Verlangt Diskurs nach Resultat?

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Re: Verlangt Diskurs nach Resultat?

Beitragvon Nanna » Mo 15. Okt 2012, 23:00

@Lumen:
Bist du sicher, dass du hier jemanden überzeugen musst, dass es keinen Gott im essentiellen Sinne gibt? Ich meine, wenn Vollbreit und ich mit dem Konzept der Religion spielen, dann doch nicht, weil wir die Existenz Gottes für möglich halten, sondern weil uns interessiert, wie religiöse Systeme funktionieren und was sie mit einer Gesellschaft machen. Die Gottesfrage ist für uns beide, denke ich, hinreichend geklärt, da sind wir schon lang drüber hinweg. Ich will nur sicher sein, dass das bei dir angekommen ist, weil ich das Gefühl nicht loswerde, dass du den Drang verspürst, uns davon überzeugen zu müssen, dass Religion keine Grundlage bezüglich der Gottesexistenz hat. Das wissen alle hier, aber für die Existenz der Religion hat das nunmal keinerlei direkte Konsequenzen und das ist doch genau das, wo es spannend wird.
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Re: Verlangt Diskurs nach Resultat?

Beitragvon Lumen » Mo 15. Okt 2012, 23:29

Wenn es umstrittene Beispiele wären, wären es eher schlechte Beispiele. Also nein, das glaube ich nicht. Wobei Vollbreit ist laut eigenem Bekunden der Mystik zugeneigt und der eine oder andere hier hat ein Flip-Flop Denken das entweder Szientismus unterstellt, oder bei Hinweis auf die provisorische Natur wissenschaftlicher Erkenntnisse dann direkt gleich jedweden Unsinn gedeckt sieht.
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Re: Verlangt Diskurs nach Resultat?

Beitragvon Nanna » Di 16. Okt 2012, 01:12

Ich glaube, Vollbreit und ich reden hier insgesamt relativ wenig darüber, ob religiöse Kosmologien wissenschaftlichen Wahrheitsgehalt besitzen. Der Punkt, der uns mehr interessiert, ist der, welche Funktion Religion als soziales System erfüllt und wie es da bei verschiedenen Spielarten mit dem Kosten-Nutzen-Verhältnis aussieht. Wir sind, glaube ich, beide der Ansicht, dass Religion als soziales Korrektiv und sozialer Stabilisator unter bestimmten Bedingungen durchaus funktionieren kann oder zumindest bestimmte Vorteile gegenüber einer philosophischen Weltsicht hat, ganz zuforderst wohl den, dass letztere schwer breitenvermittelbar ist (der simplifizierende Vulgärrationalismus, der regelmäßig in sarrazinesker Form durch die Kommentarspalten schwappt, qualifiziert sich da nicht) und die gebildeten Schichten der Religiösen durch das stärkere soziale Netz viel mehr nach unten durchreichen können, nicht nur im Guten allerdings, was Religion zu einem gefährlichen Spielzeug macht. Aber das sind Chemielabore und Kernreaktoren auch, trotz naturalistischer Nutzung.
Ich weiß nicht, ob ich da auch für Vollbreit spreche, aber ich empfinde eine innerlich starre Abwehrhaltung gegenüber Religion mittlerweile eher als Hemmnis denn als Schutz. Klar braucht man Distanz zum Gegenstand, aber man muss auch in aller Ruhe mit ihm spielen können, sonst wird's langweilig und dann geht der Forschungsdrang flöten. Mal ganz davon abgesehen, dass ich mehr darüber herausfinden möchte, wie religiöse Systeme intern funktionieren und warum sie attraktiv für manche Menschen sind, bin ich auch nach wie vor der Ansicht, dass Dialog immer die bessere Alternative zur Ausgrenzung ist, sofern die Gegenseite zum Gespräch bereit ist. Ich finde es spannender, das Gemeinsame zu suchen, anstatt dauernd das Trennende zu betonen und Gräben zu graben - was ja nicht heißt, dass man deshalb plötzlich mit jedem Andersdenkenden kuscheln muss.
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Re: Verlangt Diskurs nach Resultat?

Beitragvon stine » Di 16. Okt 2012, 07:14

Singer sollte seine Sprache in der Kinderkrippe lernen. Die ganz Kleinen erkennen zu Anfang auch nicht ihr Ich.
"Peter Keks!" mit ausgestreckten Händchen heisst: Peter sagt: "Ich möchte bitte einen Keks haben!"
Heißt nichts anderes, als dass der Kleine, den Peter schon kennt und seine Bedürfnisse auch, aber beides noch nicht in das Ich vereinen kann. Die Sprache Singers ist also eine Kleinkindersprache und ihre Anwendung wäre eine Rückentwicklung in unsere Kleinkinderzeit.
Hieße, das erlerente Selbstbewusstsein wieder ablegen.

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Re: Verlangt Diskurs nach Resultat?

Beitragvon Vollbreit » Di 16. Okt 2012, 08:40

Lumen hat geschrieben:Das Problem ist, dass die Wirklichkeit die Häppchen nicht kennt, in die unsere Wahrnehmung sie einteilen möchte. In Wirklichkeit gibt es keine Planeten und auch keine Bäume. Für uns existiert etwas nur dann, wenn wir ein Etikett drangeklebt haben und es damit verarbeitbar wird.


Gut nachvollziehbar, was Du meinst.
Die Wirklichkeit kennt noch nicht mal „die Wirklichkeit“ und als gedachte Gesamtheit von allem kennt sie – sollten die Ideen des Naturalismus stimmen – nichts.

Dennoch hängen wir da drin, weil Wirklichkeit eben auch nichts ist, an dem wir nicht immer schon teilnehmen würden. Dies zu behaupten (dass wir außerhalb stünden), ist die Wurzel des Dualismus.

Lumen hat geschrieben:Es ist offenbar entweder garnicht oder nur sehr umständlich möglich, den Etikettierungsmechanismus abzustellen, was nach meiner Einschätzung ein Teil der Zen-Tradition ausmacht.


Ja, da ist mit Sicherheit was dran.

Lumen hat geschrieben:Unser Sinne sehen sehr wohl das Kontinuum, dass die Wirklichkeit darstellt, aber wir können bewusst damit nichts anfangen.


Und oft sehen sie es noch nicht mal, denk an das Volk, das nur bis zwei zählen kann, ob drei oder fünf, das sehen sie buchstäblich nicht.

Lumen hat geschrieben:Hierzu gibt es Studien von Menschen, die durch Krankheit oder Unfall Teile der Funktionsfähigkeit des Gehirns verloren haben.


Ja, ich finde das auch hoch spannend.

Lumen hat geschrieben:Auf der anderen Seite können wir sinnvoller Weise davon ausgehen, dass diese Wirklichkeit vorhanden ist und dass sie für alle Menschen gleich ist.


Nein, gewiss ist sie nicht für alle Menschen gleich.
Ich kann 5 und 7 unterscheiden, auch wenn es sich um die Zahl der Punkte auf einem Käfer handelt.

Du verfällst da dem, was Sellars den „Mythos des Gegebenen“ nennt. Sellars ist Naturalist und sieht die Naturwissenschaften als überragend zur Erkenntnisgewinnung an, insofern, keiner aus dem „falschen“ Lager.

Lumen hat geschrieben:Wir können auch sinnvoller Weise annehmen, dass der Wahrnehmungsapparat bei Menschen im wesentlichen identisch ist, und somit alle Menschen vergleichweise ähnliche Wahrnehmung haben.


Das ist eine andere Aussage und der würde ich unbedingt zustimmen.

Lumen hat geschrieben:Bisweilen gibt es noch den Einwand, dass wir durch Sprache und Kultur eine andere Wirklichkeit sehen…


Ja, dem kann ich mich anschließen.

Lumen hat geschrieben:Ein mittelalterlicher Mensch war nicht denkunfähig oder irrational (im Gegenteil), sondern sein Wissen hatte eine bestimmte Beschaffenheit (und bestimmte Grenzen), und somit auch seine Schlussfolgerungen.


