Ab wie vielen Gendefekten sollte man keine Kinder bekommen?

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Ab wie vielen Gendefekten sollte man keine Kinder bekommen?

Beitragvon trazy » So 6. Jan 2008, 10:05

Es ist eigentlich eine einfache Frage. Bisher habe ich die Antworten bekommen 2 oder 4.

Am Ende gebe ich vielleicht eine Aufklärung warum ich das frage.
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Re: Ab wie vielen Gendefekten sollte man keine Kinder bekommen?

Beitragvon Max » So 6. Jan 2008, 10:59

So formuliert ist die Frage unsinnig. Jeder von uns hat Gendefekte. Die meisten wissen nur nichts davon. Da meine Schwester, Ärztin, Untersuchungen an sich hat vornehmen lassen, weiß ich jedoch, dass ein Gen von mir defekt ist und ich dadurch gegen zwei unwichtige Muskelentspannungsmittel allergisch bin. Jeder von uns hat kleinere und größere Fehler in seinem Erbgut, deren Konsequenzen nur äußerst gering sind und die deshalb nicht auffallen.

Auch sonst scheint mir die Frage nicht sinnvoll, schließlich kommt es darauf an, um was für Gendefekte es sich dabei handelt. Wenn jemand Bluter ist, wird er unter dieser Krankheit sicher mehr leiden als jemand mit einer Allergie gegen manche Tabletten. Man kann die Schädigun einer Person durch genetische Fehler nicht an der Anzahl dieser Fehler ausmachen, da sich die Fehler verschieden stark auswirken.

Davon abgesehen, dass ich die Fragestellung nicht für sinnvoll halte, denke ich schon, dass Leute mit Erbkrankheiten keine Kinder bekommen sollten. Es wird viel Leid verhindert, wen die Kinder nicht von diesen Krankheiten betroffen sind. Anstatt selbst Kinder zu bekommen, die womöglich das Joch der Eltern weiter tragen müssen, können solche Menschen Kinder adoptieren. Das Problem an so einer Auffassung ist, dass sie gesellschaftlich nicht realisiebar ist. Auch wenn es wünschenswert ist, dass Menschen mit schweren Krankheiten keine Kinder bekommen und stattdessen Kinder adoptieren, so kann man nur schwer Schwangerschaften bei diesen Menschen verhindern. Letztendlich halte ich ein Gesetz hier aber auch nicht für notwendig, denn Menschen mit schweren Erbschädigungen wollen sehr häufig keine eigenen Kinder, da sie ihre Probleme nicht an ihre Kinder weitergeben möchten.
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Re: Ab wie vielen Gendefekten sollte man keine Kinder bekommen?

Beitragvon Twilight » So 6. Jan 2008, 15:04

Eigentlich wurde ja schon alles gesagt. Schon EIN Defekt reicht aus, um dem Betreffenden eine gute Begründung zu liefern, freiwillig ein Kind zu adoptieren, statt selbst eines zu zeugen. Das als Zwang auszuüben, sollte aber besser unterbleiben. Selbst Menschen die dem vernunftbasiert zustimmen würden, würden gegen eine gesetzliche oder auch nur gruppenzwangforcierte Eutanasie protestieren.
Man sollte vielleicht eher nach den Auswirkungen von Gendefekten fragen, wenn es um das Kinderzeugen geht.

Minderwuchs, Neigung zu Alzheimer, leichte genetisch verursachte Allergien, etc.: Vielleicht.
Extreme Sonnenlichtsensibilität (mir fällt jetzt der Begriff nicht ein), Downsyndrom, hohe Krebsanfälligkeit.... Besser nicht.
Frühzeitiger Haarausfall, dichte Körperbehaarung oder ein Schwanz am Steißbein: Das würde ich mal nicht Defekt nennen sondern "Variation". ;-3 Immer rein damit, in den Genpool! Mal gucken, was draus wird.
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Re: Ab wie vielen Gendefekten sollte man keine Kinder bekommen?

Beitragvon trazy » So 6. Jan 2008, 17:26

Wie sieht es damit aus: Psoriasis?

Das haben 3% der Europäer und 12% eines speziellen mongolischen Volkes.

Man hat dann praktisch Hautausschlag oder gar nix, ansonsten kann es seltener auch Knochen und Fingernägel betreffen. Zumindest kann es manchmal sehr schlimm aussehen.
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Re: Ab wie vielen Gendefekten sollte man keine Kinder bekommen?

