Gewohnheit - mein Wort zum Samstag

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Gewohnheit - mein Wort zum Samstag

Beitragvon Julia » Sa 26. Sep 2009, 10:24

Meine Interessen gingen ja schon immer eher in die Tiefe als in die Breite, aber ich bin doch immer wieder erstaunt wie schnell andere Menschen sich langweilen, wenn sie nicht ständig mit einem neuen Nervenkitzel konfrontiert werden.
Ich möchte das gar nicht verurteilen, jeder soll nach seiner Façon glücklich werden, aber ich frage mich, ob einem auf die Art nicht ebenso etwas entgeht. Ich finde, dass Vertrautheit* auch ein Wert an sich ist, dass sich eine bestimmte Form des Glücks erst einstellt, wenn man zum Kenner geworden ist, worum es dabei geht ist eigentlich nebensächlich, das kann ein Wissensgebiet sein, das kann eine Radstrecke sein, die man ständig fährt, ein Mensch, den man ständig sieht.
Ich kann zum Beispiel ständig neue Menschen oberflächlich kennen lernen oder statt dessen wenige Menschen wirklich gut. Es ist durchaus spannend zu beobachten, wie ein Mensch sich entwickelt, wie ein und der selbe Weg zu verschiedenen Jahreszeiten aussieht, wie das gleiche Essen doch immer ein bisschen anders schmeckt.

Der Begriff der Routine, der Gewohnheit wird sehr oft abwertend verwendet, dabei kann man Gewohnheiten auch bewusst genießen.

*
http://fsinfo.cs.uni-sb.de/~lynx/texts/ ... ce.html.de
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Re: Gewohnheit - mein Wort zum Samstag

Beitragvon Twilight » Sa 26. Sep 2009, 13:34

Nette Ansprache. Ich kann allerdings nicht so ganz zustimmen.
Nur nach der Methode zu handeln, wie du es beschreibst, hieße, sich soweit wie es geht zu spezialisieren. Natürlich kann man dann in dieser Nische gut überleben: Der Spezialist eines gefragten Fachgebiets ist unglaublich nützlich. Jemand, der sich auf die Zubereitung einer bestimmten Nahrung spezialisiert, lässt irgendwann nichts mehr verkommen und macht auch keine Fehler mehr.

Aber:
Der Fachgebietsspezialist sitzt auf der Straße, wenn sein Fachgebiet ausgedient hat. Der beste Lammbraten der Welt wird irgendwann langweilig.
Auf die reine Existenz bezogen hieße dass: Wenn die Nische des Spezialisten verschwindet wird, verschwindet dieser ebenso auf Nimmerwiedersehen.
Natürlich ist es vorteilhaft, auf einige wenige Sachen zu konzentrieren und gut darin zu sein. Auf dem derzeitigen Arbeitsmarkt ist jemand, der nach McGuyver-Manier ein bisschen von allem kann einfach unerwünscht. Aber das kann sich jederzeit ändern. Sich Optionen freizuhalten, mal über den Tellerand zu sehen oder zumindest ein breites Interessenspektrum aufzubringen ist gut für die Anpassungsfähigkeit.

Mal so nebenbei: Der kleine Prinz hat mich als Kind immer extrem irritiert. :/ Die Motivationen der Charaktere wahren nie nachvollziehbar und dass mit den Planeten, deren Durchmesser kaum größer ist, als der Hauptcharakter irgendwas nicht stimmen kann, trug auch nicht unbedingt zur Unterhaltung bei.
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Re: Gewohnheit - mein Wort zum Samstag

Beitragvon stine » Sa 26. Sep 2009, 15:03

Hi Julia,

was du ansprichst kann man auf vieles anwenden. Auch darauf, dass heute immer die Post abgehen muss. Langeweile was ist das? Alltag, wie öde! Noch nichts richtig gelöst, auf zum nächsten Problem!
Unsere schnelllebige Zeit, das "Höher und Weiter" scheint dies gar nicht zu erlauben.
Sich auf die kleinen Dinge zu konzentrieren, zu Ende denken, sich etwas vertraut zu machen, das erfordert viel Zeit, erfordert also eine Verlangsamung. Inne halten, die Weile verlängern, ist für viele heute eine Qual geworden.
Sich gedanklich zu versenken, fokussieren, eingelaufene Pfade wiederholen, bis sie selbstverständlich scheinen, das alles kostet Lebenszeit und bremst die Jagd nach dem "richtigen Leben".
In die Tiefe, statt in die Breite zu gehen, das hat schon was, aber nur dann, wenn man dabei keine Angst hat, überrollt zu werden.

LG stine
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Re: Gewohnheit - mein Wort zum Samstag

Beitragvon Julia » Sa 26. Sep 2009, 15:27

@Twilight:
Mir persönlich ist der Fachidiot lieber als der Universaldilletant und zum Universalgelehrten reicht's bei den meisten einfach nicht. Wenn wir alle irgendwann alles schlecht, statt wenig gut können wird sich das auch negativ bemerkbar machen. Vielleicht sollte man tiefe Löcher buddeln, aber trotzdem darauf achten, dass es nicht zu eng wird und man drin stecken bleibt.
Beim kleinen Prinzen hat mir vor allem die Geschichte mit dem Fuchs gefallen, denn das ist ein schlauer Fuchs.

@Stine:
"In die Tiefe, statt in die Breite zu gehen, das hat schon was, aber nur dann, wenn man dabei keine Angst hat, überrollt zu werden."
Ich fühle mich eher von den ständigen Veränderungen überrollt.

