Tiere: Denken, Fantasie und Kreativität?

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Re: Tiere: Denken, Fantasie und Kreativität?

Beitragvon mat-in » Di 30. Jul 2013, 14:48

Hast du ihn denn mal gefragt, was er meint das nur der Mensch kann/hat? das ist so herum viel einfacher, da kann er nicht ständig seine Definition ändern...
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Re: Tiere: Denken, Fantasie und Kreativität?

Beitragvon Arathas » Mi 31. Jul 2013, 08:17

mat-in hat geschrieben:Hast du ihn denn mal gefragt, was er meint das nur der Mensch kann/hat? das ist so herum viel einfacher, da kann er nicht ständig seine Definition ändern...


Ja, habe ich. Und das, was den Menschen einzigartig machen soll wäre: Der Mensch kann sein Handeln aktiv überdenken und als gut oder böse einstufen und dementsprechend Dinge sein lassen, die ihn seine Instinkte und biologischen Vorgaben drängen würden, zu tun.
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Re: Tiere: Denken, Fantasie und Kreativität?

Beitragvon stine » Mi 31. Jul 2013, 09:30

Gut und Böse sind die Folge des Denkens über eine Moral. Denken ist aber nicht zwangsläufig an eine Moral gekoppelt. Nur weiterführendes Denken käme schlüssigerweise zu einer Moral. Also, wenn dein Freund meint, dass Tiere nicht philosophieren können, hat er vermutlich recht. Aber selbst das wissen wir nicht genau. Was denkt der Affe, wenn er in der Ecke sitzt und seine auf ihn gerichteten Gaffer betrachtet?

Die Entwicklung des Intellekts ist an die Sprache gebunden, an die Weitergabe des Wissens durch Schrift und Bild. Interessant wäre, wenn Tiere Sprache entwickeln würden, lesen und schreiben könnten, denn dann könnten sie aktiv ihr Wissen weitergeben und an Wissen gelangen. So etwas ähnliches gibt es zwar, Hund und Katze können beispielsweise die Körpersprache ihrer Menschen verstehen, aber untereinander können sich Tiere vermutlich nicht über ihre Menschen austauschen. (So nach dem Motto: "Mein Mensch spinnt heute wieder mal, er sagt, auf das Sofa dürfe ich nicht pinkeln...")
Tiere untereinander schauen sich zwar erlernte Fähigkeiten voneinander ab, was eindeutig auf Denken schließen lassen kann, einen höheren Intellekt entwickeln sie dadurch aber nicht. Sie haben keinen Sinn für Moral, sie lernen nur über Strafe und Belohnung.

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Re: Tiere: Denken, Fantasie und Kreativität?

Beitragvon Vollbreit » Mi 31. Jul 2013, 10:35

Arathas hat geschrieben:
mat-in hat geschrieben:Hast du ihn denn mal gefragt, was er meint das nur der Mensch kann/hat? das ist so herum viel einfacher, da kann er nicht ständig seine Definition ändern...


Ja, habe ich. Und das, was den Menschen einzigartig machen soll wäre: Der Mensch kann sein Handeln aktiv überdenken und als gut oder böse einstufen und dementsprechend Dinge sein lassen, die ihn seine Instinkte und biologischen Vorgaben drängen würden, zu tun.

Das ist ja vollkommen richtig.

An anderer Stelle gepostet, hier aber passend:
Robert Brandom hat geschrieben:„Unsere Einstellungen und Handlungen zeigen einen verstehbaren Inhalt, der erfasst oder begriffen werden kann, indem er in ein Netz von Gründen eingefügt, indem er inferentiell gegliedert wird. Verstehen, in diesem ausgezeichneten Sinne ist das Begreifen von Gründen, das Beherrschen von Richtigkeiten des theoretischen und praktischen Folgerns (der Inferenz). Wenn wir uns selbst als vernünftig auszeichnen – als diejenigen, die im Raum der Gründe leben und sich bewegen und daher für uns Dinge verstehbar sein können –, dann ziehen wir zur Abgrenzung eine Fähigkeit heran, über die durchaus auch Wesen ganz anderer Herkunft und Verhaltensweise verfügen könnten.“
(Brandom, Expressive Vernunft, 1994, dt. 2001, Suhrkamp, S. 37)