Beitragvon stine » So 6. Jan 2008, 20:32

Diese Frage finde ich kritischer, als es im ersten Augenblick scheinen mag.
Die Möglichkeit Gen-Defekte zu erkennen kann irgendwann einmal Auswahlkriterien ermöglichen, die heute undenkbar scheinen.

Wer krankenversichert jemanden, der ab 40 alle erdenklichen chronischen Krankheiten haben wird?
Wer stellt jemanden ein, der öfter Therapie, als Schreibtisch benötigen wird?
Und wer möchte dann noch Familie gründen mit jemandem, der keine "guten" Gene zu vererben hat?
Menschen mit hohem Intellekt werden diesen dann freiwillig nicht weitervererben, sollte ein physikalischer Mangel den Intellekt begleiten. Menschen mit weniger Skrupel werden alles vererben, weil es ihnen egal sein wird.
Das Wissen um die Möglichkeiten erfordert eine übermenschliche Verantwortung.

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Re: Ab wie vielen Gendefekten sollte man keine Kinder bekommen?

Beitragvon trazy » Mo 7. Jan 2008, 05:20

Erst fand ich deine Fragen zu leicht zu beantworten und wollte das gleich heftig kritisieren. Doch jetzt bin ich zu der Einsicht gekommen, dass deine Fragen so oft rhetorisch gemeint sind. Warum auch immer! Ich wäre fast schon ein wenig sauer geworden. Es ist jedenfalls besser man beantwortet rhetorische Fragen mit anderen rhetorischen Fragen und ich schlage einfach mal vor, dass das andere vielleicht auch so machen mit Stine. Außerdem ist das dann auch wirklich schwieriger auf dieser Ebene zu kommunizieren!

stine hat geschrieben:Wer krankenversichert jemanden, der ab 40 alle erdenklichen chronischen Krankheiten haben wird?

Wer krankenversichert sich, wenn er es nicht muss und wenn es sich führ Ihn nicht rechnet und wie wird eine Versicherung Ihre Tarife anpassen. Wie wird sich der evolutionäre Weg überhaupt verändern?

stine hat geschrieben:Wer stellt jemanden ein, der öfter Therapie, als Schreibtisch benötigen wird?

Wie bastelt man ein System, in dem Menschen Ihren Platz finden in einer Arbeitswelt, in der sie trotz Ihrer Behinderungen Einkommen erwirtschaften können?

stine hat geschrieben:Und wer möchte dann noch Familie gründen mit jemandem, der keine "guten" Gene zu vererben hat?

Wie läuft das Ganze ab und wie viel muss man bezahlen, wenn man als Frau Empfängerin einer Samenspende ist? Wir werden Männer reagieren und wie sind die finanziellen Rechte und Pflichten dann? Wie fühlt sich der Gedanke an seine Gene besser aussterben zu lassen?

stine hat geschrieben:Das Wissen um die Möglichkeiten erfordert eine übermenschliche Verantwortung.

Ist es nicht auch eine übermenschliche Verantwortung einen Staat zu führen wie Deutschland? Das Zauberwort hier ist Zusammenarbeit. Das ist ganz einfach übermenschlich, weil nicht nur ein Mensch entscheidet!

Ist es nicht auch übermenschlich genialste Bauwerke aus dem Boden zu stampfen? Die Ansammlung an Mathematik der letzten Jahrtausende und einfache Bauarbeiter machen das möglich! Zusammenarbeit - ganz einfach!
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Re: Ab wie vielen Gendefekten sollte man keine Kinder bekommen?

Beitragvon stine » Mo 7. Jan 2008, 08:20

trazy hat geschrieben:...dass deine Fragen so oft rhetorisch gemeint sind. Warum auch immer!

weil es die Möglichkeit bietet, erst einmal alle Gedanken zuzulassen, die sich auf Anhieb zum Thema einfinden, ohne sich gleich auf irgendeine Seite schlagen zu müssen.
Fragen können viel mehr zur Diskussion anregen, als vorgefasste Meinungen.

trazy hat geschrieben: Wer krankenversichert sich, wenn er es nicht muss und wenn es sich führ Ihn nicht rechnet
Gute Frage!
Solidaritätsgemeinschaften wird es nicht mehr geben, weil "dumm" ist, wer nur zahlt und nichts zu profitieren hat.
Ich könnte mir vorstellen, dass es in einer Gesellschaft, in der sich alles "rechnen" muß, mehr und mehr dazu kommen wird, dass Menschen, die dem Vorsorgestaat teurer kommen, staatliche Unterstützung brauchen werden.

trazy hat geschrieben:
stine hat geschrieben:Und wer möchte dann noch Familie gründen mit jemandem, der keine "guten" Gene zu vererben hat?

