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Beitragvon Vollbreit » Di 26. Mär 2013, 16:55

Julia hat geschrieben:Es gibt auch Untersuchungen zu den Fällen, in denen es sich tatsächlich um falsche Anschuldigungen handelt. Das interessante ist, dass diese Fälle nicht in das Schema passen, das laut Vollbreit so typisch ist.
Ein Indikator für eine falsche Anschuldigung ist zum Beispiel, dass der Täter ein nur vage beschriebener Unbekannter ist, generell passen die Beschreibungen gut zu dem Bild von Vergewaltigungen, wie es in den Medien gerne gezeichnet wird, welches aber nicht der Realität entspricht.
Zweck dieser falschen Anschuldigung ist es nicht, jemanden sozial zu ruinieren, sondern Aufmerksamkeit zu bekommen. Diese Menschen haben sicher grosse emotionale und psychische Probleme, aber es sind in der Regel nicht die berechnenden Bestien als die sie hier beschrieben werden.


Na herzlichen Glückwunsch.
Und Du bist der Auffassung vergewaltigende Männer seien psychische vollkommen intakt und würden nur vergewaltigen, weil Männer das nun mal so tun?
Wenn das nicht vor entwertendem Klischee trieft, was dann?

Niemand behauptet Frauen die bösartig manipulieren und sadistisch kalt berechnen seien gut drauf und gesund. Aber was bedeutet das, dass irh Verhalten entschuldigt ist? Wohl kaum, so wenig wie bei Vergewaltigern, Nazis und anderen kranken Menschen. Vergewaltiger haben auch fast immer eigene Gewalt erfahren, das ist eine Kette die leider in unschöner Regelmäßigkeit weitergegeben wird.

Den Mechanismus findest Du hier erklärt, er betrifft Männer und Frauen, die Beispiele umfassen Männer und Frauen:
http://www.oedipus-online.de/Kernberg_PTT.htm
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Re: Kennen Sie den?

Beitragvon stine » Di 26. Mär 2013, 19:19

Julia hat geschrieben:Ich finde es ja generell bemerkenswert, dass ich hier ständig unter Verdacht gerate irgendwie männerfeindlich zu sein in einem Thread der mit Verharmlosung von Gewalt gegen Frauen anfängt und in dem Frauen als kalt, berechnend, sadistisch, verlogen und keifend charakterisiert werden.
Wirklich erstaunlich, was du bis hierher alles aus diesem Thread herausgelesen hast.
Wirklich erstaunlich.

:lookwrong: stine
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Re: Kennen Sie den?

Beitragvon Nanna » Di 26. Mär 2013, 21:39

Julia hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Und ist es nicht tatsächlich auch eine Form sozialer Vergewaltigung, so etwas zu tun?

Ich denke es ist unangebracht den Begriff der Vergewaltigung auf Sachverhalte zu übertragen, die keine Vergewaltigung darstellen. Das fällt imho schon in die Kategorie Verharmlosung.

Das kommt darauf an, wie abstrakt man das auffasst und von welchem Ende her man es denkt. Eine der besten Definitionen von Folter, die ich kenne, ist "die Brechung des Willens unter Aufrechterhaltung des Bewusstseins", leider weiß ich nicht mehr, von wem. Vergewaltigung ist da sehr ähnlich, die beschreibt eine spezifischere Erfüllung der eigenen Wünsche/Triebe mithilfe des Brechens des Willens eines anderen Menschens oder zumindest unter bewusster Inkaufnahme dessen. Die soziale Integrität, letztlich die ganze (kommunikative, nach außen hin sichtbare) Persönlichkeit eines Anderen, zu zerstören, empfinde ich als nicht so wahnsinnig weit weg. Und ich sehe auch nicht, inwiefern das eine oder das andere harmloser sein soll. Beides sind gröbste Verstöße gegen die Menschenwürde und mein Mitgefühl mit Leuten, die das eine oder das andere tun, hält sich wirklich arg in Grenzen, unscheinbar gering über der Nulllinie.

Julia hat geschrieben:Ich habe mit keinem Wort falsche Anschuldigungen entschuldigen wollen, ich wehre mich nur gegen die Behauptung, das wäre etwas was viele Frauen berechnend einsetzen.

Wie ich schon gesagt habe, darüber scheinen kaum belastbare Zahlen in Umlauf zu sein, deshalb beschränke ich persönlich mich darauf zu sagen, dass ich es extrem verurteilenswert finde, insbesondere im Hinblick auf den damit einhergehenden Glaubwürdigkeitsverlust. Sollte es aber stimmen, was der von dir ungeliebte Mathussek schreibt, dass in über einem Drittel (oder so, bin nicht mehr ganz sicher) der Scheidungen mit Kindern Vorwürde der sexuellen Verfehlungen gegenüber den Kindern eine Rolle spielen (bzw. spielten, der Artikel ist von anno '97), wäre ich geneigt, anzunehmen, dass das Problem einen wahren Kern hat - insbesondere vor dem Hintergrund, dass ich genug Scheidungskriege mitangesehen habe und weiß, für welche Niedrigkeiten die ehemaligen Partner sich da so hergeben.

Julia hat geschrieben:Ich finde es ja generell bemerkenswert, dass ich hier ständig unter Verdacht gerate irgendwie männerfeindlich zu sein in einem Thread der mit Verharmlosung von Gewalt gegen Frauen anfängt und in dem Frauen als kalt, berechnend, sadistisch, verlogen und keifend charakterisiert werden. Reden wir doch mal über diesen Doppelstandard.

Ich hege diesen Verdacht gegen dich nicht, aber ich denke, dass deine kämpferische und frauenverteidigende Redeweise manchmal so verstanden wird, dass du einseitig für die Frauen Position beziehen würdest, bzw. mehr die Frauenrechte als die Gleichberechtigung im Blick hast.
Es gibt in beiden Geschlechtern fürchterliche Menschen, meines Erachtens ist das vollkommen geschlechtsunabhängig. Deshalb habe ich auch große Probleme damit, wenn Artikel, Bücher oder auch nur Comedyshows damit kokettieren, dass Männer ja so und Frauen ja so seien, egal ob es ums Bügeln oder um die Managementfähigkeiten geht (wo Männer angeblich besser sind, weil sie durchsetzungsfähiger sind und Frauen angeblich besser sind, weil sie kooperativer sind - was beides Stile sind, die quer durch die Geschlechter existieren und meist deutlich mehr mit sozialer Herkunft, Erziehung und Erwartungshaltungen zu tun haben, keinesfalls aber (in nennenswertem Maße) biologisch vorgeformt sind).

