Atheismus 2.0

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Re: Atheismus 2.0

Beitragvon laie » Di 28. Feb 2012, 11:04

Es geht in vielen Religionen gerade nicht darum, am Leben durch äußerliche Mittel teilzunehmen, sondern unvermittelt an ihm Anteil zu nehmen. Dazu ist aber ein gewisses Loslassen der Weltbezogenheit des eigenen Ichs Voraussetzung. Letztlich zielt alle Caritas genau daraufhin ab: man ist nicht mit sich selbst beschäftigt, man nimmt sich nicht mehr so wichtig. Ein der Caritas conträrer Weg ist die Askese, die aber das gleiche Ziel hat. Davon, welche praktischen und theoretischen Probleme sich um die beiden Lebensentwürfe Caritas und Askese bilden, handelt die Theologie, und manchmal entsteht sogar eine neue Religion (der Gründer des Buddhismus hatte die Unerfüllbarkeit hinduistischer Lebensführung kennengelernt und als Reaktion darauf seinen eigenen Pfad zur Erleuchtung vorgetragen).

Also: selbst, wenn es durch äußerliche Mittel gelänge, Krankheiten und Tod soweit zu besiegen, daß man sich nur noch vor plötzlicher Vernichtung (durch einen Blitzschlag etwa) fürchten müsste, ansonsten aber vor gar nichts ... dann wäre diese Lage noch lange nicht beneidenswert und das Ende allen Wünschens.
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Re: Atheismus 2.0

Beitragvon stine » Di 28. Feb 2012, 13:27

„Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt.“ – Mk 10,25 EU
„Niemand kann zwei Herren dienen; er wird entweder den einen hassen und den andern lieben oder er wird zu dem einen halten und den andern verachten. Ihr könnt nicht beiden dienen, Gott und dem Mammon.“ – Mt 6,24 EU

Meinst du das @laie?
Ich habe das immer so verstanden: Wer nichts hat, braucht für nichts die Verantwortung zu übernehmen. Besitz will erhalten und vielleicht sogar vergrößert werden und das kostet viel Zeit und Kraft, es ist eine Lebensaufgabe. Das Leben genießen sieht anders aus, auch wenn mancher, der nichts an Besitz hat das oft anders sieht.
Das Leben spüren kann nur, wer es hautnah erlebt nicht durch den Sachwertetrichter. Das Himmelreich auf Erden hat, wer das erkennen kann.

Ich denke, dass alle gefährlichen Funsportarten in gewisser Weise das Bedürfnis stillen, sich zu spüren und sich lebendig zu fühlen. Der Konsumtrott macht uns hohl und blind, taub und gefühllos, Religionen hätten heute den Wert, sich das bewusst zu machen. Insofern gebe ich dir recht, dass die wissenschaftlich, medizinische Lebensverlängerung KEIN Ersatz ist für die Lebensfülle als spürbare Eigenschaft.
Da ist ein Zelturlaub am Nordcap vielleicht besser geeignet. :mg:

Übrigens, es soll auch Menschen geben, die sich nur spüren, wenn sie leidend sind. Das Leiden scheint sich besser einzuprägen, als es ein Rundumwohlfühlzustand jemals könnte.

LG stine
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Re: Atheismus 2.0

Beitragvon laie » Di 28. Feb 2012, 17:05

@Stine,

ja, das ist es. Wobei es nicht nur um Reichtum geht, sondern um die Einsicht, daß alles, was der Mensch schafft, alles Geschaffene, vom ewigen Leben abhält. Denn alles Geschaffene erzwingt von uns Aufmerksamkeit. Und alles Geschaffene vergeht irgendwann. Das ist der tiefere Sinn des Armutgelübdes. Schärfer formuliert bedeutet es nicht nur, daß man nur einen Stuhl und einen Tisch und ein Bett und keine Heizung in seiner Zelle haben sollte, sondern daß man sich auch frei macht von den eigenen Ansichten und Vorurteilen und Erwartungen, die man mit sich herumträgt. Dazu ein Beispiel: wenn ich mit meiner kleinen Tochter spiele, denke ich sofort an das "Sinnvolle" im Spiel, daran, ob etwas pädagogisch wertvoll ist, usw. Kurz: ich entspreche den Erwartungen, die mir bekannt sind. Aber ich bin kein richtiger Spielkamerad und eigentlich genieße ich das Spiel gar nicht. Erst wenn ich diese pädagogischen Erwartungen ablege - das ist gar nicht so einfach - dann macht das Spiel, das unmittelbare Spiel wieder Spaß.

Es gibt übrigens ein Wörtlein bei Markus, das lautet:

"Denn wer da hat, dem wird gegeben; und wer nicht hat, dem wird man auch das nehmen, was er hat." (Mk 4,25 LUT)

Das scheint dem Nadelöhr nur scheinbar zu widersprechen. Denn wenn man sich überlegt, was man wirklich besitzt, dauerhaft, dann ist das nicht soviel. Geschaffenes, Besitz gehört nicht dazu, denn der vergeht. Aber wer sich unvermittelt dem Mitmenschen und der Welt zuwendet, der hat einen Schatz, der immer grösser wird.
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Re: Atheismus 2.0

Beitragvon Optimist » Fr 18. Mai 2012, 16:00

Lieber Vollbreit,

vielen Dank für deine Begrüßung und deinen umfangreichen Beitrag.

Als erstes will ich sagen, dass du natürlich mit vielem Recht hast, aber dass es auch Sachverhalte gibt, die du vielleicht nicht kennst. Dann wollte ich meine Überraschung äußern, dass mir in einem atheistischen Forum Wissenschaftsgläubigkeit vorgeworfen wird, aber vielleicht habe ich das falsch verstanden. Außerdem war ich schon enttäuscht, dass sich so ziemlich kein einziger Beitrag außer deinem inhaltlich mit meinem Beitrag beschäftigt hat.

Wenn ich dich richtig verstanden habe, siehst du die Menschheit schon viel früher scheitern, als dass sie an den Punkt kommen könnte, den ich beschreibe. Die Gefahr besteht natürlich. Die positiven Chancen die tatsächlich existieren, sind aber jetzt schon viel besser, als viele wissen. Aktuell ist das Energieproblem mit dem damit verbundenen Klimaproblem wahrscheinlich das dringlichste der Menschheit. Leider ist es aber quasi ein Pseudoproblem, das schon größtenteils gelöst sein könnte. So könnte man mit derzeit gängiger solarthermischer Kraftwerkstechnik auf beispielsweise ca. 4 % der Fläche der Sahara so viel Energie produzieren, wie die Menschheit verbraucht - nicht Stromverbrauch, sondern tatsächlich kompletter Primärenergieverbrauch. Und Wüsten gibt es in diesem Sinne mehr als genug. Die Technik hierfür ist im Wesentlichen schon seit Jahrzehnten bekannt, es fehlt nur der Wille sie einzusetzen. Den so erzeugten Strom könnte man mit Hochspannungsgleichstromübertragung in weite Teile Europas (auch nach Deutschland) transportieren oder zur Erzeugung von Wasserstoff, Methan (Hauptbestandteil des Erdgases) oder Methanol (als Treibstoff) nutzen und damit sogar auf bestehende Infrastruktur aufsetzen. In diesem Jahr entsteht ein erstes zartes Pflänzchen unter dem Namen "Desertec" in Marokko mit der sogar für marokkanische Verhältnisse unbedeutenden Leistung von 160 Megawatt. Es ist aber zu hoffen, dass bei positiven Erfahrungen, die Investitionen in dieses Projekt stark steigen. Unter dem Stichwort "Desertec" findest du eine Vielzahl von Artikeln hierüber.

Das wäre schon eine gute Übergangslösung für die genannten aktuellen Probleme. Für technische Lösungen, wie ich sie geschildert habe, wäre das natürlich nicht ausreichend. Hier zeichnet sich aber schon eine andere interessante Entwicklung ab. So entsteht unter dem Namen "Wendelstein 7-X" ein sehr fortschrittlicher Fusionsforschungsreaktor, der zumindest in der Computersimulation schon funtioniert und bei erfolgreicher Prüfung in einer größeren Ausführung tatsächlich für die kontrollierte Kernfusion zur Energieerzeugung eingesetzt werden können soll. Die Fertigstellung ist für 2014 geplant, voller Betrieb dann ca. 3,5 Jahre später. Ich bin gespannt.

