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Beitragvon Vollbreit » Sa 1. Mär 2014, 09:34

laie hat geschrieben:PS vielleicht wäre das ein "Fundamentalisten-Test", wenn man einmal schaut, ob man die Meinung des anderen vertreten kann, also quasi tauscht.


Ein schönes Experiment.
Wichtig ist dabei, dass man sich mit der Figur des anderen identifizieren kann und nicht eine fade Karikatur entstehen lässt.
Ich versuch es mal.

Möchte mich dem Forum kurz vorstellen:

Ich bin Alex aus Lilienthal, das ist irgendwo da, wo Niedersachsen auf Bremen stößt, bin 27, studiere als Spätberufener Biologie, nach dem Abitur brauchte ich erst mal ne Auszeit und wollte mal was von der Welt sehen. Ich hatte mal eine Zeit damit geliebäugelt in Richtung Neurobiologie zu gehen, weil ich das auch sehr interessant finde, aber ich habe mich doch mehr in Richtung Ethologie (Verhaltensforschung) orientiert, weil mich das immer schon interessierte.

Insbesondere die Forschung an Hunden interessiert mich, ich bin mit Hunden aufgewachsen, und ich habe das große Glück, jetzt schon etliche Monate an einer Forschungsstation für Hunde zu arbeiten, ein kleines Paradies für mich, ich wusste gar nicht, dass es sowas gibt.

Wie ich zu Dawkins kam? Das ist eher ein Zufall gewesen. Ich war eigentlich nie religiös, aber das Thema rangierte für mich immer unter nicht existent. Dann hatte ich mal eine Beziehung zu einem Mädchen, die aus einem streng religiösen Elternhaus kam, das war wie eine andere Welt für mich. Sie wollte sich da frei strampeln, aber war, obwohl sie intelligent war, tatsächlich im Zweifel ob es Gott nicht doch gibt. Das hat mich umgehauen. Da Dawkins als Biologe einen Namen hat und ich auch schon was von ihm gelesen habe, erinnerte ich mich an den „Gotteswahn“, den Titel kannte ich vorher schon, aber ich hab das nie gelesen, weil mich das Thema Religion eben nie interessierte, als Biologe ist man da glaube ich ohnehin nicht empfänglich, es kann einfach keinen Zweifel geben, dass die Lebewesen im Rahmen der Evolution entstanden sind.

Naja, auf jeden Fall haben wir das Buch damals gemeinsam gelesen, auch um Argumente gegen ihre Eltern zu haben. Nicht, dass ich vorher keine hatte, ich kenne mich da schon ziemlich gut aus, aber dass es im 21. Jahrhundert noch Leute gibt, die Vorstellungen aus dem Mittelalter haben, das kannte ich vorher so nicht. Natürlich haben die keine Ahnung von Biologie, das mit der Religion ist aus meiner Sicht sowieso, in erster Linie eine Wissensfrage, keine Glaubensfrage. Wer, wie ich, Biologie studiert und auf Ethologie spezialisiert ist, der weiß einfach, wieviel Tier im Menschen steckt, die Übereinstimmung unserer Gene mit denen einiger Tierarten, wird wohl schwer ein Zufall sein.

Mein Güte, die Mimik, die Triebe bei uns, alles pure Biologie, da muss man nichts glauben, sondern nur hingucken. Nun, meine Freundin ist heute eine andere, das ging damals auseinander weil sie ins Ausland ging, geblieben ist mein Kopfschütteln über diese Erfahrung. Wie gesagt, ihre Eltern waren nicht unfreundlich und auch gebildet und wir haben uns immer gut verstanden, aber bei dem Thema hatten sie einfach einen Knall. Ich habe selbst keinerlei Zweifel, dass die wissenschaftliche Sicht die einzige richtige, warum ich hier bin, ist, weil ich gesehen habe, dass hier auch Leute schreiben, die entweder glauben oder eine Sympathie für den Glauben haben und ich kann beides nicht verstehen, nachdem ich Dawkins „Gotteswahn“ gelesen habe, ehrlich gesagt noch viel weniger.

Also, erklärt mir das mal bitte, ich kriege es nämlich nicht in meinen kleinen Kopf,

Eurer Alex.
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Re: Seitenwechsel

Beitragvon stine » Sa 1. Mär 2014, 10:44

Pass bloß auf, dass du keine dissoziative Identitätsstörung bekommst!

:wink: stine
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Re: Seitenwechsel

Beitragvon Darth Nefarius » Sa 1. Mär 2014, 10:51

Vollbreit hat geschrieben:Wichtig ist dabei, dass man sich mit der Figur des anderen identifizieren kann und nicht eine fade Karikatur entstehen lässt.
Ich versuch es mal.