Julia hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Ich glaube, dass es weniger die Zahl der Fälle, als schon allein der Vernichtungsgedanke und der Machtmissbrauch sind, die so starke Reaktionen hervorrufen.

Ich glaube das es sehr viel damit zu tun hat, wie mit Vergewaltigungsopfern im Allgemeinen umgegangen wird. Wenn es sich um eine Frau handelt, dann lügt sie entweder oder ist selber Schuld, hätte sich anders anziehen sollen, hat es nicht anders gewollt, etc...

Naja, das kann man so pauschal auch nicht (mehr) sagen. Der Bewusstseinswandel, der da stattgefunden hat, ist schon beachtlich. Damit sage ich nicht, dass wir schon da sind, wo wir hinwollen, aber wenn man mal die jüngsten indischen Fälle gegenüberstellt, sieht man ja doch deutlich, wie die Gesellschaften sich unterscheiden.

Die Gefahr, wenn man nicht mehr bereit ist, Sachen in Perspektive zu setzen, ist die, dass man als realitätsferner Prinzipienreiter mit alarmistischen Tendenzen angesehen wird. Das hat mehr mit rhetorischer Strategie zu tun. Nur so als praktischer Tipp und Motivator, vielleicht hin und wieder nicht sofort auf Konfrontation und Widerlegung des Gegenübers zu setzen, sondern erstmal versuchen, Schnittmengen zu finden und gemeinsame Feinde auszumachen. Keiner hier ist für die Verharmlosung von Vergewaltigung.

Julia hat geschrieben:Vergessen wir nicht, dass es noch gar nicht so lange her ist, dass Vergewaltigung in der Ehe nicht als Vergewaltigung angesehen wurde. Und auch heute haben viele Menschen immer noch ein Problem mit der Idee, dass Zustimmung auch entzogen werden kann und jedesmal neu eingeholt werden muss.

Ja, da gebe ich dir vollkommen Recht.

Julia hat geschrieben:Zweck dieser falschen Anschuldigung ist es nicht, jemanden sozial zu ruinieren, sondern Aufmerksamkeit zu bekommen. Diese Menschen haben sicher grosse emotionale und psychische Probleme, aber es sind in der Regel nicht die berechnenden Bestien als die sie hier beschrieben werden.

Mag ja sein, aber die Intention eines Verbrechens ist mir persönlich egal, es sind die Folgen, die vor Gericht den Ausschlag geben. Selbst wer nur zwei Sekunden unaufmerksam ist und beim Autofahren jemanden volle Kanne über den Haufen fährt, wird sich für fahrlässige Tötung und nicht für "kurzzeitige Unaufmerksamkeit in einem ungünstigen Augenblick" (vulgo: "Naja, kann man irgendwie schon verstehen") verantworten müssen. Der notgeile Vergewaltiger kann sich ja auch nicht auf seine Triebe rausreden, der wird auch abgeurteilt für das, was er beim Opfer angerichtet hat.
Genau darum geht es doch auch: Verbrechen im Zusammenhang mit Missachtung der selbstbestimmten Sexualität nicht zu verharmlosen, egal von wem begangen.
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Re: Kennen Sie den?

Beitragvon Darth Nefarius » Mi 27. Mär 2013, 12:22

Nanna hat geschrieben:Es gibt in beiden Geschlechtern fürchterliche Menschen, meines Erachtens ist das vollkommen geschlechtsunabhängig. Deshalb habe ich auch große Probleme damit, wenn Artikel, Bücher oder auch nur Comedyshows damit kokettieren, dass Männer ja so und Frauen ja so seien, egal ob es ums Bügeln oder um die Managementfähigkeiten geht (wo Männer angeblich besser sind, weil sie durchsetzungsfähiger sind und Frauen angeblich besser sind, weil sie kooperativer sind - was beides Stile sind, die quer durch die Geschlechter existieren und meist deutlich mehr mit sozialer Herkunft, Erziehung und Erwartungshaltungen zu tun haben, keinesfalls aber (in nennenswertem Maße) biologisch vorgeformt sind).

Ich finde Mario Barth eigentlich ganz witzig und viele Frauen wohl auch. :lachtot: Humor ist doch das beste Mittel, um Vorurteile zu bekämpfen.
Nehmt mal ein wenig Aggression aus der Diskussion. Das mit der Gewichtung der sozialen und biologischen (also konkret genetischen) faktoren aufs Verhalten könntest du mir aber vielleicht noch erklären. Soweit mir bekannt ist, mir einfachem Studenten der Molekularbiologie, haben unterschiedliche Hormone wie Testosteron oder Östrogen durchaus einen Einfluss aufs Verhalten. Und soweit ich mich richtig erinnere (bitte korrigiere mich, sofern das nicht zutrifft), sind diese Hormone auch in einem unterschiedlichen Verhältnis den Geschlechtern zuzuordnen. Es ist ja nichts einzuwenden, vorurteilsfrei vorzugehen, aber bei Gleichmacherei wird es schon lächerlich. Als nächstes stellst du fest, dass Brüste und Hoden ebenso in keinem nennenswerten Maße biologisch vorgeformte Ausprägungen sind, die auch noch nichtmal geschlechterspezifisch sind.
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Re: Kennen Sie den?

Beitragvon Nanna » Mi 27. Mär 2013, 16:33

Sorry, ich finde Vulgärhumor nur bedingt anziehend. Und ich habe auch meine Zweifel, dass das permanente Reproduzieren von Klischeebildern in Comedyshows irgendwas zum Abbau dieser Bilder beiträgt. Die Shows sind ja nur so lange witzig, wie die Zuschauer der Meinung sind, dass der da vorn es aber wunderbar auf den Punkt gebracht hat. "Mensch, so sind die Männer/Frauen ja wirklich." Haha, lustig...

