Ein (nicht ganz kurzes) Hallo in die Runde!

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Ein (nicht ganz kurzes) Hallo in die Runde!

Beitragvon tkarcher » Mo 6. Feb 2012, 17:51

Hallo, ich bin Thomas. Und auch auf die Gefahr hin, schon mit dieser Einleitung Unverständnis und Ablehnung zu provozieren: Ich bin aktives Mitglied der evangelischen Kirche, werde es wohl auch noch einige Jahre bleiben, und fühle mich trotzdem als "Bright".

Warum "Bright"?
Weil ich den Glauben an alles Übernatürliche und Mystische schon vor Jahrzehnten verloren habe und absolut überzeugt vom naturalistischen Weltbild bin.

Warum dann (noch) Kirchenmitglied?
Weil die Kirche eben nicht nur ein mystisches Weltbild und zweifelhafte Dogmen bietet (auf beide könnte ich gerne verzichten), sondern auch Inspiration, Motivation und eine engagierte Gemeinschaft mit starken ethischen Grundsätzen und Werten. Und weil der Atheismus im Gegensatz dazu bisher ein eher klägliches Angebot hat: Wenige lokale und unbedeutende Gruppen, ansonsten in der Hauptsache verstreute Individuen mit überschaubarem Gemeinschaftsgefühl. Und abgesehen von der immer gleichen, destruktiven Botschaft "Es gibt keinen Gott" keine Hilfe im Alltag, keine Denkanstöße zu Ethik und Moral, ... kurz: Nichts, was dem Leben Richtung, Halt oder Sinn gibt. Das ist mir als Mensch schon zu wenig, und als Vater erst recht: Natürlich könnte ich mich Sonntags auch alleine mit meinen Kindern hinsetzen und ihnen erklären, wie wichtig ethische Werte im Leben sind, und wo sie uns im Alltag begegnen. Aber wieviel wirksamer (und schöner) ist es, solche Werte gemeinsam im Kindergottesdienst vermittelt zu bekommen, oder im Konfirmandenunterricht, oder auf Rüstzeiten, ...

Und warum bin ich dann hier?
Weil ich Gleichgesinnte suche, die Interesse hätten, das Angebot der Atheisten (und als solcher fühle ich mich letztendlich auch) an dieser Stelle zu verbessern. Mir ist völlig klar, dass hunderte Jahre Kirchentradition sich nicht von heute auf morgen in einer atheistischen Gemeinschaft nachbilden lassen, und mir ist auch völlig klar, dass viele (möglicherweise sogar die meisten) Atheisten daran überhaupt kein Interesse haben. Aber ich bin auf der Suche nach den anderen, die sich zum Beispiel vorstellen könnten...
  • eine echte Gemeinschaft auf gemeinsamen ethischen Werten aufzubauen, sich also regelmäßig mit anderen Nicht-Gläubigen und deren Familien zu treffen, um (weniger) über Gott und (mehr) die Welt zu diskutieren
  • sich Gedanken über einen Kalender mit atheistischen / naturalistischen "Losungen" zu machen (als Entsprechung zu den Herrnhuter Losungen)
  • Orte zur Inspiration und Identifikation für Nicht-Gläubige zu schaffen (angefangen von "säkularen Marterln" zur Erinnerung an herausragende Wissenschaftler oder weltliche Errungenschaften bis hin zu "atheistischen Tempeln" wie Alain de Bottons "Temple to Perspective").
Und vieles mehr. Wie gesagt: Das geht bestimmt alles nicht von heute auf morgen, und bis es soweit ist, ziehe ich die zweifelhafte Lehre der Kirche der trostlosen Leere des Atheismus vor. Aber vielleicht schaffen wir es ja, einen Funken zu zünden, der dann die gludernde Lot... also die lodernde Flut... na ihr wisst schon!

Liebe Grüße,
Thomas
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Re: Ein (nicht ganz kurzes) Hallo in die Runde!

Beitragvon Zappa » Mo 6. Feb 2012, 18:15

Hallo @tkarcher,

ich sag mal einfach erstmal willkommen bei
:brights:
und freue mich auf Deine Beiträge.

Ich fürchte aber, dass die Kombination "Gemeinschaftsgefühl" und "Kritischer Naturalismus" eine schwierige ist.

Warum die Feststellung "Es gibt keinen Gott" destruktiv ist, müsstest Du mir auch mal erklären. Ich finde sie ausgesprochen befreiend und fruchtbar!
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Re: Ein (nicht ganz kurzes) Hallo in die Runde!

Beitragvon Vollbreit » Mo 6. Feb 2012, 18:19

Hallo Thomas.

Nein, Du bist hier richtig, denn man muss in allen Lagern das Lagerdenken überwinden, das ist die Zukunft!

Und ja, ich habe auch den Eindruck, dass zwar alle sagen, man muss kein Christ oder nicht religiös sein, um Gutes zu tun (oder das, was man dafür hält), aber so in der Praxis ist es schon so, dass es die Kirchen sind, die sammeln, die an „die Front“ gehen und so weiter.

Ob jemand letzten Endes formal in der Kirche ist oder nicht wäre mir egal.
Ich glaube, dass man sich lagerübergreifend auf einiges einigen kann, was man gemeinsam erreichen will. Dazu sind vor allem diejenigen imstande, die im anderen nicht mehr den Feind sehen, sondern mindestens taktische Bündnisse eingehen können, besser noch wechselseitige Kritik als notwendig und sinnvoll (statt als Gemeinheit) ansehen.

Ob ich der Richtige bin, Dich hier willkommen zu heißen, weiß ich allerdings nicht, ich bin noch nicht mal Bright (oder sogar schon Vollbreit :-D ), aber mir macht es dennoch Spaß mit den Leuten hier zu diskutieren und so gilt mein Willkommensgruß mal stellvertretend, bis ein brighterer kommt. (Ah, sehe gerade, da ist schon einer.)
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Re: Ein (nicht ganz kurzes) Hallo in die Runde!

Beitragvon Nanna » Mo 6. Feb 2012, 19:49

Lieber Thomas, herzlich willkommen bei den Brights und im Forum! :brights:

tkarcher hat geschrieben:Und auch auf die Gefahr hin, schon mit dieser Einleitung Unverständnis und Ablehnung zu provozieren: Ich bin aktives Mitglied der evangelischen Kirche, werde es wohl auch noch einige Jahre bleiben, und fühle mich trotzdem als "Bright".