:lachtot: Eine sehr lustige aber oberflächliche Karikatur - von wem bloß? :ka: Wen auch immer du im Sinn hattest, er wird dich so maßgeblich in deinem Weltbild erschüttert haben, dass du wohl immer diese Position vor Augen hast, wenn du selbst eine beziehst und so herausfinden willst, welche du NICHT einnehmen wirst (egal worum es geht und welche Argumente vorliegen). Wie ist es eigentlich, ein so stark manifestiertes Feindbild zu haben und ohne konkreten Anlass immer wieder an dieses denken zu müssen? Psychologisch gesehen tendiert das ja schon fast zur Obsession. :mg:
Naja, keine Ahnung, wen du im Sinn hattest, aber falls du einen ernsthaften Versuch unternommen hast, einen "Seitenwechsel" vorzunehmen, ist es dir wahrscheinlich nicht geglückt - ich kenne zumindest niemanden, der eine so eindimensionale Persönlichkeit hat. Und die Atheisten, die ich kenne (auch hier im Forum) scheinen sich weniger über die Existenz der Religion und der Religiösität zu wundern als aufzuregen. Etwas abzulehnen bedeutet nicht, dass man es nur nicht versteht - manchmal tut tut man es gerade wegen eines sehr guten Verständnisses.
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Re: Seitenwechsel

Beitragvon Vollbreit » Sa 1. Mär 2014, 10:56

@ stine:

ja, eine leichte Schizophrenie hilft bei dem Thread. ;-)


@ Darth:

Du hast nicht erkannt, worum es geht.
Das ist eine Kurzbeschriebung, ich komme ich gerade in den Thread und bin ein junger, angehender Biologe.
Dass man bei einer paar Zeilen Kurvorstellung sämliche Aspekte der eigenen Persönlichkeit reinbringt, ist doch wohl eher selten, gell?

Ich finde mich als Alex jedenfalls nicht eindimensional, aber meine Hobbies und sonstigen Interessen sollen ja hier keine Rolle spielen.
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Re: Seitenwechsel

Beitragvon Darth Nefarius » Sa 1. Mär 2014, 11:10

Vollbreit hat geschrieben:Du hast nicht erkannt, worum es geht.
Das ist eine Kurzbeschriebung, ich komme ich gerade in den Thread und bin ein junger, angehender Biologe.
Dass man bei einer paar Zeilen Kurvorstellung sämliche Aspekte der eigenen Persönlichkeit reinbringt, ist doch wohl eher selten, gell?

Ich finde mich als Alex jedenfalls nicht eindimensional, aber meine Hobbies und sonstigen Interessen sollen ja hier keine Rolle spielen.

Ja, die Hobbys und Interessen spielen keine Rolle - was ich auch angesprochen habe (schon im vorigen Kommentar) war die mangelnde Reflexion bezüglich der eigenen Position und der der anderen Seite oder das Unverständnis dieser, welches zu betonst. Wie gesagt, kenne ich keinen Atheisten, der sich über Religiösität wirklich wundert oder nicht wüsste, dass sie existiert(naja, vielleicht gibt es in China oder Nordkorea welche, aber aus diesen Ländern kenne ich niemanden). In dieser Gesellschaft wirst du sehr früh mit diesem Mist konfrontiert und mit der Tatsache, dass es ein Phänomen der Massen ist. Ich kenne auch niemanden, der erst seit Dwakins richtiger Atheist ist und auch nur diesen kennt. Und zum Thema Biologie: Ich nehme an, dass ich ein Paradebeispiel für dein Bild vom Szientismus bin - aber auch ich halte die Wissenschaften nicht für die Quelle der Wahrheit. Falls es Wahrheiten gibt, so sind sie nur subjektiv. Gute Naturwissenschaftler suchen nicht nach der Wahrheit, sondern nach konkreten Lösungen für bestimmte Fragestellungen und Probleme. Falls du also eine Gestalt zeichnen willst, die 1. sich mit Religion auseinandersetzt, 2. über ihre Epiphanie sinnt, 3. eine radikal naturwissenschaftliche Position vertritt, wäre es erstmal nicht schlecht, über die Gesellschaft, in der sich diese Gestalt bewegen soll und über die Philosophie der Naturwissenschaften genau nachzudenken - momentan wirkt deine Darstellung wie eine billige Karikatur - von wem auch immer.
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Re: Seitenwechsel