Völlig richtig. Das meine ich auch, wenn ich schreibe, dass man Rationalität auch braucht um archaische, magische oder mythische Weltbilder zu konzipieren. Irrational ist der Glaube an Geister oder Götter also keinesfalls, ganz im Gegenteil.

Lumen hat geschrieben:Wenn Leute denken, dass die Welt an den Strippen höherer Mächte hängt, ist das zunächst eine rationale Leistung, diese höheren Mächte näher zu bestimmen und festzustellen, wie sie sein müssten, damit die Welt, wie sie wahrgenommen wird, sinnvoll erscheint (innerhalb eines solchen Systems ist es auch rational, durch bestimmte Handlungen wie ein Gerichtsurteil, das System zu seinen Gunsten beeinflussen zu wollen).


Jepp.

Lumen hat geschrieben:Heute haben wir ein fortgeschrittenes Wissen und das ist sicherlich näher dran an der "Wahrheit", als dämonische Mächte die durch Zauberey ein Acker mit Egerlingen plagen.


Haben wir, hängen aber mit einem Teil immer noch in der Vergangenheit.
So wie man häufig sagt, dass wir im Grunde noch die körperlichen Bedürfnisse eines Steinzeitmenschen haben, so sind unsere Affekte auch nicht viel weiter.
Unser modernster und anpassungsfähigster Teil ist unser Denkvermögen, doch der spielt eben nicht immer jene dominante Rolle, von der wir gerne hätten, dass er sie spielen sollte.

Lumen hat geschrieben:Also, lange Rede, kurzer Sinn: nein, sprechende Schlangen gab es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nur in Fabeln und anderen Geschichten.


Ich glaube auch nicht, dass es je sprechende Schlangen gegeben hat.
Aber dennoch kann man daraus keine Gewissheit keltern.

Lumen hat geschrieben:Man kann einen Zug auch heute noch als eine Art eisernes Ungetüm sehen, aber dann hat die Person einfach nur ein anderes Repräsentationssystems (inkl. Sprache), wobei die Wirklichkeit (der Zug ist "wirklich" vorhanden, die im ersten Absatz einzogenen grundlegenden Schwierigkeiten einbezogen) für beide dennoch gleich ist.


Nein, das ist er nicht. Es gibt eben keine reine Wahrnehmung, losgelöst von Begriffen. Für uns mit Sicherheit nicht, das ist seit Kant gewiss. Vielleicht kann man diese für einen sehr kurzen Moment erreichen, wenn man jahrelang Zen macht, was aber nur zeigen würde, wie erheblich der Aufwand ist, dort hinzukommen und dass unser Alltagsbewusstsein eben ein anderes ist.

Lumen hat geschrieben:Ergo, es gibt faktisch gesehen keinen biblischen Gott.


Dass man diese Frage schlicht nicht beantworten kann, ist ebenfalls seit Kant klar.

Wie dieser Schluss zustande kommt, ist mir obendrein auch nicht ganz klar.
Weil für die einen ein Zug ein Monster ist und für die anderen ein Fortbewegungsmittel, gibt es keinen Gott?

Lumen hat geschrieben:Aber man kann als Beispiel das Konzept des Universums mit dem Konzept der Natur als Summe, mit der Idee des Zeitgeists verrühren und dann "Gott" nennen.


Klar, bleibt aber ebenso schwammig und ungeklärt.
Wie gesagt, was Natur, Universum und Zeitgeist genau ist, weiß ja kein Mensch.

Lumen hat geschrieben:Diesen Gott gibt es dann irgendwie, aber evidenterweise sind "ihm" dann Kirchen und Gebete egal, entsprechend ist diese Vorstellung so oder so falsch.


Wie sich aus der Summe von drei ungeklärten Begriffen Evidenzen ergeben ist mir auch nicht ganz klar. Wenn das Spaghetti-Monster auf Hui Buh und Frau Holle trifft, wird evidenterweise kein Glühpunsch getrunken.

Das Problem ist und bleibt schlicht, dass Du an einigen Stellen, ganz technisch gesehen, falsche Schlüsse ziehst, bzw. es sind gar keine.
Da hilft ein langer Anlauf von interessanten, fein beobachteten und m.E. sehr gut geschlossenen Richtigkeiten auch nicht weiter, weil sie das nicht kompensieren können.
Du übergehst da einfach ein paar Prämissen.

Was erwartest Du da ernsthaft? Dass Du nach 10 richtigen Beschreibungen auch mal einen gut hast?
Schau, ich kann mich einfühlen, lese Campbell, verstehe Zen (und vermutlich noch jede Menge mehr), da darf ich auch mal einen raushauen?
Nun, ich bin nicht die Instanz, die Dir das zubilligt oder abspricht (aber ein Teil von ihr), aber Du kannst Dich im Sinne Kants fragen, ob Du wollen kannst, dass das zur allgemeinen Prämisse wird. Wenn das gelten soll, muss es für alle gelten. Wenn also ein religiöser Fanatiker einen kenntnisreichen Vortrag über künstliche Intelligenz hält, in den er virtuos seine ebenfalls beeindruckenden Kenntnisse über Philosophie des Bewusstseins und biologische Evolution einflicht, darf er dann am Ende einen dicken Strich drunter ziehen und sagen: „Und weil Computer Kunstprodukte des Menschen sind und Descartes Subjektphilosophie widerlegt ist und Hirnforscher heute wissen, dass das Gehirn nicht starr ist, sondern über Neuroplastizität verfügt, gibt es zweifelsfrei Gott.“? Die vermeintlichen Prämissen sind alle richtig, haben nur nichts miteinander zu tun und auch die Konklusion ist daher nur eine Scheinkonklusion.

Die Erde ist rund.
Nadelbäume bleiben auch im Winter grün.
Für einen Pudding braucht man Stärke.
------------
Ergo: Es ist nahezu sicher davon auszugehen, dass der nächste Frühling kommen wird.

Alle Prämissen sind richtig, auch das was als Konklusion dasteht ist richtig, nur hat das alles nichts miteinander zu tun, weil aus der Nebeneinanderstellung von drei Richtigkeiten noch kein logischer Schluss folgt. Das wäre meine Kritik.


PS:

@ ganimed, Nanna, stine und noch mal Lumen:

Ich habe leider aktuell keine Zeit, freue mich aber, dass die Diskussion gerade konstruktiv fortschreitet und werde meine Bermerkungen nachreichen.
Nannas Ausführungen kann ich mich nahezu vollständig (habe sie nur überfliegen können) anschließen.
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Re: Verlangt Diskurs nach Resultat?

Beitragvon Lumen » Di 16. Okt 2012, 12:03

Vollbreit hat geschrieben:(...) Was erwartest Du da ernsthaft? Dass Du nach 10 richtigen Beschreibungen auch mal einen gut hast? Schau, ich kann mich einfühlen, lese Campbell, verstehe Zen (und vermutlich noch jede Menge mehr), da darf ich auch mal einen raushauen? Nun, ich bin nicht die Instanz, die Dir das zubilligt oder abspricht (aber ein Teil von ihr), aber Du kannst Dich im Sinne Kants fragen, ob Du wollen kannst, dass das zur allgemeinen Prämisse wird. Wenn das gelten soll, muss es für alle gelten. Wenn also ein religiöser Fanatiker einen kenntnisreichen Vortrag über künstliche Intelligenz hält, in den er virtuos seine ebenfalls beeindruckenden Kenntnisse über Philosophie des Bewusstseins und biologische Evolution einflicht, darf er dann am Ende einen dicken Strich drunter ziehen und sagen: „Und weil Computer Kunstprodukte des Menschen sind und Descartes Subjektphilosophie widerlegt ist und Hirnforscher heute wissen, dass das Gehirn nicht starr ist, sondern über Neuroplastizität verfügt, gibt es zweifelsfrei Gott.“? Die vermeintlichen Prämissen sind alle richtig, haben nur nichts miteinander zu tun und auch die Konklusion ist daher nur eine Scheinkonklusion.