Ich sehe das wie Vollbreit: Das Lagerdenken ist für die Tonne, es muss überwunden werden, wenn eine nicht nur nominelle, sondern substantielle pluralistische Gesellschaft möglich sein soll. Glücklicherweise sehen das die Brights-Gründer ebenso und haben das auch in den Brights-Prinzipien festgeschrieben. Da steht (auszugsweise):

Brights-Prinzip Nr. 2 hat geschrieben:Jede Person, die für sich entscheidet, ob das gemeinschaftliche Merkmal – ein naturalistisches Weltbild – auf sie zutrifft, fasst die Begriffe (einschließlich „übernatürlich“ und „mystisch“) und die knappen Erläuterungen auf der Website auf eigene Weise auf. Wir halten es nicht für erforderlich, zu einem gemeinsamen Verständnis dieser Begriffe zu gelangen oder den auf der Homepage bereitgestellten Erklärungen etwas hinzuzufügen. Wir gehen davon aus, dass sich diejenigen Individuen, die sich dem Kreis angeschlossen haben, einer bestimmten, allgemein gebräuchlichen Auffassung all dieser Begriffe bedienen, die sie persönlich passend finden.


Brights-Prinzip Nr. 6 hat geschrieben:Diese Bewegung ist keine atheistische Bewegung und auch keine humanististische, freidenkerische, skeptische, rationalistische, objektivistische, igtheistische, materialistische oder säkular-humanistische Bewegung, und auch nicht irgendeine andere Erscheinungsform bestehender Organisationen oder Philosophien.

Journalisten und Autoren bezeichnen die Brights häufig als „Atheistenbewegung“ oder verwenden das Wort „Bright“ sogar irrtümlicherweise als Synonym für „Atheist“. Diese Bewegung vertritt keine bestimmten Glaubenssätze. Der Kreis der Brights umfasst unterschiedliche naturalistische Perspektiven und Kategorien. Wir sind nicht atheistisch oder humanistisch usw., sondern wir bieten Leuten mit einem naturalistischen Weltbild ein Dach sowie die Möglichkeit, sich zusammenzutun und Aktionen zu planen.


Brights-Prinzip Nr. 7 hat geschrieben:Wir wollen darauf hinarbeiten, dass das naturalistische Weltbild und seine Anhänger in der Gesellschaft als das wahrgenommen und akzeptiert werden, was sie sind, und nicht als Verneinung bzw. Verneiner eines religiösen Standpunktes. [...]

Sehr viele Brights wollen nicht als Ungläubige oder Nichtgläubige bezeichnet werden, wo sie doch an vieles fest glauben. Es missfällt ihnen, mit Adjektiven beschrieben zu werden, die lediglich dem äußerst beschränkten Vergleich mit den religiösen Überzeugungen anderer Vorschub leisten. Dabei handelt es sich in vielen Fällen um mit einem Stigma behaftete Wörter (z.B. „gottlos“, „ungläubig“).


Brights-Prinzip Nr. 8 hat geschrieben:Die Brights-Bewegung versteht sich nicht als antireligiöse Kraft in der Gesellschaft. Das Hauptziel ist politisch-rechtliche Gleichheit für alle, was erfordert, dass es in Politik und Gesellschaft einen Platz für Personen gibt, die ein naturalistisches Weltbild haben.

Der Mensch hat einen Hang zu Wir/Sie-Aufteilungen, wobei das „sie“ als negativ oder abstoßend erachtet wird. Es kann zwar vorkommen, dass einzelne Brights negativ über Leute denken, die an Übernatürliches glauben; aber die Brights-Bewegung heißt Überheblichkeit oder die Verachtung anderer nicht gut. Es geht uns um soziale Akzeptanz und politisch-rechtliche Gleichheit. Diese Bewegung weist unmissverständlich nicht nur verbale Vergleiche zurück, die die Brights gegenüber den Religiösen als Bürger/Bürgerinnen zweiter Klasse hinstellen, sondern auch solche, die die Religiösen gegenüber den Brights als Bürger/Bürgerinnen zweiter Klasse hinstellen.


Und zuletzt lesen wir auch auf der Website von Brights Central:
http://www.the-brights.net/movement/synopsis.html hat geschrieben:Alliances that benefit this movement are not limited to collaborations among brights only; rather, they can also involve undertakings in which brights and supers work in association on mutual goals


Es gibt im Übrigen durchaus eine Reihe von Kulturreligiösen wie dir, die sich als Brights fühlen, allen voran Kulturchristen und Kulturjuden, die zwar die traditionellen Bräuche und Riten pflegen, ansonsten aber ideell nichts mit dem jeweiligen Weltbild zu tun haben. Du bist da auf jeden Fall in guter Gesellschaft! :up:

Hast du dich schon registriert? :ja:
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Re: Ein (nicht ganz kurzes) Hallo in die Runde!

Beitragvon stine » Mo 6. Feb 2012, 21:29

Das ist ja wirklich mal ein großer Auftritt @tkarcher, willkommen hier!
Ich denke, dass wir ziemlich auf einer Welle reiten :mg:
Ich sehe genau wie du, dass gottlos alleine noch keine Alternative ist.

:wink: stine
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Re: Ein (nicht ganz kurzes) Hallo in die Runde!

Beitragvon Myron » Mo 6. Feb 2012, 21:52

tkarcher hat geschrieben:Natürlich könnte ich mich Sonntags auch alleine mit meinen Kindern hinsetzen und ihnen erklären, wie wichtig ethische Werte im Leben sind, und wo sie uns im Alltag begegnen. Aber wieviel wirksamer (und schöner) ist es, solche Werte gemeinsam im Kindergottesdienst vermittelt zu bekommen, oder im Konfirmandenunterricht, oder auf Rüstzeiten, ...


Das große Problem ist, dass den Kindern dort nicht einfach auch von Atheisten/Naturalisten geteilte, universelle Werte vermittelt werden, sondern dass ihnen diese stets zusammen mit dem theistisch-supernaturalistischen Gesamtpaket eingetrichtert werden und ihnen überdies weisgemacht wird, dass moralische Werte und Grundsätze sowie Sittlichkeit überhaupt vom Gottesglauben abhängig sind.
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Re: Ein (nicht ganz kurzes) Hallo in die Runde!

Beitragvon tkarcher » Mo 6. Feb 2012, 22:41

Hui - danke für die vielen und positiven Rückmeldungen!

zappa hat geschrieben:Ich fürchte aber, dass die Kombination "Gemeinschaftsgefühl" und "Kritischer Naturalismus" eine schwierige ist.