Robert Brandom hat geschrieben:„Für die Tiere des Waldes gibt es keine Vernunft. Wir sind diejenigen, für die Gründe bindend sind, die der eigentümlichen Kraft des besseren Grundes unterliegen. Diese Kraft ist eine normative, ein rationales „Sollen“.
Wir selbst stellen uns implizit in einen Raum von Gründen, was bedeutet, „uns selbst als Subjekte von Erkennen und Handeln zu betrachten, oder zu behandeln.“
(ebd. S.37)


Eingedampft: Was den Menschen vom Tier unterscheidet, ist das Spiel des Gebens und Verlangens von Gründen.
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Re: Tiere: Denken, Fantasie und Kreativität?

Beitragvon Vollbreit » Mi 31. Jul 2013, 11:08

stine hat geschrieben:Die Entwicklung des Intellekts ist an die Sprache gebunden, an die Weitergabe des Wissens durch Schrift und Bild. Interessant wäre, wenn Tiere Sprache entwickeln würden, lesen und schreiben könnten, denn dann könnten sie aktiv ihr Wissen weitergeben und an Wissen gelangen. So etwas ähnliches gibt es zwar, Hund und Katze können beispielsweise die Körpersprache ihrer Menschen verstehen, aber untereinander können sich Tiere vermutlich nicht über ihre Menschen austauschen. (So nach dem Motto: "Mein Mensch spinnt heute wieder mal, er sagt, auf das Sofa dürfe ich nicht pinkeln...")
Tiere untereinander schauen sich zwar erlernte Fähigkeiten voneinander ab, was eindeutig auf Denken schließen lassen kann, einen höheren Intellekt entwickeln sie dadurch aber nicht. Sie haben keinen Sinn für Moral, sie lernen nur über Strafe und Belohnung.


Völlig richtig.
Interessanterweise verfallen dann die Naturalisten der „keine Unterschiede“-Fraktion in eigentümliche esoterische Vorstellungen einer tierischen Geheimsprache, von der wir vielleicht einfach nur nicht wissen, dass sie existiert, mit der religiösen Floskel garniert, dass wir eben nicht sicher sein können, dass es diese Sprache nicht gibt.

Als ob das relevant wäre. Wichtig ist Kriterien zu finden, die dafür sprechen, dass Tiere diese Sprachen wirklich sprechen. Also nicht, dass Tiere kommunizieren, das tun sie ohne jeden Zweifel, sondern dass sie über eine so komplexe Sprache verfügen, dass sie ihre Verhalten einander tatsächlich begründen. Bislang deutet nicht viel darauf hin.
Dazu noch mal Brandom:
Robert Brandom hat geschrieben:„Man könnte sogar behaupten, der Besitz dieser reflexiven expressiven Fähigkeit und von allem was mit ihr zusammenhängt, mache einen so großen Unterschied, dass man hier die Grenze zwischen Sprachlichem und Nichtsprachlichem ziehen könnte. Der Unterschied zwischen logischen und vorlogischen Sprachen ist jedenfalls so wichtig, dass Forscher, die sich dafür interessieren, was für eine Sprache Schimpansen und Delphine lernen können, gut beraten wären, ihnen nicht noch 200 weitere singuläre Termini und Prädikate beibringen zu wollen, sondern erst einmal Konditionale und Quantoren.“
(Brandom, Expressive Vernunft, 1994, dt. 2000, Suhrkamp, S.946, Fußnote 42)

Warum gerade die?
Robert Brandom hat geschrieben:„Das Konditional und die Negation sind die fundamentalen Bausteine des logischen Vokabulars.“ (ebd. S.540)
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Re: Tiere: Denken, Fantasie und Kreativität?

Beitragvon mat-in » Mi 31. Jul 2013, 11:36

Gut und Böse finden sich in der Natur nicht, das sind theologische Begriffe. In sofern kann man natürlich sagen, daß der Mensch das Einzige Lebewesen ist das sich so spinnerten Mist ausdenkt. Aber ich nehme an (in geringerem Umfang) haben auch andere Säugetiere Fantasie...