Beitragvon Darth Nefarius » Sa 1. Mär 2014, 11:20

Mal unabhängig davon, würde ich gern von dir wissen, wieso du meinst, so genau "2 Seiten" ausmachen zu können (also deine und deinen angeblichen Kontrast, Alex)? Man kann auf vielen Ebenen nicht deiner Meinung sein und auf vielen anderen gleichzeitig doch. Man könnte so wie du in ein und demselben Forum diskutieren, weil man sich über die Rolle des Glaubens und der Religion als Nicht-Religiöser austauschen will und damit schon eine besondere Gemeinsamkeit mit dir haben und doch in Fragen Gesellschaft, Politik, Philosophie und Wissenschaft meist völlig anderer Meinung sein. Man kann die Religion und ihre Beführworter vielleicht nicht ausstehen, aber in einigen Punkten doch ihrer Meinung sein. Kurz: Ich sehe nicht genau nur 2 Seiten, sondern viele Fronten, die durch wieder andere laufen. So ergeben sich nicht nur die seltsamsten Konflikte, sondern auch die überraschendsten Allianzen.
Wenn du also meinst, dich in "die andere Seite" hineinversetzen zu wollen, will ich erstmal wissen, wie du sie definierst und von dir abgrenzt (und warum so und nicht anders, da du unweigerlich auch mit deiner Skizzierung auch Gemeinsamkeiten haben wirst, je weiter man die Sache spinnt).
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Re: Seitenwechsel

Beitragvon Nanna » Sa 1. Mär 2014, 11:36

Es war eigentlich nicht Sinn der Sache, das Experiment zu zerreden, sondern einfach mal auszuprobieren, was herauskommt, wenn man es mal versucht.
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Re: Seitenwechsel

Beitragvon Vollbreit » Sa 1. Mär 2014, 11:53

@ Darth:

Ich, Alex, bin nicht erst seit Dawkins Atheist, Religion hat mich nie interessiert.
Ich bin auch keine zweite Seite, sondern Alex.

Ich interessiere mich für Hunde, Kynologie, kann man nicht isoliert studieren, sonst hätte ich es gemacht, aber Verhaltensforschung ist auch super und nahe dran. Derzeit forsche ich an Hunden und habe eine kleine Gruppe mit Shiba Inus, die ich beobachte. Schreibe ich, wenn es geht meine Arbeit drüber.

Ich habe natürlich noch diverse Hobbies, fahre am Wochenende gerne Rad, spiele Billard und Gitarre, gehe auch mal gerne Feiern und lese, wenn die Zeit es zulässt. Technik interessiert mich auch, ich bin früher oft nach Bremerhaven gefahren und habe mir da die großen Pötte angeschaut. Ist eine Welt für sich, aber mir geht es hier darum diejenigen zu verstehen, die an Gott glauben.

Was die antreibt, kann ich nämlich nicht wirklich nachvollziehen.
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Re: Seitenwechsel

Beitragvon Darth Nefarius » Sa 1. Mär 2014, 19:34

Nanna hat geschrieben:Es war eigentlich nicht Sinn der Sache, das Experiment zu zerreden, sondern einfach mal auszuprobieren, was herauskommt, wenn man es mal versucht.

Die Idee, sich in die andere Seite hineinversetzen zu wollen, ist an sich sehr klug - aber ich sehe dazu keinen echten Willen. Wenn ich mich in die Rolle eines von mir gewählten Kontrasts hineinversetzen wollte, würde mir mehr Mühe geben. Das würde auch die Annahme von Kritik miteinbeziehen und nicht die Ergänzung durch Hobbys bei einem fiktiven Profil. Allerdings könnten sogar diese klug gewählt eine Rolle ergänzen - wie z.Bsp. Star Wars futuristische und wissenschafts-affine Haltungen leicht unterstreicht (mal zufällig erwähnt) und Feng Suschi es nicht tut oder eigene Erlebnisse und Erfahrungen die eigene Lebensphilosophie maßgeblich beeinflussen. Von Method-Acting muss man schon ein wenig Ahnung haben, sonst kauft dir das Publikum nichts ab. Aber grundsätzlich zeigt eine schlecht durchdachte Rolle auch die mangelnde Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen und ist daher kritikwürdig. Und was soll schon herauskommen, wenn man sich keine Mühe gibt?
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Re: Seitenwechsel

Beitragvon Nanna » Mo 3. Mär 2014, 01:14

Kannst du es besser? Dann zeig mal.
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Re: Seitenwechsel

Beitragvon provinzler » Mo 3. Mär 2014, 01:34

Nanna hat geschrieben:Kannst du es besser? Dann zeig mal.