Das Phosphat-Problem ist natürlich auf den ersten Blick auch bedrohlich. Tatsächlich gibt es aber mehrere gute Ansätze, es zu lösen. So wird schon jetzt daran gearbeitet, das in den Abwässern befindliche Phosphat zu extrahieren, was ja dann fast dem gesamten über die menschliche Nahrung aufgenommenen Phosphat entspricht, was nicht gerade wenig ist. Weiter kann man sich ja auch Gedanken machen, ob man Knochen nicht mit etwas mehr Sorgfalt behandeln sollte, so sie doch größtenteils aus Phosphat bestehen. Dann gibt es den sehr vielversprechenden Ansatz des "vertical farming" - sprich Pflanzenanbau im Hochhaus - bei dem Dünger extrem viel zielgenauer eingesetzt werden kann als auf dem Acker und praktisch kein Phoshpat verloren ginge. Und dann ist das Phosphat auch noch in großen Mengen als ADP/ATP in allen Meereslebewesen enthalten und könnte zur Not noch dort abgeerntet werden. Ansonsten gilt für Phosphor natürlich wie für (fast) alle stabilen chemischen Elemente auf der Erde: es ist nicht weg, es ist nur woanders. Die Frage ist immer nur, welchen Aufwand muss ich treiben, um wieder heran zu kommen.

Was die Heilsversprechen der Medizin angeht, hast du natürlich völlig recht, dass diese regelmäßig gebrochen werden. Nichtsdestoweniger wäre es aber auch falsch, zu behaupten, dass kein medizinischer Fortschritt stattfindet. Wenn das Tempo des Fortschritts größer wäre, wäre sicher keiner traurig (außer vielleicht den jungen Bestattern), aber die Entwicklung beschleunigt sich zusehends. Ich empfehle hier doch noch einmal die Lektüre der in meinem Anfangsbeitrag aufgeführten Artikel.

Zur demographischen Entwicklung der Atheisten empfehle ich dir den unterhaltsamen und ermutigenden Spiegel-Artikel unter http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-79652732.html. Wenn der Atheismus die am schnellsten wachsende Weltanschauung ist, kann man vielleicht doch noch etwas optimistisch sein.

Ich hoffe, ich habe dich nicht gelangweilt und würde mich freuen, im Gespräch zu bleiben. Wahrscheinlich konnte ich gar nicht alles erfassen, was du gemeint hast, aber vielleicht kann man ja trotzdem gemeinsam den Optimismus etwas ausbauen. Not tun würde es jedenfalls.

Viele Grüße

P.S.: Noch etwas zum Atheismus: Allen Forschungen zu diesem Thema zufolge sind Atheisten durchschnittlich ethisch engagierter. Das ist auch KEIN WUNDER, fühlen sie sich doch ihren Mitmenschen verbunden und nicht dem rätselhaften Willen eines Wesens, das sich ihnen nicht so recht mitteilen will.

Und noch ein lustiges (?) Bonmot: Religionsfreiheit ist die Freiheit, jeden Unsinn zu behaupten, solange man gleichzeitig behauptet, daran zu glauben.
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Re: Atheismus 2.0

Beitragvon Darth Nefarius » Fr 18. Mai 2012, 18:08

Optimist hat geschrieben:Um den üblichen Einwänden vorzubeugen, möchte ich noch schnell zwei Prämissen für den folgenden Gedanken postulieren.
Erstens: In der beschriebenen Zukunft sind durch die Wissenschaft sämtliche Krankheiten sowie das Alter besiegt, was bei der derzeitigen Entwicklung wohl nur noch eine Frage von relativ kurzer Zeit sein kann. (Schlimmstenfalls einige Jahrzehnte – Das glauben Sie nicht? Dann lesen Sie die Artikel, deren Links weiter unten aufgeführt sind.)

Zweitens: Überbevölkerung ist kein Thema mehr. Sei es durch Terraforming geeigneter Planeten, durch ein Leben in Raumstationen oder etwas anderes.
Gibt es doch Hoffnung für Atheisten?

Endlich mal einer, der nicht zu tief stapelt! Sei gegrüßt!! :applaus: :applaus:
Ich meine es völlig ernst, wenn ich behaupte, ich kann deinen Vorstellungen etwas abgewinnen. Aber damit bin ich wohl in einer krassen Minderheit. Ich selbst versuche in Sachen Unsterblichkeit (wenn ich auch nur auf Stufe 2 von 10000000 bin, also einem angefangenen Studium in Molekularbiologie) ein Stück weiterzukommen. Ein Hinweis auf bereits Erreichtes würde deinem Text die nötige Plausibilität geben, wir sind schon Götter! Du hast auf jeden Fall die richtige Einstellung, wenn du dir solche Ziele setzt, so kann man am wenigsten bereuen, wenn man alt geworden ist.
Vollbreit hat geschrieben:Seit dem Ende der 1960er und den ganz frühen 70ern glaube ich, ist, im Gegensatz zu Deiner Darstellung, eine Ernüchterung nach der anderen eingetreten.
Zu Beginn der 70er war von Umweltproblemen noch nichts bekannt, die Antibiotika feierten gerade gigantische Erfolge, Nebenwirkungen unbekannt, die Seuchen wurden zurückgedrängt, das erste Herz transplantiert, der Sieg über den Krebs, so dachte man, nur noch eine Frage weniger Jahre und intensiver Forschung.

Gut, dass du auf deine subjektive Wahrnehmung hinweist, diese ist tatsächlich ziemlich falsch. Die Erklärung für die "leisen" Revolutionen in Sachen Fortschritt (die gar nicht so leise sind), lassen sich durch eine entspantere Weltpolitik erklären. Allein in Sachen Molekularbiologie (und damit verbunden in Sachen Medizin) sind Quentensprünge erreicht worden. Genverändertes Essen, angepasstere Präparate, Nanotechnologie, usw. bereichern bereits heute unser Leben. Der Klimawandel wurde in großen Schritten gebremst (durch einen relativ konsequenten Verbot an FCKWs). Ich kann seine Behauptungen in Sachen Zeitreisen nicht bestätigen, aber was ich jetzt schonb mitbekomme im Bereich Molekularbiologie gibt Anlass zur Euphorie.
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Re: Atheismus 2.0

Beitragvon mat-in » Sa 19. Mai 2012, 19:10

Da fehlt der Überbrückte Nerv, also Hirnableitung eines Steuerimpulses, elektrische Brücke zum Muskel. Hatte ich glaube ich irgend wo hier verlinkt war die letzten Woche in Nature.

Aber muß schon sagen, da macht jemand angesichts Klimaerwärmung, Trinkwasserknappheit und Aufruhrgefahr durch immer größer auseinander klaffende Schere zwischen Reich und Arm seinem namen alle Ehre...
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Re: Atheismus 2.0

Beitragvon Vollbreit » So 20. Mai 2012, 10:59

Optimist hat geschrieben: Aktuell ist das Energieproblem mit dem damit verbundenen Klimaproblem wahrscheinlich das dringlichste der Menschheit.


Zumindest eines der ganz großen Themen, da bin ich ganz Deiner Meinung.

Optimist hat geschrieben:Unter dem Stichwort "Desertec" findest du eine Vielzahl von Artikeln hierüber.


Ich bin hier sehr bei Dir und unterstütze Dein Ansinnen. Das ist die größte und beste Seite für angehende Ingenieure:
http://www.think-ing.de/index.php?node=4307 (Ökostädte und Masdar)
http://www.think-ing.de/specials/erneue ... en-special
und ganz aktuell in diesem Jahr:
http://www.think-ing.de/specials/nachha ... ts-special (mit einem eigenen Block zum Thema Energie)

Optimist hat geschrieben:So entsteht unter dem Namen "Wendelstein 7-X" ein sehr fortschrittlicher Fusionsforschungsreaktor, der zumindest in der Computersimulation schon funtioniert und bei erfolgreicher Prüfung in einer größeren Ausführung tatsächlich für die kontrollierte Kernfusion zur Energieerzeugung eingesetzt werden können soll. Die Fertigstellung ist für 2014 geplant, voller Betrieb dann ca. 3,5 Jahre später. Ich bin gespannt.


Was ich da in puncto Serienreife usw. gehört habe klang weniger optimistisch.

Optimist hat geschrieben:Ansonsten gilt für Phosphor natürlich wie für (fast) alle stabilen chemischen Elemente auf der Erde: es ist nicht weg, es ist nur woanders. Die Frage ist immer nur, welchen Aufwand muss ich treiben, um wieder heran zu kommen.


Ja, nur die Gewinnung könnte auch immer kostspieliegr werden, was dummerweise auf in anderen Bereichen der Fall ist.

Optimist hat geschrieben:Was die Heilsversprechen der Medizin angeht, hast du natürlich völlig recht, dass diese regelmäßig gebrochen werden. Nichtsdestoweniger wäre es aber auch falsch, zu behaupten, dass kein medizinischer Fortschritt stattfindet.


Das war auch keinesfalls meine Behauptung.
Aber das Zusatzproblem wird sein, dass wir kein Geld für Spitzenmedizin in der Breite mehr haben.
Zu viele, zu kranke, zu alte Menschen. Wir sind bereits bei einer Zweiklassenmedizin angekommen, der Trend wird sich fortsetzen.

