geschrieben:Dabei ist zu oftes ehrlich sein, wie eine menschliche Behinderung. Ich merke, dass ich mir damit oft ein Bein stelle. Ich bin zwar auch hier und da mal nicht ehrlich, aber ich denke ich würde noch viel weiterkommen, wenn ich gekonnter lügen könnte.
Ja, das sehe ich auch so. Ich empfehle dir da mal den Film "Tinker Tailor Soldier Spy" zu schauen - was Lügen betrifft, ist dieser Film beispielhaft, wenn auch ein wenig simpel (für meinen Geschmack, aber dennoch der wohl anspruchsvollste Agententhriller, der mir bekannt ist). In meiner Schulzeit habe ich mit verschiedenen Techniken herumexperimentiert und hatte gewaltigen Spaß. Es hat sich herauskristallisiert, dass die schlichte Anwendung der "Wahrheit" die nützlichste aller Lügen ist. Genau da liegt das Geheimnis: Es gibt nicht "die Wahrheit", alles hängt von der Perspektive ab und wenn du deine eigene Wahrheit glaubst und vertrittst, wird es kaum möglich sein, deine als Lüge wahrzunehmen. Was ich damit sagen will: Nutze das, was stimmt und für deinen Standpunkt spricht und lasse ggf. das weg, was dagegen sprechen könnte. Schweigen ist auch Gold; viele Menschen lieben es viel zu reden, sie merken oft gar nicht, dass du nicht ein Wort gesagt hast und sie selbst alles über sich verraten - das ist nützlich. Das habe ich zuletzt wieder erlebt als ich in ein schlüpfriges "Gespräch" mit einer Mitstudentin kam, in dem sie letztlich über sexuelle Präferenzen gesprochen hatte, während ich aufmerksam zuhören durfte - angefangen hat dieses Gespräch über die Auswahl von Lesestoff (man fängt bei Nietzsches Antichrist an und hört bei Feuchtgebiete auf usw.)!
Lügen sind nur dann ekelhaft, wenn sie offensichtlich und plump sind - man fühlt sich nicht beleidigt, weil man angelogen wurde, sondern weil das Gegenüber denkt, es müsse sich beim Lügen nicht anstrengen. Die Wahrheit ist nicht per se zu bevorzugen - bzw. das, was die Menschen uns sagen und für wahr halten. Ich mache mir nie ein Bild über die "tatsächliche" Lage nur durch Hörensagen; man nimmt das, was die Leute glauben zur Kenntnis und sieht, was wirklich stimmt. "Die Wahrheit" läuft auch nicht von selbst - aus Tatsachen werden Sagen, Legenden, Märchen.... das zeigt finde ich, wie fließend der Übergang zwischen Lüge und "Wahrheit" ist.
Natürlich ist abzuwägen, wann denn überhaupt eine angepasste Wahrheit gesagt werden muss - andererseits ist alles, was wir sagen, geschönt oder lückenhaft also kann man vielleicht oft gar nicht verhindern, dass man lügt.