Genau wie die Kombination "Gemeinschaftsgefühl" und "Religion" - oder wie sonst erklärst du dir Religionskriege, Antisemitismus oder Kopftuch- und Minarett-Verbot? Natürlich gibt es keine "Gemeinschaft aller Naturalisten" - genausowenig wie eine "Gemeinschaft aller Religiösen". Aber das kann und sollte uns nicht davon abhalten, Gemeinsamkeiten zu suchen und in verschiedenen naturalistischen Strömungen zu vertiefen.

zappa hat geschrieben:Warum die Feststellung "Es gibt keinen Gott" destruktiv ist, müsstest Du mir auch mal erklären.

"Es gibt einen Gott" ist ja nicht der Inhalt der religiösen Lehre, sondern nur die Basis, auf der viele (auch gute!) Ideen aufgebaut wurden - etwa die Idee der Nächstenliebe mit ihren Ausprägungen Diakonie und Caritas. Die Feststellung "Es gibt keinen Gott" reißt all diesen Ideen - guten wie schlechten - den Boden unter den Füßen weg, ist per se also erstmal destruktiv (und für manche sicher auch befreiend). Das wäre ja in Ordnung, wenn danach ein dickes ABER käme. ABER da kommt nichts. Und das ist traurig.

myron hat geschrieben:Das große Problem ist, dass den Kindern dort nicht einfach auch von Atheisten/Naturalisten geteilte, universelle Werte vermittelt werden, sondern dass ihnen diese stets zusammen mit dem theistisch-supernaturalistischen Gesamtpaket eingetrichtert werden und ihnen überdies weisgemacht wird, dass moralische Werte und Grundsätze sowie Sittlichkeit überhaupt vom Gottesglauben abhängig sind.

Da mach' dir mal keine Sorgen - meine Kinder sind von Natur aus Skeptiker: Die Geschichte mit dem Schlafsand vom Sandmännchen glauben sie uns seit Jahren schon nicht mehr, und wenn sie nur halbwegs nach mir kommen, werden sie auch irgendwann das Märchen von Gott hinterfragen. Bis es soweit ist, lasse ich sie aber gerne in ihrem Glauben: Warum sollte ich ihnen die schöne und oft auch tröstliche Vorstellung rauben, dass da immer jemand ist, der auf sie aufpasst, selbst wenn Mama und Papa mal nicht da sind? Mir hat das als Kind sehr geholfen und mich trotzdem zu einem selbständig denkenden und "gottlosen" Erwachsenen werden lassen. Warum sollte ich meinen Kindern nicht dasselbe zutrauen?

@Vollbreit, @nanna, @stine: Danke für das herzliche Willkommen und die Tipps. Registriert habe ich mich inzwischen auch.
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Re: Ein (nicht ganz kurzes) Hallo in die Runde!

Beitragvon Celtic » Di 7. Feb 2012, 11:40

Von mir auch ein herzliches Willkommen.

Doch, Du bist in diesem Forum richtig. :up: Ich habe selten im Internet eine derart bunte Mischung aus Forenteilnehmern gesehen, bei der die Diskussionen nicht zwangsläufig mit dümmlichen gegenseitigen Herabsetzungen und Beleidigungen enden. Und es gibt hier mehrere Kirchenmitglieder, die nicht alles in die Tonne treten wollen. :mg:
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Re: Ein (nicht ganz kurzes) Hallo in die Runde!

Beitragvon mat-in » Di 7. Feb 2012, 13:49

Dann mal herzlich willkommen im Forum!

Zu deinen Ideen: Ich kann einiges davon gut nachvollziehen. Ich war - obwohl schon bestimmt 15 Jahre Atheist auch noch lange in der katholischen Kirche tätig. Habe z.B. in Jugendarbeit durchaus einen Sinn gesehen. Dachte "wenn die auf der Straße keinen Blödsinn machen sondern sich zum Colatrinken hier im Gemeindehaus treffen ist doch allen geholfen, Gott hin oder her". Hat eine ganze Weile (und aktives einbringen diverser "sehr katholischer" Gemeindemitglieder) gedauert bis ich das aufgegeben habe. Jetzt gibt es dort übrigens keine Jugendgruppe und keine Kinder- oder Jugendfreizeiten mehr in der Gemeinde.

Atheismus ist nicht destruktiv und hat durchaus Angebote, zum Beispiel 10 ;)
www.giordano-bruno-stiftung.de/sites/de ... gebote.pdf

Und möchte zum Wissen statt Glauben anregen
www.giordano-bruno-stiftung.de/sites/de ... lauben.pdf

Das große Problem, warum man Atheisten / Naturalisten nicht positiv wahrnimmt ist wohl, daß es da die Brights, die GBS, den IBKA, GWUP, BfG, ... gibt. Die alle zu organisieren und zu koordinieren ist wirklich dem "einen Sack voll Flöhe hüten" ziemlich nah.
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Re: Ein (nicht ganz kurzes) Hallo in die Runde!

Beitragvon Darth Nefarius » Di 7. Feb 2012, 17:01

tkarcher hat geschrieben:Warum dann (noch) Kirchenmitglied?
Weil die Kirche eben nicht nur ein mystisches Weltbild und zweifelhafte Dogmen bietet (auf beide könnte ich gerne verzichten), sondern auch Inspiration, Motivation und eine engagierte Gemeinschaft mit starken ethischen Grundsätzen und Werten. Und weil der Atheismus im Gegensatz dazu bisher ein eher klägliches Angebot hat: Wenige lokale und unbedeutende Gruppen, ansonsten in der Hauptsache verstreute Individuen mit überschaubarem Gemeinschaftsgefühl. Und abgesehen von der immer gleichen, destruktiven Botschaft "Es gibt keinen Gott" keine Hilfe im Alltag, keine Denkanstöße zu Ethik und Moral, ... kurz: Nichts, was dem Leben Richtung, Halt oder Sinn gibt. Das ist mir als Mensch schon zu wenig, und als Vater erst recht: Natürlich könnte ich mich Sonntags auch alleine mit meinen Kindern hinsetzen und ihnen erklären, wie wichtig ethische Werte im Leben sind, und wo sie uns im Alltag begegnen. Aber wieviel wirksamer (und schöner) ist es, solche Werte gemeinsam im Kindergottesdienst vermittelt zu bekommen, oder im Konfirmandenunterricht, oder auf Rüstzeiten, ...

