Nanna hat geschrieben:Mit humanistischen Moralvorstellungen lässt sich schlecht mordend losziehen, mit christlichen (mal definiert als Zehn Gebote + Goldene Regel + Bergpredigt) übrigens auch nicht, muss ich zu deren Ehrenrettung jetzt einfach sagen, auch wenn mir bewusst ist, was im Namen von Humanismus (mission civilatrice, white man's burden) und Christentum (Kreuzzüge, Reconquista, Inquisition) schon alles angerichtet wurde.
...im gegenzug aber nichts Vergleichbares im Namen des Humanismus. Gibt es dann nicht doch Unterschiede?! Ich denke aber schon, dass ein Wertesystem, dass von Kant und co. inspiriert ist, einen gewissen Beitrag zur Gesinnung im dt. Reich hatte, die Gründe sind naheliegend, ich habe auch Anwendungsbeispiele genannt.
Die verantwortung? Kausal sicherlich nicht, moralisch gewiss. Jeder hat ein anderes Empfinden für Verantwortung, sie mag nur bis zur Sippe reichen, oder für ein ganzes Land stehen, eine ebensolche Willkür, die genauso wie die Moral von einem kleinen Horizont beschränkt ist. Die Verantwortung muss nicht konstruiert werden, am gesündesten für den Menschen ist, nach seinem Bedürfnis zu gehen, dieses beinhalten schon oft ein sehr umfassendes Verantwortungsverständnis. Dieses könnte man noch durch logische Argumentation, frei von Imperativen ergänzen ("wenn du nicht CO2 einsparst, ist Holland weg"-ganz platt formuliert). Die kausale Verantwortung und die Fähigkeit zu antizipieren (Konsequenzen bei Untätigkeit) reichen völlig aus, um Verantwortung zu empfinden. Ja, Würde ist ebenso ein Konstrukt, dass als Platzhalter für Argumentation, für Wirkungen/Konsequenzen dient. Erinnert mich an die Argumentation mit "Ehre", das geflügelte, vielleicht schon überstrappazierte Wort ist da "Ehrenmord". Du spielst sicherlich auf die "unantastbare Würde des Menschen" an, aber sie ist faktisch sehr wohl antatsbar, diese Formulierung ändert daran nichts. "Recht" unterscheidet sich von Staat zu Staat, es hat lediglich organisatorischen Nutzen, ist ein subjektives Regelwerk und meiner Ansicht nach legitim, solange kein absoltuer Wahrheitsanspruch herrscht (Bei Menschenrechten ist das der Fall, aber faktlisch wird dieser Anspruch ohnehin ignoriert. Daraus folgt, dass es an der Form liegt, der Mensch wird sich kurzsichtigen Idealen nicht anpassen. Man muss den Menschen genauer erfassen, um gültige Beobachtungen und Optionen (wählbare Regeln) aufzustellen)."Respekt" ist wiederum eine Empfindung und damit etwas absolut subjektives und real, es reiht sich nicht in diese anderen Begriffe ein. Respekt kann sich verdient werden, kann verloren gehen und schwer eingefordert werden, damit verfährt man schon höchstgradig subjektiv. "Recht haben" ist nicht meine Intention, sondern eine effizientere Handlungsbeschreibung aufzustellen (keine Ethik! Es ist alles optional). Wenn diese dem menschlichen Wesen näher kommt, sind vielleicht einige Probleme, die aus Idealen resultieren, behoben.Nanna hat geschrieben:Was ich aber für viel problematischer halte als die fehlende Innovation an der Idee ist die Frage, wie Verantwortung konstruiert werden soll. Ist die vielleicht am Ende auch nur noch imaginär? Sollen wir nicht vielleicht sogar alle sprachlichen Konstrukte, deren Gegenstände wir nicht beobachten und quantifizieren können, loswerden? Wenn Moral und Ethik imaginäre Begriffe sind und schon wegen ihrer Imaginiertheit als schädlich aufgefasst werden, wie verhält es sich dann mit nicht weniger nachsprachlichen Begriffen wie "Würde", "Recht", "Respekt" usw.? Warum "Moral" über Bord werfen, aber "Recht" behalten?
Nanna hat geschrieben:Bisher hast du als Unterscheidungskriterium lediglich die Imagination geliefert, die lässt sich aber auf fast jeden sprachlichen Begriff anwenden und ist damit nicht besonders hilfreich. Bei der Moral kommt hinzu, dass ihr eine gewisse intersubjektive Evidenz zukommt, da Moralvorstellungen Bestandteil so ziemlich jeder menschlichen Kultur sind, und, ich würde sagen, ganz und gar nicht ohne Grund.
Dieser Tatbestand hat keinen "Grund", sondern eine Ursache, die ich auch geschildert habe: Es ist ein Rechtfertigungsgrund, um schneller und einfacher seinen Trieben folgen zu können, ohne nach rationalen Argumenten suchen zu müssen, weil die Formulierung eines pseudoobjektiven Imperativs überzeugender klingt als der eigene Wille. Das ermöglicht einen gewissen Handlungsspielraum, aber ist als Konzept nicht mehr zeitgemäß, weil gefährlich. Wir sind auch die Steinspeere und die Fackeln losgeworden, obwohl sie sicherlich einen wichtigen Bestandteil der menschlichen Kultur spielten.