Optimist hat geschrieben:Zur demographischen Entwicklung der Atheisten empfehle ich dir den unterhaltsamen und ermutigenden Spiegel-Artikel unter http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-79652732.html. Wenn der Atheismus die am schnellsten wachsende Weltanschauung ist, kann man vielleicht doch noch etwas optimistisch sein.


Den Artikel habe ich mit Interesse gelesen, aber er beleuchtet das eigentliche „Problem“ nicht.
Die Regionen der Welt, die atheistisch sind, haben bestenfalls ein mildes Bevölkerungswachstum, öfter stagnieren sie demographisch oder schrumpfen sogar rapide. (Und in den Staaten sind es gerade nicht die weißen, atheistischen Frauen, die für demographische Stabilität sorgen, sondern die Hispanos.) Längst sind nicht alle Staaten die auf dem Papier atheistisch sind es auch in der Realität, umgekehrt ist auch nicht jeder Konfessionelle auf dem Papier ein Gläubiger.
Wenn also ein Bevölkerungsanteil in einer stagnierenden (USA) oder schrumpfenden Region (Europa) stark wächst, würde ich das nicht als Erfolg verbuchen, sondern eher als Niedergang.
Rapide wächst der arabische Raum, Indien und Afrika (durch Hunger und AIDS gebremst).

Optimist hat geschrieben:Ich hoffe, ich habe dich nicht gelangweilt und würde mich freuen, im Gespräch zu bleiben. Wahrscheinlich konnte ich gar nicht alles erfassen, was du gemeint hast, aber vielleicht kann man ja trotzdem gemeinsam den Optimismus etwas ausbauen. Not tun würde es jedenfalls.


Auf jeden Fall. In meinen Augen ist das Kernproblem ein Bewusstseinsproblem.
Ich finde das Zusammenwachsen von Technik und Natur, Kultur und Natur hier sehr spannend.
An fast allen Problemen der Zukunft ist das Bewusstsein mitbeteiligt, in dem Sinne, dass ein anderer Umgang mit der Welt, den Mitmenschen usw. nötig ist. Die Zeit von Tumoren raus und Antidepressiva rein und dann weiter so, ist wohl vorbei, auch bei neuen Energiekonzepten, ist der Kerngedanke der der Dezentralisierung. Das technische Herz wird das intelligente Stromnetz (Smart Grid) bilden, aber neben eine Automatisierung muss man auch mitmachen und dann die Technik und vor allem die Idee exportieren.
Auch was das Thema Gesundheit angeht ist ein Bewusstseinswandel der Bereich der bei weitem unterschätzt wird, in nahezu jedem Bereich.
Meine grundsätzliche Idee ist, dass es ein ziemliches Wettrennen wird zwischen Menschen, die das begreifen und entsprechend handeln und anderen, die das nicht begreifen und das wird weltweit die Mehrheit sein und bleiben. Dennoch, braucht man auch nicht die Mehrheit zu sein, sondern nur die Mehrheit der kulturell Kreativen in den eigenen Reihen zu haben, der Rest der Menschen folgt, weil 80% der Menschen schon immer nur gefolgt sind.


Darth Nefarius hat geschrieben:Ich kann seine Behauptungen in Sachen Zeitreisen nicht bestätigen, aber was ich jetzt schonb mitbekomme im Bereich Molekularbiologie gibt Anlass zur Euphorie.


Molekularbiologie ist ein Teilbereich von vielen und auch hier gilt, dass Erfolgsmeldungen zum Geschäft gehören, sonst bekommt man nämlich schlicht keine Forschungsgelder. Also ist man chronisch kurz vorm Durchbruch auf allen Ebenen, der dann doch wieder ausfällt, das ist ein altes Spiel.
Die Bedenken gegenüber dem Bereich Gentechnologie und Nanotechnologie werden aus der Ecke der damit Beschäftigten chronisch heruntergespielt, sie sind sehr wohl vorhanden, auch wenn es schöne Therapieansätze auch mit Nanomedizin gibt.
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Re: Atheismus 2.0

Beitragvon Nanna » So 20. Mai 2012, 12:03

Vollbreit hat geschrieben:Die Regionen der Welt, die atheistisch sind, haben bestenfalls ein mildes Bevölkerungswachstum, öfter stagnieren sie demographisch oder schrumpfen sogar rapide. (Und in den Staaten sind es gerade nicht die weißen, atheistischen Frauen, die für demographische Stabilität sorgen, sondern die Hispanos.) Längst sind nicht alle Staaten die auf dem Papier atheistisch sind es auch in der Realität, umgekehrt ist auch nicht jeder Konfessionelle auf dem Papier ein Gläubiger.
Wenn also ein Bevölkerungsanteil in einer stagnierenden (USA) oder schrumpfenden Region (Europa) stark wächst, würde ich das nicht als Erfolg verbuchen, sondern eher als Niedergang.
Rapide wächst der arabische Raum, Indien und Afrika (durch Hunger und AIDS gebremst).

Das Thema hatten wir schon mehrfach, deshalb nur in Kürze meine Standardargumentation dazu:
Armut und (starke) Religiosität korrelieren stark (Reichtum und Atheismus auch, aber schwächer, weil die mäßigende Wirkung des Wohlstands häufig "nur" zu gemäßigter Religionspraktik und nicht gleich bis zur Totalsäkularisierung führt). Gleichzeitig korrelieren Armut und Bevölkerungswachstum (weil Populationen in instabilen Umgebungen nunmal dazu neigen, viele Nachkommen zu produzieren, weil man nicht weiß, welche durchkommen können; in stabilen Umgebungen ist es lohnender und häufig auch der einzig gangbare Weg, alle elterlichen Ressourcen auf ein oder zwei Nachkommen zu konzentrieren; deshalb funktioniert es auch nie, wenn Politiker versuchen, über ökonomische Sanktionen das Bevölkerungswachstum der Unterschicht zu bremsen, im Gegenteil, das heizt den Mechanismus erst so richtig an; Hunger ist von daher auch kein reiner Bremsfaktor). Was nun also wie eine Korrelation zwischen Religion und Bevölkerungswachstum aussieht, ist viel wahrscheinlicher eine zwischen ökonomischem Status und Reproduktionsrate.

Beispiele wie die Türkei oder auch die katholischen Mittelmeerländer zeigen, dass das Überschreiten einer bestimmten sozioökonomischen Schwelle hin zu breitem Wohlstand (fast) immer mit einer starken und zeitlich auffällig damit zusammenfallenden Geburtenrate einhergeht. Natürlich gibt es Ausnahmen, z.B. das reiche Saudi-Arabien, aber da es sich da um einen Rentierstaat und weithin nicht um erarbeiteten Wohlstand handelt (d.h. der zum Hocharbeiten zugehörige Lernprozess ausgelassen wurde), ist der Zusammenhang da auch erklärbar.
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Re: Atheismus 2.0

Beitragvon Darth Nefarius » So 20. Mai 2012, 12:13

mat-in hat geschrieben:Aber muß schon sagen, da macht jemand angesichts Klimaerwärmung, Trinkwasserknappheit und Aufruhrgefahr durch immer größer auseinander klaffende Schere zwischen Reich und Arm seinem namen alle Ehre...

So reich bin ich gar nicht, als Student hat man nicht sonderlich viel, als "Nicht-hier-geborener" sowieso nicht. Aber mir ist meine Lage als Europäer schon bewusst und ich sehe keinen Anlass, nicht erstmal nur auf meine Bedürfnisse einzugehen. Ich habe es schon öfter zugegeben und ich stehe auch dazu: Ich bin Egoist.
Vollbreit hat geschrieben:Molekularbiologie ist ein Teilbereich von vielen und auch hier gilt, dass Erfolgsmeldungen zum Geschäft gehören, sonst bekommt man nämlich schlicht keine Forschungsgelder. Also ist man chronisch kurz vorm Durchbruch auf allen Ebenen, der dann doch wieder ausfällt, das ist ein altes Spiel.
Die Bedenken gegenüber dem Bereich Gentechnologie und Nanotechnologie werden aus der Ecke der damit Beschäftigten chronisch heruntergespielt, sie sind sehr wohl vorhanden, auch wenn es schöne Therapieansätze auch mit Nanomedizin gibt.

Natürlich will man für sich werben, auch vor Studenten, aber die Informationen und Möglichkeiten, die jetzt schon genutzt werden (könnten) fließen in die aktive Ausbildung mit ein. Trotzdem sollte man den Zuständigen auch nicht die Ehrlichkeit absprechen. In Sachen Krebs beispielsweise sind die Daten eher ernüchternd, während die Methoden zur Diagnostik oder Therapie kaum oder gar nicht ändern. Wenn man genug von der Materie versteht (das will ich mir mal zumuten, ich bin kein hirnloser Investor), erkennt man auch, wann Euphorie wirklich angebracht ist. In vielen Aspekten der Molekularbiologie zum Bereich Medizin und Landwirtschaft IST sie angebracht (zumindest für uns Europäer, um mat-ins Hinweis zu unterstreichen). Ohne ein wenig Begeisterung und Visionen kommt die Menscheit nicht weiter. Man muss nicht so tun, als seien wir nur noch die Verwalter unseres Aussterbens, wir haben schon einiges überlebt.
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Re: Atheismus 2.0

Beitragvon Vollbreit » Mo 21. Mai 2012, 08:07

Nanna hat geschrieben:Was nun also wie eine Korrelation zwischen Religion und Bevölkerungswachstum aussieht, ist viel wahrscheinlicher eine zwischen ökonomischem Status und Reproduktionsrate.