Das der Mensch "keinen Freien Willen" hat und auch nur "zwischen gut und böse unterscheiden" kann, wenn sein Gehirn funktioniert und das es zahlreiche Belege gibt, wie das durcheinander kommt, wenn ein Hirnschaden vorliegt juckt ihn wahrscheinlich nicht? Auch nicht, das es eine angeborene Ethik gibt, die wir auch bei Schimpansen finden oder das Hunde, etc. durchaus wissen, daß sie etwas "falsch" geacht haben, daß eine Strafe hinter sich zieht?
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Re: Tiere: Denken, Fantasie und Kreativität?

Beitragvon Vollbreit » Mi 31. Jul 2013, 12:11

In der Tat mat-in, zwischen gut und böse unterscheiden zu können, ist wesentlich eine Kulturleistung.
Sprichst Du von einer angeborenen Ethik, widersprichst Du Dir selbst, solltest Du beabsichtigen (willenlos wie Du zu sein behauptest) jemanden mit Deinen (hier misslungenen) Argumenten überzeugen zu wollen, rekurriesrt Du genau auf jene Einsichtsfähigkeit aus freiem Willen, die Du hier zu bestreiten versuchst.
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Re: Tiere: Denken, Fantasie und Kreativität?

Beitragvon Lumen » Mi 31. Jul 2013, 12:15

Auch bei Tieren gibt es in gewissem Sinne richtig und falsch, und (soziale) Konsequenzen. Denken wir an Fledermäuse, die ihre Nahrung mit Artgenossen teilen können. Teilt eine Fledermaus selbst nicht, und will dann später ihrerseits etwas abhaben, weigern sich Artgenossen bisweilen zu teilen. Solche Verhaltensweisen werden bestimmt gerne als automatisch-instinktgeleitet wegerklärt. Das ist aber meiner Ansicht nach eine falsche, vielmehr irreführende Zweiteilung (Dichotomie) von Verhalten und „Verstand“.
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Re: Tiere: Denken, Fantasie und Kreativität?

Beitragvon Nanna » Mi 31. Jul 2013, 12:18

mat-in hat geschrieben:Gut und Böse finden sich in der Natur nicht, das sind theologische Begriffe. In sofern kann man natürlich sagen, daß der Mensch das Einzige Lebewesen ist das sich so spinnerten Mist ausdenkt.

Es sind ethische Begriffe, keine theologischen, die einfach das bezeichnen, was moralisch ge- oder verboten ist. Essentialistische Auffassungen sind da natürlich Käse.

Dass Schimpansen einen gewissen Sinn dafür haben, wundert mich übrigens nicht, sondern finde ich folgerichtig. Alle sozialen Gemeinschaften autonom handlungsfähiger Wesen brauchen solche ethischen/sozialen Standards, was man tun darf und was nicht, selbst wenn die nur rudimentär sind.
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Re: Tiere: Denken, Fantasie und Kreativität?

Beitragvon mat-in » Mi 31. Jul 2013, 15:23

Die Vorstellung von "Gut" und "Böse" geht doch davon aus, das es "das (absolut) Gute" und "das (absolut) Böse" und eine ganze Skala dazwischen gibt und es wird auch davon ausgegangen, das es objektiv bewertbar wäre. Diese Grundannahmen sind aber ziemlicher Unsinn. Fragen wir einen Serienmörder mit Hirntumor, warum er seine Nachbarin umgebracht hat und antwortet er vielleicht "weil ich ihr Geld brauchte und zu schwach war sich zu wehren", dann mag das im Allgemeinen auf unverständniss stoßen, aber in der ein oder anderen Kultur die unserer nicht so ähnlich ist auf Zustimmung stoßen.

Was wir bewerten können sind immer relative Bewertungen, abgewägt über ein Schema, daß wir z.B. auf der "Vermeidung von Leid" aufbauen können. Aber "das Böse" existiert einfach nur in Fantasyfilmen und der Bibel.

