tkarcher hat geschrieben:mat-in hat geschrieben:Atheismus ist nicht destruktiv und hat durchaus Angebote, zum Beispiel 10 ;)
Sehr gut! Nur reicht es eben nicht, diese Angebote auf tote Bäume zu drucken und darauf zu warten, dass die Menschheit sich bessert und vom Glauben abfällt. Gerade als Naturalisten müsste uns bewusst sein, dass Menschen von Natur aus soziale Wesen sind, die sich von starken Gruppen (wie es die Kirchen heute sind) viel stärker angezogen fühlen als von unbequemen Sonderlingen (wie die meisten prominenten Atheisten heute wahrgenommen werden). Erst recht, wenn diese starken Gruppen mit einfachen Wahrheiten und Heilsversprechungen locken, und die Sonderlinge zwar alles in Frage stellen, aber keine verbindlichen Antworten geben, sondern die Suchenden einfach sich selbst überlassen ("Nichts ist wahr - alles ist erlaubt" --Darth Nefarius).
Juhu! Ich bin ein Sonderling!
Du hast recht, die meisten fühlen sich von starken Gruppen angezogen, aber was soll das für uns bedeuten? Dass wir als kleine Gruppe oder einzelne "Sonderlinge" keine Existenzberechtigung haben? Ich glaube nicht, dass die Leute hier haben eine großflächige Bewegung zu starten, ich habe es zumindest nicht. Mich interessieren die Massen nicht, sondern meine Person, die mit ihnen umzugehen weiß. Du kannst von mir nicht verlangen, dass ich mich der Moral oder sonstwelchen Ritualen unterwerfe, damit ich gesellschaftstauglich werde, so wie es die Brights werden sollen. In Stein gemeißelt ist nichts, zumindest nicht metaphorisch. eine in Stein gemeißelte Wahrheit its nicht wahrer als eine auf Papier. Das Berufen auf Absolutismus hat keinen Eigenwert, ist schädlich, genau das, was hier einige- zumindest ich, ablehnen. Verbindliche Antworten haben keinen Eigenwert, der Inhalt ist wichtig. Wenn man die Suchenden sich "selbst überlässt", setzt man eine gewisse intellektuelle Selbstständigkeit voraus, die Brights sind keine Ersatzreligion, wenn ich das richtig verstanden habe, dann will man hier nicht das eine System, das man verachtet durch ein anderes, eigenes System, das genau die gleichen Eigenschaften hätte, ersetzten. Wo wäre da die menschliche Entwicklung? Was wäre es für ein Erfolg, wenn man zu genau dem wird, was man verachtet? Mein Problem sind gerade absolute Wahrheiten, sie sind die Grundlage für jeden Konflikt, sind ihr Spucke nicht wert, da sie kaum Nutzen zeigen. Hier wirst du keine Befehle finden, wenn du sie suchst, nur Angebote, das ist in einer relativ mündigen Gesellschaft auch das bessere, als deine klaren Antworten. In diesem Forum kann man oft nachlesen, warum allgemeine, objektive Wahrheiten nicht existieren: Esgibt keinen Punkt, in dem sich die Menschheit einig ist, es gibt nur Subjektivität. Über unsere subjektiven Wahrnehmungen werden wir nur zu subjektiven Schlussfolgerungen kommen. Es gibt noch Phänomene wie Intersubjektivität, aber die ist auch nur ein approximierter Konsens. Ein Atheist wird nicht an etwas festhalten, das nicht real ist, sei es nun ein Gott oder andere menschliche Konstrukte. Sie sind nicht nur aus logischen Gesichtspunkten unwert, sie zu erhalten, sondern auch aus praktischen: Sie bringen viel Schaden. Mit starken Gruppen kann man hier nicht dienen, das ist auch nicht der primäre Anspruch. Ich bin hier nicht der Rudelbildung wegen, sondern um zu philosophieren.