Natürlich beeinflusst die unterschiedliche Hormonkonzentration das Verhalten. Allerdings ist das dermaßen mit der umgebenden Kultur verflochten, dass man nicht einfach behaupten kann, dass jemand sich so und so verhält, weil er einen bestimmten Hormonspiegel hat. Klar, es ist z.B. bekannt, dass Männer nach der Geburt des ersten Kindes einen verringerten Testosteronspiegel haben und dass das wahrscheinlich bewirkt, dass die Männer erstmal treuer sind, wenn das Kind noch klein und ganz besonders schutzbedürftig ist. Aber das ist natürlich eine sehr allgemeine Aussage, die sich nicht auf den Einzelfall übertragen lässt. Hier im Forum mögen alle ausreichend statistisches Grundwissen haben, um zu erkennen, dass man generell nicht von der Statistik auf den Einzelfall schließen kann, aber in der öffentlichen Diskussion und auch im privaten Bereich wird es halt gerne gemacht. "Der ist so, weil er ein Mann ist." - "Frauen sind halt so, da machste nix". Das sind so typische conversation stopper bzw. schlimmer noch: thinking stopper.

Und dann ist es einfach so, dass Frauen und Männer von der Bandbreite ihres Verhaltens her sehr ähnlich sind. Es sind im Prinzip statistisch gesehen zwei leicht horizontal verschobene Gaußkurven mit einem sehr großen überlappenden Bereich (ich denke mal, deutlich mehr als 50%). Das bestätigt meines Wissens auch die Paarforschung. Konkret heißt das, dass wir den übermäßigen Großteil unserer Verhaltensweisen teilen und in beiden Geschlechtern antreffen. Nur bestimmte starke Ausprägungen korrelieren stärker mit dem einen oder dem anderen Geschlecht. An diesem vergleichsweise geringen Unterschied hängen sich aber dann irrsinnigerweise unheimlich viele Debatten auf.

Und was bitte ist an Brüsten und Hoden in 95% des Alltagslebens relevant? Trägt man mit sich rum, bekommen aber ja doch zeitlich gesehen in weniger als 2-3% unserer Lebenszeit halbwegs aktiv was zu tun, oder? Ist ja schön, dass wir sie haben und dass sie uns unterschiedlich machen, schon rein ästhetisch betrachtet, aber warum das außerhalb sexueller Beziehungen eine besondere Rolle spielen sollte, ist mir nicht so ganz klar.
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Re: Kennen Sie den?

Beitragvon provinzler » Mi 27. Mär 2013, 17:18

Nanna hat geschrieben:Und was bitte ist an Brüsten und Hoden in 95% des Alltagslebens relevant? Trägt man mit sich rum, bekommen aber ja doch zeitlich gesehen in weniger als 2-3% unserer Lebenszeit halbwegs aktiv was zu tun, oder? Ist ja schön, dass wir sie haben und dass sie uns unterschiedlich machen, schon rein ästhetisch betrachtet, aber warum das außerhalb sexueller Beziehungen eine besondere Rolle spielen sollte, ist mir nicht so ganz klar.

Ist vielleicht ein bisschen so wie mit der Sauerstoffzufuhr. Man merkts erst, wenn mal was nicht passt.
Kommt natürlich auch drauf an wie das Alltagsleben so aussieht. Befreundete Frauen erzählen jedenfalls, dass eine üppige Oberweite bei bestimmten sportlichen Aktivitäten unangenehme bis schmerzhafte Auswirkungen haben kann. Klingt für mich jedenfalls nicht unplausibel. Und sportliche Aktivitäten machen bei manchen Menschen mehr als nur 5% des Alltags aus (war bei mir früher beispielsweise so), vor allem wenn man Schlaf mal nicht zum "Alltag" rechnet.
Und es ist übrigens nicht kulturell bedingt, wenn sich männliche Fußballer in der Freistoßmauer die Hände schützend vors Gemächt halten, das hat schon seinen Sinn. (Und wenn man in der Kabine mal die Hose ne Nummer zu klein erwischt, ist das unterm Spiel als Mann übrigens auch nicht grade angenehm btw.)
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Re: Kennen Sie den?

Beitragvon Nanna » Mi 27. Mär 2013, 17:28

Ja, aber sind das nicht trotz allem irgendwie relativ zu dem, was wir mit unseren Leben machen können, ziemliche Kleinigkeiten? Ich meine, wir reden hier darüber, dass manche Leute davon auszugehen scheinen, dass das Geschlecht den Lebensweg vorzeichnet, was ich als ziemlichen Käse ansehe. Und selbst, wenn es bestimmte Häufungen bei den Geschlechtern gibt und auch weiterhin geben wird, ist doch erstmal durch diese Lappalien bis auf wenige Ausnahmeberufe die Chancengleichheit nicht verletzt. Hoden oder Brüste ist doch für einen Managementposten völlig egal, solange die Motivation und Qualifikation stimmen.
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Re: Kennen Sie den?

Beitragvon Nanna » Mi 27. Mär 2013, 18:07

Kleine Ergänzung: Manchmal schießt man über's Ziel hinaus... :lookwrong:

http://www.sueddeutsche.de/auto/neue-st ... -1.1634273
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Re: Kennen Sie den?

Beitragvon Darth Nefarius » Do 28. Mär 2013, 09:55

Nanna hat geschrieben:Sorry, ich finde Vulgärhumor nur bedingt anziehend. Und ich habe auch meine Zweifel, dass das permanente Reproduzieren von Klischeebildern in Comedyshows irgendwas zum Abbau dieser Bilder beiträgt. Die Shows sind ja nur so lange witzig, wie die Zuschauer der Meinung sind, dass der da vorn es aber wunderbar auf den Punkt gebracht hat. "Mensch, so sind die Männer/Frauen ja wirklich." Haha, lustig...