Solche relativen und subjektiven bewertungen sind auch, was wir "natürlicher Weise" vornehmen. Wie hoch sind Schaden und nutzen für mich? Muß ich etwas aktiv dazu beitragen oder es passiv geschehen lassen? Wie ist der Nutzen, wenn alle so etwas tun. Diese Dinge stecken sehr tief in uns drin, denn würden wir wirklich rational abwägen und uns dann für den besten Weg entscheiden können würden Mensch diese klassischen Dilemma mit der Eisenbahn und den Menschen auf den Schienen nicht unterschiedliche beantworten je nach dem ob es aktiv oder passiv ist. Würdest du einen Hebel umlegen, um einen Zug weg von einem Gleis voll Kinder auf eines zu lenken, auf der ein alter Mann arbeitet? Hier antworten die meisten Leute ja! Würdest du einen Alten Mann von einer Brücke schubsen, um einen Zug aufzuhalten, der auf ein Gleis mit Kindern zurast? Hier antworten erstaunlich viele Leute nein. Nicht weil es die "bessere" Entscheidung ist, denn das Resultat ist in beiden Fällen exakt gleich, sondern weil sie Unterscheiden ob sie selbst Leid zufügen müssen oder ob das passiv passiert...

So frei ist der Mensch also nun doch nicht.

Und was den freien Willen per se angeht... fände ich das eine ziemliche Horrorvorstellung, wenn all meine Erfahrung, meine Persönlichkeit, meine Gene keine Rolle spielen würden und "irgend eine Macht von außerhalb" eine Entscheidung für mich trifft.
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Re: Tiere: Denken, Fantasie und Kreativität?

Beitragvon Nanna » Mi 31. Jul 2013, 15:36

mat-in hat geschrieben:Die Vorstellung von "Gut" und "Böse" geht doch davon aus, das es "das (absolut) Gute" und "das (absolut) Böse" und eine ganze Skala dazwischen gibt und es wird auch davon ausgegangen, das es objektiv bewertbar wäre.

Diese essentialistische Deutung gibt es, klar, und verschiedene Moralentwürfe haben sich immer auf ein solches dogmatisches Verständnis berufen, worunter meist auch die religiösen Lehren fallen. Dem hat die moderne Philosophie mehrheitlich eine klare Absage erteilt und das auch nicht erst gestern. Die Kontigenz und Konstruiertheit moralischer Systeme ist ein bekanntes Phänomen/Problem (wie man's nimmt).

Interessant ist doch eher, dass du durch die Hintertür ein essentialistisches Verständnis wieder einzuführen versuchst, indem du statistische Häufungen beim Antwortverhalten zu einem moralischen Dilemma als Beleg eines vorsprachlichen Verständnis für Gebotenes und Verbotenes hinstellst. Tust du damit nicht genau das, was du zwei Sätze vorher noch als lächerlich gebrandmarkt hast, nämlich zu versuchen, eine natürliche, biologisch vorgegebene Skala zu etablieren?
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Re: Tiere: Denken, Fantasie und Kreativität?

Beitragvon stine » Mi 31. Jul 2013, 15:40

mat-in hat geschrieben:...Würdest du einen Hebel umlegen, um einen Zug weg von einem Gleis voll Kinder auf eines zu lenken, auf der ein alter Mann arbeitet? Hier antworten die meisten Leute ja! Würdest du einen Alten Mann von einer Brücke schubsen, um einen Zug aufzuhalten, der auf ein Gleis mit Kindern zurast? Hier antworten erstaunlich viele Leute nein.

Wo nehmt ihr nur immer solche Geschichten her?

Bin ich froh, dass ich solche Entscheidungen nicht treffen muss. Also ich würde ihn schubbsen... :cough:

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Re: Tiere: Denken, Fantasie und Kreativität?

Beitragvon laie » Mi 31. Jul 2013, 16:55

mat-in hat geschrieben:Was wir bewerten können sind immer relative Bewertungen, abgewägt über ein Schema, daß wir z.B. auf der "Vermeidung von Leid" aufbauen können. Aber "das Böse" existiert einfach nur in Fantasyfilmen und der Bibel.