Sei gegrüßt!
Nun zur Diskussion: Inspiration wirst du vielleicht auch in gottlosen Institutionen und Gedanken finden, der Vorwurf, dass der Athesimus das nicht bietet, ist nicht haltbar: Nietzsche hat in vielerlei Hinsicht eine gute Basis geboten, eine Motivation geschildert, meiner Ansicht nach sind seine Werke inspirierend.
Ethische Grundsätze und Werte betrachte ich als unwert, eher schädlich. Sie erwachsen aus Subjektivität und beanspruchen Objektivität. Gerade das ist an Religionen schädlich, tolerantere, oder entmachtete religiöse Gruppierungen sind definitv nicht mehr in der Lage, einen Machtanspruch auszusprechen, ohne mit dem Gesetz im Konflikt zu stehen. Hilfe im Alltag? Sei, was du willst! Kein Gott wird dir diktieren, was du machen sollst, keine kirchlichen Dogmen werden dich an Rituale binden, dein Verstand ist das, was dich leitet. Mein Lieblingssatz: Nichts ist wahr, alles ist erlaubt.
Dies ist kein Dogma, sondern eine Beobachtung, sie bedeutet, dass du keine Fesseln hast (sofern wir erstmal den Determinismus aus der Gleichung lassen).
Ethik und Moral bieten keine Denkanstöße, sondern nur Ketten, sind Grenzen, Regeln, die im Sand verlaufen. Wenn du nach einem Ziel suchst, dann wird dir der konsequente Atheismus erklären, dass du es "frei" wählen kannst, es nicht mehr das "Paradies" ist. Das ist, wie ich finde, eine sehr große Botschaft. Den Konfirmandenunterricht empfand ich als sinnlos. Dort habe ich Nichts gelehrt, weil der Pastor sich schon gar nicht getraut hat, von uns irgendeine weitere Aktivität einzufordern, als ein paar Zeilen auswendig zu lernen. Wenn du etwas lernen willst, dann schaffst du es vielleicht hier, so wie deine Kinder. In Kirchen bekommt man nur die Auslebung von Ritualen mit, eben das ist keine Praxisbezogenheit, sondern nur leere Handlung. Wenn man nicht erklärt bekommt, was für einen Wert die Ethik und Moral ohne einen Gott haben soll, was soll ich sie dann noch beachten? Warum soll ich nicht meine eigenen, rationalen Regeln aufstellen, die mir das ermöglichen, was ich erreichen will?
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Re: Ein (nicht ganz kurzes) Hallo in die Runde!

Beitragvon tkarcher » Di 7. Feb 2012, 18:34

mat-in hat geschrieben:Jetzt gibt es dort übrigens keine Jugendgruppe und keine Kinder- oder Jugendfreizeiten mehr in der Gemeinde.

Aus deiner Sicht absolut nachvollziehbar, aber trotzdem sehr schade: Kirchliche Jugendarbeit - insbesondere dann, wenn sie "sehr katholisch" gestaltet wird - trägt sicher nicht zur Verbreitung des Naturalismus und der Aufklärung bei. "Keine Jugendarbeit" aber auch nicht. Was fehlt, ist eine echte Alternative: Eine naturalistische Jugendarbeit, etwas wie einen "Aufgeklärten Verein Junger Menschen" (AVJM) als Dachorganisation der Brights-Jugend, als Antwort auf den CVJM.

mat-in hat geschrieben:Atheismus ist nicht destruktiv und hat durchaus Angebote, zum Beispiel 10 ;)

Sehr gut! Nur reicht es eben nicht, diese Angebote auf tote Bäume zu drucken und darauf zu warten, dass die Menschheit sich bessert und vom Glauben abfällt. Gerade als Naturalisten müsste uns bewusst sein, dass Menschen von Natur aus soziale Wesen sind, die sich von starken Gruppen (wie es die Kirchen heute sind) viel stärker angezogen fühlen als von unbequemen Sonderlingen (wie die meisten prominenten Atheisten heute wahrgenommen werden). Erst recht, wenn diese starken Gruppen mit einfachen Wahrheiten und Heilsversprechungen locken, und die Sonderlinge zwar alles in Frage stellen, aber keine verbindlichen Antworten geben, sondern die Suchenden einfach sich selbst überlassen ("Nichts ist wahr - alles ist erlaubt" --Darth Nefarius).

Darth Nefarius hat geschrieben:Ethische Grundsätze und Werte betrachte ich als unwert, eher schädlich. Sie erwachsen aus Subjektivität und beanspruchen Objektivität.

Darüber sind wir uns einig: Es gibt keine in Stein gemeißelte, universell gültige Wahrheit, und auch nicht die eine, unumstößlich richtige Ethik. Aber muss ich deswegen gleich jeden Werte-Kanon ablehnen? Auch die Religion hat es mit all ihrer Macht und ihrer Repression in tausenden Jahren nicht geschafft, weltweit einheitliche Werte zu etablieren, sondern ist in immer neue Splittergruppen zerfallen, von denen die meisten heute trotzdem mächtiger und einflussreicher sind als jede Naturalisten-Bewegung. Warum erheben wir dann den Anspruch "ganz oder gar nicht"? Warum sollten wir uns mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner ("Es gibt keinen Gott") zufrieden geben? Nur um dem Begriff "Bright" den größtmöglichen Umfang zu geben? Das hilft uns nicht weiter: "Je größer der Umfang des Begriffes, d.h. je mehr er einzelne Anschauungen in sich befassen kann, desto geringer, ärmer, leerer an Bestimmungen ist sein Inhalt." (Immanuel Hermann Fichte)

Darth Nefarius hat geschrieben:Wenn man nicht erklärt bekommt, was für einen Wert die Ethik und Moral ohne einen Gott haben soll, was soll ich sie dann noch beachten?