Nein, Humor zeichtet sich oft durch die Karrikatur des Lebens aus. Über Klischees lachen zu können bedeutet auch, sie weniger ernst zu nehmen, auch wenn man irgendwie der Meinung wäre, sie würden irgendwie der Realität entsprechen oder haben es mal getan. Es gibt Komiker, die wesentlich weiter bei diesen Dingen gehen wie dieser sogenannte "Hassprediger" (mir ist jetzt sein türkischer Name entfallen, aber der ist auch sehr beliebt). Ich erinnere mich mal an eine lustige evolutionäre Erklärung des Lachens gelesen zu haben, in der sinngemäß das Lachen eine Reaktion auf eine logische Ungereimtheit, eine Art Paradox ist. Daraus schlussfolgere ich, dass wir über Klischee-Komiker lachen, weil wir die Übertreibung erkennen. Wer nicht lacht ist somit weniger weit als die Frauen, die sich in den Märchen wiedererkennen und es witzig und stimmig finden. Selbst wenn es nicht gesellschaftskritisch rüberkommt scheint mir auch das zur Entschärfung der Diskussion beizutragen und das ist ein Proargument.
Nanna hat geschrieben:Natürlich beeinflusst die unterschiedliche Hormonkonzentration das Verhalten. Allerdings ist das dermaßen mit der umgebenden Kultur verflochten, dass man nicht einfach behaupten kann, dass jemand sich so und so verhält, weil er einen bestimmten Hormonspiegel hat.

Aha, es ist mit der Kultur "verfolchten". Wenn man logisch weiterüberlegt, so müsste man sich fragen, was Ursache und was Wirkung ist. Die unterschiedlichen Hormonkonzentrationen gab es schon vor der Kultur, das bedeutet, dass die Kultur eine Ausprägung des unterschiedlichen Verhaltens der Geschlechter ist (unter anderem).
Nebenbei liegt deine Teenagerzeit wohl wirklich weiter zurück als meine. Retrospektive kann ich nur bestätigen, dass Hormone das Verhalten extrem beeinflussen, wie ich an mir feststellen musste. In dieser Phase war mir überhaupt nicht wichtig, was die "Kultur" (auf welche hätte ich mich denn berufen sollen? ) von mir wollte als ich jedem attraktivem weiblichen Hintern hinterhergucken musste :sabber: und mich regelmäßig prügelte :boxen: . Ich habe das nicht gemacht, weil das christliche Abendland das von mir so erwartete, das macht wohl auch niemand anderes in solchen Situationen.
Nanna hat geschrieben:Klar, es ist z.B. bekannt, dass Männer nach der Geburt des ersten Kindes einen verringerten Testosteronspiegel haben und dass das wahrscheinlich bewirkt, dass die Männer erstmal treuer sind, wenn das Kind noch klein und ganz besonders schutzbedürftig ist. Aber das ist natürlich eine sehr allgemeine Aussage, die sich nicht auf den Einzelfall übertragen lässt.

Gewiss nicht, wenn dieser Wert jedoch signifikant ist, kannst du den biologischen Einfluss nicht mit "nicht nennenswert" unter den Teppich kehren, auch wenn du das zugunsten der Entschärfung der Diskussion tust (was immernoch meine Zustimmung hat). Es ist immernoch etwas anderes zu sagen, ein Einflussfaktor sei "nicht nennenswert" oder zu sagen, dass er nicht grundsätzlich bei jedem Einzelfall besteht.
Nanna hat geschrieben: Hier im Forum mögen alle ausreichend statistisches Grundwissen haben, um zu erkennen, dass man generell nicht von der Statistik auf den Einzelfall schließen kann, aber in der öffentlichen Diskussion und auch im privaten Bereich wird es halt gerne gemacht. "Der ist so, weil er ein Mann ist." - "Frauen sind halt so, da machste nix". Das sind so typische conversation stopper bzw. schlimmer noch: thinking stopper.

Das ist richtig, habe ich aber auch nicht gesagt. Ich wollte lediglich darauf hinaus, dass wir bestimmte relevante Fakten nicht unter den Tisch kehren können.
Nanna hat geschrieben:Und dann ist es einfach so, dass Frauen und Männer von der Bandbreite ihres Verhaltens her sehr ähnlich sind. Es sind im Prinzip statistisch gesehen zwei leicht horizontal verschobene Gaußkurven mit einem sehr großen überlappenden Bereich (ich denke mal, deutlich mehr als 50%). Das bestätigt meines Wissens auch die Paarforschung. Konkret heißt das, dass wir den übermäßigen Großteil unserer Verhaltensweisen teilen und in beiden Geschlechtern antreffen. Nur bestimmte starke Ausprägungen korrelieren stärker mit dem einen oder dem anderen Geschlecht. An diesem vergleichsweise geringen Unterschied hängen sich aber dann irrsinnigerweise unheimlich viele Debatten auf.

Solange man zur selben spezies gehört, ist es sehr wahrscheinlich, dass die Verhaltensweisen sich ähneln. Viele hängen sich an den Unterschieden auf, weil die einen sie entweder unter den Teppich kehren wollen (wie du) oder als Argument für Geschlechterrollen verwenden (nicht ich).
Und was bitte ist an Brüsten und Hoden in 95% des Alltagslebens relevant? Trägt man mit sich rum, bekommen aber ja doch zeitlich gesehen in weniger als 2-3% unserer Lebenszeit halbwegs aktiv was zu tun, oder? Ist ja schön, dass wir sie haben und dass sie uns unterschiedlich machen, schon rein ästhetisch betrachtet, aber warum das außerhalb sexueller Beziehungen eine besondere Rolle spielen sollte, ist mir nicht so ganz klar.

Hoden sind für die Hormonproduktion und somit für das Verhalten relevant. Oder wie Oliver Kahn schon sagte: "Wir brauchen EIER, EIER!" Diese Geschlechtsmerkmale sind nicht wegzuleugnende geschlechtsspezifische Unterschiede, ebenso wie der Hormonspiegel und Nuancen des Verhaltens. Damit will ich Frauen ohne Brüsten oder Männer ohne Eier nicht in Rollen zwängen, sondern lediglich feststellen, was die biologische Norm ist.
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Re: Kennen Sie den?

Beitragvon provinzler » Do 28. Mär 2013, 11:25

Nanna hat geschrieben:Ja, aber sind das nicht trotz allem irgendwie relativ zu dem, was wir mit unseren Leben machen können, ziemliche Kleinigkeiten? Ich meine, wir reden hier darüber, dass manche Leute davon auszugehen scheinen, dass das Geschlecht den Lebensweg vorzeichnet, was ich als ziemlichen Käse ansehe.

Natürlich sind das Kleinigkeiten. Vorgezeichnet ist natürlich ein Blödsinn, aber ich glaub wir sind uns einig, dass wohl nie eine Frau den 100m-Weltrekord halten wird, oder?
Und selbst, wenn es bestimmte Häufungen bei den Geschlechtern gibt und auch weiterhin geben wird, ist doch erstmal durch diese Lappalien bis auf wenige Ausnahmeberufe die Chancengleichheit nicht verletzt. Hoden oder Brüste ist doch für einen Managementposten völlig egal, solange die Motivation und Qualifikation stimmen.