Ich muss Vollbreit für den Artikel Respekt zollen, bei mir würde wahrscheinlich der Spott aus jeder Zeile triefen :mg:
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Re: Seitenwechsel

Beitragvon Vollbreit » Mo 3. Mär 2014, 08:35

Würde mich auch interessieren, wie eine differenzierte Darstellung eines, sagen wir mal überzeugten Kulturrelativisten aus Darths Feder aussieht.
Oder eines mit sich ringenden Theologen. Oder eines Philosophen, der den Biologismus für eng und absurd hält.

@ provinzler:

Danke.

Wie gesagt, mit Alex kann ich mich sogar identifizieren.
Da von den anderen, die sonst nicht mit Kritik sparen, jeder kneift, willst Du dem Alex - als provinzler - mal auf den Zahn fühlen, vielleicht kommen ja dann mehr Konturen raus?

Einfach so zum Spaß, ich bin recht sicher, dass ich einen guten Atheisten abgeben, der klug argumentieren kann, aber das muss sich eben auch erst zeigen.
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Re: Seitenwechsel

Beitragvon Darth Nefarius » Mo 3. Mär 2014, 19:57

Nanna hat geschrieben:Kannst du es besser? Dann zeig mal.

Tja, ich sehe noch kein "Administrator" unter meinen Alias - ach du meinst besser als Vollbreit? :mg:
In Ordnung (obgleich ich momentan in laufender Woche besseres zu tun habe und wahrscheinlich nicht sofort werde antworten können auf Kritiken). Ich will aber anmerken, dass ich erstmal nur eine (aber doch entscheidende) Eigenschaft abändere; diese hätte allerdings weitreichende Konsequenzen:

Ich bin Matthias und überzeugter Theist, ich halte Evolution für ein göttliches Werk, ebenso wie jede andere wissenschaftliche Theorie. Die Wissenschaften argumentieren zwar konsistent, aber schließen eine göttliche Existenz nicht aus. Warum sollte man nun an eine glauben? Letztlich glaube ich an Gott, weil ich Angst vor Führungslosigkeit, Sinnlosigkeit im Leben und vor allem meiner Sterblichkeit und der Sterblichkeit der mir wichtigen Menschen habe - Angst ist die größte Motivation, die eine göttliche Schöpfung haben kann, diese Überzeugung stellen die großen Monotheismen in ihren Glaubensbüchern dar. Der Glaube an eine göttliche Existenz, die ich gerade nicht erfassen, und wahrnehmen kann, lässt mich einerseits hoffen, dass auch Verstorbene irgendwie weiterexistieren und das Leben nicht nur ein kosmischer Zufall ist und Gerechtigkeit dort fortgesetzt werden kann, wo sie im Diesseits offenkundig nicht erfolgt. Die Existenz eines Gottes erklärt für mich den Determinismus, der teilweise aberwitzige Ergebnisse ermöglicht aber doch so klar durch die Kausalität erfassbar ist.
Gleichzeitig ist Angst ein großes Gift, welches die Lebensqualität mindert - und die Hoffnung auf eine Kraft, die größer ist als ich ist da die einfache Lösung um einerseits besser zu leben und andererseits das zu erklären, was ich beobachte. Und wenn ich doch unrecht habe, so habe ich nichts verloren, sondern durch meinen Glauben nur an Lebensfreude gewonnen und mich vor großem Übel geschützt.

Das ist quasi die Jedi-Version meines Ichs, welches einerseits nicht die Stärke besitzt, sich selbst zur eigenen Rettung vor diesen Ängsten zu machen aber andererseits die offenkundig nützliche Eigenschaft besitzt, das zu glauben, was es glauben will. Und das sind auch schon die einzigen Abänderungen.
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Re: Seitenwechsel

Beitragvon Vollbreit » Mo 3. Mär 2014, 23:51

Matthias hat geschrieben:Ich bin Matthias und überzeugter Theist, ich halte Evolution für ein göttliches Werk, ebenso wie jede andere wissenschaftliche Theorie. Die Wissenschaften argumentieren zwar konsistent, aber schließen eine göttliche Existenz nicht aus.
Bitte?
Wofür brauchst Du Gott? Wenn man etwas nicht ausschließen kann, so ist da doch wohl kein Beleg dafür, dass es das gibt.
Kannst Du die Existenz von Einhörnern oder Killertomaten ausschließen? Wichtig ist nicht ob man beweisen kann, dass es etwas nicht gibt, sondern ob überhaupt irgendwas für die Existenz von etwas spricht. Das willst Du doch wohl nicht bestreiten, oder?