Warum glaubst du, dass Ethik und Moral von Gott abhängen? Weil Gott sie erschaffen hat? Weil die Kirche das sagt?! Ich hoffe, du erkennst die Ironie dieser Überlegung. Ethik und Moral wurden von Menschen für Menschen geschaffen. Sie sind mit Sicherheit älter als der Gott der Christen, und vermutlich sogar älter als die Religion an sich. Um in immer größeren Gruppen leben zu können, brauchten die Menschen irgendwann gemeinsame Regeln des Zusammenlebens. Und natürlich waren und sind solche Regeln leichter zu verteidigen, wenn sie von einem "unfehlbaren Gott" kommen, und nicht "von Ur-Ur-Ur-Oma". Auf Gott können wir verzichten. Auf Regeln des Zusammenlebens langfristig nicht. Und damit meine ich nicht nur die harten Regeln, die uns der Staat in Form von Gesetzen vorgibt. Sondern eben auch weiche, verhandelbare Regeln: Wie gehen wir mit den Schwächsten unserer Gesellschaft um? Wie tolerant wollen wir sein? Wie gehen wir mit unserer Umwelt und Natur um? Diese Fragen werden nicht einfach bedeutungslos, nur weil Gott bedeutungslos wird. Sie als Gesellschaft unbeantwortet zu lassen - oder sie zu beantworten mit "jeder wie er will" - ist für mich keine erstrebenswerte Perspektive.
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Re: Ein (nicht ganz kurzes) Hallo in die Runde!

Beitragvon mat-in » Di 7. Feb 2012, 18:46

tkarcher hat geschrieben:
mat-in hat geschrieben:Jetzt gibt es dort übrigens keine Jugendgruppe und keine Kinder- oder Jugendfreizeiten mehr in der Gemeinde.

Kirchliche Jugendarbeit ... trägt sicher nicht zur Verbreitung des Naturalismus und der Aufklärung bei. "Keine Jugendarbeit" aber auch nicht. Was fehlt, ist eine echte Alternative: Eine naturalistische Jugendarbeit, etwas wie einen "Aufgeklärten Verein Junger Menschen" (AVJM) als Dachorganisation der Brights-Jugend, als Antwort auf den CVJM.
Es gibt noch einen Städtischen Jugendtreff zu dem damals einige Abgewandert sind. Die Leute die dort die Tür aufschließen, werbung machen, Gtränke einkaufen werden sogar (minimal) dafür bezahlt, statt angeekelt :) mit Gemeinde meinte ich in dem Fall "kirchengemeinde".
Was Alternativen angeht, fand ich das in Schweden ganz interessant, dort gibt es eine Humanistenjugend, mit Jugendweihe, bei der man sich aus freien Stücken wenn man alt genug ist zu den idealen des humanismus, den menschenrechten, usw bekennt. Sowas fehlt hier total...

tkarcher hat geschrieben:
mat-in hat geschrieben:Atheismus ist nicht destruktiv und hat durchaus Angebote, zum Beispiel 10

Sehr gut! Nur reicht es eben nicht, diese Angebote auf tote Bäume zu drucken und darauf zu warten, dass die Menschheit sich bessert und vom Glauben abfällt.
Wir arbeiten dran :) wenn auch viel zu un-organisiert und mit viel zu wenig finanzierung...
Vielleicht brauchen wir mehr... partys und konzerte statt lesungen und abendliche vorträge...
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Re: Ein (nicht ganz kurzes) Hallo in die Runde!

Beitragvon Darth Nefarius » Mi 8. Feb 2012, 09:48

tkarcher hat geschrieben:
mat-in hat geschrieben:Atheismus ist nicht destruktiv und hat durchaus Angebote, zum Beispiel 10 ;)

Sehr gut! Nur reicht es eben nicht, diese Angebote auf tote Bäume zu drucken und darauf zu warten, dass die Menschheit sich bessert und vom Glauben abfällt. Gerade als Naturalisten müsste uns bewusst sein, dass Menschen von Natur aus soziale Wesen sind, die sich von starken Gruppen (wie es die Kirchen heute sind) viel stärker angezogen fühlen als von unbequemen Sonderlingen (wie die meisten prominenten Atheisten heute wahrgenommen werden). Erst recht, wenn diese starken Gruppen mit einfachen Wahrheiten und Heilsversprechungen locken, und die Sonderlinge zwar alles in Frage stellen, aber keine verbindlichen Antworten geben, sondern die Suchenden einfach sich selbst überlassen ("Nichts ist wahr - alles ist erlaubt" --Darth Nefarius).

Juhu! Ich bin ein Sonderling! :applaus:
Du hast recht, die meisten fühlen sich von starken Gruppen angezogen, aber was soll das für uns bedeuten? Dass wir als kleine Gruppe oder einzelne "Sonderlinge" keine Existenzberechtigung haben? Ich glaube nicht, dass die Leute hier haben eine großflächige Bewegung zu starten, ich habe es zumindest nicht. Mich interessieren die Massen nicht, sondern meine Person, die mit ihnen umzugehen weiß. Du kannst von mir nicht verlangen, dass ich mich der Moral oder sonstwelchen Ritualen unterwerfe, damit ich gesellschaftstauglich werde, so wie es die Brights werden sollen. In Stein gemeißelt ist nichts, zumindest nicht metaphorisch. eine in Stein gemeißelte Wahrheit its nicht wahrer als eine auf Papier. Das Berufen auf Absolutismus hat keinen Eigenwert, ist schädlich, genau das, was hier einige- zumindest ich, ablehnen. Verbindliche Antworten haben keinen Eigenwert, der Inhalt ist wichtig. Wenn man die Suchenden sich "selbst überlässt", setzt man eine gewisse intellektuelle Selbstständigkeit voraus, die Brights sind keine Ersatzreligion, wenn ich das richtig verstanden habe, dann will man hier nicht das eine System, das man verachtet durch ein anderes, eigenes System, das genau die gleichen Eigenschaften hätte, ersetzten. Wo wäre da die menschliche Entwicklung? Was wäre es für ein Erfolg, wenn man zu genau dem wird, was man verachtet? Mein Problem sind gerade absolute Wahrheiten, sie sind die Grundlage für jeden Konflikt, sind ihr Spucke nicht wert, da sie kaum Nutzen zeigen. Hier wirst du keine Befehle finden, wenn du sie suchst, nur Angebote, das ist in einer relativ mündigen Gesellschaft auch das bessere, als deine klaren Antworten. In diesem Forum kann man oft nachlesen, warum allgemeine, objektive Wahrheiten nicht existieren: Esgibt keinen Punkt, in dem sich die Menschheit einig ist, es gibt nur Subjektivität. Über unsere subjektiven Wahrnehmungen werden wir nur zu subjektiven Schlussfolgerungen kommen. Es gibt noch Phänomene wie Intersubjektivität, aber die ist auch nur ein approximierter Konsens. Ein Atheist wird nicht an etwas festhalten, das nicht real ist, sei es nun ein Gott oder andere menschliche Konstrukte. Sie sind nicht nur aus logischen Gesichtspunkten unwert, sie zu erhalten, sondern auch aus praktischen: Sie bringen viel Schaden. Mit starken Gruppen kann man hier nicht dienen, das ist auch nicht der primäre Anspruch. Ich bin hier nicht der Rudelbildung wegen, sondern um zu philosophieren.
tkracher hat geschrieben:Darüber sind wir uns einig: Es gibt keine in Stein gemeißelte, universell gültige Wahrheit, und auch nicht die eine, unumstößlich richtige Ethik. Aber muss ich deswegen gleich jeden Werte-Kanon ablehnen? Auch die Religion hat es mit all ihrer Macht und ihrer Repression in tausenden Jahren nicht geschafft, weltweit einheitliche Werte zu etablieren, sondern ist in immer neue Splittergruppen zerfallen, von denen die meisten heute trotzdem mächtiger und einflussreicher sind als jede Naturalisten-Bewegung. Warum erheben wir dann den Anspruch "ganz oder gar nicht"? Warum sollten wir uns mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner ("Es gibt keinen Gott") zufrieden geben? Nur um dem Begriff "Bright" den größtmöglichen Umfang zu geben? Das hilft uns nicht weiter: "Je größer der Umfang des Begriffes, d.h. je mehr er einzelne Anschauungen in sich befassen kann, desto geringer, ärmer, leerer an Bestimmungen ist sein Inhalt." (Immanuel Hermann Fichte)