Die Erde ist rund.
Nadelbäume bleiben auch im Winter grün.
Für einen Pudding braucht man Stärke.
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Ergo: Es ist nahezu sicher davon auszugehen, dass der nächste Frühling kommen wird. Alle Prämissen sind richtig, auch das was als Konklusion dasteht ist richtig, nur hat das alles nichts miteinander zu tun, weil aus der Nebeneinanderstellung von drei Richtigkeiten noch kein logischer Schluss folgt. Das wäre meine Kritik.


Das ist zu einem Teil wieder irgendeine persönliche Schiene, die ich nicht nachvollziehen kann. Unten sehen wir dann eine offensichtliche Demonstration von non sequitur ("daraus folgt nicht"), also wäre das ein Strohmann. Was du damit erhoffst, zu belegen, ist mir nicht klar. Angeblich kennst du die ganzen Argumente ja bereits, also wundert mich, warum du damit dann nicht klar kommst. Also es wundert mich nicht wirklich, denn das ist ja dein Stil (was ich mit dem schönen englischen Begriff "to stall" belegt hatte). Das illustriert auch den Inhalt ganz gut. Zur Erinnerung, es gib um sprachliche Wirklichkeiten: Bei verschiedenen Sprachen sind Begriffe zueinander nicht isomorph, das heißt, sie entsprechen sich nicht im exakt mathematischem Sinne. Selbst leicht übersetzbare Begriffe haben unterschiedliche Konnotationen ("das was mitschwingt"), und teilweise sitzt ein Begriff einer Fremdsprache sozusagen zwischen zwei anderen Begriffen in einer anderen Sprache und hat teils Konnotationen von beiden. Der Begriff "stall" ist übersetzbar, aber ich würde ihn jeder Übersetzung vorziehen, denn er passt besser, als die Übersetzung, wo genau diese Konnotationen fehlen. Konzepte entstehen mE nach aus der Verknüpfung im Prinzip beliebiger Inhalte zu neuen Gebilden. Wörter, sowohl schriftlich als auch phonetisch, haben meistens Symbolcharakter, was das unterstützt. Ich kann jetzt sagen, dass ich Schreibtischlampen mit nacktem Leuchtmittel, also ohne jeglichen Lampenschirm, an denen ein Duftbäumchen hängt "Hurxelipurxeli" nenne. Ich kann dann die Frage stellen, ob deine Schreibtischlampe Hurxelpurxeli-Qualität besitzt, oder nicht (Zen-Buddhisten fragen andauernd nach der Buddha-Natur, wobei diese dazu noch paradox ist). Das heißt, natürlich können Leute auf diese Weise eine "andere Perspektive" einnehmen, weil sie durch Sprache und ihr denken in anderen Konnotationen und Kontexten denken können. Es ist zum Beispiel wahr, dass man niemals zweimal in den gleichen Fluss steigen kann, um ein halbwegs geläufiges Beispiel für diese Arten von Sichtweisen zu nehmen.

Der Punkt ist aber, dass egal wie man es dreht und wendet, niemand hat jemals eine Gottheit wirklich studiert (ein Gegenstand der gar nicht existiert, kann nicht studiert werden) und eine Liste der Eigenschaften parat und kann sie auch niemals in einer konsistenten Weise verknüpfen oder jemanden von der Richtigkeit überzeugen. Weshalb das Mittel der Wahl die Indoktrination von Kindern ist, und Religionen relativ strikt orts- und zeitgebunden sind (in Haithabu vor 1000 Jahren waren die Leute keine Protestanten...). Außerdem kann niemand den selben Gott oder dieselbe Religion unabhängig voneinander "finden". Bei Campell kann man dann lesen, dass Menschen aber bestimmte universale Erfahrungen machen und diese sich auch in Kultur und Religion ausdrücken, Geburt und Tod, Kreisläufe der Natur, Erwachsenwerden, die sich Verändernde Rolle der Eltern und zu den Älteren, Bewältigung von Trauer, Zorn usw. Ich kann Leuten, denen die Aussage, dass man niemals zweimal in den gleichen Fluss steigen kann, verständlich und nachvollziehbar machen (das Wasser fließt weiter, somit ist der Fluss einer ständigen Veränderung unterworfen, somit...). Ich kann aber niemanden dazu bringen, die Dreifaltigkeit nachzuvollziehen. Und geht man diesen Strang weiter, dann müssen Religionen, auch die christliche, irgendwann und irgendwie in die Welt gekommen sein und zwar durch eine Quelle. Das ist strenggenommen ein Überatürlich-Natürlich-Interface und genau das ist angreifbar und wiederlegbar.

Im übrigen ist alles andere dazu, was ich sehe, schön konsistent dazu, was für mich kein Grund ist, anzunehmen, ich habe ein hermetisch abgeschlossenes und "immunes" Weltbild, sondern dass meine Ansicht offenbar stimmig ist. Religionen sind zum Beispiel inhärent "sektiererisch" und spalten sich fortwährend in immer neue Gemeinschaften. Als Reaktion darauf haben die üblichen Verdächtigen (Monotheismen...) in ihrem Weltbild Mechanismen eingebaut haben, genau das unter Kontrolle zu kriegen. Teufel und Hölle sind solche Mechanismen (übernatürliche Strafen und Interpretaion der Skepsis), oder Androhung von weltlicher Strafe (Todesstrafe bei Apostasie, wie im Islam), oder eine "Everything Goes, solange es unter unserm Dach bleibt" Sichtweise (wie bei modernen Protestanten), oder hartes "Peer-Pressure" (traditionelle Katholiken, und viele Freikirchen), und so weiter. Ganz offensichlich geht es also darum, diegtische Elemente ("in der Glaubenswelt") nach draußen zu transportieren. In meiner Sicht sorgen heutige Religionen ganz und garnicht mysteriös also dafür, eine Erzählung zu liefern, die aus dem Leser (und Gläubigen) eine Art autodiegetische Figur macht (ein Protagonist und Erzähler der Glaubenswelt). Da ich mir einbilde, einen halbwegs gutes Verständis davon zu haben, und auch eine Idee habe, wie sich z.B. konkret Naturreligionen unterschieden, habe ich Gründe, warum ich diese "autodiegtischen" Religionen mit Abscheu begegne.
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Re: Verlangt Diskurs nach Resultat?

Beitragvon ganimed » Di 16. Okt 2012, 14:58

stine hat geschrieben:Singers ist also eine Kleinkindersprache und ihre Anwendung wäre eine Rückentwicklung in unsere Kleinkinderzeit. Hieße, das erlerente Selbstbewusstsein wieder ablegen.

Die Einführung einer objektiven Sprache lehnst du deshalb ab, weil das Fehlen des subjektiven Bezuges in gewisser Weise an Kleinkinder erinnert?
Jetzt wundert mich auch nicht mehr, wieso du beispielsweise in der Diskussion um das Bewusstsein und seine Bewertung so wenig von objektiven Argumenten hälst. Wann haben die Kinder ein Ich-Gefühl? Ab drei Jahre? Wie erstrebenswert ist es, in etwa diesem Stadium verhaftet zu bleiben?
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Re: Verlangt Diskurs nach Resultat?

Beitragvon stine » Di 16. Okt 2012, 15:22

Und wie erstrebenswert ist es danach wieder in die Vorstufe zurück zu verfallen?
Sein Ich auszublenden?

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Re: Verlangt Diskurs nach Resultat?

Beitragvon ganimed » Di 16. Okt 2012, 15:44

stine hat geschrieben:Und wie erstrebenswert ist es danach wieder in die Vorstufe zurück zu verfallen? Sein Ich auszublenden?

Antworte du bitte zuerst.