Einmal abgesehen von konkreten ethischen Entscheidungssituationen wie beim Zugbeispiel: Warum sollten wir uns überhaupt in irgendeiner Weise verpflichtet fühlen, Leid zu vermeiden, wenn es das Böse nur in der Bibel gibt? Ich meine, wenn es das Böse nicht gibt, dann gibt es auch nicht die böse Tat. Von daher wäre es doch völlig ok, Leid nicht zu vermeiden. Es wäre völlig ok, den Alten runterzuschubsen (ihm also das Leid, jetzt zu sterben, nicht vorzuenthalten :veg: ) ebenso wie den Zug mit Kindern entgleisen zu lassen (und dieses Leid nicht zu vermeiden :ka: ). Beides wäre doch ok.
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Re: Tiere: Denken, Fantasie und Kreativität?

Beitragvon mat-in » Mi 31. Jul 2013, 17:10

Ich bin mir sicher, daß man von statistischen Verteilungen in angeborenen und dann kulturell geprägten Bewertungsystemen weder darauf schließen kann, daß diese Bewertungen allgemeingültig und die beste Möglichkeit sind, noch das man sie als Absolutwerte einführen kann. Dafür sind die einfach zu rudimentär, fehlerhaft, unsozial. Die Bewertung des eigenen Verhaltens - und sei es nur um daraus zu lernen - kann jedes zum Lernen befähigte Tier in gewissem Umfang. Jedoch das es überhaupt eine statistische Verteilung der Antworten gibt deutet doch schon darauf hin, das es keine "immer und für jeden richtige" Antwort geben kann?

@stine
Das ist ein Standardbeispiel in der "Moralforschung", das geht noch viel komplizierter...
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Re: Tiere: Denken, Fantasie und Kreativität?

Beitragvon laie » Mi 31. Jul 2013, 17:22

@mat-in Wenn ich dich richtig verstehe, dann drückst du mit deinem letzen Beitrag eine relativistische Position aus. Man weiss nicht, was gut oder böse ist, was man tun soll, weil das überall anders geregelt ist.

Peter Knauer, Handlungsnetze hat geschrieben:Aber dann wäre zu fragen, ob die jeweilige Kultur tatsächlich ein letzter, nicht mehr in Frage zu stellender Maßstab sein kann. Müsste nicht zumindest diese Behauptung selbst als kulturübergreifend verstanden werden? Es ist logisch nicht möglich, ohne jeden Universalitätsanspruch auszukommen. Selbst wenn man nicht auf von vornherein universal geltende Sätze zurückgreifen kann, ist doch allen Kulturen zumindest der Anspruch gemeinsam, dass es zum Umgang mit der Wirklichkeit der Aufmerksamkeit und Sorgfalt bedarf.
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Re: Tiere: Denken, Fantasie und Kreativität?

Beitragvon mat-in » Mi 31. Jul 2013, 18:05

Ganz genau. Ich bin der Meinung, daß man an gewissen Grundsätzen messen kann, wie gut zwei Positionen im Vergleich sind, z.B. Todesstrafe vs. keine Todesstrafe im Gesetzbuch, aber nicht, das man sagen kann das eine der Positionen absolut die beste ist... das ist m.E. ein Fehler den man lange geneigt war im Kulturenvergleich zu machen und der dann in einen gegenteiligen Fehler, einen Kultur- und Ethikrelativismus verkehrt wurde, der behauptet man könne gar nicht vergleichen. Beides ziemlich falsch und Realitätsfern.
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Re: Tiere: Denken, Fantasie und Kreativität?

Beitragvon Vollbreit » Mi 31. Jul 2013, 18:13

Nach welchen Kriterein soll man denn dann unterscheiden und könnten Tiere das auch?
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Re: Tiere: Denken, Fantasie und Kreativität?

Beitragvon laie » Mi 31. Jul 2013, 21:00

@mat-in

Da bin ich ganz bei dir. Ich sehe es auch so, dass es universelle ethisch-verbindliche Handlungen (was ist konkret zu tun?) nicht gibt. Worauf man aber hinarbeiten kann sind meiner Meinung universell gültige Entscheidungsrichtlinien, oder Entscheidungsprinzipien, die dann konkret zu unterschiedlichen Handlungen führen können. Ein solches Prinzip ist in der katholisch-scholastischen Morallehre das "Prinzip der Doppelwirkung". Dieses Prinzip wurde entwickelt, um Kriterien an die Hand zu bekommen, was man in Situation tun soll, in denen man nicht darum herumkommt, einen Schaden zu verursachen. Im Kern sagt seine klassische Formulierung

Peter Knauer, Handlungsnetze hat geschrieben:Die Zulassung oder Verursachung eines Schadens ist dann erlaubt, wenn
a) die Handlung nicht »in sich schlecht« ist;
b) der Schaden nicht als Zweck direkt beabsichtigt ist;
c) der Schaden auch nicht als Mittel zum Zweck direkt beabsichtigt ist;
d) für die Zulassung oder Verursachung des Schadens ein entsprechender Grund vorliegt.