Matthias hat geschrieben:Warum sollte man nun an eine glauben? Letztlich glaube ich an Gott, weil ich Angst vor Führungslosigkeit, Sinnlosigkeit im Leben und vor allem meiner Sterblichkeit und der Sterblichkeit der mir wichtigen Menschen habe - Angst ist die größte Motivation, die eine göttliche Schöpfung haben kann, diese Überzeugung stellen die großen Monotheismen in ihren Glaubensbüchern dar.
Das ist ja gerade die Misere. Ihr Gläubigen habt Angst. Wie bei meiner Ex, sie wusste eigentlich, dass das alles Mist ist, aber die Angst davor, dass da doch noch was sein könnte, die hat sie nicht losgelassen.
Kann ich zwar verstehen, wenn man so geprägt ist, finde ich aber einfach nur traurig. Du musst Dir doch wie im Käfig vorkommen.

Matthias hat geschrieben:Der Glaube an eine göttliche Existenz, die ich gerade nicht erfassen, und wahrnehmen kann, lässt mich einerseits hoffen, dass auch Verstorbene irgendwie weiterexistieren und das Leben nicht nur ein kosmischer Zufall ist und Gerechtigkeit dort fortgesetzt werden kann, wo sie im Diesseits offenkundig nicht erfolgt.
Jaja, die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Ist ja auch alles nett, ich will das gar nicht veralbern, ich hab' da eher Mitleid. Ihr schneidet euch doch von allem ab. Was, wenn es Gott nicht gibt, dann hast Du Dein Leben lang verzichtet und bist doppelt gearscht. Gut, das kriegen wir alle nicht mit, aber ich hab dann wenigstens Spaß im Leben gehabt.
Glaubst Du ernsthaft, Du könntest ohne Gehirn noch was erleben? Wie soll das gehen?

Matthias hat geschrieben:Die Existenz eines Gottes erklärt für mich den Determinismus, der teilweise aberwitzige Ergebnisse ermöglicht aber doch so klar durch die Kausalität erfassbar ist.
Tut mir leid, aber die Existenz Gottes erklärt für mich rein gar nichts. Wobei kommt Gott denn ins Spiel? Die Erschaffung der Welt? Nun, die Astronomen sagen uns alles, was wir wissen müssen. Ab da ist das einfach die Kette der biologischen Evolution. Die ist lückenloser als die meisten glauben, in uns steckt so viel Affe, da braucht mal nur mal in den Zoo zu gehen. In der Schule haben wir schon die Ursuppe nachgebaut und konnten Leben nachweisen, da braucht es nun wirklich keinen Gott zu.
Auch das Sozialverhalten oder Menschen aus Völkern die wenig Kontakt zur Zivilisation hatten, da baut einfach ein Schritt auf den nächsten auf. Mimik, Gestik, die Reaktion auf bestimmte Reize. Da sind wir einfach nicht viel anders als die Tiere. Es kann ja von mir aus jeder an Religion glauben, nur warum soll ich mein Leben danach richten?
Es gibt so viel Spannendes auch der Welt, für das man sich begeistern kann.

Meine Shibas zum Beispiel. Das ist so irre, wie man den Blick schulen kann. Und man lernt wirklich Fakten und Interpretationen zu trennen. Ich bin auch immer wieder ausgebremst und korrigiert worden, weil ich das von früher noch drin hatte, zu sagen, der Hund hatte Angst, er hat sich unterworfen, der erschreckte sich. Da kriegt man bei uns gleich die rote Karte, es geht darum erstmal nur Hinschauen zu lernen. Nicht bewerten, einfach schauen, die wie Ohren stehen, wie die Körperhaltung ist, wie die Schnauze, die Stirn aussieht, welches Tier sich wo befindet. Das sind Fakten, danach kommt die Interpretation. Und da sucht man eben auch das was naheliegt und nicht, dass die Ohren durch unsichtbare Elfen aufgestellt werden. Die Empirie ist das A und O, das wisst ihr Gläubigen vielleicht nicht, aber wenn man da mal reinschnuppert, verliert man auch seine Ängste, jedenfalls glaubt man nicht mehr an völlig unseriöses Zeug.

Aber egal, ich will Dich hier gar nicht bekehren, ich will nur verstehen, wie ihr tickt. Angst, das habe ich verstanden, aber willst Du nicht mal von der Angst wegkommen?

Matthias hat geschrieben:Gleichzeitig ist Angst ein großes Gift, welches die Lebensqualität mindert - und die Hoffnung auf eine Kraft, die größer ist als ich ist da die einfache Lösung um einerseits besser zu leben und andererseits das zu erklären, was ich beobachte.
Aber wenn Du nur hoffst, ist Dir das nicht zu dünn? Du kannst doch nicht einfach irgendwas glauben. Das bringt doch nichts. Ich kann mir zumindest nicht einreden, dass da gleich ein gefügeltes Pferd durch die Wolkendecke bricht und mir einen Lottogewinn beschert. Warum kann Gott Dir denn nicht mal bei Deiner Angst helfen? Müsste doch gehen, wenn er lieb ist.