Ich glaube, eine objektive Sicht auf die Hirnvorgänge ist keine Vorstufe, sondern die über-über-nächste Stufe.
So wie wir kaum noch begreifen, wie Menschen im Mittelalter eine gottgegebene Ordnung hatten in der Menschen niederer Stände so wenig Rechte hatten und sich Previligierte nicht weiter rechtfertigen mussten, wird man sicher in hundert Jahren kaum noch begreifen, wie wir mit unserem Gut-Böse-Schuld-Verantwortungs-prinzipien rumgeeiert sind, wo doch auch heute schon hätte klar sein können, dass das irre ist. Wenn man weiß und beschreiben kann, wie das Hirn funktioniert, werden heutige Illusionen auch aus dem Alltagsdenken verschwinden, nehme ich an. Es mag höchstens sein, dass Kinder in bestimmten Frühphasen auch weiterhin noch mit diesen Kategorien denken, bevor sie dann älter werden.
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Re: Verlangt Diskurs nach Resultat?

Beitragvon Vollbreit » Di 16. Okt 2012, 21:00

@ ganimed:

Ich möchte zunächst sagen, dass ich weder der Idee, dass ich irgendwie ausweichen würde, noch, dass ich dann, respektablerweise, doch wieder/noch zum Thema zurückkehren würde, nachvollziehen kann.

ganimed hat geschrieben:Deine Folgerung, dass er das leisten müsste, ist Quatsch. Folgende Szenarien machen das hoffentlich klar:
1) Singer ist in 1.Sprache groß geworden.


Nein, wir lernen alle die Sprachen der ersten und der dritten Person.
„Ich bin müde“ (1.Person) wird wohl jeder verstehen und auch ausdrücken können.
„Mein Auto ist kaputt“ (3.Person), ebenso.
Das ist handelsübliche Grammatik.

ganimed hat geschrieben:Vielleicht ist nicht einmal sein Gehirn anpassungsfähig genug, um die 3.Sprache perfekt lernen zu können und sie im Alltagsgespräch und in jeder Diskussion auch nur annähernd so mühelos anwenden zu können.


Ist Singer für Dich ein Übermensch? Hört sich fast so an.
Ich kann Singers neurolobiologische Leistungen nicht beurteilen, philosophisch ist das allerdings lau und das kann ich beurteilen.

ganimed hat geschrieben:Vielleicht bräuchte ein Experte drei Tage, um einen Satz in der 3.Sprache zu übersetzen, schriftlich. Und wenn das so wäre, würde es nicht den Aussagen Singers widersprechen, aber ganz klar begründen, wieso Singer nicht einfach so und nur weil du das willst, alle 1:1 in die 3.Sprache übersetzt. Die 1.Sprache wäre verzichtbar, aber nur mit sehr sehr großen Mühen.


Das ist eben die Frage, ob das ginge.
Ich sehe da prinzipielle Grenzen.

ganimed hat geschrieben:2) Vielleicht meint Singer mit "verzichtbar" ja auch "im Prinzip verzichtbar sobald alle Erkenntnisse vorliegen". So würde ich ihn nämlich verstehen. Der Forschungsstand heute lässt erkennen, dass es eine 1:1 Übersetzung gibt, hat sie aber noch nicht komplett freigelegt. "Verzichtbar" also etwa im Sinne von: man wird in 50 Jahren alles in 3.Sprache ausdrücken können.


Ich kann nicht wissen, was in 50 Jahren sein wird, Herr Singer allerdings auch nicht.
Dass der Forschungsstand heute eine 1 zu 1 Übersetzung nahelegt kann ich nicht sehen.
Nicht einmal in Ansätzen.

ganimed hat geschrieben:3) Singer kann alles bereits jetzt in der 3.Sprache ausdrücken und tut dies auch in deinem verlinkten Gespräch. Aber sehr grob und auf einer sehr grundsätzlichen Ebene ohne irgendwelche Details.


Nein, er macht es in dem Gespräch überhaupt nicht.

ganimed hat geschrieben:Aber mit "verzichtbar" könnte auch dies gemeint sein. Statt "wollen" könnte man also immer sagen: "jene neuronalen Prozesse, die dem Wollen aus der 1.Sprache entsprechen". Das ist natürlich nicht besonders informativ. Aber dein Argument zieht jedenfalls auch hier nicht.


Aha.
Singer sagt zwar eigentlich nichts aus und möglicherweise wisssen wir in 50 Jahren mehr, aber mein Einwand, dass Singer die behauptete Übersetzung nicht liefert, zieht nicht.
Warum noch mal?

ganimed hat geschrieben:Deine Forderung, was Singer angeblich leisten müsste, ist also aus mehreren Gründen unhaltbar. Dein Widerspruchsargument bleibt damit widerlegt.


Nenn mir nur einen.
Was genau soll in Deinen Ausführungen denn nun ein Argument sein (und wofür)?
Ich kann es wirklich nicht erkennen.
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Re: Verlangt Diskurs nach Resultat?

Beitragvon Vollbreit » Di 16. Okt 2012, 21:37

Lumen hat geschrieben:Das ist zu einem Teil wieder irgendeine persönliche Schiene, die ich nicht nachvollziehen kann. Unten sehen wir dann eine offensichtliche Demonstration von non sequitur ("daraus folgt nicht"), also wäre das ein Strohmann. Was du damit erhoffst, zu belegen, ist mir nicht klar.


Ganz einfach: Ich wollte damit zeigen, dass der Schluss vom Zug als Monster oder Fortbewegungsmittel, für mich nur zeigt, dass es verschieden Deutungen gibt, nicht, dass daraus folgt, dass es keinen Gott gibt.
Dass aber – anschließend an Nanna – ausdrücklich nicht vor dem Hintergrund, weil ich gerne die Idee, dass es Gott doch geben könnte retten möchte, sondern weil der Schluss daraus einfach nicht folgt. Als nichtreligiöse Beispiele habe ich dann welche gewählt, wo das ebenfalls der Fall ist.

Lumen hat geschrieben:Zur Erinnerung, es gib um sprachliche Wirklichkeiten: Bei verschiedenen Sprachen sind Begriffe zueinander nicht isomorph, das heißt, sie entsprechen sich nicht im exakt mathematischem Sinne. Selbst leicht übersetzbare Begriffe haben unterschiedliche Konnotationen ("das was mitschwingt"), und teilweise sitzt ein Begriff einer Fremdsprache sozusagen zwischen zwei anderen Begriffen in einer anderen Sprache und hat teils Konnotationen von beiden. Der Begriff "stall" ist übersetzbar, aber ich würde ihn jeder Übersetzung vorziehen, denn er passt besser, als die Übersetzung, wo genau diese Konnotationen fehlen.


Übersetzungen sind eine schwierige Geschichte. Kennst Du Quines „gavagai“ Beispiel dazu?

Lumen hat geschrieben:Konzepte entstehen mE nach aus der Verknüpfung im Prinzip beliebiger Inhalte zu neuen Gebilden.


Eher nicht.
Meine Lieblingsdarstellung dieses ganzen Komplexes ist im Grunde die hier:
Robert Brandom hat geschrieben: „Die Wörter bilden ein eigenes und weitgehend unabhängiges Reich innerhalb der Welt – nicht nur in dem Sinne, dass die nichtsprachlichen Tatsachen im wesentlichen dieselben sein könnten, auch wenn die spezifisch sprachlichen Tatsachen (als eine Klasse der Tatsachen über die Welt) ganz anders wären, sondern auch in dem Sinne, dass die Wörter (Geräusche, Zeichen usw.) im wesentlichen so sein könnten, wie sie sind, auch wenn die nichtsprachlichen Tatsachen ganz anders sind. Aber unsere diskursiven Praktiken, wie sie hier aufgefasst werden, sind von der übrigen Welt nicht in dieser Weise isoliert. Die nichtsprachlichen Tatsachen könnten im wesentlichen so sein, wie sie sind, auch wenn unsere diskursiven Praktiken ganz andere wären (oder es keine gäbe), denn welche Behauptungen wahr sind, hängt nicht davon ab, ob sie jemand aufstellt. Doch unsere sprachlichen Praktiken könnten nicht so sein, wie sie sind, wenn die nichtsprachlichen Tatsachen anders wären.
Denn diese Praktiken sind keine Dinge, wie Wörter als Geräusche oder Zeichen, die unabhängig von ihren Gegenständen und den von ihnen ausgedrückten Tatsachen spezifizierbar wären. Zu den diskursiven Praktiken gehört wesentlich ein Austausch mit den Gegenständen der Welt beim Wahrnehmen und Handeln. Zu den in diesen Praktiken implizit enthaltenen begrifflichen Richtigkeiten gehören empirische und praktische Dimensionen. Alle unsere Begriffe sind das, was sie sind, zum Teil wegen ihrer inferentiellen Verknüpfungen mit solchen, die nichtinferentielle Umstände und Folgen der Verwendung haben – also, mit Begriffen, deren richtiger Gebrauch nicht unabhängig von der Berücksichtigung der Tatsachen und Gegenstände spezifizierbar ist, von denen sie responsiv hervorgebracht werden oder die sie durch ihre Anwendung hervorbringen. Die normative Struktur der Autorität und Verantwortung, die Beurteilungen und Zuweisungen der Verlässlichkeit beim Wahrnehmen und Handeln aufweisen, ist kausal bedingt.“
(Brandom, Expressive Vernunft, 1994, dt. Suhrkamp 2000, S.474)