Schon, aber es gibt vielleicht Qualitäten(z.B. eine bestimmte Grundaggression), die einen auf manche Posten befördern, und bei denen ein gewisser für Frauen schwer auf natürlichem Wege erreichbarer Testosteronlevel einfach Vorteile verschafft (z.B. manche Bereiche im Investmentbanking).
Und als Aktionär ist mir scheißegal welchen Geschlechts der CEO ist, Hauptsache die Ergebnisse stimmen. Ich habe aber keinen Bock, dass bspw. die Münchner Rück (aktuell 100% Männeranteil) in meinen Augen herausragende Vorstände rauswerfen soll, nur weil die Quotenmösen in der Politik mit diesem Unsinn nun auch noch private Unternehmen zwangsbeglücken wollen. :kopfwand:
Und ich habe übrigens sehr viel Geld (für meine Verhältnisse) in ein Unternehmen investiert, das von einer Frau gelenkt wird, bevor hier wieder der übliche Käse abgelassen wird.
Wie Quoten wirken, kannst du in der türkischen Fußballliga beobachten. Dort muss immer die Hälfte der Spieler auf dem Platz Türken sein. Ergebnis ist, dass es haufenweise mittelmäßige und trainingsfaule Socken mit Millionenverträgen gibt, weil sie halt nen türkischen Pass haben. Im Ergebnis liegt die Süperlig sportlich auf Augenhöhe mit Ländern wie Zypern oder der Schweiz, obwohl die Fernseheinnahmen höher sind als die der deutschen Bundesliga.
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Re: Kennen Sie den?

Beitragvon stine » Do 28. Mär 2013, 11:43

Nanna hat geschrieben:Ich meine, wir reden hier darüber, dass manche Leute davon auszugehen scheinen, dass das Geschlecht den Lebensweg vorzeichnet, was ich als ziemlichen Käse ansehe. Und selbst, wenn es bestimmte Häufungen bei den Geschlechtern gibt und auch weiterhin geben wird, ist doch erstmal durch diese Lappalien bis auf wenige Ausnahmeberufe die Chancengleichheit nicht verletzt. Hoden oder Brüste ist doch für einen Managementposten völlig egal, solange die Motivation und Qualifikation stimmen.

Es kann durchaus egal sein, wer welche Rolle im Leben einnimmt. Aber es ist nicht egal, wenn sich niemand mehr auf irgendwelche Rollen festlegen lassen möchte oder anders herum, jeder die gleiche Rolle spielen möchte. Und DAS genau ist der springende Punkt auf dem ich weiter herum reiten werde.
Wer Familie haben will, muss sich immer klar darüber sein, welche Verantwortung er auf sich lädt und es muss auch klar sein, dass irgendjemand den Part übernehmen muss, der weniger Karriere im beruflichen Forwärtskommen zur Folge hat. Ich weiß auch nicht, wieso man heute überall die Lüge weiter erzählt, es wäre beides ohne Abstriche möglich. Das ist es aber nur, wenn man sich Hilfspersonal einstellen kann und das dürfte nur einer kleinen Minderheit dauerhaft möglich sein.

Das Thema mit den Hormonen ist ein sehr wichtiges Thema in diesem Zusammenhang. Beispielsweise wäre hier das Oxytocin zu nennen, das eine ganz erhebliche Rolle bei der Mutter-Kind-Bindung spielt und dafür sorgt, dass das Kind gut versorgt wird. Alles ist imgrunde Hormongesteuert und nur weil wir denken können, denken wir, wir könnten uns dagegen stemmen. Die soziale Ordnung ist zum größten Teil aus dieser hormonellen Natur gewachsen.
Dass sich Mütter um ihre Kinder kümmern, vor allem, wenn sie noch klein sind, ist doch in der Tierwelt nichts Ungewöhnliches. Als Problem wird das heute allenfalls aus wirtschaftlichen Gründen gehandelt.

Darth Nefarius hat geschrieben:Nein, Humor zeichtet sich oft durch die Karrikatur des Lebens aus. Über Klischees lachen zu können bedeutet auch, sie weniger ernst zu nehmen, auch wenn man irgendwie der Meinung wäre, sie würden irgendwie der Realität entsprechen oder haben es mal getan.
Oha! Woher der Sinneswandel?

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Re: Kennen Sie den?

Beitragvon Nanna » Do 28. Mär 2013, 12:16

Bevor das missverstanden wird: Ich beziehe hier keine Position für Quoten. Ich könnte mir vorstellen, dass sie unter bestimmten Bedingungen als ultima-ratio-Brecheisen Sinn machen könnten, aber grundsätzlich stehe ich denen auch skeptisch gegenüber. Im Grunde würden sie vielleicht sogar da mehr Sinn machen, wo das Geschlecht tatsächlich primär eine Rolle spielt, aber dann müsste man eher über Männerquoten in Kindergarten und Grundschule nachdenken. Positive Diskriminierung würde ich nicht rigoros ausschließen, aber grundsätzlich halte ich sie für wenig zielführend. Wichtiger als neue Formen der Gegendiskriminierung zu schaffen wäre es, die Diskriminierung insgesamt einfach sein zu lassen.

Wenn es so wäre, dass Männer statistisch gesehen häufiger in Führungspositionen landen, weil sie biologisch angetrieben aggressivere Tendenzen haben, dann habe ich nichts dagegen, dass es mehr Männer im Managment gibt. Mir geht es nicht darum, künstlich Geschlechterparität herbeizuführen. Das einzige, was ich will, ist, dass jede qualifizierte Frau ins Managment kann, genauso wie jeder qualifizierte Mann Kindergärtner werden können muss. Pauschalverdacht aufgrund des Geschlechts oder irgendeines anderen primordialen Merkmals ist der wahre Feind, nicht "die Männer" oder "die Frauen".

Darth Nefarius hat geschrieben:Aha, es ist mit der Kultur "verfolchten". Wenn man logisch weiterüberlegt, so müsste man sich fragen, was Ursache und was Wirkung ist.