Natürlich muss ich das, ich muss eigentlich gar nichts, aber ich will es, ich habe auch Gründe dazu. Werte-Kanone sind auch nur Wahrheiten, sie sind nicht universell. Deine Schlussfolgerung verstehe ich nicht: Weil die Kirche mit ihrer aggressiven Durchsetzung ihrer Wahrheiten immer noch erfolgreicher war als jede Naturalistenbewegung, müssten wir auch so verfahren? Du verfehlst das Ziel. Wir müssen uns notgedrungen mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner zufireden geben, weil wir niemanden zwingen wollen, das unterscheidet uns von Dogmatikern.
"Je größer der Umfang des Begriffes, je mehr er einzelne Anschauungen in sich befassen kann, desto bunter, interessanter und reichhaltiger ist dieser Begriff." (Ich)
Ich würde nicht um den Preis der Macht mein Handeln faschistoidisieren.
tkarcher hat geschrieben:Warum glaubst du, dass Ethik und Moral von Gott abhängen? Weil Gott sie erschaffen hat? Weil die Kirche das sagt?! Ich hoffe, du erkennst die Ironie dieser Überlegung. Ethik und Moral wurden von Menschen für Menschen geschaffen. Sie sind mit Sicherheit älter als der Gott der Christen, und vermutlich sogar älter als die Religion an sich. Um in immer größeren Gruppen leben zu können, brauchten die Menschen irgendwann gemeinsame Regeln des Zusammenlebens. Und natürlich waren und sind solche Regeln leichter zu verteidigen, wenn sie von einem "unfehlbaren Gott" kommen, und nicht "von Ur-Ur-Ur-Oma". Auf Gott können wir verzichten. Auf Regeln des Zusammenlebens langfristig nicht. Und damit meine ich nicht nur die harten Regeln, die uns der Staat in Form von Gesetzen vorgibt. Sondern eben auch weiche, verhandelbare Regeln: Wie gehen wir mit den Schwächsten unserer Gesellschaft um? Wie tolerant wollen wir sein? Wie gehen wir mit unserer Umwelt und Natur um? Diese Fragen werden nicht einfach bedeutungslos, nur weil Gott bedeutungslos wird. Sie als Gesellschaft unbeantwortet zu lassen - oder sie zu beantworten mit "jeder wie er will" - ist für mich keine erstrebenswerte Perspektive.

Sie hängen nicht von diesem Konstrukt ab, sie leiten sich von der Metaphysik ab: Dem Glauben an das Gute, das Böse, die Wahrheit. Keine real existierenden Begriffe, die immer die Begründung für sonstwelche Moral ist. Wenn du ein Gegenbeispiel für einen moralischen Imperativ kennst, der sich nicht in irgendeiner From vom "Guten" ableitet, kannst du ihn mir nennen. Sogar Kant hat für seinen Unsinn den "guten Willen" benötigt, den er allerdings nicht näher definierte, ein Aspekt des "Dinges an sich", was genauso bescheuert ist, wie es klingt. Ich lehne die Metaphysik ab, sowohl Gott als auch jede andere Phantasie. Gemeinsame Regeln können ihren Nutzen haben, aber sie müssen als unwert erkannt werden, wenn sie mehr Schwierigkeiten als Nutzen bringen. Die meisten Menschen fixieren trotzdem ihre Bräuche, obwohl sie keinen Nutzen mehr haben oder schaden. Das liegt daran, dass sie allgemeingültige Regeln haben wollen, weil es so leichter ist, man nicht über sein Handeln nachdenken muss, nur befolgen. Diesen Anspruch habe ich nicht, ich denke lieber über die Sinnhaftigkeit von Regeln, man sollte deswegen nur Vorschläge formulieren, gerade ihre Stärke, nicht ihre Schwäche ist es, dass sie zum Denken zwingen. Deine Fragen sind alle diskussionswürdig, aber sie verlangen keine Moral zur Beantwortung, nur Verstand. Die Perspektive, dass jeder, "Nach seiner Facon selig werden" (Friedrich II) ist sehr erstrebenswert, sie verbannt die Gewalt, die nötig wird, um jemandes Willen oder Doktin durchzusetzen. Du wirst in einer Gesellschaft immer Abweichler finden, zumindest in mir, willst du mich zwingen?
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Re: Ein (nicht ganz kurzes) Hallo in die Runde!

Beitragvon tkarcher » Mi 8. Feb 2012, 16:28

Darth Nefarius hat geschrieben:Juhu! Ich bin ein Sonderling!

Ja, eine total überraschende Erkenntnis für dich, oder? ;-)

Darth Nefarius hat geschrieben:Was soll das für uns bedeuten? Dass wir als kleine Gruppe oder einzelne "Sonderlinge" keine Existenzberechtigung haben?