Matthias hat geschrieben:Und wenn ich doch unrecht habe, so habe ich nichts verloren, sondern durch meinen Glauben nur an Lebensfreude gewonnen und mich vor großem Übel geschützt.
Kann sein, aber zu welchem Preis? Du schneidest Dich doch vom Leben ab. Nichts gegen gewisse Spielregeln, aber wenn ich meinen besten Freund nicht übers Ohr haue, dann weiß ich warum, aber warum sollte ich mein Leben einschränken, weil vor 2000 Jahren jemand einen schlechten Traum hatte. Verlieren tust Du jetzt schon, da ist die ohnehin wenig überzeugende Geschichte mit dem Paradies dann ein schwacher Trost.
Wo soll das denn überhaupt sein, das Paradies, das hat mir auch noch niemand erklären können.
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Re: Seitenwechsel

Beitragvon laie » Mi 5. Mär 2014, 18:08

Hallo, ich bin Markus, habe Ethnologie studiert und stehe der britischen Schule der Anthropologie (social anthropology) nahe. Religion interessiert mich als eingefleischter Materialist nur am Rande, quasi als epiphänomen. Worüber redet ihr? Nach meiner Ansicht hat dieser ganze religiöse Schwachsinn im wesentlichen eine soziologische Ursache, nämlich Machtausüben. Angst und Furcht sind ja immer gute Möglichkeiten, ideologisches oder soziales oder monetäres Kapital anzuhäufen.

Im Ernst, es ist doch wohl absurd von Gott, gar von einem "lieben" Gott zu sprechen. Wo soll der denn sein? Und selbst wenn: Wir brauchen ihn nicht, um es uns in der Welt gemütlich einrichten zu können. Ja, gut, es ist nicht alles planbar. ja und? Zufall eben. Aber ich verstehe als Sozialwissenschaftler natürlich, warum die Religion immer noch so eine grosse Rolle spielt. Weil die Gehirne der Kinder von religiösen Eltern systematisch verblödet werden. Und diese Indoktrination wird man echt nur schwer wieder los. Sehe ich an ehemaligen SchulfreundInnen.

Nein, wenn schon, dann muss man sich diesem kulturellem Phänomen wissenschaftlich nähern. @Alex, kannst du was zum Ursprung der Religion sagen? Gibt es so etwas wie Proto-Religion, wie es ja auch eine Proto-Kultur bei bestimmten Menschenaffen gibt? In der Ethnologie kennen wir das mehr oder minder spontane Entstehen von Kulten, bsp. beim Cargo-Kult in Melanesien. Religionen sind dynamische Grössen, sie ändern sich ständig. Und dass sich Religionen pausenlos wandeln, spricht nicht gerade dafür, dass sie Stabilität vermitteln. Trotzdem glauben die Gläubigen an diese Stabilität, vermutlich, weil sie einfach nicht wissen, wie stark sich Religionen im Lauf der Zeit ändern können. Ist ja auch klar: warum sollen sich religiöse Vorstellungen nicht wandeln können? Wie genau das geschieht auf kultureller Ebene wissen wir noch nicht, aber das dieser Wandel geschieht, steht ausser Frage.

Alex hat geschrieben:Wo soll das denn überhaupt sein, das Paradies, das hat mir auch noch niemand erklären können.


lol und rofl, mir auch nicht. Aber wir können ja mal zur Kenntnis nehmen, dass es Menschen gibt, die an etwas glauben, was sie nicht erklären können. Irrationalität des Alltags.

Matthias hat geschrieben:Letztlich glaube ich an Gott, weil ich Angst vor Führungslosigkeit, Sinnlosigkeit im Leben und vor allem meiner Sterblichkeit und der Sterblichkeit der mir wichtigen Menschen habe


Schön. Also wenn du keine Angst mehr hättest, würdest du nicht glauben oder? Warum gehst du nicht zum Psychiater mit deinen Ängsten? Meinst du, du bist so besonders, dass man deine Ängste nicht heilen kann?

Matthias hat geschrieben:Angst ist die größte Motivation, die eine göttliche Schöpfung haben kann, diese Überzeugung stellen die großen Monotheismen in ihren Glaubensbüchern dar.