Lumen hat geschrieben:Der Punkt ist aber, dass egal wie man es dreht und wendet, niemand hat jemals eine Gottheit wirklich studiert (ein Gegenstand der gar nicht existiert, kann nicht studiert werden) und eine Liste der Eigenschaften parat und kann sie auch niemals in einer konsistenten Weise verknüpfen oder jemanden von der Richtigkeit überzeugen.


Da trifft es sich ja richtig gut, dass ich das auch gar nicht behauptet habe.

Lumen hat geschrieben:Weshalb das Mittel der Wahl die Indoktrination von Kindern ist, und Religionen relativ strikt orts- und zeitgebunden sind (in Haithabu vor 1000 Jahren waren die Leute keine Protestanten...). Außerdem kann niemand den selben Gott oder dieselbe Religion unabhängig voneinander "finden". Bei Campell kann man dann lesen, dass Menschen aber bestimmte universale Erfahrungen machen und diese sich auch in Kultur und Religion ausdrücken, Geburt und Tod, Kreisläufe der Natur, Erwachsenwerden, die sich Verändernde Rolle der Eltern und zu den Älteren, Bewältigung von Trauer, Zorn usw. Ich kann Leuten, denen die Aussage, dass man niemals zweimal in den gleichen Fluss steigen kann, verständlich und nachvollziehbar machen (das Wasser fließt weiter, somit ist der Fluss einer ständigen Veränderung unterworfen, somit...). Ich kann aber niemanden dazu bringen, die Dreifaltigkeit nachzuvollziehen.


Ich würde sagen, das ist eine Frage des rhetorischen Geschicks und der Bereitschaft der Zuhörer das nachvollziehen zu wollen.

Lumen hat geschrieben:Und geht man diesen Strang weiter, dann müssen Religionen, auch die christliche, irgendwann und irgendwie in die Welt gekommen sein und zwar durch eine Quelle. Das ist strenggenommen ein Überatürlich-Natürlich-Interface und genau das ist angreifbar und wiederlegbar.


Und Du glaubst, dass ich bezweifle, dass Religionen in die Welt gekommen sein müssen, oder warum schreibst Du mir das? Ich glaube weniger, dass es sich dabei um eine Quelle handelte, als viel mehr um mehrere, was aber auch nicht weiter wichtig ist, an dieser Stelle.

Lumen hat geschrieben:Im übrigen ist alles andere dazu, was ich sehe, schön konsistent dazu, was für mich kein Grund ist, anzunehmen, ich habe ein hermetisch abgeschlossenes und "immunes" Weltbild, sondern dass meine Ansicht offenbar stimmig ist. Religionen sind zum Beispiel inhärent "sektiererisch" und spalten sich fortwährend in immer neue Gemeinschaften. Als Reaktion darauf haben die üblichen Verdächtigen (Monotheismen...) in ihrem Weltbild Mechanismen eingebaut haben, genau das unter Kontrolle zu kriegen. Teufel und Hölle sind solche Mechanismen (übernatürliche Strafen und Interpretaion der Skepsis), oder Androhung von weltlicher Strafe (Todesstrafe bei Apostasie, wie im Islam), oder eine "Everything Goes, solange es unter unserm Dach bleibt" Sichtweise (wie bei modernen Protestanten), oder hartes "Peer-Pressure" (traditionelle Katholiken, und viele Freikirchen), und so weiter. Ganz offensichlich geht es also darum, diegtische Elemente ("in der Glaubenswelt") nach draußen zu transportieren. In meiner Sicht sorgen heutige Religionen ganz und garnicht mysteriös also dafür, eine Erzählung zu liefern, die aus dem Leser (und Gläubigen) eine Art autodiegetische Figur macht (ein Protagonist und Erzähler der Glaubenswelt). Da ich mir einbilde, einen halbwegs gutes Verständis davon zu haben, und auch eine Idee habe, wie sich z.B. konkret Naturreligionen unterschieden, habe ich Gründe, warum ich diese "autodiegtischen" Religionen mit Abscheu begegne.


Was hat Dich zu dieser längeren Ausführung veranlasst/motiviert?
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Re: Verlangt Diskurs nach Resultat?

Beitragvon ganimed » Di 16. Okt 2012, 21:50

Vollbreit hat geschrieben:Ich möchte zunächst sagen, dass ich weder der Idee, dass ich irgendwie ausweichen würde, noch, dass ich dann, respektablerweise, doch wieder/noch zum Thema zurückkehren würde, nachvollziehen kann.

Das ist ja überaus praktisch für dich. Dann kannst du ja meine Vorwürfe bezüglich deiner Diskussionskultur vollständig ignorieren. Wie wunderbar einfach und leicht das Leben doch sein kann.

Vollbreit hat geschrieben:Nein, wir lernen alle die Sprachen der ersten und der dritten Person.

So ein Quatsch. Wir lernen eine Sprache der dritten Person, aber natürlich nicht die, die Singer benötigt, und mit der man die Dinge, die wir normalerweise mit der 1.Sprache ausdrücken, ausdrücken könnten. Niemand von uns lernt also, wie man "Ich bin müde" objektiv ausdrückt.

Vollbreit hat geschrieben:
ganimed hat geschrieben:Vielleicht bräuchte ein Experte drei Tage, um einen Satz in der 3.Sprache zu übersetzen

Das ist eben die Frage, ob das ginge. Ich sehe da prinzipielle Grenzen.

Das ist irrelevant, welche Grenzen du siehst. Wenn Singer mit seinem "verzichtbar" diese von mir genannte Möglichkeit meinte, dann befindet er sich nicht im Widerspruch, nur weil er die 3.Sprache nicht fließend spricht. Darum geht es hier.

Vollbreit hat geschrieben:Ich kann nicht wissen, was in 50 Jahren sein wird, Herr Singer allerdings auch nicht.

Auch das ist irrelevant. Nicht was sein wird zählt, sondern das was Singer mit seinem Begriff "verzichtbar" gemeint haben könnte. Wenn er gemeint hätte, dass die 3.Sprache in Einzelheiten erst in 50 Jahren vorliegt, befände er sich nicht im Widerspruch, nur weil er die 3.Sprache nicht fließend spricht. Darum geht es hier.

Vollbreit hat geschrieben:
ganimed hat geschrieben:3) Singer kann alles bereits jetzt in der 3.Sprache ausdrücken und tut dies auch in deinem verlinkten Gespräch. Aber sehr grob und auf einer sehr grundsätzlichen Ebene ohne irgendwelche Details.
Nein, er macht es in dem Gespräch überhaupt nicht.