Nein. Aber das wir (und das sage ich jetzt bewusst platt und überspitzt) als kleine Gruppe oder einzelne Sonderlinge völlig unbedeutend für die Gesellschaft sind und auch immer bleiben werden. Es ist völlig in Ordnung, wenn du das in Ordnung findest: Keiner verlangt von dir, dass du dich änderst oder dich irgendwem oder -was unterwirfst. Aber mir persönlich ist Philosophieren um des Philosophieren willens auf Dauer eben zu wenig. Ich fände es gut, wenn die Brights (oder ein kleiner Teil davon) sich weiterentwickeln würde zu einer gesellschaftlich relevanten Bewegung - auch um den Preis, dafür Kompromisse eingehen zu müssen (etwa: Die eigene Meinung gelegentlich einem Konsens unterzuordnen). Mit dieser Idee will ich die Brights nicht etwa spalten oder sonst irgendwie in verschiedenwertige Gruppen teilen. Es ist mir letztendlich auch egal, ob diese gesellschaftlich relevante Gruppe später einmal den Namen "Brights" trägt oder nicht (wobei mir der Name ausgesprochen gut gefällt!). FÜr mich ist erstmal nur wichtig, mein Problem mit der heutigen Brights-Bewegung zu verdeutlichen (was mir inzwischen hoffentlich gelungen ist) und auszuloten, ob ich hier Menschen finde, die das ähnlich sehen und bereit wären, die Dinge zu ändern, ohne die Fehler der Kirche (allen voran: Ausgrenzung und Ächtung von Sonderlingen) zu wiederholen.
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Re: Ein (nicht ganz kurzes) Hallo in die Runde!

Beitragvon Darth Nefarius » Mi 8. Feb 2012, 19:39

tkarcher hat geschrieben:Aber mir persönlich ist Philosophieren um des Philosophieren willens auf Dauer eben zu wenig. Ich fände es gut, wenn die Brights (oder ein kleiner Teil davon) sich weiterentwickeln würde zu einer gesellschaftlich relevanten Bewegung - auch um den Preis, dafür Kompromisse eingehen zu müssen (etwa: Die eigene Meinung gelegentlich einem Konsens unterzuordnen). Mit dieser Idee will ich die Brights nicht etwa spalten oder sonst irgendwie in verschiedenwertige Gruppen teilen. Es ist mir letztendlich auch egal, ob diese gesellschaftlich relevante Gruppe später einmal den Namen "Brights" trägt oder nicht (wobei mir der Name ausgesprochen gut gefällt!). FÜr mich ist erstmal nur wichtig, mein Problem mit der heutigen Brights-Bewegung zu verdeutlichen (was mir inzwischen hoffentlich gelungen ist) und auszuloten, ob ich hier Menschen finde, die das ähnlich sehen und bereit wären, die Dinge zu ändern, ohne die Fehler der Kirche (allen voran: Ausgrenzung und Ächtung von Sonderlingen) zu wiederholen.

Nun, ich sehe das eben völlig anders. Du hast ja eindeutige Forderungen nach klarem Absolutismus gestellt, nach Leitung, Führung. Ich lehne es ab, das zu verlangen, weder habe ich das Bedürfnis für mich, noch will ich anderen sagen, was sie machen sollen. Dadurch werden die Brights wohl niemals eine wirkliche aktive Bewegung, ich sehe sie auch nicht so. Es ist mehr eine Club zum Austausch. Ich lebe ja nicht fürs Forum, sondern für meine Ziele. Das hier ist ein Ventil, ein Zeitvertreib (der zugegebenermaßen mehr in Anspruch genommen wird seit dem "Yellow Light of Death" meiner PS3. :( :( :( ). Die Grundgedanken meiner Philosophie sind u.a., dass ich keine Wahrheiten akzeptiere, die objektiv sein wollen; ich eigenständig entscheiden können will. Ich will nicht die Gesellschaft ändern, da man Atheismus ohnehin nicht lehren kann, die Fähigkeit zur Renitenz und zum kritischen Blick kann man nicht wirklich erlernen. Mir ist mein selbst wichtig, ich werde nur mich selbst kontrollieren, weiterentwickeln können, das muss jeder für sich hinbekommen, soetwas kann keine Bewegung leisten, vor allem keine mit so komplexen Ansichten, die sich nichtmal für jeden gut verdauen lassen, egal wie man sie formuliert.
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Re: Ein (nicht ganz kurzes) Hallo in die Runde!

Beitragvon Celtic » Do 9. Feb 2012, 15:53

tkarcher hat geschrieben:Ich fände es gut, wenn die Brights (oder ein kleiner Teil davon) sich weiterentwickeln würde zu einer gesellschaftlich relevanten Bewegung - auch um den Preis, dafür Kompromisse eingehen zu müssen (etwa: Die eigene Meinung gelegentlich einem Konsens unterzuordnen). Mit dieser Idee will ich die Brights nicht etwa spalten oder sonst irgendwie in verschiedenwertige Gruppen teilen. Es ist mir letztendlich auch egal, ob diese gesellschaftlich relevante Gruppe später einmal den Namen "Brights" trägt oder nicht (wobei mir der Name ausgesprochen gut gefällt!). FÜr mich ist erstmal nur wichtig, mein Problem mit der heutigen Brights-Bewegung zu verdeutlichen (was mir inzwischen hoffentlich gelungen ist) und auszuloten, ob ich hier Menschen finde, die das ähnlich sehen und bereit wären, die Dinge zu ändern, ohne die Fehler der Kirche (allen voran: Ausgrenzung und Ächtung von Sonderlingen) zu wiederholen.


Für diese gesellschaftliche Weiterentwicklung fehlt so was wie ein Kristallisationspunkt. Im Gegensatz zur Kirche gibt es keine Treffpunkte, keine Feiern und kaum persönliche Kontakte - und deshalb auch keinen wirklichen Austausch untereinander. Und es gibt keine einheitliche und positiv definierte Zielsetzung.

Welche Ideen hast Du für die Weiterentwicklung zu einer gesellschaftlich relevanten Bewegung?
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Re: Ein (nicht ganz kurzes) Hallo in die Runde!

Beitragvon Darth Nefarius » Fr 10. Feb 2012, 13:52

Die hat er formuliert, zusammengefasst: Werdet wie die Kirche, verliert euren Pluralismus, kümmert euch um Sachen, die überhaupt nichts mit der Weltanschauung zu tun haben.
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Re: Ein (nicht ganz kurzes) Hallo in die Runde!

Beitragvon tkarcher » So 12. Feb 2012, 02:27

Celtic hat geschrieben:Für diese gesellschaftliche Weiterentwicklung fehlt so was wie ein Kristallisationspunkt. Im Gegensatz zur Kirche gibt es keine Treffpunkte, keine Feiern und kaum persönliche Kontakte - und deshalb auch keinen wirklichen Austausch untereinander. Und es gibt keine einheitliche und positiv definierte Zielsetzung.