Was soll das Rumgesülze? Du unterstellst, dass eine göttliche Schöpfung Motivation braucht und die grösste davon soll Angst sein? Woher willstn das wissen, he? "Sprichst" du etwa auch mit Gott oder überlässt du das anderen? Glaubst du etwa nur deshalb an Gott, weil du etwas über ihn gelesen hast? Du meine Güte. Haben doch alles Menschen aufgeschrieben. Mann, denk mal mit! Schalt mal dein Gehirn ein.
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Re: Seitenwechsel

Beitragvon Vollbreit » Do 6. Mär 2014, 11:26

Markus hat geschrieben:Hallo, ich bin Markus, habe Ethnologie studiert und stehe der britischen Schule der Anthropologie (social anthropology) nahe. Religion interessiert mich als eingefleischter Materialist nur am Rande, quasi als epiphänomen. Worüber redet ihr? Nach meiner Ansicht hat dieser ganze religiöse Schwachsinn im wesentlichen eine soziologische Ursache, nämlich Machtausüben. Angst und Furcht sind ja immer gute Möglichkeiten, ideologisches oder soziales oder monetäres Kapital anzuhäufen.


Hi Markus, ein entfernter Kollege, wie ich sehe. :-)
Für mich ist das auch primär eine Machtfrage vielleicht auch eine der Täuschung. Evolutionär gesehen sind das immer die gleichen Verhaltensmuster. Eigenschaften die sich evolutionär bewährt haben, werden kopiert, Formen der Mimikry gibt es auch auf der Verhaltensebene. Ist eben auch eine evolutionäre Strategie. Die einen haben bestimmte Fähigkeiten mit denen die angekommen, andere tricksen, ich kann das zwar als Strategie anerkennen, was mich wundert, ist allein, dass heute noch immer so viele Menschen auf diese leicht zu durchschauenden Strategien reinfallen.

Markus hat geschrieben:Im Ernst, es ist doch wohl absurd von Gott, gar von einem "lieben" Gott zu sprechen. Wo soll der denn sein?
Eben, ein Gott der außerhalb sitzt, nimmt nun mal keinen Einfluss auf die Welt und wenn er Einfluss nimmt, muss er auch in der Welt zu finden sein. Da wir bisher weder in Mikroskopen noch Teleskopen eine Spur von ihm gefunden haben, ist für mich die Sache klar. Ich würde übrigens sofort meine Meinung ändern, wenn man Gott morgen bei CERN beweisen könnte, aber nichts sieht auch nur im Ansatz danach aus. Das ist schon alles. Ich bin da weder wütend noch verbittert, ich verstehe einfach nicht, wie sich intelligente Menschen derart eine Bären aufbinden lassen.

Markus hat geschrieben:Und selbst wenn: Wir brauchen ihn nicht, um es uns in der Welt gemütlich einrichten zu können. Ja, gut, es ist nicht alles planbar. ja und? Zufall eben. Aber ich verstehe als Sozialwissenschaftler natürlich, warum die Religion immer noch so eine grosse Rolle spielt. Weil die Gehirne der Kinder von religiösen Eltern systematisch verblödet werden. Und diese Indoktrination wird man echt nur schwer wieder los. Sehe ich an ehemaligen SchulfreundInnen.
Die Evolution ist gut ohne Religion ausgekommen, bis zum Menschen. Das sind für mich einfach alte biologische Muster, die sich da in Religionen ausdrücken, aber Fairness und Inzesttabu und dergleichen, gibt es alles schon im Tierreich. Es ist ja ganz okay sich da Gedanken zu machen, aber ehrlich gesagt, entscheiden nicht wir über unser Schicksal und ganz sicher kein Gott. Wir können hier und da minimal was drehen, aber die Evolution macht mit uns, was sie will, das war früher so, so ist es heute und so wird es auch in Zukunft bleiben. Ich weiß natürlich nicht wo die Reise hingeht, aber ich weiß, wer den Karren lenkt, Gott nicht, wir nicht, es sind die alten Prinzipien den Evolution, die immer und für alles Leben gelten. Wer sich am besten anpasst gewinnt, der Rest verkümmert. Man muss ja nicht begeistert davon sein, aber ich wüsste nicht, wo ein Gebet je einen Krieg oder ein Hochwasser verhindert haben und irgendwann muss man sich ja mal trauen, das anzuschauen.