Wie läuft das Ganze ab und wie viel muss man bezahlen, wenn man als Frau Empfängerin einer Samenspende ist? Wir werden Männer reagieren und wie sind die finanziellen Rechte und Pflichten dann? Wie fühlt sich der Gedanke an seine Gene besser aussterben zu lassen?

Und wieviele Halbgeschwisterehen wird es geben, wenn keiner mehr seinen genetisch einwandfreien Samenbankvater kennt?
Und werden Genies nur noch über körperlich einwandfreie Leihmütter austragen lassen?

trazy hat geschrieben:
stine hat geschrieben:Das Wissen um die Möglichkeiten erfordert eine übermenschliche Verantwortung.

Ist es nicht auch eine übermenschliche Verantwortung einen Staat zu führen wie Deutschland? Das Zauberwort hier ist Zusammenarbeit. Das ist ganz einfach übermenschlich, weil nicht nur ein Mensch entscheidet!

Ist es nicht auch übermenschlich genialste Bauwerke aus dem Boden zu stampfen? Die Ansammlung an Mathematik der letzten Jahrtausende und einfache Bauarbeiter machen das möglich! Zusammenarbeit - ganz einfach!

Ich glaube nur nicht, dass es künftig so einfach sein wird.
Unsere Gesellschaft strebt danach alles gleich zu machen, alles gleichwertig haben zu wollen, aber das funktioniert nicht, wenn wir nur unseren Geldwert betrachten, was heutzutage leider der Fall ist. Eine Gesellschaft kann nur dann erfolgreich sein, wenn jeder nach seinem Können beitragen darf. So besteht sie aus Denkern und Machern. Aus Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Nochmal abgestuft in Dienstherr und Dienstbote. Aber weil nur noch in Geldwert gerechnet wird, wird als minderwertig angesehen, was weniger Profit bringt.

Aber zurück zum Thema: Ab wievielen Gendefekten darf man Kinder bekommen?
Diese Frage wird sich nur den Denkern stellen, weil es den anderen egal sein wird. Und sogesehen wird die Vielfalt der Menschen nicht aussterben. Wir sollten nur danach trachten, alle gleichwertig zu schätzen, egal, welchen Job sie haben und welchen Verdienst sie nach Hause bringen und wie "einfach" sie gestrickt sind.

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Re: Ab wie vielen Gendefekten sollte man keine Kinder bekommen?

Beitragvon Yelda » Mo 7. Jan 2008, 15:50

stine hat geschrieben:Diese Frage finde ich kritischer, als es im ersten Augenblick scheinen mag.
Die Möglichkeit Gen-Defekte zu erkennen kann irgendwann einmal Auswahlkriterien ermöglichen, die heute undenkbar scheinen.


Man kann dort eigentlich nur hoffen, dass die Wissenschaft hoffentlich nie die ganze Komplexität der Gene begreifen wird - ich weiß nicht ob es daran liegt, dass ich deutsch bin und ich öfter mal mit den Jahren zwischen 1933-1945 konfrontiert bin wie ihr auch - aber Auswahlkriterien heißt letzlich nichts anderes als die Säuberung des Volkes - "Die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen"

Viel mehr sollte man Abtreibung als eine Möglichkeit eine Geburt zu verhindern, nicht weil das ideale Kind nicht rauskommt, sondern viel mehr weil die Frau gar nicht vor hatte schwanger zu werden

Aber das ist ein sehr schweres Thema, schließlich möchte ich auf das Beispiel hinweisen, dass Zwitter unglaublich leiden müssen, weil der Arzt und die Eltern bestimmen, welches Geschlecht es bekommt - viel wichtiger ist es, dass die Gesellschaft so etwas toleriert und damit umgeht - ja anders sein ist nicht unbedingt immer eine Schwäche
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Re: Ab wie vielen Gendefekten sollte man keine Kinder bekommen?