Genauso sehe ich das auch: Ich würde gerne das, was mir heute in der Kirche wichtig ist - nämlich den gesellschaftlich/sozialen Rahmen und die Identifikation mit einer Wertegemeinschaft - auf eine neue, nicht-religiöse Basis stellen.

Nach allem, was ich in den letzten Tagen hier gelesen habe, ist die Brights-Bewegung als solche dafür aber die falsche Ausgangsbasis: Erstens, weil sich die Brights schon gemäß ihrer Prinzipien als "Internetgemeinschaft autonomer Individuen" sehen, und zweitens, weil viele Brights (zumindest in diesem Forum) offenbar auch gar keinen Bedarf/Interesse an so einer Entwicklung haben. Was ich auch nachvollziehen kann, denn tatsächlich riechen viele meiner Ideen übel nach Kirche. Trotzdem glaube ich, dass der Spagat aus aufgeklärten Individuen, die sich jederzeit ihres eigenen Verstandes bedienen, und einer starken sozialen Gemeinschaft mit gemeinsamen ethisch/moralischen Werten möglich ist.

Und ich denke, Myron hat mir im Thread "Geborgenheit ohne Gott" den entscheidenden Tipp gegeben (danke dafür!): So eine Gemeinschaft müsste weniger auf dem Naturalismus, als vielmehr auf dem (säkularen) Humanismus fußen: Beim "Humanistischen Verband Deutschlands" finde ich schon auf der Homepage vieles von dem wieder, was ich gesucht habe. Und wenn ich dann noch die Neujahrsbotschaft des Präsidenten lese, überzeugt mich das noch mehr. Auch der HVD ist heute natürlich (wie die Brights) noch zu klein und schwach, um in der Gesellschaft als Alternative zur religiösen Gemeinschaft mit all ihren Angeboten (Treffen, Feiern, persönliche Kontakte...) wahrgenommen zu werden. Aber dort sehe ich noch eher die Chance, dass das in 10 oder 20 Jahren anders aussehen könnte. Ich werde mich also dem HVD anschließen und auf diesem Weg versuchen, meinem Ziel näher zu kommen.

Celtic hat geschrieben:Welche Ideen hast Du für die Weiterentwicklung zu einer gesellschaftlich relevanten Bewegung?


Wie der Weg konkret aussehen wird, weiß ich nicht. Vieles steht und fällt sicher mit dem Engagement in lokalen, auch außerhalb des Netzes aktiven Gruppen. Mein erstes Ziel wird also sein, so eine Gruppe in meiner Umgebung zu finden oder aufzubauen. Ich halte euch auf jeden Fall auf dem Laufenden. Und wenn ihr Menschen in München und Umgebung kennt, die an so einer Gruppe Interesse haben könnten - lasst es mich wissen!
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Re: Ein (nicht ganz kurzes) Hallo in die Runde!

Beitragvon Vollbreit » So 12. Feb 2012, 09:58

Ich kann Dein Anliegen sehr gut nachvollziehen.
Ich bin auch der Auffassung, dass wir Rituale und eventuell sogar neue Mythen brauchen, eingedenk aller Gefahren, die diese mit sich bringen.
Man könnte sich auch einfach so mehrfach im Jahr treffen, aber so völlig ohne Grund, macht das nichts her.

Man könnte Feste wieder an den Kreislauf der Natur anbinden, aber wir haben heute nicht mehr den Kontakt zur Natur. Das Problem ist, dass das vermutlich nur noch zur Fassade wird. Auch heute sind ja viele bereit, die eigentlich IT-ler oder sonst was sind, sich zu verkleiden um ihre Vorstellung vom Mittelalter zu spielen, das geht sicher irgendwie, was aber fehlt ist eine gewisse Verbindlichkeit, ein sich gegenseitiges Versichern, dass man ähnliche Werte hat und Ziele verfolgt.

Die Tendenz der Brights ist eigentlich aus allen Mythen raus, hin zum kritischen Individuum, das nur noch der Wahrheit verpflichtet ist, das scheint mit so ein wenig das Ideal zu sein.
Der Dreiklang aus Atheismus, Naturalismus und Utilitarismus.

Das Problem ist, dass der Atheismus eher ein Negativ eines schon bestehenden Bildes darstellt und keine eigene positive Kraft im mythischen Sinn.
Der Naturalismus ist per se etwas dröge und selbst wenn man staunen kann, über das Wunder Lebens, über die unglaubliche Weiten und Größen des Universums, das ist was für Jungens in der Pubertät und später dann für eine Handvoll Naturwissenschaftler, es ist nichts für die breite Masse.
Auch der Utilitarismus ist ja nur struktureller Natur.

Ich bin sicher, dass den Intelligenteren unter den Brights das bewusst ist.
Nur, Mythen kann man nicht verordnen, die müssen wachsen. Dass die Zeit der Mythen endgültig vorbei ist, glaube ich nicht, weil wir m.E. alle in uns die Persönlichkeitsanteile mitbringen, aus denen unser rationales Denken erwachsen ist.
Und auch wenn diese Vorläufer nicht mehr dominant gelebt werden, so brechen sie doch immer wieder durch, bei diesen Mittelaltergeschichten, bei Harry Potter Lektüre, einer diffusen Fortschrittsgläubigkeit, diversen Fantasy- oder Ego-Shooter Spielen, bei Kinofilmen und so weiter.
Da sind magische und mythische Elemente in Hülle und Fülle drin.
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Re: Ein (nicht ganz kurzes) Hallo in die Runde!

Beitragvon stine » So 12. Feb 2012, 11:45

Vollbreit hat geschrieben:Dass die Zeit der Mythen endgültig vorbei ist, glaube ich nicht, weil wir m.E. alle in uns die Persönlichkeitsanteile mitbringen, aus denen unser rationales Denken erwachsen ist.
Das siehst du am wachsenden Interesse nach Esotherik-Büchern und Seminaren. Es gab noch nie so viele Autoren zum Thema und alle meinen es "ernst", sind überzeugt das Richtige entdeckt zu haben.
Selbst fernöstliche Ying und Yangs und Feng Shui Empfehlungen sind auch bei uns längst keine Seltenheit mehr.

Irgendwann werden wir unsere Kirchen nach Feng shui ausrichten und im Yogasitz zu Gott beten. :mg:

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