Sollte auch nur eine dieser Bedingungen nicht erfüllt sein, dann ist die Zulassung oder
Verursachung eines Schadens ethisch nicht vertretbar.


Daraus kamen dann absurd klingende Folgerungen wie die folgende:

Peter Knauer, Handlungsnetze hat geschrieben:In vergangenen Jahrzehnten wurde gefragt, ob es Fälle geben kann, in denen ein Schwangerschaftsabbruch erlaubt ist. Darf man zum Beispiel eine für die Mutter lebensbedrohende
Eileiterschwangerschaft abbrechen? Spätestens nach sechs Wochen rupturiert der Eileiter, der Embryo stirbt und die Mutter ist dann in akuter Lebensgefahr. Katholische Moraltheologen antworteten häufig: Es würde sich um eine direkte Tötung des Fötus handeln, die immer unerlaubt ist. Man müsse also lieber Mutter und Kind sterben lassen, als sich einer direkten Tötung und damit des Mordes schuldig zu machen. Anders läge der Fall jedoch, wenn der Uterus der Schwangeren von Krebs befallen sei. Dann dürfe man ihn herausoperieren und dabei in Kauf nehmen, dass ein darin befindlicher Fötus sein Leben verliere. Es handele sich nicht um eine direkte, sondern nur indirekte Tötung, die aus schwerwiegenden Gründen zulässig sein könne.

...

Die herkömmliche Deutung des Prinzips der Doppelwirkung lief darauf hinaus, dass der in einer Handlung zugelassene oder verursachte Schaden nicht früher als die angestrebte positive Wirkung eintreten dürfe. Jedenfalls dürfe die positive Wirkung nicht erst durch einen zuvor bewirkten Schaden zustandekommen, denn dann wäre dieser direkt verursacht und somit auch direkt beabsichtigt.


Im Beispiel mit dem Zug, dem alten Mann und den Kindern würde man wahrscheinlich aus diesem Grund den alten Mann nicht von der Brücke schubsen, während man den Zug durchaus umleiten würde und damit in Kauf nimmt, dass dann der alte Mann auf dem Nachbargleis stirbt. Denn die Kinder sind gerettet, noch bevor der Mann stirbt, es ist "nur" eine Folge des Umleitens, im zweiten Fall aber muss man den Mann töten, um die Kinder zu retten.

Das wird auch in der katholischen Moraltheologie kontrovers diskutiert. Es ist also nicht so, dass man sich da einfach bequem zurücklehnt und zur Bibel greift.

Peter Knauer, Handlungsnetze hat geschrieben:Die unterschiedliche Lösung der beiden Fälle von Schwangerschaftsabbruch wird man spontan wahrscheinlich als unverständliche Haarspalterei und als unmenschliche Gleichgültigkeit gegenüber den Leiden der Betroffenen empfinden. Aber wo liegt der Fehler? ...
Die Schwierigkeiten mit dem traditionellen Prinzip von der Doppelwirkung legen es nahe, neu nach seiner genauen Bedeutung zu fragen.
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Re: Tiere: Denken, Fantasie und Kreativität?

Beitragvon laie » Do 1. Aug 2013, 07:48

Nanna@mat-in hat geschrieben:Interessant ist doch eher, dass du durch die Hintertür ein essentialistisches Verständnis wieder einzuführen versuchst, indem du statistische Häufungen beim Antwortverhalten zu einem moralischen Dilemma als Beleg eines vorsprachlichen Verständnis für Gebotenes und Verbotenes hinstellst. Tust du damit nicht genau das, was du zwei Sätze vorher noch als lächerlich gebrandmarkt hast, nämlich zu versuchen, eine natürliche, biologisch vorgegebene Skala zu etablieren?