Beitragvon trazy » Mo 7. Jan 2008, 19:37

Yelda hat geschrieben:Man kann dort eigentlich nur hoffen, dass die Wissenschaft hoffentlich nie die ganze Komplexität der Gene begreifen wird - ich weiß nicht ob es daran liegt, dass ich deutsch bin und ich öfter mal mit den Jahren zwischen 1933-1945 konfrontiert bin wie ihr auch - aber Auswahlkriterien heißt letzlich nichts anderes als die Säuberung des Volkes - "Die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen"


Ist das jetzt schlecht oder natürlich?
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Re: Ab wie vielen Gendefekten sollte man keine Kinder bekommen?

Beitragvon stine » Di 8. Jan 2008, 07:59

trazy hat geschrieben:
Yelda hat geschrieben: "Die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen"


Ist das jetzt schlecht oder natürlich?

Ich denke, natürliche Evolution würde auch so funktionieren. Es würde sich nur das "Brauchbare" weitervererben. Aber wenn wir Menschen davon ausgehen, dass wir so, wie wir heute sind, am brauchbarsten sind, dann entscheiden wir selbst bei der Genanalyse, was wir haben wollen und was nicht. Das schlösse auf Dauer aus, dass sich neue Merkmale einfinden, die nur aufgrund der "gestörten" Gene enstehen könnten. Bild

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Re: Ab wie vielen Gendefekten sollte man keine Kinder bekommen?

Beitragvon Yelda » Do 10. Jan 2008, 00:29

Nein also ich werte das als schlecht ab, weil nämlich vorher bestimmt werden müsste, was überhaupt ein Gendeffekt ist! und damit wären wir bei einer interessanten Fragestellen - demnach muss man erst werten, aber in wie fern kann man werten was "besser" ist und was "schlechter" - ich glaube das ist eine gefährliche Gradwanderung! Sollte man auch Kinder abtreiben die beispielsweise Synästhesie haben oder Zwitter sind - dass ist doch etwas sehr interessantes - letzlich sind wir auch eine Ursache von Mutationen
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Re: Ab wie vielen Gendefekten sollte man keine Kinder bekommen?

Beitragvon trazy » Do 10. Jan 2008, 13:43

Selektion ist etwas natürliches.

Wenn Menschen jedoch bewusst Selektion betreiben, wie z.B. in Dunkel-Amerika, wo schnell mal jemand heimlich kastriert wurde, dann ist das nicht mehr natürlich.

Gar so weit wollte ich aber nicht gehen und jeden einzelnen Gendefekt bewerten lassen. Mir ging es zumindest ursprünglich um eindeutige Fälle: Wenn wirklich genau abzusehen ist was herauskommt.
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Re: Ab wie vielen Gendefekten sollte man keine Kinder bekommen?

Beitragvon Max » Do 10. Jan 2008, 15:02

Yelda hat geschrieben:Man kann dort eigentlich nur hoffen, dass die Wissenschaft hoffentlich nie die ganze Komplexität der Gene begreifen wird - ich weiß nicht ob es daran liegt, dass ich deutsch bin und ich öfter mal mit den Jahren zwischen 1933-1945 konfrontiert bin wie ihr auch - aber Auswahlkriterien heißt letzlich nichts anderes als die Säuberung des Volkes - "Die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen"

Ich denke nicht, dass man das so verallgemeinern kann. Man keine allgemein gültigen Regeln aufstellen, die aufzeigen,was richtig ist und was falsch. Stattdessen sollte man sich einfach die Konsequenzen der jeweiligen Handlung ansehen. Etwas kann gegen Regeln verstoßen, die wir intuitiv oder aufgrund unserer kulturellen Prägung als richtig empfinden, und dennoch sehr gut sein. Lügen ist nicht immer falsch; es kommt ganz auf die Konsequenzen des Lügens an. Wenn sie positiv aussehen, so ist die Tat zu begrüßen; wenn negativ, dann zu verurteilen.

Bei Selektion sollte man genauso vorgehen. Wenn die Konsequenzen gut sind, dann ist es moralisch richtig; wenn sie schlecht aussehen, dann ist es moralisch verwerflich. Wenn bei der Selektion zum Beispiel die Interessen von betroffenen Personen missachtet werden, indem man zum Beispiel deren Rechte einschrenkt mit der Begründung, sie seien weniger wert -- so ist dies zu verteilen. Man ignoriert hier Interessen und verursacht unnötiges Leid; man schätzt sich höher und meint deshalb, die Interessen und Bedürfnisse des Anderen missachten zu dürfen. Dies ist jedoch nur bei lebenden Personen der Fall, Wesen mit Interessen und Gefühlen, Wünschen und Zielen.