Das scheint auch nur zum Teil so zu sein.
Es ist wieder Heinsohn, der nachweist, dass die überzähligen Söhne nicht primär in den Armenhäusern der Welt zu Hause sind, sondern durchaus gebildet und gut genährt sind.
Dennoch ist der ökonomische Status ein starker Faktor in dieser Hinsicht, dazu noch mal:
viewtopic.php?f=5&t=3857&p=85587#p85587
Aber auch hier gibt es Unterschiede:
Focus hat geschrieben:Ein weiteres aktuelles Problem und zugleich soziologischer Trend, der auf dem Kasseler Kongress thematisiert wird, sei die Frage nach der Bevölkerungsdynamik als wichtiger Faktor von Gesellschaftsentwicklung. „Je höher die Bildungsbeteiligung von Frauen, desto weniger Kinder“, erklärte Bude.
Jedoch müsse differenziert werden: „In Spanien und Italien wollen Frauen eine gute Ausbildung und ein Heiratsversprechen eines Mannes, bevor sie Kinder kriegen.“ In Dänemark und Schweden, wo die Akzeptanz nichtehelicher Gemeinschaften höher sei, gebe es wesentlich mehr Kinder. „Deutschland steht deshalb so schlecht da mit der Geburtenrate, weil die ostdeutschen Frauen keine Zukunftssicherheit haben und deshalb keine Kinder kriegen.“
Quelle: http://www.focus.de/schule/schule/bildu ... 17045.html



Darth Nefarius hat geschrieben:Ohne ein wenig Begeisterung und Visionen kommt die Menscheit nicht weiter. Man muss nicht so tun, als seien wir nur noch die Verwalter unseres Aussterbens, wir haben schon einiges überlebt.


Da bin ich ganz Deiner Meinung und jeder sollte es auf seinem Gebiet versuchen.
Erzähl mal von den Fortschritten, in der Tat gibt es auf vielen Gebieten sehr viele davon, nur stellt sich eben heraus, dass manche Fortschritte auch Rückschritte sind.
Es gibt heute etwas weniger Herzinfarkte, dafür mehr Hirninfarkte, bei Krebs sieht es traurig aus, dazu kommen Probleme bei der Finanzierung von Therapien, Diabetes mellitus ist ein Riesenproblem. Eines der Hauptprobleme ist, dass die Medizin an ersten, zweiter, dritter … achter Stelle ein Markt ist, wenn es dem Patienten dann auch noch besser geht, ist das ein Nebeneffekt, der nicht stört, wenn nicht, stört das auch nicht sonderlich.
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Re: Atheismus 2.0

Beitragvon stine » Mo 21. Mai 2012, 11:48

Vollbreit hat geschrieben:Eines der Hauptprobleme ist, dass die Medizin an ersten, zweiter, dritter … achter Stelle ein Markt ist, wenn es dem Patienten dann auch noch besser geht, ist das ein Nebeneffekt, der nicht stört, wenn nicht, stört das auch nicht sonderlich.
:2thumbs: gut erkannt.
Leider ist das so.
Wäre mal einen eigenen Thread wert: Meine Erfahrungen mit Medizinern...

LG stine
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Re: Atheismus 2.0

Beitragvon Nanna » Mo 21. Mai 2012, 15:13

Vollbreit hat geschrieben:Es ist wieder Heinsohn, der nachweist, dass die überzähligen Söhne nicht primär in den Armenhäusern der Welt zu Hause sind, sondern durchaus gebildet und gut genährt sind.

Heinsohn... naja... nicht gerade jemand, den ich als soliden Wissenschaftler bezeichnen würde. Könntest du konkrete Zahlen nennen, wo Heinsohn wirklich etwas "nachweist", denn ich habe schon zu oft gelesen, dass Heinsohn Statistiken nach Belieben zusammenstöpselt (weshalb ihn die Demografen auch nicht mögen)?

Schauen wir doch mal auf die tatsächlichen Zahlen:
Schätzung des Bevölkerungswachstums 2007
Ärmste Staaten der Welt

Und wie vorhergesagt sind die ärmsten Staaten die mit dem größten Bevölkerungswachstum. Vergiss Heinsohn, der Mann ignoriert viel zu viele widerlegende Gegenbeispiele seiner Theorie (z.B. das friedliche Brasilien, das einen dicken youth bulge hat). Youth bulges sind natürlich eine Realität und sie haben auch Auswirkungen, aber sie tun ganz andere Sachen, als Heinsohn behauptet, und sie tun auch unterschiedliche in unterschiedlichen Kontexten. Allenfalls könnte man den Männerüberschuss als begünstigend für den europäischen Kolonialismus bezeichnen, ein hinreichender Faktor ist er nichtmal mit größtem Wohlwollen.

Da werden in den Medien immer so halbgare Theorien verbreitet, die sich griffig wiedergeben lassen, aber wenig Analysekraft besitzen. Die Rentenhöhe ist z.B., auch wenn das in alarmistischen Artikeln immer wieder behauptet wird, nicht davon abhängig, wieviele junge Leute in einem Land leben, sondern wie viel Geld sie verdienen. Man muss schon immer genau hinschauen, was Zahlen hergeben und was nicht.

Vollbreit hat geschrieben:„Deutschland steht deshalb so schlecht da mit der Geburtenrate, weil die ostdeutschen Frauen keine Zukunftssicherheit haben und deshalb keine Kinder kriegen.“

Die Ostdeutschen sind ein historischer Sonderfall, den ich mir erstmal näher ansehen würde, bevor ich da griffige Thesen formuliere.
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Re: Atheismus 2.0

Beitragvon Darth Nefarius » Mo 21. Mai 2012, 16:00

Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Ohne ein wenig Begeisterung und Visionen kommt die Menscheit nicht weiter. Man muss nicht so tun, als seien wir nur noch die Verwalter unseres Aussterbens, wir haben schon einiges überlebt.


Da bin ich ganz Deiner Meinung und jeder sollte es auf seinem Gebiet versuchen.
Erzähl mal von den Fortschritten, in der Tat gibt es auf vielen Gebieten sehr viele davon, nur stellt sich eben heraus, dass manche Fortschritte auch Rückschritte sind.
Es gibt heute etwas weniger Herzinfarkte, dafür mehr Hirninfarkte, bei Krebs sieht es traurig aus, dazu kommen Probleme bei der Finanzierung von Therapien, Diabetes mellitus ist ein Riesenproblem. Eines der Hauptprobleme ist, dass die Medizin an ersten, zweiter, dritter … achter Stelle ein Markt ist, wenn es dem Patienten dann auch noch besser geht, ist das ein Nebeneffekt, der nicht stört, wenn nicht, stört das auch nicht sonderlich.

Das sind sozioökonomische Probleme, der Wissenschaftler an sich will die effizienteste und (von den R)essourcen her) die billigste Methode entwickeln. Wenn die Politik Erfolge nicht würdigt, oder eine Gesellschaft etwas verschläft, ist das ein sozialer Rückschritt. Dem Forscher wird es niemals an Geld fehlen, wenn er im Bereich Medizin tätig ist, gerade in einer alternden Gesellschaft ist die Medizin äußerst wichtig.
Einen Beitrag zu den Verzögerungen leisten die diversen Verbote, dennoch hat man mit miserablen Mitteln die embryonalen Stammzellen überflüssig werden lassen. Gentherapien werden vereinzelt angewendet, Langzeitstudien fehlen noch. Diese ist höchst umstritten, könnte aber den nächsten Quantensprung auslösen. Denerell gibt es tolle Ergebnisse in Laboren, die Anwendung wäre auch spektakulär, aber die Zulassungen sind eben beschränkt.
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Re: Atheismus 2.0

Beitragvon Vollbreit » Di 22. Mai 2012, 10:11

Nanna hat geschrieben:Heinsohn... naja... nicht gerade jemand, den ich als soliden Wissenschaftler bezeichnen würde. Könntest du konkrete Zahlen nennen, wo Heinsohn wirklich etwas "nachweist", denn ich habe schon zu oft gelesen, dass Heinsohn Statistiken nach Belieben zusammenstöpselt (weshalb ihn die Demografen auch nicht mögen)?


