Haufenweise Galaxien
Verfasst: Mo 9. Okt 2006, 14:47
Von Günter Paul
Der Superhaufen Great Attractor not "Strange Attractor"
09. Oktober 2006
In unserer kosmischen Nachbarschaft ist die Materie nicht gleichmäßig verteilt, sondern geklumpt. Im Sonnensystem sind als Inseln im Raum die Planeten und Monde entstanden, auf höherer Ebene findet man Galaxien und Galaxienhaufen. Bis vor wenigen Jahren glaubten die Astronomen, das seien die größten Strukturen im Universum und darüber hinaus gebe es keine Ordnung mehr. Doch dann spürten die Wissenschaftler Superhaufen von Galaxien auf - mit Galaxien und Galaxienhaufen gefüllte Bereiche, die von zum Teil weitgehend leeren Räumen umgeben sind.
Will man diese „Überordnung“ erforschen, benötigt man ein umfangreiches Datenmaterial über die räumliche Verteilung der Galaxien, wie es nur aufwendige Beobachtungen liefern können. Eine Gruppe amerikanischer, australischer und britischer Astronomen hat jetzt die bislang größte dreidimensionale Kartierung der Galaxienverteilung beendet, bei der statt ausgewählter Areale der gesamte Himmel berücksichtigt wurde.
Halber Physik-Nobelpreises für George Smoot
Das Zentrum des Shapley-Superhaufens
Die Klumpung der kosmischen Materie hat schon die jüngste Phase des expandierenden Universums geprägt, das im Moment des Urknalls noch weitgehend homogen war. Die zuerst mit dem Satelliten Cobe („Cosmic Background Explorer“) registrierte und dann unabhängig bestätigte Temperaturverteilung der Kosmischen Hintergrundstrahlung belegt, daß spätestens einen Monat nach dem Urknall die ersten Keime für die Entstehung der heutigen Strukturen existierten. Für die Entdeckung und Kartierung der Temperaturunterschiede ist am Dienstag George Smoot von der University of California in Berkeley eine Hälfte des diesjährigen Physik-Nobelpreises zugesprochen worden.
Für eine vielseitig nutzbare Kartierung der Galaxien im heutigen Universum ist wichtig, daß diese Sternsysteme möglichst umfassend berücksichtigt werden. Weil das Licht der sich von uns fortbewegenden Galaxien zum langwelligen Bereich des Spektrums hin verschoben wird und die nahe infrarote Strahlung Gas und Staub weitgehend durchdringt, hat die Forschergruppe zweidimensionale Positionsmessungen von mehr als 23.000 Galaxien aus dem ins Infrarote hineinreichenden „Two Micron All Sky Survey“ mit Messungen der Rotverschiebungen aus eigens dafür ausgeführten Himmelsdurchmusterungen vereint. Anhand der kosmologischen Rotverschiebungen wurden die Entfernungen der Sternsysteme bis zu 600 Millionen Lichtjahren Distanz ermittelt.
Weitreichende Erkenntnisse über die Dunkelmaterie
Die neue dreidimensionale Durchmusterung zeigt alle Superhaufen von Galaxien in dieser Region, darunter den größten - den 400 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernten Shapley-Superhaufen - sowie den „Great Attractor“-Superhaufen. Zu diesem scheint die Lokale Gruppe von Galaxien samt Milchstraße und Andromedanebel - zumindest in erster Näherung - hinzueilen. Die Forscher haben zusätzlich untersucht, wie sich aus den Galaxien die Verteilung der Massendichte in der Region ergibt und wie diese die Bewegung der Sternsysteme beeinflußt.
Die Geschwindigkeiten der Galaxien, die auf diese Weise hergeleitet werden, sollen demnächst mit den beobachteten - und kosmologisch bereinigten - Geschwindigkeiten verglichen werden. Als Ergebnis versprechen sich die Forscher weitreichende Erkenntnisse über die Dunkelmaterie, die sich nicht „sehen“ läßt, aber über die Bewegungen bemerkbar macht. Letztlich sollen damit auch kosmologische Modelle getestet werden.