Wenn die Selektion hingegen auf einer Ebene stattfindet, auf der überhaupt keine Interessen existieren, so werden bei dieser Selektion auch keine Interessen missachtet. Eine befruchtete Zygote hat kein Bewusstsein, kein Schmerzempfinden und keine Wünsche und Ziele, die man durchkreuzen könnte. Es ist eine bewusstseinslose Zelle ohne irgendetwas, was für uns Menschen wesentlich ist. Wenn man -- bei einer künstlichen Befruchtung -- eine Zygote deshalb ausselektiert, weil das in ihr enthaltene Erbgut starke Fehler aufweist und die Existenz, die sich aus dieser Zelle herausbildet, großes Leid erleben wird, so ist dies moralisch nicht zu verurteilen. Wenn man diese Zelle tötet, so verletzt man keine Interessen, man löst kein Leid aus und richtet keinen Schaden an. Ganz im Gegenteil: Man verhindert großes, unnötiges Leid.
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Re: Ab wie vielen Gendefekten sollte man keine Kinder bekommen?

Beitragvon Max » Do 10. Jan 2008, 15:06

trazy hat geschrieben:Selektion ist etwas natürliches.

Wenn Menschen jedoch bewusst Selektion betreiben, wie z.B. in Dunkel-Amerika, wo schnell mal jemand heimlich kastriert wurde, dann ist das nicht mehr natürlich.

Ob etwas natürlich ist, sagt nichts daüber aus, ob es moralisch zu begrüßen oder zu verurteilen ist. Etwas kann sehr natürlich sein und von vielen Arten begangen werden, und falsch sein. So findet man in der Natur Mord sehr häufig vor, genauso Abtreibung, Kindstötung und vieles mehr derartig grausamer Sachen. Genauso aber kann etwas unnatürlich sein, und dennoch gut. Klavierspielen, Kunst und alles uns Menschen konstitutive ist unnatürlich und trotzdem wichtig für unser Wohlbefinden. Man kann diese Dinge verurteilen mit der Begründung, sie seien unnatürlich. Denn das Gute und das Natürliche sind zwei verschiedene Dinge.
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Re: Ab wie vielen Gendefekten sollte man keine Kinder bekommen?

Beitragvon stine » Do 10. Jan 2008, 15:08

trazy hat geschrieben:Gar so weit wollte ich aber nicht gehen und jeden einzelnen Gendefekt bewerten lassen. Mir ging es zumindest ursprünglich um eindeutige Fälle: Wenn wirklich genau abzusehen ist was herauskommt.

Ich glaube, auch bei Eindeutigkeit sollten wir keinen Gen-Defekt bewerten.
Ich meine, ich könnte sagen, ich habe MS und möchte deshalb keine Kinder haben, weil sie die Krankheit mit soundso prozentiger Wahrscheinlichkeit auch bekommen können. Aber was, wenn nicht?
Was ist mit Gen-Defekten, die eine oder mehrere Generationen überspringen können? Ich würde es gar nicht wissen und vielleicht vier Prostata-Krebs-Buben in die Welt setzen, die allesamt nicht älter werden, als 40.
Dürften Frauen mit Brustkrebsrisiko dann auch keine Kinder mehr bekommen?
Was ist mit Allergikern?
Mit Asthmatikern?
Was ist mit der Altzheimer Oma, vererbt sie auch ihre späte Gehirnzersetzung?
Soll ein Kind nach festgestelltem Down-Syndrom noch im Mutterleib abgetrieben werden? Bis zur wievielten Woche?
Sollte man auf eigene Kinder verzichten, weil der Großvater und der Vater ein schwaches Herz hatten?
Fragen über Fragen würden sich auftun.

Ich meine damit, wer entscheidet, was wirklich ein "schwerer Gen-Defekt" ist und was nicht.
Ich kann allenfalls in meiner eigenen Verantwortung auf Kinder verzichten, aber schon bei der Abtreibung eines gengeschädigten Fötus wirds ziemlich haarig, weil ich gar nicht wissen kann, ob der werdende Mensch nicht gerne geboren werden würde und ob er nicht trotz seines Gen-Defektes ein lebenswertes Leben gehabt hätte.
Vielleicht hätte sogar gerade die Sorge um so ein Kind das Leben mancher bereichert.