Ach da wird immer so gerne so viel behauptet, auch die Wissenschaft ist nicht frei von Eitelkeiten und nicht jeder der ausgegrenzt wird – was Heinsohn nebenbei gar nicht wurde, der war Prof in Bremen – oder von den Kollegen nicht gemocht wird, muss schlecht sein, zumal nicht jeder der Heinsohns Thesen kritisiert sie offenbar gelesen hat.

Aber davon an. Du erinnerst Dich an Samuel Huntington und sein Buch über den Clash der Zivilisationen? Ich hab’s mal gelesen, aber während Huntington sein Buch schon fertig hatte (dessen These war, dass insbesondere der Islam mit allen und überall im Clinch liegt), gab es eine Auswertung über die Gewalttaten der Tamilen, die Huntingtons These widersprach. Noch im Buch kassierte Huntington – redlicherweise – seine eigene These, nur war das Buch vom Verlag schon mit viel Tamtam angekündigt und so hat man dann irgendwo im hinteren Teil des Buch folgende dünne Sätze „versteckt“:
Samuel Huntington hat geschrieben:"Ein letzter und der wichtigste Punkt: Die Bevölkerungsexplosion in muslimischen Gesellschaften und das riesige Reservoir an oft beschäftigungslosen Männern zwischen 15 und 30 sind eine natürliche Quelle der Instabilität und der Gewalt innerhalb des Islam und gegen Nichtmuslime. Welche anderen Gründe auch sonst noch mitspielen mögen, dieser Faktor allein erklärt zu einem großen Teil die muslimische Gewalt der achtziger und neunziger Jahre." (Huntington, 1996, S. 433)

Huntington hat sich also beim Erscheinen seines Buches von seiner Kernthese distanziert, zugunsten des youth bulge.

Auch argumentiert Heinsohn keineswegs monokausal und sieht den youth bukge nicht als alleinige Erklärung für alles, er behauptet lediglich, dies sei ein starker Faktor und selbstverständlich gibt es dämpfende und fördernde Faktoren, niemand bestreitet das, am wenigsten Heinsohn selbst, bei dem ein ganzes Kapitel „Nicht nur youth bulges verursachen langwieriges Töten“ lautet.

Nanna hat geschrieben:Vergiss Heinsohn, der Mann ignoriert viel zu viele widerlegende Gegenbeispiele seiner Theorie (z.B. das friedliche Brasilien, das einen dicken youth bulge hat).


Nein, Brasilien hat überhaupt keinen youth bulge, der Grund ist, dass weder viele Kinder, noch eine große Bevölkerungszahl mit damit gemeint ist.
Ein youth bulge liegt dann vor, wenn mehr als 30% der Bevölkerung, unabhängig von deren Größe, im Alter zwischen 15 und 30 sind, von den großen Staaten verfügen gerade China, die USA und Brasilien nicht über einen youth bulge. Auch eine kräftige, aber gleichmäßig wachsende Bevölkerung muss keinen youth bulge haben und auch eine Dämpfung der Vitalität durch Hunger und AIDS kann das Gewaltpotential des youth bulge abschwächen.

Nanna hat geschrieben:Youth bulges sind natürlich eine Realität und sie haben auch Auswirkungen, aber sie tun ganz andere Sachen, als Heinsohn behauptet, und sie tun auch unterschiedliche in unterschiedlichen Kontexten. Allenfalls könnte man den Männerüberschuss als begünstigend für den europäischen Kolonialismus bezeichnen, ein hinreichender Faktor ist er nichtmal mit größtem Wohlwollen.


Er ist ein wichtiger Faktor, denn Europa – und nur Europa – hatte eine starken und andauernden youth bulge ungefähr von 1500 bis 1900. Ich habe auch schon mit anderen über dieses Thema gesprochen, da gibt es eine Fülle von Details, z.B. die technische Möglichkeit der Portugiesen, gegen den Wind zu segeln, die neu war, aber es bleibt m.E. ebenso faktisch richtig, wie nachvollziehbar, wenn Heinsohn sagt, dass auch die größten Hetzer Menschen brauchen, die ihnen folgen und dass es ein gewisses Potential an Menschen braucht, die zu Kühnheiten bereit sind – eben weil die angestammten sozialen Rollen oft nur für den erstgeborenen Sohn vorgesehen waren – und im Umkehrschluss ist es heute so, dass Mütter ihren einzigen Sohn (und oft genug das einzige Kind) nicht mehr ohne weiteres hergeben. Auch wenn eines von 7 oder 13 Kindern gestorben ist, wird die Familie damals getrauert haben, aber ich glaube der Unterschied ist menschlich nachvollziehbar.

Nanna hat geschrieben:Da werden in den Medien immer so halbgare Theorien verbreitet, die sich griffig wiedergeben lassen, aber wenig Analysekraft besitzen. Die Rentenhöhe ist z.B., auch wenn das in alarmistischen Artikeln immer wieder behauptet wird, nicht davon abhängig, wieviele junge Leute in einem Land leben, sondern wie viel Geld sie verdienen. Man muss schon immer genau hinschauen, was Zahlen hergeben und was nicht.


Heinsohn ist ja gar nicht von den Medien gehyped worden, im Gegenteil, haben sie ihn oft niedergeschrieben, der wohl prominenteste Fürsprecher ist Sloterdijk.

------------
Wie auch immer, das eigentliche Thema war ja der Zusammenhang zwischen Religiosität, Armut, Bildung und Bevölkerungswachstum.
Man hat ja innerhalb reicher Staaten (Schweiz, Deutschland) schon eine positive Korrelation zwischen Religiosität und Geburtenzahl statistisch nachgewiesen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Demografie ... er_Schweiz
Generell stimmt es, dass Bildung (vor allem der Frauen) und Kinderarmut positiv korrelieren, aber die Rechnung religiös = ungebildet geht eben für die Christen in Deutschland nicht auf.

Meine Grundthese ist schlicht, dass die Behauptung religiös wären die Leute deshalb, weil sie dumm und ungebildet, arm und verzweifelt sind und daher jedem billigen Heilsversprechen hinterherrennen nicht stimmt.
Und das ist eine Ansicht, die ich in solchen Diskussionen immer wieder höre, dass Religiöse im Grunde an den Weihnachtsmann glauben, nicht wissen, dass sich die Erde um die Sonne dreht und so weiter.
Und natürlich wird es seine Gründe haben, die außerhalb der Religion liegen, dass religiöse Menschen in Deutschland gebildeter und Wohlhabender sind als atheistische, aber dass es so ist, sollte man wenigstens zur Kenntnis nehmen.
Und wiederum ist niemand so naiv zu glauben (am wenigsten die Verfasser der Studie – ich bin bei Pfeiffer et al. – man kann das in der Zusammenfassung von Kap. 4 explizit nachlesen) einer Religion beizutreten würde schlagartig den IQ um 10 Punkte erhöhen.

Die andere These der ich wiedersprechen möchte, ist der monokausale Zusammenhang von Religion und Gewalt. In Mexiko, das im Gegensatz zu Brasilien ein youth bulge hat, tobt gerade ein blutiger Drogenkrieg der schon 10.000e Opfer forderte, die Aussage war, dass dort, wo viele junge Männer sind ein demographisches Gewaltpotential liegt, die Ideologie, politisch, religiös, rassistisch, nationalistisch wird als Legitimation nachgereicht.
Auch hier ist nachgewiesen, dass eine religiöse Einstellung gerade die Widerstandkraft gegen ungünstige Faktoren steigert – während andererseits aber die häusliche Gewalt zunimmt, bei den Evangelikalen exzessiv.
Dann wiederum habe ich den Vortrag von Kernberg verlinkt – mal einer der wissenschaftlich über jeden Zweifel erhaben ist –, in dem er die Einstellungsänderung der Psychologie/-analyse gegenüber Religion nachzeichnet. Traditionell war die Einstellung atheistisch bis religionsfeindlich, dies hat sich in den letzten Jahrzehnten radikal geändert, warum diese Änderung vollzogen wurde wird dort auch kausal erläutert.
Auch Habermas‘ Einstellungsänderung ist ja zu deutlich und ich glaube niemand der Kronzeugen ist irgendwie scharf auf religiösen Fundamentalismus, nur ist eben eine breite Veränderung im Gange, die man m.E. schwerlich ignorieren kann, gerade wenn man sich der Wissenschaft zurechnet.

Inwiefern man politisch heutige Kriege als religiös motiviert ansehen kann – Du studierst das Fach ja und weißt da im Zweifel viel besser bescheid – erscheint mir fragwürdig und redet einer Monokauslität das Wort mit der man mindestens die heutige Welt nicht mehr hinreichend erklären kann. Der Irak Krieg II sei ein Beispiel. Was haben wir nicht alles gelesen über die „wahren Ursachen“.
Der Junior, der den Vater rächen wollte, die Gier nach Öl, „Gottes Stimme“ die dem George W. jun. zuflüssterte den Irak anzugreifen, eine neokonservative Clique die ihre politisch-wirtschaftliche Einflusssphäre ausdehnen wollte und den Irakkrieg als Planspiel schon fertig hatte, der naive Glaube an irgendwelche Verstrickungen mit Al Kaida und Massenvernichtungswaffen und was nicht noch alles. Und es gibt wohl nicht „den Grund“ sondern immer ein Bündel von Faktoren.