tkracher hat geschrieben:Darüber sind wir uns einig: Es gibt keine in Stein gemeißelte, universell gültige Wahrheit, und auch nicht die eine, unumstößlich richtige Ethik. Aber muss ich deswegen gleich jeden Werte-Kanon ablehnen? Auch die Religion hat es mit all ihrer Macht und ihrer Repression in tausenden Jahren nicht geschafft, weltweit einheitliche Werte zu etablieren, sondern ist in immer neue Splittergruppen zerfallen, von denen die meisten heute trotzdem mächtiger und einflussreicher sind als jede Naturalisten-Bewegung. Warum erheben wir dann den Anspruch "ganz oder gar nicht"? Warum sollten wir uns mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner ("Es gibt keinen Gott") zufrieden geben? Nur um dem Begriff "Bright" den größtmöglichen Umfang zu geben? Das hilft uns nicht weiter: "Je größer der Umfang des Begriffes, d.h. je mehr er einzelne Anschauungen in sich befassen kann, desto geringer, ärmer, leerer an Bestimmungen ist sein Inhalt." (Immanuel Hermann Fichte)
Natürlich muss ich das, ich muss eigentlich gar nichts, aber ich will es, ich habe auch Gründe dazu. Werte-Kanone sind auch nur Wahrheiten, sie sind nicht universell. Deine Schlussfolgerung verstehe ich nicht: Weil die Kirche mit ihrer aggressiven Durchsetzung ihrer Wahrheiten immer noch erfolgreicher war als jede Naturalistenbewegung, müssten wir auch so verfahren? Du verfehlst das Ziel. Wir müssen uns notgedrungen mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner zufireden geben, weil wir niemanden zwingen wollen, das unterscheidet uns von Dogmatikern.
"Je größer der Umfang des Begriffes, je mehr er einzelne Anschauungen in sich befassen kann, desto bunter, interessanter und reichhaltiger ist dieser Begriff." (Ich)
Ich würde nicht um den Preis der Macht mein Handeln faschistoidisieren.
tkarcher hat geschrieben:Warum glaubst du, dass Ethik und Moral von Gott abhängen? Weil Gott sie erschaffen hat? Weil die Kirche das sagt?! Ich hoffe, du erkennst die Ironie dieser Überlegung. Ethik und Moral wurden von Menschen für Menschen geschaffen. Sie sind mit Sicherheit älter als der Gott der Christen, und vermutlich sogar älter als die Religion an sich. Um in immer größeren Gruppen leben zu können, brauchten die Menschen irgendwann gemeinsame Regeln des Zusammenlebens. Und natürlich waren und sind solche Regeln leichter zu verteidigen, wenn sie von einem "unfehlbaren Gott" kommen, und nicht "von Ur-Ur-Ur-Oma". Auf Gott können wir verzichten. Auf Regeln des Zusammenlebens langfristig nicht. Und damit meine ich nicht nur die harten Regeln, die uns der Staat in Form von Gesetzen vorgibt. Sondern eben auch weiche, verhandelbare Regeln: Wie gehen wir mit den Schwächsten unserer Gesellschaft um? Wie tolerant wollen wir sein? Wie gehen wir mit unserer Umwelt und Natur um? Diese Fragen werden nicht einfach bedeutungslos, nur weil Gott bedeutungslos wird. Sie als Gesellschaft unbeantwortet zu lassen - oder sie zu beantworten mit "jeder wie er will" - ist für mich keine erstrebenswerte Perspektive.
Sie hängen nicht von diesem Konstrukt ab, sie leiten sich von der Metaphysik ab: Dem Glauben an das Gute, das Böse, die Wahrheit. Keine real existierenden Begriffe, die immer die Begründung für sonstwelche Moral ist. Wenn du ein Gegenbeispiel für einen moralischen Imperativ kennst, der sich nicht in irgendeiner From vom "Guten" ableitet, kannst du ihn mir nennen. Sogar Kant hat für seinen Unsinn den "guten Willen" benötigt, den er allerdings nicht näher definierte, ein Aspekt des "Dinges an sich", was genauso bescheuert ist, wie es klingt. Ich lehne die Metaphysik ab, sowohl Gott als auch jede andere Phantasie. Gemeinsame Regeln können ihren Nutzen haben, aber sie müssen als unwert erkannt werden, wenn sie mehr Schwierigkeiten als Nutzen bringen. Die meisten Menschen fixieren trotzdem ihre Bräuche, obwohl sie keinen Nutzen mehr haben oder schaden. Das liegt daran, dass sie allgemeingültige Regeln haben wollen, weil es so leichter ist, man nicht über sein Handeln nachdenken muss, nur befolgen. Diesen Anspruch habe ich nicht, ich denke lieber über die Sinnhaftigkeit von Regeln, man sollte deswegen nur Vorschläge formulieren, gerade ihre Stärke, nicht ihre Schwäche ist es, dass sie zum Denken zwingen. Deine Fragen sind alle diskussionswürdig, aber sie verlangen keine Moral zur Beantwortung, nur Verstand. Die Perspektive, dass jeder, "Nach seiner Facon selig werden" (Friedrich II) ist sehr erstrebenswert, sie verbannt die Gewalt, die nötig wird, um jemandes Willen oder Doktin durchzusetzen. Du wirst in einer Gesellschaft immer Abweichler finden, zumindest in mir, willst du mich zwingen?