Ich glaube, dass wir "normale" immer zuviel von uns auf andere schließen und die Lebensqualität nach unserem Standard bewerten.
Ich sah mal einen Bericht über ein an Immunschwäche leidendem Kind, das von seinem gesunden, aber gerade an Schnupfen erkranktem Geschwisterchen nicht besucht werden konnte. Was sagte es? Es sagte: "Meine Schwester tut mir leid, ich war noch nie richtig krank!"

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Re: Ab wie vielen Gendefekten sollte man keine Kinder bekommen?

Beitragvon trazy » Do 10. Jan 2008, 21:16

Max hat geschrieben:
trazy hat geschrieben:Selektion ist etwas natürliches.

Wenn Menschen jedoch bewusst Selektion betreiben, wie z.B. in Dunkel-Amerika, wo schnell mal jemand heimlich kastriert wurde, dann ist das nicht mehr natürlich.

Ob etwas natürlich ist, sagt nichts daüber aus, ob es moralisch zu begrüßen oder zu verurteilen ist. Etwas kann sehr natürlich sein und von vielen Arten begangen werden, und falsch sein. So findet man in der Natur Mord sehr häufig vor, genauso Abtreibung, Kindstötung und vieles mehr derartig grausamer Sachen. Genauso aber kann etwas unnatürlich sein, und dennoch gut. Klavierspielen, Kunst und alles uns Menschen konstitutive ist unnatürlich und trotzdem wichtig für unser Wohlbefinden. Man kann diese Dinge verurteilen mit der Begründung, sie seien unnatürlich. Denn das Gute und das Natürliche sind zwei verschiedene Dinge.

:applaus: Ich wollte mit meinen Aussagen nicht gleich Schlussfolgerungen implizieren, sondern kategorisieren. Insgesamt habe ich die Meinung deiner beiden Beiträge und wollte auch darauf hinaus. Ich finds amüsant, weil es mir zumindest so scheint als wollest du mir Gedanken unterstellen - egal - nicht so wichtig!

@stine
Es gibt bereits medizinische Einschätzungen. Die gibt/gab es sogar bevor das Gen genug entschlüsselt ist/war. Bei deinem Beitrag vermutet man eher, dass du Angst vor großen Entscheidungen hast, die besser nicht zu treffen seien, weil sie unangenehm sind. Es fühlt sich im Kopf vielleicht unmoralisch an, aber das sollte man mit dem Verstand überprüfen. Darum geht es in diesem Thema. Es geht mir nicht um ein Verbot - vielmehr um eine ungesetzliche Anweisung.

Als Nicht-Mediziner können wir dabei leider nicht allzu detailliert und umfassend auf das Thema eingehen. Das sollte uns bewusst sein, sonst kommt dann immer nur so ein: Ja ich würde ja - ja ich empfinde das aber so - bla ... also nur ein Betrachtungswinkel-hin-und-her heraus!
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Re: Ab wie vielen Gendefekten sollte man keine Kinder bekommen?

Beitragvon stine » Do 10. Jan 2008, 21:39

trazy hat geschrieben: Es geht mir nicht um ein Verbot - vielmehr um eine ungesetzliche Anweisung.


Meine ganz klare Meinung: Jeder sollte das für sich entscheiden können, vielleicht aufgrund eines ärztlichen Ratschlags, ja, das wäre korrekt. Aber Mediziner oder gar Politiker (gesetzliche Regelungen) sollten diese Entscheidung (außer bei sich selbst) nicht treffen dürfen.

Passt das besser?

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Re: Ab wie vielen Gendefekten sollte man keine Kinder bekommen?

Beitragvon trazy » Do 10. Jan 2008, 22:02

ja! (Immer diese Ja-Sager!)
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Re: Ab wie vielen Gendefekten sollte man keine Kinder bekommen?

Beitragvon stine » Fr 11. Jan 2008, 08:23

trazy hat geschrieben:ja! (Immer diese Ja-Sager!)
Wie meinst du das?
Ich habe meine Meinung nicht geändert, falls du das hieraus interpretiern solltest.
Vermutlich habe ich nur deine Eingangsfrage missverstanden und bin in meiner Erklärungswut ausgeschweift.

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