Nanna hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:„Deutschland steht deshalb so schlecht da mit der Geburtenrate, weil die ostdeutschen Frauen keine Zukunftssicherheit haben und deshalb keine Kinder kriegen.“

Die Ostdeutschen sind ein historischer Sonderfall, den ich mir erstmal näher ansehen würde, bevor ich da griffige Thesen formuliere.


Das war ja nicht ich, sondern der Fokus.
Aber fast der gesamte Osten bis in die Ex-SU ist ja aktuell Weltmeister im Aussterben, Ostdeutschland ganz vorne. Aktuell kriegt eine ostdeutsche Frau glaube ich noch 1,0 Kinder.
Und klar, ergänzen sich da, je näher man hinschaut, immer mehrere Faktoren, wo wäre das auch nicht der Fall? Der Drogenkrieg in Mexiko ist sicher auch ein Sonderfall und warum Du Politik studierst wird auch ein Sonderfall sein, dennoch wirst Du bestimmte Statistiken erfüllen.
Ich bin überhaupt kein großer Fan von Statistiken – als Erklärung schon gar nicht – und weise immer wieder gerne darauf hin, dass man als Individuum eben ein Einzelfall oder Sonderfall ist und dass die 3 oder 10 bedeutendsten Ereignisse, an die man kurz vorm Sterben denken wird die waren, die abseits der Norm waren, unvorhergesehen, sonderbar, einzigartig usw.
Und wie gesagt, wir sind da ja in vielen Punkten (vermutlich sogar in der Mehrzahl) eher der gleichen Meinung bishin zu den „technischen Bereichen“ der Religion.

Die Antwort war jetzt etwas mosaikartig, ich hoffe dennoch, dass Du das eine andere andere Steinchen gebrauchen kannst.
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Re: Atheismus 2.0

Beitragvon Vollbreit » Di 22. Mai 2012, 11:13

Darth Nefarius hat geschrieben:Das sind sozioökonomische Probleme, der Wissenschaftler an sich will die effizienteste und (von den R)essourcen her) die billigste Methode entwickeln.


Die „Wissenschaft an sich“ ist eine Idealisierung die es möglicherweise mal gab und vielleicht in Bereichen noch gibt, die nicht mit Geld, Macht und Eitelkeiten verbunden ist. Ganz sicher nicht in den Bereichen in denen Du tätig bist, sofern sie sich mit der Wirtschaft überschneiden.
Je nach Mode sind auf einmal die Forschungsgelder weg und wenn Du das jetzt noch nicht weißt, wirst Du es spätestens erfahren, wenn Du mal in dem Bereich arbeitest.

Darth Nefarius hat geschrieben:Wenn die Politik Erfolge nicht würdigt, oder eine Gesellschaft etwas verschläft, ist das ein sozialer Rückschritt. Dem Forscher wird es niemals an Geld fehlen, wenn er im Bereich Medizin tätig ist, gerade in einer alternden Gesellschaft ist die Medizin äußerst wichtig.


Mit alten Menschen Geld zu verdienen ist äußerst wichtig, nicht sie gesund zu machen oder gut zu versorgen. Mit seltenen Krankheiten hast Du heute schon als junger Mensch Pech, wo kein Markt ist, ist dann auch keine „Wissenschaft an sich“ mehr da.
Ich habe schon mit einigen Forschern aus verschiedenen Bereichen gesprochen, einer forschte an transkranieller Magnetstimulation, war recht vielversprechend, die Nachfolgestudie fiel dann aus, weil zu der Zeit alles Geld in die Gentechnik gepumpt wurde.
Oder mit Leuten die an Hyperthermie (auch im Bereich Onkologie) forschen. Die haben richtig gute, valide Ergebnisse mehrerer Studien, ich fragte, ob dass denn nicht gefördert oder intensiviert wird und die Antwort war, dass momentan alles auf eine neue Chemotherapie abfährt, die noch kein einziges wissenschaftliches Resultat hervorgebracht hat, das belegen kann, dass sie überhaupt wirkt.

Darth Nefarius hat geschrieben:Einen Beitrag zu den Verzögerungen leisten die diversen Verbote, dennoch hat man mit miserablen Mitteln die embryonalen Stammzellen überflüssig werden lassen. Gentherapien werden vereinzelt angewendet, Langzeitstudien fehlen noch. Diese ist höchst umstritten, könnte aber den nächsten Quantensprung auslösen. Denerell gibt es tolle Ergebnisse in Laboren, die Anwendung wäre auch spektakulär, aber die Zulassungen sind eben beschränkt.


Das ist ein eigenes heikles Thema, das ich nicht mit drei Worten abhandeln will.
Die Potentiale sind sicherlich da, aber die Auswirkungen überragen die reine technische Seite der Forschung und greifen tief in Bereiche der menschlichen Ethik ein.
Die Nanotechnologie im Bereich der Medizin scheint – so wird zumindest dort behauptet – weniger gefährlich zu sein, als im Bereich der Technik und ich kenne selbst einige schöne Resultate aus dem Bereich: http://www.think-ing.de/index.php?node=4879
Unter „Nano!“ und „Zukunft“ sind für Interessierte einige der Möglichkeiten aufgeführt.

Es gibt m.E. zwei wichtige ethische Einwände:
Der eine ist der der Gefahr der Zerstörung. Man muss auf der einen Seite sehen, dass Forschung und Fortschritt immer ein Wagnis ist und hätten wir keine wagemutigen Vorfahren gehabt, wir würden heute noch auf den Bäumen hocken.
Hans Jonas spricht in seinem Buch „Das Prinzip Verantwortung“ davon, dass wir besonders mit den Techniken, die ein weltzerstörerisches Potential haben, extrem vorsichtig, pessimistisch und zurückhaltend umgehen sollten und diese Einstellung erscheint mir richtig zu sein.
Klar, die Mondlandung, der Kohlebergbau und die Entdeckung Amerikas waren auch gefährlich, aber nur für den engen Kreis der Wagemutigen. Bei einem Genunfall erheblichen Ausmaßes hat die gesamte Menschheit ein dickes Problem.

Der andere Punkt. Eingriffe in die Genstruktur könnten den Menschen, so wie wir ihn kennen, verändern. Das könnte dazu führen, dass es eine andere Spezies gibt, deren Bedürfnisse anders sind – vielleicht sind sie auch nur robuster – als der Rest der Menschheit. Gentechnische Veränderungen werden in erster Linie, im Rahmen der diversen Enhancement-Verfahren verwendet, um Leistungen zu steigern, beim Leistungssport und beim Militär. Fit, schmerzfrei, rücksichtslos und zielorientiert, das kann bei der tour de france und beim Häuserkampf ein Vorteil sein, gesamtgesellschaftlich wohl eher ein Alptraum.
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Re: Atheismus 2.0

Beitragvon Darth Nefarius » Di 22. Mai 2012, 13:20

Vollbreit hat geschrieben:Die „Wissenschaft an sich“ ist eine Idealisierung die es möglicherweise mal gab und vielleicht in Bereichen noch gibt, die nicht mit Geld, Macht und Eitelkeiten verbunden ist. Ganz sicher nicht in den Bereichen in denen Du tätig bist, sofern sie sich mit der Wirtschaft überschneiden.
Je nach Mode sind auf einmal die Forschungsgelder weg und wenn Du das jetzt noch nicht weißt, wirst Du es spätestens erfahren, wenn Du mal in dem Bereich arbeitest.

Diese Trends sind im großen weitaus beständiger als du denkst. Gerade ist Molekularbiologie der Hit, allerdings ist er das auch schon seit Jahrzehnten. Das beste Beispiel sind meine Professoren und Dozenten, die aus biologischen Tätigkeiten und Ausbildungen hin zur Molekularbiologie spezialisiert haben. Mittlerweile gibt es unter den Biologen nur noch die Ökos oder die, die sich in der Molekularbiologie auskennen, das ist nirgends mehr wegzudenken, ein Jahrhunderttrend. "Die Wissenschaft" ist eine sprachliche Vereinfachung. Ein guter Wissenschaftler denkt ökonomisch, das bedeutet, er wird mit Ressourcen (nicht nur Geld) möglichst effizient umgehen wollen, nur so wird er nötige Patente und Verträge abschließen können. Die ganze Welt läuft nach diesem Prinzip, es gibt dann zwangsweise Gewinner und Verlierer.
Vollbreit hat geschrieben:Mit alten Menschen Geld zu verdienen ist äußerst wichtig, nicht sie gesund zu machen oder gut zu versorgen. Mit seltenen Krankheiten hast Du heute schon als junger Mensch Pech, wo kein Markt ist, ist dann auch keine „Wissenschaft an sich“ mehr da.
Ich habe schon mit einigen Forschern aus verschiedenen Bereichen gesprochen, einer forschte an transkranieller Magnetstimulation, war recht vielversprechend, die Nachfolgestudie fiel dann aus, weil zu der Zeit alles Geld in die Gentechnik gepumpt wurde.
Oder mit Leuten die an Hyperthermie (auch im Bereich Onkologie) forschen. Die haben richtig gute, valide Ergebnisse mehrerer Studien, ich fragte, ob dass denn nicht gefördert oder intensiviert wird und die Antwort war, dass momentan alles auf eine neue Chemotherapie abfährt, die noch kein einziges wissenschaftliches Resultat hervorgebracht hat, das belegen kann, dass sie überhaupt wirkt.