Doch, das macht er in dem Gespräch:
    WS: Ich kann das leicht herunterdeklinieren. Wenn ein Gehirn eine Voraussage machen will, also Variablen, die sich allesamt in nichts anderem niederschlagen als in neuronalen Aktivitätszuständen...
    JNR: Jetzt sage ich: Na und?
    WS: ...dann muss das Gehirn unterscheiden ...
    JNR: Das Gehirn kann nicht unterscheiden.
    WS: Doch. Das tut es ununterbrochen.
    JNR: Sie benutzen eine falsche Begrifflichkeit.
    WS: Gut, dann sage ich: Das Gehirn sucht ...
    JNR: Es sucht auch nicht.
    WS: Ich will versuchen, ohne diese intentionalen Begriffe auszukommen: Das System ist so aufgebaut, dass es – das kann ich jetzt aber sagen? – danach strebt ...
    JNR: Eigentlich auch nicht.
    WS: Also gut, dann sage ich, dass das System bestimmte dynamische Zustände begünstigt, die sich durch Widerspruchsfreiheit auszeichnen, die stabiler sind als andere. Stellt sich ein solcher Zustand ein, wird er als Ergebnis empfunden: „Aha, ich habe die Lösung.“
Singer kommt ohne intentionale Begriffe aus und drückt den Sachverhalt "ein Gehirn will eine Voraussage machen" objektiviert aus.

Vollbreit hat geschrieben:aber mein Einwand, dass Singer die behauptete Übersetzung nicht liefert, zieht nicht. Warum noch mal?

Weil es mindestens die von mir genannten 3 Gründe geben könnte, wieso er einerseits zwar die 1.Sprache "verzichtbar" nennen könnte aber dennoch die 3.Sprache nicht so spricht und liefert, wie du das forderst. Wenn auch nur einer der Gründe möglich ist, so ist dein Widerspruchsargument widerlegt. Es sei denn, Singer würde explizit korrigieren und angeben, dass er sein "verzichtbar" anders gemeint hätte und zwar so, dass es keine Gründe mehr gäbe, die ihn am 3.Sprache benutzen hindern würden.

Ich habe aus meiner Sicht jeden deiner Einwände widerlegt. Mir scheint damit also nach wie vor dein Widerspruchsargument widerlegt.
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Re: Verlangt Diskurs nach Resultat?

Beitragvon Vollbreit » Di 16. Okt 2012, 22:20

ganimed hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Nein, wir lernen alle die Sprachen der ersten und der dritten Person.
So ein Quatsch. Wir lernen eine Sprache der dritten Person, aber natürlich nicht die, die Singer benötigt, und mit der man die Dinge, die wir normalerweise mit der 1.Sprache ausdrücken, ausdrücken könnten. Niemand von uns lernt also, wie man "Ich bin müde" objektiv ausdrückt.


Kumpel, hör Dich mal bei einem Deutschlehrer um oder bei einer Mutter und von mir aus auch bei jedem anderen außer mir.

ganimed hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:
ganimed hat geschrieben:Vielleicht bräuchte ein Experte drei Tage, um einen Satz in der 3.Sprache zu übersetzen

Das ist eben die Frage, ob das ginge. Ich sehe da prinzipielle Grenzen.

Das ist irrelevant, welche Grenzen du siehst. Wenn Singer mit seinem "verzichtbar" diese von mir genannte Möglichkeit meinte, dann befindet er sich nicht im Widerspruch, nur weil er die 3.Sprache nicht fließend spricht. Darum geht es hier.


Ah, jetzt verstehe ich wenigstens, was Du mit diesen Beispielen meintest.
Es scheint mir also im Kern darum zu gehen, was Singer mit dem meinte, was er sagte.
Ob er, - meine Interpretation -, meinte, man sein heute (Stand 2004) schon weitgehend in der Lage die Sprache der 1.Person in die der 3. Person zu übersetzen.
Oder ob er – Deine Interpretation – meinte, dies sei heute schon, bald aber noch viel besser, möglich.

Wenn Du meinst, Singer meinte, man wäre bald, also 2013 oder 2020 oder 2050 in der Lage dies zu leisten, ist mein Einwand, er möge dies herzeigen hinfällig, die Diskussion ob das geht, dann natürlich spekulativ.
Dann würde man schon ins Prinzipielle gehen müssen, aber bis wir uns nicht darüber einigen können, ob wir auch eine Sprache der 1. Person lernen, möchte und werde ich diese Diskussion nicht führen.

ganimed hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Ich kann nicht wissen, was in 50 Jahren sein wird, Herr Singer allerdings auch nicht.

Auch das ist irrelevant. Nicht was sein wird zählt, sondern das was Singer mit seinem Begriff "verzichtbar" gemeint haben könnte. Wenn er gemeint hätte, dass die 3.Sprache in Einzelheiten erst in 50 Jahren vorliegt, befände er sich nicht im Widerspruch, nur weil er die 3.Sprache nicht fließend spricht. Darum geht es hier.


Klar, er müsste sie dann erst 2062 herzeigen.

ganimed hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:
ganimed hat geschrieben:3) Singer kann alles bereits jetzt in der 3.Sprache ausdrücken und tut dies auch in deinem verlinkten Gespräch. Aber sehr grob und auf einer sehr grundsätzlichen Ebene ohne irgendwelche Details.
Nein, er macht es in dem Gespräch überhaupt nicht.

Doch, das macht er in dem Gespräch:
    WS: Also gut, dann sage ich, dass das System bestimmte dynamische Zustände begünstigt, die sich durch Widerspruchsfreiheit auszeichnen, die stabiler sind als andere. Stellt sich ein solcher Zustand ein, wird er als Ergebnis empfunden: „Aha, ich habe die Lösung.“
Singer kommt ohne intentionale Begriffe aus und drückt den Sachverhalt "ein Gehirn will eine Voraussage machen" objektiviert aus.


Nein, erstens ist „Widerspruchsfreiheit“ ein Begriff der Sprache der 1.Person, zweitens ist das so allgemein gehalten, dass es buchstäblich nichts aussagt.

ganimed hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:aber mein Einwand, dass Singer die behauptete Übersetzung nicht liefert, zieht nicht. Warum noch mal?

Weil es mindestens die von mir genannten 3 Gründe geben könnte, wieso er einerseits zwar die 1.Sprache "verzichtbar" nennen könnte aber dennoch die 3.Sprache nicht so spricht und liefert, wie du das forderst. Wenn auch nur einer der Gründe möglich ist, so ist dein Widerspruchsargument widerlegt. Es sei denn, Singer würde explizit korrigieren und angeben, dass er sein "verzichtbar" anders gemeint hätte und zwar so, dass es keine Gründe mehr gäbe, die ihn am 3.Sprache benutzen hindern würden.


Oder wenn er meinte, dass das, was sagte, zum Zeitpunkt der Äußerung schon der Fall gewesen sei.
Kurz – und etwas pointiert –: Wenn Singer, sich festlegen lässt, auf seine Behauptungen, kann er sie nicht einlösen, je weniger er meint, was er sagt, umso besser wird seine Aussage.

ganimed hat geschrieben:Ich habe aus meiner Sicht jeden deiner Einwände widerlegt. Mir scheint damit also nach wie vor dein Widerspruchsargument widerlegt.


Wenn Du das sagst, wirst Du das so sehen.
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Re: Verlangt Diskurs nach Resultat?

Beitragvon ganimed » Di 16. Okt 2012, 22:40

Vollbreit hat geschrieben:Kumpel, hör Dich mal bei einem Deutschlehrer um oder bei einer Mutter und von mir aus auch bei jedem anderen außer mir.

Tolles Argument: "wenn du mir nicht glaubst, dann frag doch alle anderen. Jeder weiß das, nur du nicht." Wieso kannst du mir das nicht an deinem Beispiel mit "Ich bin müde" demonstrieren? Wieso sind dir hier die Argumente ausgegangen? Ich ahne wieso.

Vollbreit hat geschrieben:Nein, erstens ist „Widerspruchsfreiheit“ ein Begriff der Sprache der 1.Person, zweitens ist das so allgemein gehalten, dass es buchstäblich nichts aussagt.