Natürlich ist das ein wechselseitiges System, das schon so lange am Laufen ist, dass man Ursache und Wirkung nicht mehr auseinander halten kann. Deshalb sind ja auch viele Studien, die festgestellt haben wollen, dass Männer und Frauen zu einem bestimmten Verhalten neigen und das deshalb "natürlich" sei, solcher Käse, weil man nach Jahrtausenden der Geschlechterbilder nicht mehr genau sagen kann, ob das Verhalten jetzt auf Kultur oder Natur basiert - und meines Erachtens darf man das auch nicht zu krass auseinanderhalten, auch wenn es schon sinnvoll ist, analytisch zwischen beiden zu unterscheiden.

Ich betone es gerne nochmal: Mir geht es darum, dass Einzelne, die aus den üblichen Geschlechterbildern ausbrechen, nicht deshalb diskriminiert oder dafür angegriffen werden. Dass jemand viel Testosteron hat, bedeutet nicht, dass er ein guter Manager ist. Und umgekehrt, wie das TED-Video von ujmp zeigt (war das in diesem Thread hier?), beeinflusst schon die soziale Position zu einem erheblichen Teil den Hormonhaushalt. Kultur steuert also auch Hormone. Spätestens ab dem Punkt sollte einem klar sein, dass es den "natürlichen, unverfälschten Mann" und die "natürliche, unverfälschte Frau" nicht gibt. Risikofreude ist z.B. auch eine Eigenschaft, die sich entwickelt, sobald Leute hohe soziale Ränge einnehmen dürfen, selbst wenn die Leute vorher deutlich vorsichtiger waren (statistisch gesehen, nicht auf den Einzelfall schließen!). Sind also so viele Männer risikofreudiger, weil es in ihrem Hormonhaushalt begründet liegt, oder führt, zumindest zu einem erheblichen Anteil, auch das Rollenbild dazu, dass sie sich so verhalten, u.a. weil sich ihr Hormonhaushalt in Folge der Position im sozialen Mikrokosmos anpasst? Halte ich für eine prinzipiell schwierig zu entscheidende Frage, die einen zumindest dazu anhalten sollte, vorsichtig mit Geschlechterbildern zu sein.
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Re: Kennen Sie den?

Beitragvon Vollbreit » Do 28. Mär 2013, 12:24

stine hat geschrieben:Alles ist imgrunde Hormongesteuert und nur weil wir denken können, denken wir, wir könnten uns dagegen stemmen.


Weil wir denken können, können wir genau das auch tun. Heißt Impulskontrolle.
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Re: Kennen Sie den?

Beitragvon stine » Do 28. Mär 2013, 13:29

Aber nicht jeder Impuls muss zwangsläufig kontrolliert werden.
Es gibt auch gesunde und gewollte Impulse.

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Re: Kennen Sie den?

Beitragvon provinzler » Do 28. Mär 2013, 14:28

Nanna hat geschrieben:Wenn es so wäre, dass Männer statistisch gesehen häufiger in Führungspositionen landen, weil sie biologisch angetrieben aggressivere Tendenzen haben, dann habe ich nichts dagegen, dass es mehr Männer im Managment gibt. Mir geht es nicht darum, künstlich Geschlechterparität herbeizuführen. Das einzige, was ich will, ist, dass jede qualifizierte Frau ins Managment kann, genauso wie jeder qualifizierte Mann Kindergärtner werden können muss. Pauschalverdacht aufgrund des Geschlechts oder irgendeines anderen primordialen Merkmals ist der wahre Feind, nicht "die Männer" oder "die Frauen".

Das Problem ist halt, dass bei uns in jeder Ergebnisungleichheit immer eine Diskriminierung reininterpretiert wird (und seiens nur unterschiedliche Versicherungstarife wegen unterschiedlicher Lebenserwartung). Ich hatte ja schon andernorts geäußert, dass man sich auch als Mann überlegen sollte, wie viel Lebenszeit und -qualität man eigentlich bereit ist für die eigene "Karriere" aufzugeben. Wenn ich den Spieß mal umdrehe, sind vielleicht auch einfach mehr Männer als Frauen blöd genug, für die vermeintlichen Karriereaussichten, so viel aufzugeben, denn man sollte sich klar machen, dass diejenigen, die letztlich da ganz oben ankommen nur ein Bruchteil derer ist, die versuchen da hinzukommen. Vielleicht trägts ja auch zur höheren Lebenserwartung von Frauen bei, dass sie da seltener mitspielen.



Nanna hat geschrieben: Sind also so viele Männer risikofreudiger, weil es in ihrem Hormonhaushalt begründet liegt, oder führt, zumindest zu einem erheblichen Anteil, auch das Rollenbild dazu, dass sie sich so verhalten, u.a. weil sich ihr Hormonhaushalt in Folge der Position im sozialen Mikrokosmos anpasst? Halte ich für eine prinzipiell schwierig zu entscheidende Frage, die einen zumindest dazu anhalten sollte, vorsichtig mit Geschlechterbildern zu sein.

Da sind wir halt wieder bei der leidigen Henne-Ei-Problematik. Was war zuerst da. Männliche Dominanz oder der hohe Testosteronspiegel? Außerdem sagte ich ja nicht, dass eine hoher Testosteronspiegel alles ist. Er macht halt nur unter Umständen den entscheidenden Unterschied zwischen zwei ansonsten vergleichbarer Kandidaten aus (gilt auch für eine Entscheidung zwischen zwei männlichen Bewerbern). Wir schließen auch von der optischen Attraktivität eines Menschen auf die Kompetenz, völlig unwillkürlich. Ich glaube nicht, dass sich das einfach ausschalten lässt.
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Re: Kennen Sie den?

Beitragvon Nanna » Do 28. Mär 2013, 15:49

provinzler hat geschrieben:Das Problem ist halt, dass bei uns in jeder Ergebnisungleichheit immer eine Diskriminierung reininterpretiert wird (und seiens nur unterschiedliche Versicherungstarife wegen unterschiedlicher Lebenserwartung).