Mich interessieren Nischenkrankheiten auch nicht, Krebs, AIDS und das Altern sind die letzten großen Krankheiten. Die Sodomie-Pandemien (wie ich sie nenne :mg: ) Hühner-/Schweine-/Vogelgrippe sind relativ gut unter Kontrolle, man bschäftigt sich schon im Vorfeld mit möglichen Neukombinationen (z.Bsp. im Kongo, wo ein aggressiver Fledermausvirus Probleme macht). Die Gentechnik ist der Legobaukasten für alles, in diese muss auch viel investiert werden. Ja, ich merke, ie sie beim UK darauf abfahren, ich persönlich denke, dass die Chemotherapie ihre besten Tage hinter sich hat, einige interessante Ansätze mit spezifischer Virenbehandlung der Geschwüre ist, meine ich, noch in den Kinderschuhen, aber klingt vielversprechend und wäre ohne die "böse Gentechnik" nicht möglich.
Vollbreit hat geschrieben:Die Potentiale sind sicherlich da, aber die Auswirkungen überragen die reine technische Seite der Forschung und greifen tief in Bereiche der menschlichen Ethik ein.

Ich halte nichts von Ethik, viele meinen, es sei die bessere Haltung, ein Leben zu erhalten, und dann 3 weitere sterben zu lassen. Ich sehe das nicht so und habe nicht diese Fähigkeit zu selektivem Mitleid.
Vollbreit hat geschrieben:Es gibt m.E. zwei wichtige ethische Einwände:
Der eine ist der der Gefahr der Zerstörung. Man muss auf der einen Seite sehen, dass Forschung und Fortschritt immer ein Wagnis ist und hätten wir keine wagemutigen Vorfahren gehabt, wir würden heute noch auf den Bäumen hocken.
Hans Jonas spricht in seinem Buch „Das Prinzip Verantwortung“ davon, dass wir besonders mit den Techniken, die ein weltzerstörerisches Potential haben, extrem vorsichtig, pessimistisch und zurückhaltend umgehen sollten und diese Einstellung erscheint mir richtig zu sein.
Klar, die Mondlandung, der Kohlebergbau und die Entdeckung Amerikas waren auch gefährlich, aber nur für den engen Kreis der Wagemutigen. Bei einem Genunfall erheblichen Ausmaßes hat die gesamte Menschheit ein dickes Problem.

Die Relativitätstheorie und die Quantenmechanik kannst du dann auch miteinordnen. Das sind Bereiche, die das Potential haben, zu zerstören, denen wir aber viel zu verdanken haben, wie unsere neueste Technologie. Ich halte so eine Relativierung für ungeeignet, Angst sollte nicht der Gegenspieler der Neugier sein, die Vorsicht muss rational sein. Wenn du die richtigen Leute findest, werden sie aus allem eine Gefahr machen können.
Vollbreit hat geschrieben:Der andere Punkt. Eingriffe in die Genstruktur könnten den Menschen, so wie wir ihn kennen, verändern. Das könnte dazu führen, dass es eine andere Spezies gibt, deren Bedürfnisse anders sind – vielleicht sind sie auch nur robuster – als der Rest der Menschheit. Gentechnische Veränderungen werden in erster Linie, im Rahmen der diversen Enhancement-Verfahren verwendet, um Leistungen zu steigern, beim Leistungssport und beim Militär. Fit, schmerzfrei, rücksichtslos und zielorientiert, das kann bei der tour de france und beim Häuserkampf ein Vorteil sein, gesamtgesellschaftlich wohl eher ein Alptraum.

Genau das ist mein Wunsch, die Ändeung des Menschen in seiner Basis. Ich sehe darin keinen Alptraum, nur für diejenigen, die nicht zu der "neuen Spezies" gehören würden. Abgesehen davon müssen es nicht solche Sachen sein, die Behandlung von Erbkrankheiten wäre eine Stufe vor der Optimierung. Was wäre denn an dem Aussterben der Erbkrankheiten ein Alptraum? Ich persönlich halte meine Fähigkeiten und Prädispositionen als Mensch für verbesserungswürdig, wenn es tatsächlich mal zur Möglichkeit kommen wird (sehr wahrscheinlich), sich genetisch zu optimieren, würde ich es tun.
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Re: Atheismus 2.0

Beitragvon Vollbreit » Di 22. Mai 2012, 15:19

Darth Nefarius hat geschrieben:Ein guter Wissenschaftler denkt ökonomisch, das bedeutet, er wird mit Ressourcen (nicht nur Geld) möglichst effizient umgehen wollen, nur so wird er nötige Patente und Verträge abschließen können. Die ganze Welt läuft nach diesem Prinzip, es gibt dann zwangsweise Gewinner und Verlierer.


Jojo, schon klar.

Darth Nefarius hat geschrieben:Mich interessieren Nischenkrankheiten auch nicht, Krebs, AIDS und das Altern sind die letzten großen Krankheiten.


Och, da fielen mir noch ein paar mehr ein, aber egal.
Und das Altern als Krankheit zu sehen, naja.

Darth Nefarius hat geschrieben:Die Gentechnik ist der Legobaukasten für alles, in diese muss auch viel investiert werden. Ja, ich merke, ie sie beim UK darauf abfahren, ich persönlich denke, dass die Chemotherapie ihre besten Tage hinter sich hat, einige interessante Ansätze mit spezifischer Virenbehandlung der Geschwüre ist, meine ich, noch in den Kinderschuhen, aber klingt vielversprechend und wäre ohne die "böse Gentechnik" nicht möglich.


Und was hat man erreicht?

Darth Nefarius hat geschrieben:Ich halte nichts von Ethik, viele meinen, es sei die bessere Haltung, ein Leben zu erhalten, und dann 3 weitere sterben zu lassen. Ich sehe das nicht so und habe nicht diese Fähigkeit zu selektivem Mitleid.


War mir schon klar und nicht wenige aus Deiner Branche sind so.
Ist das beste Argument, ihnen möglichst wenig gesellschaftlichen Einfluss zu geben.

Darth Nefarius hat geschrieben:Die Relativitätstheorie und die Quantenmechanik kannst du dann auch miteinordnen. Das sind Bereiche, die das Potential haben, zu zerstören, denen wir aber viel zu verdanken haben, wie unsere neueste Technologie. Ich halte so eine Relativierung für ungeeignet, Angst sollte nicht der Gegenspieler der Neugier sein, die Vorsicht muss rational sein. Wenn du die richtigen Leute findest, werden sie aus allem eine Gefahr machen können.


Was bitte soll an diesen Theorien gefährlich sein?
Du meinst vielleicht die Atomenergie, ja, da sollte man aufpassen, bei der Gentechnik noch mehr.

Darth Nefarius hat geschrieben:Genau das ist mein Wunsch, die Ändeung des Menschen in seiner Basis.


Ja, und mein Wunsch ist es, dass das möglichst nicht geschieht, da die Auswirkungen nicht absehbar sind und Leute wie Du noch nicht mal verstehen, wo das Problem liegen könnte. Beide dürfen wir diese Wünsche haben und äußern.

Darth Nefarius hat geschrieben:Ich sehe darin keinen Alptraum, nur für diejenigen, die nicht zu der "neuen Spezies" gehören würden.


Jo, wo gehobelt wird, da fallen eben Späne, nicht?
Früher nannte man die „neue Spezies“ „Herrenrasse“, der Geist war derselbe.

Darth Nefarius hat geschrieben:Abgesehen davon müssen es nicht solche Sachen sein, die Behandlung von Erbkrankheiten wäre eine Stufe vor der Optimierung.


Geschieht natürlich immer nur selektiv und zum „Guten“ nicht?
Andererseits hältst Du nichts von Ethik und denkst die Welt sei ein komplett egoistisches Spiel. Das zusammen ist dann etwas unglaubwürdig.

Darth Nefarius hat geschrieben: Was wäre denn an dem Aussterben der Erbkrankheiten ein Alptraum?


Du willst mir aber jetzt nicht wirklich mit so einer Argumentation aus der Super-Sonderangebot kommen…?