Logische Widerspruchsfreiheit ist etwas subjektives? Das ist Quatsch. Und dass Singers Sprache allgemein und ohne Aussage ist, habe ich auch gemeint. Ist aber irrelevant, denn wichtig ist ja nur, dass er diese Sprache zumindest in Ansätzen beherrscht.

Vollbreit hat geschrieben:Ah, jetzt verstehe ich wenigstens, was Du mit diesen Beispielen meintest. Es scheint mir also im Kern darum zu gehen, was Singer mit dem meinte, was er sagte.

Du verstehst erst jetzt, dass das mein Punkt ist? Cool. Da liege ich mit meiner Abschätzung, wie verständlich meine Beiträge sind und wie schwer das zu verstehen ist, offenbar meilenweit daneben. Aber wie auch immer: wenn du also nun endlich begreifst, dass alles von der Bedeutung des Wortes "verzichtbar" abhängt und dass du den Fehler gemacht hattest, eine einzige Bedeutung fest anzunehmen und alle anderen auszublenden, dann wirst du doch jetzt sicher einsehen, dass dein Widerspruchsargument falsch war. Oder? Aber nein, es kommt anders.

Vollbreit hat geschrieben:Wenn Singer, sich festlegen lässt, auf seine Behauptungen, kann er sie nicht einlösen, je weniger er meint, was er sagt, umso besser wird seine Aussage.

Dein "je weniger er meint, was er sagt" deute ich jedenfalls so, dass du darauf beharrst, dass "verzichtbar" doch nur die Bedeutung haben könne, die du die ganze Zeit dort hineininterpretiert hast. Wenn Singer was anderes meinte, dann meinte er dir zufolge auch was anderes als er sagte. Das ist Sturheit.

Vollbreit hat geschrieben:Wenn Du das sagst, wirst Du das so sehen.

Und wenn du das so sagst, wirst du das nicht so sehen. Und das ist zu diesem Zeitpunkt einfach nur noch das Verhalten eines schlechten Verlierers.
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Re: Verlangt Diskurs nach Resultat?

Beitragvon Vollbreit » Di 16. Okt 2012, 23:34

ganimed hat geschrieben: Wieso kannst du mir das nicht an deinem Beispiel mit "Ich bin müde" demonstrieren? Wieso sind dir hier die Argumente ausgegangen? Ich ahne wieso.


Mein Argument war, dass wir die Sprache der 1.Person lernen.
Wer sagt: „Ich bin müde“, spricht in der Sprache der 1.Person.
Ich kann das, Du kannst das, ich kenne niemanden, der das nicht kann.

Wo meinst Du, haben wir diese Fähigkeiten her, wenn wir sie nicht gelernt haben?
Dass wir die Sprache der 1.Person zu sprechen erlernen, war meine Behauptung.

ganimed hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Nein, erstens ist „Widerspruchsfreiheit“ ein Begriff der Sprache der 1.Person, zweitens ist das so allgemein gehalten, dass es buchstäblich nichts aussagt.

Logische Widerspruchsfreiheit ist etwas subjektives? Das ist Quatsch.


Na klar, was denn sonst?
Wem schreibst Du denn zu widerspruchsfrei zu sein? Einer Dampfmachine? Einem Eisberg? Einem Atom? Doch eher einem Menschen bzw. einer Reihe seiner Aussagen. Nur ein jemand kann sich widersprechen, eine Nähmschine und ein Auto und Quarks und Hirnzellen können das nicht.
Nicht mal ein Truthahn, das können ausschließlich diskursive Wesen.

ganimed hat geschrieben:Und dass Singers Sprache allgemein und ohne Aussage ist, habe ich auch gemeint. Ist aber irrelevant, denn wichtig ist ja nur, dass er diese Sprache zumindest in Ansätzen beherrscht.


In diesem sehr allgemeinen Sinne kann ich Dir zustimmen, wenn dann gilt, dass ich krowolisch sprechen kann, eine Sprache, von der ich annehme, dass sie die Sprache der Konfiguration der Quarks ist und von der ich behaupte, dass sie bestimmte dynamische Zustände begünstigt, die energetisch stabiler sind als andere und subjektive Beschreibungen überflüssig macht.
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Re: Verlangt Diskurs nach Resultat?

Beitragvon ganimed » Mi 17. Okt 2012, 00:05

Vollbreit hat geschrieben:Mein Argument war, dass wir die Sprache der 1.Person lernen.

Nein, dein Argument war, dass wir ebenfalls die Sprache der 3. Person lernen und deshalb mein Argument nicht gelten würde, wo ich meinte, dass Singers 3.Person-Sprache vielleicht einfach zu schwer sei. Aber die Sprache der 3. Person, die wir alle lernen, ist nicht die Sprache, um die es bei Singer geht. Deshalb ist dein Argument nicht stichhaltig.

Vollbreit hat geschrieben:Wem schreibst Du denn zu widerspruchsfrei zu sein? Einer Dampfmachine? Einem Eisberg? Einem Atom?

Einer Aussage, einer logischen Aussage oder einem Argument.

Vollbreit hat geschrieben:Doch eher einem Menschen bzw. einer Reihe seiner Aussagen.

Dein "bzw." verrät, dass du das auch so siehst. Widerspruchsfreiheit ist nicht subjektiv und daher auch nicht Teil der 1.Sprache.

Vollbreit hat geschrieben: wenn dann gilt, dass ich krowolisch sprechen kann, eine Sprache, von der ich annehme, dass sie die Sprache der Konfiguration der Quarks ist und von der ich behaupte, dass sie bestimmte dynamische Zustände begünstigt

Jedenfalls werde ich hoffentlich nicht so dumm sein und über viele Seiten der Diskussion hinweg mich in die Idee verrennen, dass du einem Widerspruch unterliegst, weil du kopapulanisch als verzichtbare Sprache bezeichnet hast, denn es gäbe ja krowolisch. Hoffentlich werde ich dann nicht plötzlich und ohne vernünftige Gründe von dir verlangen, dass du dann auch sofort den Roman "Krieg und Frieden" in krowolisch übersetzt, und zwar nicht erst in 50 Jahren sondern bis übermorgen. Weil ich es so will. Und basta. Hoffentlich bin ich vernünftiger.
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Re: Verlangt Diskurs nach Resultat?

Beitragvon Vollbreit » Mi 17. Okt 2012, 09:10

ganimed hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Mein Argument war, dass wir die Sprache der 1.Person lernen.

Nein, dein Argument war, dass wir ebenfalls die Sprache der 3. Person lernen und deshalb mein Argument nicht gelten würde, wo ich meinte, dass Singers 3.Person-Sprache vielleicht einfach zu schwer sei.


Nö.
Ich habe gesagt, dass wir alle die Sprache der 1.Person lernen und die Sprache der 3. Person lernen.
1.Person Sprache – Beispiele:

„Ich bin müde.“
„Mir ist kalt.“
„Ich werde gleich das Buch von Singer lesen.“
„Ich freue mich auf den Urlaub.“
„Das freut mich.“
„Ich mache mir Sorgen.“

3.Person Sprache – Beispiele:

„Sie bewegt sich.“
„Die Uhr ist kaputt.“
„Es ist rot und eckig.“
„Das System arbeitet fehlerfrei.“
„Herr Müller ist arbeitslos.“
„Frau Müller hat einen Cholesterinspiegel von 211.“

ganimed hat geschrieben:Aber die Sprache der 3. Person, die wir alle lernen, ist nicht die Sprache, um die es bei Singer geht.
Deshalb ist dein Argument nicht stichhaltig.