Gerade an dem Punkt sollte es möglich sein, mit umfangreichen statistischen Erhebungen genauere Aufschlüsse zu erhalten. Die geringe Zahl an Professorinnen lässt z.B. fragen, wie es sein kann, dass das Missverhältnis gar so extrem ist (ich glaube, die Zahl der Professorinnen befindet sich im unteren einstelligen Prozentbereich). Es entscheiden sich ja lange noch nicht alle Frauen mit Anfang Dreißig für Kinder und fallen deshalb aus dem Pool und die Studienabschlüsse der Frauen sind mittlerweile etwas mehr und etwas besser als die der Männer. Sagen wir mal nicht dogmatisch, dass das durch Diskriminierung verursacht wird, aber irgendwas scheint da ganz deutlich korrekturbedürftig zu sein.

Was die Versicherungstarife angeht, so spiegelt die Geschlechterteilung eine bestimmte Kategorie wieder, in der sich denken lässt. Ich weiß nicht, wie es bei anderen Merkmalen ist, aber angenommen, wir würden feststellen, dass Menschen einer bestimmten Hautfarbe doppelt so häufig Alkoholiker wären wie die einer anderen (und sei es nur, weil sie geschichtlich bedingt fast alle zur Unterschicht in einem Land gehören): Wäre es dann ok, unterschiedliche Tarife anhand "rassischer" Merkmale zu verteilen? Rein statistisch betrachtet wäre das ja ein vergleichbarer Fall: Population 1 ist risikoanfälliger für bestimmte Krankheiten und zahlt deshalb mehr, Population 2 zahlt weniger. Wo verläuft die Grenze zwischen legitimem Schubladendenken und willkürlicher Sippenhaft? Ich würde sagen, das hat nicht nur mit der (in ihrer Objektivität an der Stelle vielleicht auch etwas überschätzen) Statistik zu tun, sondern auch stark damit, welches Label auf Pop1 und Pop2 gerade draufklebt. Man muss sich ja nicht lange mit Statistik beschäftigen, um herauszufinden, dass es außer Geschlecht, Hautfarbe oder Wohnort noch fast unbegrenzt viele Möglichkeiten gäbe, Leute zu bestimmten Gruppen zusammen zu fassen und deren Risikoverhalten zu analysieren. Die Entscheidung, welche davon wir zulassen kann nicht nur eine rein mathematische sein.

provinzler hat geschrieben:Ich hatte ja schon andernorts geäußert, dass man sich auch als Mann überlegen sollte, wie viel Lebenszeit und -qualität man eigentlich bereit ist für die eigene "Karriere" aufzugeben.

Halte ich für eine sinnvolle Überlegung, setzt aber auch Voraus, dass solche Entscheidungen gesellschaftlich akzeptiert werden. Und da wirken beide Geschlechter mit, Männer, indem sie noch zu häufig automatisch fragen "Kinder? Voll gern, wann hörst du auf zu arbeiten?" und Frauen, indem sie als Partner dem (auch körperlich) Größeren, gesellschaftlich möglichst höher Stehenden und besser Verdienenden (also dem "richtigen Kerl") ebenfalls zu häufig automatisch den Vorzug geben. Klar spielt da auch Biologie mit rein, das streite ich gar nicht ab, aber so hilflos sind wir dem jetzt auch wieder nicht ausgeliefert, dass wir uns da so einfach drauf rausreden können. Die Erwartungshaltungen an potentielle Partner und die Idealbilder und zum Teil auch die realisierbaren Lebensmodelle reiben sich meines Erachtens da einfach derzeit sehr stark und deshalb denke ich, dass viele sich noch scheuen, bestimmte geerbte Lebensideale einzutauschen. Der Mann das des starken Versorgers und die Frau das der beschützten Versorgten. Da müssen wir als Gesellschaft alle noch etwas erwachsener werden, denke ich, aber dein Appell ist definitiv ein sehr Mut machender Anfang.

provinzler hat geschrieben:Wir schließen auch von der optischen Attraktivität eines Menschen auf die Kompetenz, völlig unwillkürlich. Ich glaube nicht, dass sich das einfach ausschalten lässt.

Ne, aber davor kapitulieren können wir irgendwie auch nicht, oder?
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Re: Kennen Sie den?

Beitragvon provinzler » Do 28. Mär 2013, 17:06

Nanna hat geschrieben:Gerade an dem Punkt sollte es möglich sein, mit umfangreichen statistischen Erhebungen genauere Aufschlüsse zu erhalten.

Halte ich für problematisch. Man kann nunmal grundsätzlich mit Statistik nix beweisen (soweit jedenfalls mein Kenntnisstand), sondern allenfalls Indizien sammeln.

provinzler hat geschrieben: Die geringe Zahl an Professorinnen lässt z.B. fragen, wie es sein kann, dass das Missverhältnis gar so extrem ist (ich glaube, die Zahl der Professorinnen befindet sich im unteren einstelligen Prozentbereich). Es entscheiden sich ja lange noch nicht alle Frauen mit Anfang Dreißig für Kinder und fallen deshalb aus dem Pool und die Studienabschlüsse der Frauen sind mittlerweile etwas mehr und etwas besser als die der Männer. Sagen wir mal nicht dogmatisch, dass das durch Diskriminierung verursacht wird, aber irgendwas scheint da ganz deutlich korrekturbedürftig zu sein.

Ja, aber es dauert ein Weilchen bis das "durchsickert". Diejenigen, die jetzt Führungspositionen besetzen haben in der Regel in den 70er Jahren studiert. Entsprechend muss man auch die damaligen Verhältnisse in den entsprechenden Studiengängen als Vergleichsbasis heranziehen, nicht die heutigen. Und am grundsätzlichen Problem, dass man als Elektrotechnik Ingenieur (Studiengang mit 90% Männern) leichter BMW-Vorstand wird, denn als als Ernährungswissenschaftlerin (wos m.W. ca. 90% Frauen hat) ändert sich auch noch nix. Und unter den zahlreichen Juristen in den Vorständen wirst du wohl eher wenige Familienrechtler finden (wo die Frauen in der Überzahl sind), sondern eher andre Richtungen. Sind wir wieder bei der Henne-Ei-Diskussion. Am stärksten dominieren Frauen in den Fächern, die man gerne als "Orchideenfächer" tituliert, und die einen eigentlich für gar nix qualifizieren, sondern von vornherein in die berufliche Sackgasse führen. Aber ich bin prinzipiell halt stark geneigt, die individuellen Entscheidungen von Menschen zu akzeptieren wie sie sind. Ich finde aber, dass diese Menschen dann auch die Verantwortung dafür zu tragen haben. Wir reden hier immerhin über die Entscheidungen erwachsener Menschen.