Darth Nefarius hat geschrieben:Ich persönlich halte meine Fähigkeiten und Prädispositionen als Mensch für verbesserungswürdig, wenn es tatsächlich mal zur Möglichkeit kommen wird (sehr wahrscheinlich), sich genetisch zu optimieren, würde ich es tun.


Und darum gibt er klügere Menschen als Dich und Deinesgleichen, die Euch gesetzlich den Riegel vorschieben, was wenigstens hier einigermaßen gelingt. Bleibt zu hoffen, dass sich durch die lebensüblichen Enttäuschungen auch Dein Narzissmus auswächst, nicht zuletzt auch damit Du ein anständiges Leben führen kannst.
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Re: Atheismus 2.0

Beitragvon laie » Di 22. Mai 2012, 15:40

Darth Nefarius hat geschrieben:Genau das ist mein Wunsch, die Ändeung des Menschen in seiner Basis. Ich sehe darin keinen Alptraum, nur für diejenigen, die nicht zu der "neuen Spezies" gehören würden. Abgesehen davon müssen es nicht solche Sachen sein, die Behandlung von Erbkrankheiten wäre eine Stufe vor der Optimierung. Was wäre denn an dem Aussterben der Erbkrankheiten ein Alptraum? Ich persönlich halte meine Fähigkeiten und Prädispositionen als Mensch für verbesserungswürdig, wenn es tatsächlich mal zur Möglichkeit kommen wird (sehr wahrscheinlich), sich genetisch zu optimieren, würde ich es tun.


Uiuiui.... "zäh wie Leder, hart wie Kruppstahl, schnell wie Windhunde", da war doch mal was. Sag, du stehst nicht zufällig nationalsozialistischem Gedankengut nahe? Und wie ist es mit dem Rest deiner Kommilitonen? Und dem Lehrkörper bei euch? Da wird einem ja schwindlig....
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Re: Atheismus 2.0

Beitragvon Darth Nefarius » Di 22. Mai 2012, 15:55

Vollbreit hat geschrieben:Och, da fielen mir noch ein paar mehr ein, aber egal.
Und das Altern als Krankheit zu sehen, naja.

Natürlich gibt es noch einiges, wie MS, Demenz und diverse Andere. Es wird diesen Betätigungsfeldern niemals an Geld fehlen. Das Altern als krankheit zu sehen hat schon seine Berechtigung, es ist ein nicht erstrebenswerter Zustand, der mit vielen Folgekrankheiten verbunden ist und den Lebensstil beeinträchtigt. Ich persönlich empfand den Zustand vieler alter Menschen als ziemlich grausam, soetwas muss ein Ende haben.
Vollbreit hat geschrieben:Und was hat man erreicht?

Einiges, eine Reportage auf 3Sat hat neulich die Fortschritte in Sachen Medizin vorgestellt, ein Junge mit einer Erbkrankheit hätte ohne Gentherapie nichtmal erwachsen werden können, abgesehen davon, dass sein leben eine Qual war. Jetzt kann er durch modifizierte, körpereigene Stammzellen wie jeder andere leben und wird vorraussichtlich auch alt (es gibt natürlich noch das Risiko der Leukämie, aber das war im Anbetracht des Zustandes das geringere Übel). Es laufen einige Versuche mit einem gewissen Stoff und seinen synthetischen Derivaten, Reservatrol. Vielversprechend.
Vollbreit hat geschrieben:War mir schon klar und nicht wenige aus Deiner Branche sind so.
Ist das beste Argument, ihnen möglichst wenig gesellschaftlichen Einfluss zu geben.

Inwiefern ist das ein Argument? Nur weil ich dieser primitiven Doktrin nicht folge oder andere genausowenig? Abgesehen davon ist es nicht unbedingt jemandes Entscheidung, ob "sie" keinen gesellschaftlichen Einfluss bekommen, Leute wie ich wissen, wie man an das rankommt, was man will.
Vollbreit hat geschrieben:Was bitte soll an diesen Theorien gefährlich sein?
Du meinst vielleicht die Atomenergie, ja, da sollte man aufpassen, bei der Gentechnik noch mehr.

Ja, die Atomenergie (dann auch Atombomben). Aber auch die extrem leistungsfähigen Computer, die nur durch besonderes Wissen so gut funktionieren und z.Bsp. die virtuelle Weltwirtschaft beschleunigten.
Vollbreit hat geschrieben:Ja, und mein Wunsch ist es, dass das möglichst nicht geschieht, da die Auswirkungen nicht absehbar sind und Leute wie Du noch nicht mal verstehen, wo das Problem liegen könnte. Beide dürfen wir diese Wünsche haben und äußern.

Natürlich dürfen wir das, du hast nur deinen so geäußert, als könne man keinen anderen haben. Ich kann mir vieles wünschen, aber warum sollte das jemanden interessieren? Das trägt nicht zur Diskussion bei, deswegen habe ich deinem meinen Wunsch entgegengestellt. Die Auswirkungen sind absehbar, besser für einen, der sich mit der Materie auskennt, als für andere. Du hast sicherlich Angst vor horizontalem Gentransfer, immune Krankheiten und Biowaffen, sowie eine Art Morlok-Ileu-Gesellschaft. Gentechniker und Molekularbiologen sind keine Narren.
Vollbreit hat geschrieben:Jo, wo gehobelt wird, da fallen eben Späne, nicht?
Früher nannte man die „neue Spezies“ „Herrenrasse“, der Geist war derselbe.

Nein, soetwas nannten diejenigen "Herrenrasse, die andere vernichten wollten, ich habe keine solche Absichten. Ich denke eher an soetwas wie den Übermenschen, daraus leite ich keine Gewalt ab, nur Überlegenheit, die nützlich verwendet werden sollte (also auch zum Wohle einer organismusähnlichen Gesellschaft). Menschen waren ohnehin niemals gleich, der Wunsch danach führt immer zur Gleichmacherei, ein großes und ungerechtes Übel.
[quote"Vollbreit"]Geschieht natürlich immer nur selektiv und zum „Guten“ nicht?
Andererseits hältst Du nichts von Ethik und denkst die Welt sei ein komplett egoistisches Spiel. Das zusammen ist dann etwas unglaubwürdig. [/quote]
Das Gute gibt es nicht, sofern jemand das verständliche Bedürfnis hat, eine Schwäche in Form einer Erbkrankheit loszuwerden, böte eine solche Technologie das adäquate Mittel. Unter Optimierung verstehe ich Funktionalität und Reparatur. Ganz speziell meine ich "loss-of-function"-Mutationen; du wirst mir eher nicht widersprechen, dass eine Reparatur eine Optimierung ist? Ich widerspreche mir nicht, mit "dem Guten" habe ich nicht argumentiert.
Vollbreit hat geschrieben:Du willst mir aber jetzt nicht wirklich mit so einer Argumentation aus der Super-Sonderangebot kommen…?

in 10-15 Jahren vielleicht, wenn alles so weit ist.
Vollbreit hat geschrieben:Und darum gibt er klügere Menschen als Dich und Deinesgleichen, die Euch gesetzlich den Riegel vorschieben, was wenigstens hier einigermaßen gelingt. Bleibt zu hoffen, dass sich durch die lebensüblichen Enttäuschungen auch Dein Narzissmus auswächst, nicht zuletzt auch damit Du ein anständiges Leben führen kannst.

Nein, es gibt Menschen, die sich vor anderen fürchten. Es gelingt den tatsächlich Klügeren immer, ein Schlupfloch zu finden, das Ausbremsen, ein Grundgedanke von Traditionalisten (wie sie in Kirchen oft zu finden waren und sind) ist keine Eigenschaft der Klügeren. Willst du vielleicht noch eine hexenjagd veranstalten? Mittlerweile würden Vorwürfe aus dem Mittelalter sogar greifen. Ich hatte schon einige Enttäuschungen, mehr als die meisten im gleichen Zeitraum, dennoch mache ich weiter, ich fürchte fast, dein Wunsch geht nicht in Erfüllung. Ich hatte nie viel übrig für "Anstand", oder Leute, die mit ihr argumentierten und dann widerwertiges taten.
laie hat geschrieben:Uiuiui.... "zäh wie Leder, hart wie Kruppstahl, schnell wie Windhunde", da war doch mal was. Sag, du stehst nicht zufällig nationalsozialistischem Gedankengut nahe? Und wie ist es mit dem Rest deiner Kommilitonen? Und dem Lehrkörper bei euch? Da wird einem ja schwindlig....

Wenn du meine Kommentare kennen würdest, hättest du gewusst, dass ich diesem Gedankengut so wenig nahestehe, wie Dawkins dem Papst. Meistens nehme ich (selbst zu meiner Überraschung) eher eine linke Position ein, meistens eine liberale.
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Re: Atheismus 2.0

Beitragvon laie » Di 22. Mai 2012, 16:06

@Darth Nefarius

na dann... bin ich beruhigt Biedermann und die Brandstifter
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