Noch interessanter ist, dass man es im Zugbeispiel von mat-in mit statistischen Häufigkeiten zu tun hat, im katholischen Fall des Abbruchs einer Schwangerschaft aber mit einer Begründung. Dass von 100 Leuten 90 den Mann nicht runterschubsen, erzeugt keinen Aufschrei der Entrüstung, aber wenn man liest, dass ein katholischer Moraltheologe sagt, es sei moralisch falsch, eine Eileiterschwangerschaft zu beenden, dann weiss jeder etwas zur Unmoral der Kirche zu sagen, und wie gut es sei, dass wir nicht mehr unter kirchlicher moralischer Bevormundung stehen, und was sonst noch für Blödsinn kommen mag.

Denn in beiden Fällen muss man jemanden töten, um einen anderen zu retten. Natürlich kann man sich darüber streiten, ob ein Fötus ein Mensch ist. Nach kirchlichem Verständnis ist er es, bei Peter Singer nicht.

Die Frage ist also, wer mehr wert ist, der alte Mann auf der Brücke oder der Fötus. Peter Singer argumentiert so weit ich weiss utilitaristisch: zu einem Menschen als Mensch und nicht als blosser Angehöriger der Spezies Home Sapiens gehören Wünsche, Freude, Vorfreude usw. Da ein Fötus diese Merkmale nicht hat, fehlt ihm auch nichts, wenn man ihn tötet. Damit hat sich der Fundamentaltheologe Peter Knauer wie folgt auseinandergesetzt:

Peter Knauer, Handlungsnetze, Seite135 hat geschrieben:Es ist in der Tat nicht möglich, die Menschenwürde etwa aus einer von der jüdischen und christlichen Glaubensverkündigung behaupteten Gottebenbildlichkeit des Menschen abzuleiten. Denn dann wäre die Menschenwürde nur dem Glaubenden erkennbar, und der Nichtglaubende hätte keinen Anlass, sie anzuerkennen. Die Menschenwürde hat vielmehr damit zu tun, dass der Mensch darauf hingeordnet ist, von seinesgleichen als sittliches Subjekt anerkannt zu werden und damit auch andere als sittliche Subjekte anerkennen zu können.
Dies ist mehr als das bloße aktuelle Überlebensinteresse. Singers Argumentation verkennt, dass nicht erst der aktuelle Besitz von geistigen Fähigkeiten den Menschen als Person konstitutiert, sondern bereits die prinzipielle, der Spezies als solcher und nicht nur dem Individuum zukommende Fähigkeit, solche Fähigkeiten zu entwickeln. Dies gilt selbst dann, wenn diese prinzipielle Fähigkeit an ihrer Aktualisierung definitiv behindert sein sollte. Diese »Metafähigkeit« wird traditionell als ein Sachverhalt verstanden, der keine unterschiedlichen Grade zulässt. Er macht das Personsein und damit die Menschenwürde aus. Das Personsein ist die Grundlage dafür, dass die sittliche Subjekthaftigkeit und damit aktuelle Selbstpräsenz, Selbstbewusstsein und Selbstverfügung möglich werden. Diese Möglichkeitsbedingung für aktuelle Selbstpräsenz sei als »Grundselbstpräsenz« bezeichnet. Die darin begründete Menschenwürde kommt allen ihren Trägern unterschiedslos zu. Der Mensch bleibt auch im Schlaf oder in Bewusstlosigkeit Person. Wäre die Menschenwürde nur im Maß der aktuell gegebenen geistigen Fähigkeiten oder des bewussten Überlebensinteresses gegeben, dann wäre zum Beispiel ein Schlafender kein mit dieser Würde ausgetatteter Mensch, da er aktuell seine geistigen Fähigkeiten nicht zu gebrauchen vermag. Um die Überzeugung von der allgemeinen Menschenwürde zu entkräften, wären andere Argumente als die Singers erforderlich.
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Re: Tiere: Denken, Fantasie und Kreativität?

Beitragvon Nanna » Do 1. Aug 2013, 08:50

Da ist Knauer sehr nahe an dem was auch Habermas sagt.
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