Ich habe einen tollen Job entdeckt, so ein Ding bedienen.
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Re: Gewohnheit - mein Wort zum Samstag

Beitragvon Twilight » Sa 26. Sep 2009, 19:32

Julia hat geschrieben:Mir persönlich ist der Fachidiot lieber als der Universaldilletant und zum Universalgelehrten reicht's bei den meisten einfach nicht.

Ich bevorzuge etwas dazwischen und strebe das auch an. Gut sein auf einem Spezialgebiet und theoretisch verbesserbar, aber nicht grauenhaft schlecht auf vielen anderen.

Dein Beispiel mit der Gierseilfähre ist passend gewählt: Auf dem ersten Blick ein Traumjob: Frische Luft, leichte Arbeit, entspannte Kunden...
Aber:
Der Fährmann bedient nur dieses eine Gerät. Im Umkreis von hunderten Kilometern ist kein ähnliches auffindbar. Wird das Teil einmal stark beschädigt, gibt es keine Fähre, bis die Reparatur abgeschlossen, oder Ersatz angeschafft ist. Keine Fähre = keine EInkünfte = kein Geld für Nahrung, Energie, Miete.
Und wenn das Flussbett ausgehoben wird, um den Weg für schwere Schifffahrt freizumachen, ist es sowieso vorbei. Das Seil an dem die Fähre hängt, ist ein Hinderniss und muss auch weg. :nosmile:
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Re: Gewohnheit - mein Wort zum Samstag

Beitragvon Julia » Sa 26. Sep 2009, 23:43

Twilight hat geschrieben:Ich bevorzuge etwas dazwischen und strebe das auch an. Gut sein auf einem Spezialgebiet und theoretisch verbesserbar, aber nicht grauenhaft schlecht auf vielen anderen.

Wie sieht das dann konkret aus? Der Automechaniker, der auch Fahrräder reparieren kann, oder die Fleischfachverkäuferin, die Vorlesungen über prähistorische Keramik besucht?
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Re: Gewohnheit - mein Wort zum Samstag

Beitragvon Twilight » So 27. Sep 2009, 07:17

So etwas in der Art. Wobei die Vorlesungen kaum nützlich wären, wenn nicht ein ernsthaftes Studium dahintersteckt.
Ich denke jedenfalls, dass ich mit einem Facharbeiterabschluss als Elektriker in der Tasche, einem Studium in Kommunikationselektronik in Arbeit und der Fähigkeit, notfalls aus wilden Naturerzeugnissen eine Mahlzeit zu basteln ausreichend Standbeine habe. :^^:

Um nochmal auf deinen Eingangspost einzugehen: Spezialisierung ist gut, sollte aber nicht übertrieben werden. Können wir uns darauf einigen? :umarmen:
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Re: Gewohnheit - mein Wort zum Samstag

Beitragvon Julia » So 27. Sep 2009, 08:29

Twilight hat geschrieben:und der Fähigkeit, notfalls aus wilden Naturerzeugnissen eine Mahlzeit zu basteln

Ich müsste mich im Falle des Falles einer Gruppe anschließen, die einen Giftige-Pflanzen-Spezialisten hat, aber Beeren sammeln kann ich bestimmt... ;)

Twilight hat geschrieben:Spezialisierung ist gut, sollte aber nicht übertrieben werden. Können wir uns darauf einigen?

Ja.
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Re: Gewohnheit - mein Wort zum Samstag

Beitragvon smalonius » So 27. Sep 2009, 14:40

Julia hat geschrieben:Der Begriff der Routine, der Gewohnheit wird sehr oft abwertend verwendet, dabei kann man Gewohnheiten auch bewusst genießen.

Manche vielleicht.

Anderereits wird man gelegentlich auch "betriebsblind" vor lauter Routine.

Dann sieht man nur noch einen Hut.

hat.jpg


Obwohl es doch ganz anders ist.

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Re: Gewohnheit - mein Wort zum Samstag

Beitragvon das.helmchen. » Mo 28. Sep 2009, 06:15

schoenes beispiel, mein lieblingsbuch :^^:

wenn man jeden tag aufs neue etwas schoenes in der immer gleichen taetigkeit findet, warum sollteman da was aendern? nur wenn man merkt dass man langsam muede und gelangweilt wird sollte man sich mal nach was neuem umsehn.
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Re: Gewohnheit - mein Wort zum Samstag

Beitragvon Arathas » Mo 28. Sep 2009, 14:10

Gutes Thema. Muss man auch nicht nur auf den Arbeitsmarkt beziehen - mir fällt es zum Beispiel am meisten in Hinsicht auf Musik auf.

Einer meiner besten Freunde hat ca. 100 GB Musik (also MP3s) - so ziemlich von allem etwas und jede erdenkliche Band mit dabei, von jeder Band das Zeug, was mal im Radio lief, aber von keiner ein komplettes Album. Ich hingegen besitze nur ca. 40 GB, allerdings ist mein Band-Spektrum auf ungefähr 80 Bands beschränkt - und von denen hab ich entweder ein paar Alben, die mir gefallen, oder, bei einigen, wirklich ALLES, was diese Band jemals gemacht hat, inklusive Demos und Bootlegs und so weiter.

Ich verstehe nicht, wie er mit seiner oberflächlichen "von allem etwas"-Musikwahl zurechtkommt, und er versteht nicht, wie ich das selbe Album zweitausend Mal hören kann, ohne, dass es mir je langweilig wird.

Aber das ist wohl keine Sache des aktiven Wollens oder Nicht-Wollens - er ist eben so, und ich bin so. Genetisch bedingt oder warum auch immer. ;-)
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