Bei Singer wird es um Fachsprache gehen, wir lernen Alltagssprache, das stimmt.
Das Problem ist, dass diese Fachsprache (die Termini der 1.Person Perspektive in Darstellungen der 3.Person übersetzt) nicht existiert. Es gibt einige Korrelationen, aber dass man von einem 3. Person Perspektive Ereignis etwas in die 1. Person Sprache übersetzen könnte, so dass man sagt: „Dieser Hirnzustand zeigt an, dass Frau Müller genau das empfindet“, also das was man übersetzen nennen würde, ist m.E. nicht möglich.
Wenn ich objektiv feststelle, dass Serotoninmangel in bestimmten Regionen vorliegt, was ist dann der Fall? Ist Frau Müller verliebt oder depressiv oder übt sie gerade eine Zwangshandlung aus?
Wenn der Nucleus accumbens bei Herrn Meier aktiviert ist, nimmt er dann Drogen oder ist er verliebt oder sitzt er gerade vor einem Geldspielgerät?
Das sind noch sehr sehr grobe Zuordnungen.

ganimed hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Wem schreibst Du denn zu widerspruchsfrei zu sein? Einer Dampfmachine? Einem Eisberg? Einem Atom?


Einer Aussage, einer logischen Aussage oder einem Argument.


Ja, genau, ich auch.
Und eine Aussage oder ein Argument tätigt immer ein Subjekt.

ganimed hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Doch eher einem Menschen bzw. einer Reihe seiner Aussagen.

Dein "bzw." verrät, dass du das auch so siehst.


Dass sich auch was so sehe?
Dass Argumente argumentieren? Dass Aussagen Aussagen tätigen?
Nein, keinesfalls.
Ich glaube, dass Waschmaschinen, Bäume und Kühlschränke nichts aussagen.
Was hat Dir Dein Kühlschrank denn zuletzt erzählt?

ganimed hat geschrieben:Widerspruchsfreiheit ist nicht subjektiv und daher auch nicht Teil der 1.Sprache.


Wenn ich von jemandem oder über jemanden sage, seine Aussagen seien widerspruchsfrei, dann ist das eine beschreibende Aussage, also einer aus der 3.Person Perspektive:
„ganimeds Aussagen sind widerspruchsfrei.“

Aber nur ganimed (oder ein beliebiges anderes diskursives Subjekt, kann überhaupt etwas aussagen oder argumentieren). Wenn Du das anders siehst, bringt mir bitte ein Beispiel von etwas, was kein diskursives Subjekt ist und etwas aussagt oder argumentiert.
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Re: Verlangt Diskurs nach Resultat?

Beitragvon ganimed » Mi 17. Okt 2012, 14:04

Vollbreit hat geschrieben:Ich habe gesagt, dass wir alle die Sprache der 1.Person lernen und die Sprache der 3. Person lernen.

Wir lernen alle eine Sprache, die auch Konstrukte beinhaltet, womit wir objektive Sachverhalte ausdrücken können. Singers 3.Sprache wäre aber das Ergebnis einer 1:1 Zuordnung zwischen subjektiven Erlebnisphänomenen auf objektiv beschriebene Hirnvorgänge. Und diese Sprache lernen wir natürlich nicht in der Schule. Es kann also sein, wie ich ursprünglich meinte, dass Singer diese Sprache nicht so ohne weiteres lernen kann, sie aber trotzdem da wäre und daher sein "die 1.Sprache ist verzichtbar" widerspruchsfrei ist, auch wenn er selber die 3.Sprache nicht spricht.

Vollbreit hat geschrieben:eine beschreibende Aussage, also einer aus der 3.Person Perspektive: „ganimeds Aussagen sind widerspruchsfrei.“ Aber nur ganimed (oder ein beliebiges anderes diskursives Subjekt, kann überhaupt etwas aussagen oder argumentieren).

Das Argument ist Quatsch. Das würde ja bedeuten, dass es gar keine objektive Aussage gibt, denn für jede Aussage bräuchte es ein Subjekt, dass diese Aussage tätigt. Daraus ist sofort erkennbar, dass deine Definition Quatsch ist: "Eine Aussage ist nicht deshalb subjektiv, weil sie nur von einem Subjekt getätigt werden kann". Sondern meine Definition stimmt: "eine Aussage ist deshalb objektiv, weil sie keine subjektive Sichtweise beinhaltet". Also war Singers kleine Beschreibung trotz des Wortes "Widerspruchsfreiheit" objektiv.

Zwischenfazit: Deine beiden Einwände, die nur noch an Details meiner genannten 3 Gründe herummäkeln scheinen mir damit widerlegt. Insofern bleibt auch dein Widerspruchsargument invalide.
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Re: Verlangt Diskurs nach Resultat?

Beitragvon stine » Mi 17. Okt 2012, 14:28

ganimed hat geschrieben:Das würde ja bedeuten, dass es gar keine objektive Aussage gibt, denn für jede Aussage bräuchte es ein Subjekt, dass diese Aussage tätigt.
Selbstverständlich ist das so.
Welches Objekt macht eine Aussage? Oder wer macht überhaupt Aussagen, wenn nicht die Subjekte?

LG stine
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Re: Verlangt Diskurs nach Resultat?

Beitragvon Vollbreit » Mi 17. Okt 2012, 15:40

ganimed hat geschrieben:Wir lernen alle eine Sprache, die auch Konstrukte beinhaltet, womit wir objektive Sachverhalte ausdrücken können. Singers 3.Sprache wäre aber das Ergebnis einer 1:1 Zuordnung zwischen subjektiven Erlebnisphänomenen auf objektiv beschriebene Hirnvorgänge.


Genau.

ganimed hat geschrieben:Und diese Sprache lernen wir natürlich nicht in der Schule. Es kann also sein, wie ich ursprünglich meinte, dass Singer diese Sprache nicht so ohne weiteres lernen kann, sie aber trotzdem da wäre und daher sein "die 1.Sprache ist verzichtbar" widerspruchsfrei ist, auch wenn er selber die 3.Sprache nicht spricht.


Ja.
Wobei das natürlich reine Spekulation ist und, was gravierender ist, m.E. den Inhalt dessen, was Singer selbst sagt, nicht wiedergibt.

Vollbreit hat geschrieben:Das würde ja bedeuten, dass es gar keine objektive Aussage gibt, denn für jede Aussage bräuchte es ein Subjekt, dass diese Aussage tätigt.


Das ist natürlich auch so, wie stine schon sagt.
Den Gegenbeweis kannst Du antreten, wenn Du sagst, wer oder was außer einem Subjekt Aussagen machen kann, Argumente liefern kann.

Terminologisch hängt da aber dennoch etwas schief.
Objektive Aussagen, kann es sehr wohl geben, z.B. dass Rom die Hauptstadt von Italien ist oder der Mond im Mittel 384.000 km von der Erde entfernt ist.
Das wäre eine Aussage, die so etwas wie objektive Wahrheit beansprucht, aber tätigen kann sie nur ein Subjekt.

ganimed hat geschrieben:Daraus ist sofort erkennbar, dass deine Definition Quatsch ist: "Eine Aussage ist nicht deshalb subjektiv, weil sie nur von einem Subjekt getätigt werden kann".


Habe ich auch nicht behauptet.
Ich sage, dass nur Subjekte Aussagen machen können.
Aber ein Subjekt kann ja sagen: „Mir ist kalt“ !1.PP) und „Rom ist die Hauptsatdt von Italien“ (3.PP).
Dass ein Subjekt eine Aussage tätigt, bedeutet nicht, dass die Aussage damit subjektiv ist.
Ob eine Aussage aus der Subjektperspektive oder der Objektperspektive heraus getätigt wird, ist noch mal etwas anderes.

ganimed hat geschrieben:Sondern meine Definition stimmt: "eine Aussage ist deshalb objektiv, weil sie keine subjektive Sichtweise beinhaltet".


Das ist keine Definition, sondern eine Tautologie.
Etwas ist groß, weil es nicht klein ist. Und was ist nun „groß“?
Es sei denn, Du meinst damit so etwas wie den statistischen Mittelwert aller Sichtweisen, das beinhaltet dann aber eher alle Subjekte (oder eine große Zahl von ihnen).

ganimed hat geschrieben: Also war Singers kleine Beschreibung trotz des Wortes "Widerspruchsfreiheit" objektiv.


Singer hat in dem Beispiel versucht zu skizzieren, wie so eine 3.PP Sprache aussehen könnte, wenn sie denn mal vorhanden ist.
Bist Du eigentlich der Meinung, dass es diese Sprache gibt?
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