Text: F.A.Z., 09.10.2006, Nr. 234 / Seite 38
Der Superhaufen Great Attractor not "Strange Attractor"
09. Oktober 2006
In unserer kosmischen Nachbarschaft ist die Materie nicht gleichmäßig verteilt, sondern geklumpt. Im Sonnensystem sind als Inseln im Raum die Planeten und Monde entstanden, auf höherer Ebene findet man Galaxien und Galaxienhaufen. Bis vor wenigen Jahren glaubten die Astronomen, das seien die größten Strukturen im Universum und darüber hinaus gebe es keine Ordnung mehr. Doch dann spürten die Wissenschaftler Superhaufen von Galaxien auf - mit Galaxien und Galaxienhaufen gefüllte Bereiche, die von zum Teil weitgehend leeren Räumen umgeben sind.
Will man diese „Überordnung“ erforschen, benötigt man ein umfangreiches Datenmaterial über die räumliche Verteilung der Galaxien, wie es nur aufwendige Beobachtungen liefern können. Eine Gruppe amerikanischer, australischer und britischer Astronomen hat jetzt die bislang größte dreidimensionale Kartierung der Galaxienverteilung beendet, bei der statt ausgewählter Areale der gesamte Himmel berücksichtigt wurde.
Halber Physik-Nobelpreises für George Smoot
Das Zentrum des Shapley-Superhaufens
Die Klumpung der kosmischen Materie hat schon die jüngste Phase des expandierenden Universums geprägt, das im Moment des Urknalls noch weitgehend homogen war. Die zuerst mit dem Satelliten Cobe („Cosmic Background Explorer“) registrierte und dann unabhängig bestätigte Temperaturverteilung der Kosmischen Hintergrundstrahlung belegt, daß spätestens einen Monat nach dem Urknall die ersten Keime für die Entstehung der heutigen Strukturen existierten. Für die Entdeckung und Kartierung der Temperaturunterschiede ist am Dienstag George Smoot von der University of California in Berkeley eine Hälfte des diesjährigen Physik-Nobelpreises zugesprochen worden.
Für eine vielseitig nutzbare Kartierung der Galaxien im heutigen Universum ist wichtig, daß diese Sternsysteme möglichst umfassend berücksichtigt werden. Weil das Licht der sich von uns fortbewegenden Galaxien zum langwelligen Bereich des Spektrums hin verschoben wird und die nahe infrarote Strahlung Gas und Staub weitgehend durchdringt, hat die Forschergruppe zweidimensionale Positionsmessungen von mehr als 23.000 Galaxien aus dem ins Infrarote hineinreichenden „Two Micron All Sky Survey“ mit Messungen der Rotverschiebungen aus eigens dafür ausgeführten Himmelsdurchmusterungen vereint. Anhand der kosmologischen Rotverschiebungen wurden die Entfernungen der Sternsysteme bis zu 600 Millionen Lichtjahren Distanz ermittelt.
Weitreichende Erkenntnisse über die Dunkelmaterie
Die neue dreidimensionale Durchmusterung zeigt alle Superhaufen von Galaxien in dieser Region, darunter den größten - den 400 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernten Shapley-Superhaufen - sowie den „Great Attractor“-Superhaufen. Zu diesem scheint die Lokale Gruppe von Galaxien samt Milchstraße und Andromedanebel - zumindest in erster Näherung - hinzueilen. Die Forscher haben zusätzlich untersucht, wie sich aus den Galaxien die Verteilung der Massendichte in der Region ergibt und wie diese die Bewegung der Sternsysteme beeinflußt.
Die Geschwindigkeiten der Galaxien, die auf diese Weise hergeleitet werden, sollen demnächst mit den beobachteten - und kosmologisch bereinigten - Geschwindigkeiten verglichen werden. Als Ergebnis versprechen sich die Forscher weitreichende Erkenntnisse über die Dunkelmaterie, die sich nicht „sehen“ läßt, aber über die Bewegungen bemerkbar macht. Letztlich sollen damit auch kosmologische Modelle getestet werden.
Text: F.A.Z., 09.10.2006, Nr. 234 / Seite 38