Nanna hat geschrieben:Was die Versicherungstarife angeht, so spiegelt die Geschlechterteilung eine bestimmte Kategorie wieder, in der sich denken lässt. Ich weiß nicht, wie es bei anderen Merkmalen ist, aber angenommen, wir würden feststellen, dass Menschen einer bestimmten Hautfarbe doppelt so häufig Alkoholiker wären wie die einer anderen

Na und? Als junger Mann zahlst du bei Autoversicherung mehr, weil das Unfall- Risiko höher ist. Ein Versicherer versucht, dein spezielles Risiko möglichst gut darzustellen, und das tut er anhand verschiedenster Parameter. Da spielen Vorerkrankungen eine Rolle, das Geschlecht, das Alter, der Beruf (ein Dachdecker hat andre Gesundheitsrisiken als ein Arzt) und sicherlich auch die ethnische Zugehörigkeit (gibt da ja durchaus biologische Unterschiede, so dass man manchmal auch andre Medikation benötigt, was man lange aus ideologischen Gründen nicht wahrhaben wollte).
Den Effekt, den du erzielst mit deiner "gefühlten Gerechtigkeit" ist lediglich eine allgemeine Verteuerung, weil der Versicherer, die größere Unsicherheit in der Risikomodellierung durch einen durchschnittlich höheren Pauschalaufschlag ausgleichen muss (da gehen wir aber jetzt in die Ruintheorie und das führt hier zu weit).
Und warum sollen Männer per Saldo Frauen qua Gesetz quersubventionieren müssen, wenn sie eine private Lebens- oder Rentenversicherung abschließen? Was hat das mit Gerechtigkeit zu tun? Die logische ökonomische Konsequenz als Mann ist, sich diese Versicherung einfach zu schenken und andre Wege zu suchen.


Nanna hat geschrieben:Halte ich für eine sinnvolle Überlegung, setzt aber auch Voraus, dass solche Entscheidungen gesellschaftlich akzeptiert werden.

Darauf hast du aber nur sehr begrenzten Einfluss. Ich persönlich halte es da ja, wie mehrfach erwähnt nach dem Motto: "Leben und leben lassen". Wofür andre sich entscheiden, ist deren Bier.

Nanna hat geschrieben: Die Erwartungshaltungen an potentielle Partner und die Idealbilder und zum Teil auch die realisierbaren Lebensmodelle reiben sich meines Erachtens da einfach derzeit sehr stark

Ja, aber vor allem gehen die Erwartungshaltungen völlig an der Realität vorbei. Wie stine schon richtig anmerkte. Das mit der doppelten vollen Berufstätigkeit funktioniert sobald Kinder da sind eigentlich nur, wenn entweder man sich Personal leisten kann, oder was häufiger vorkommt die Oma das geräuschlos im Hintergrund erledigt. Da hilft auch die Kita und alles andre nichts, denn Kinder sind auch mal krank (finden die Kita/der Kiga und die Schule ganz toll), haben jede Menge Ferien (so viel Urlaub hat außer Lehrern niemand), wollen Sportarten ausüben (was zumindest auf dem Land eine gewisse Kutschiertätigkeit durch die Eltern erfordert) und die Wäsche wäscht sich immer noch nicht von selber. Die totale Karriere und die perfekte Familie, das haut so einfach nicht hin, jedenfalls nicht für die Masse. Genauso wie der jeweilige Partner nicht der Prinz ist, der einem alles von den Augen abliest, respektive die Fee, die alle Wünsche erfüllt. Man muss sich halt überlegen, was einem persönlich wichtig ist und Prioritäten setzen, wie immer die dann aussehen. Aber ein großer Teil der latenten Unzufriedenheit in Beziehungen rührt in meinen Augen nicht zuletzt daher, dass permanent unterschwellige Erwartungen an den Partner da sind, die dieser beim besten Willen nicht erfüllen kann. Auch hier gilt: Gute Kommunikation ist alles und man sollte einen gesunden Realismus bewahren.
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Re: Kennen Sie den?

Beitragvon Vollbreit » Fr 29. Mär 2013, 08:40

stine hat geschrieben:Aber nicht jeder Impuls muss zwangsläufig kontrolliert werden.
Es gibt auch gesunde und gewollte Impulse.


Das stimmt, aber die Behauptung von Dir war ja, dass all unser Wollen und Verhalten ("alles") imgrunde hormongesteuert sei und wir daran nichts ändern können und dagegen habe ich geschrieben: Doch, per Impulskontrolle.
Biologie ist kein Schicksal und keine Einbahnstraße, sondern eine Wechselwirkung.
Wie Nanna schon schrieb, der soziale Rang verändert die Hormonproduktion.
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Re: Kennen Sie den?

Beitragvon stine » Fr 29. Mär 2013, 09:44

Vollbreit hat geschrieben:Wie Nanna schon schrieb, der soziale Rang verändert die Hormonproduktion.
Hier hätte ich dann doch gerne ein paar Beispiele.
Am besten aus dem Leben gegriffen.

LG stine
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Re: Kennen Sie den?

Beitragvon Vollbreit » Fr 29. Mär 2013, 10:41

Das ist schon aus dem Tierreich bekannt, bei der Beobachtung, dass unterlegene Männchen, die Testosteronproduktion drosseln, bzw. wie Du in diesem Artikel lesen kannst, Testosteron schneller abgebaut wird. Macht ja auch Sinn: Aggressiv und paarungsbereit zu sein, wenn man ständig einen auf die Nase kriegt, ist nicht so toll:
http://static.cbs.mpg.de/Projects/Winte ... 36_001.pdf


Auch beim Menschen gibt es diese Zusammenhänge:
http://link.springer.com/content/pdf/10 ... -86132-0_2

Was meinst Du mit aus dem Leben gegriffen?
Es gibt ja den Begriff der reaktiven Depression, das heißt einfach, dass man aufgrund von bestimmten Lebensereignissen depressiv wird. Das kann auch eine (gefühlte) soziale Degradierung sei. Da man allgemein davon ausgeht, dass Depressionen einen biochemischen Anteil haben, würde ich das mal als lebensnah bezeichnen.
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