Mein ganzes Leben darauf aufzubauen, dass nicht ganz sicher auszuschließen ist, dass nicht in der letzten Ecke einer Galaxie sich ein Gott versteckt? Das ist einfach Angst und Unsicherheit, irgendwann muss man den Sprung von „ist sehr sehr sehr sehr unwahrscheinlich“ zu „gibt es nicht und interessiert mich auch nicht“ mal machen. Ich habe oft mit meiner Ex darüber geredet, das Komische war, dass sie keine Argumente hatte und irgendwie merkte, dass sie keine Argumente hatte und mehr als ein „aber trotzdem“ von ihr nicht kam. Kann ich ja noch anerkennen, wenn das für jemanden eine Mischung aus Halt und Gewohnheit ist, Modelleisenbahnen zu bauen ist auch sinnlos, aber man macht es einfach immer weiter und hat seinen Spaß daran, aber die meisten Gläubigen die ich kenne, haben ja gerade keinen Spaß. Die lassen sich etwas vorschreiben, von jemandem, den es nicht gibt. Gleichzeitig würden sie aber keine Versicherung abschließen, die ihnen zusagen würde, eventuell in 0,1% der Schadensfälle zu helfen, so ganz sicher kann man sich dabei aber auch nicht sein, aber dafür verlangt diese Versicherung einen extrem hohen Preis.
Das habe ich mit den Eltern meiner Ex auch besprochen und sie haben mir sogar zugestimmt – und ich glaube kurz nachgedacht – dann aber gesagt, so würden sie das nicht sehen. Da ist dann irgendwann das Ende der Rationalität erreicht, wenn man kein Argumente hat und sich auf „aber trotzdem“ beruft.

Markus hat geschrieben:Nein, wenn schon, dann muss man sich diesem kulturellem Phänomen wissenschaftlich nähern. @Alex, kannst du was zum Ursprung der Religion sagen? Gibt es so etwas wie Proto-Religion, wie es ja auch eine Proto-Kultur bei bestimmten Menschenaffen gibt?
Wie gesagt, es gibt evolutionäre Strategien in Hülle und Fülle, die Natur ist ungeheuer kreativ. Bestimmte stabile Muster setzen sich in verschiedenen biologischen Stämmen und Klassen durch, z.B. Flügel, bei Insekten, Vögeln und Säugetieren.
So ist es auch mit Verhaltensmustern, ein Rudel von Caniden folgt immer bestimmten Ordnungen und die findet man unter Primaten auch und der Mensch ist ein Primat.
Man kann sich sogar ernsthaft darüber Gedanken machen, ob da, wo der Menschen an dieser natürlichen Ordnung herumdreht überhaupt je etwas Sinnvolles rausgekommen ist. Die Natur „weiß schon, was sie tut“, d.h. ihre Gleichgewichte und Anpassungen pendeln sich optimal ein, selbst unsere sozialen Netze finde ich da eher fragwürdig.
Aus biologischer Sicht kultiviert man dadurch Mangelerscheinungen. Klar, mein Vater hat auch Diabetes und ich bin froh, dass man ihm helfen kann – übrigens macht das die Biotechnologie, durch die „ach so böse Gentechnik“, nicht der liebe Gott – aber wenn man ehrlich ist, versaut man sich auf diese Art nur den Genpool. Wem ist gedient, wenn wir immer mehr Typ I Diabetes, in den Genpool schleppen, unseren Kindern bestimmt nicht? Aber das ist ein anderes Thema. Ich sehe das vielleicht etwas hart, aber ich bin Realist und solange mir niemand das Gegenteil beweist, glaube ich lieber was ich sehe.
Und, wie gesagt, soziale Muster vererben sich auch, im Wolfsrudel hat auch niemand die Schule besucht, da erwirbt man alles was man zum Leben braucht, ganz natürlich. Da schimpfen zwar viele drüber, aber ich frage sie dann immer, ob sie denn noch sicher sind, drei Wochen in der Wildnis überleben zu können.

Markus hat geschrieben:In der Ethnologie kennen wir das mehr oder minder spontane Entstehen von Kulten, bsp. beim Cargo-Kult in Melanesien. Religionen sind dynamische Grössen, sie ändern sich ständig. Und dass sich Religionen pausenlos wandeln, spricht nicht gerade dafür, dass sie Stabilität vermitteln.
Ja, jede Religion erzählt was anderes, ein Gott, viele Götter, mal soll man dies nicht, mal das nicht. Wenn die sich noch nicht mal untereinander einig werden...
Es ist ja fast grotesk zu sehen, wie man sich über die „richtige Auffassung“ von etwas streiten kann, was es nicht gibt.
Das ist so wie sich über die Frage zu streiten, ob Pegasus wirklich fliegen kann und welches Futter er dafür braucht.
Die groben Muster, die wir benötigen, sind uns alle mitgegeben. Gesunde Konkurrenz, Sozialverhalten und Fairness gibt es überall, da brauchen wir keine große Nachhilfe und nebenbei könnte das nun wirklich jeder anerkennen. Außer in der Weigerung von Leuten, die meistens keine Argumente haben, kann ich da keinen Grund sehen. Alles was wir brauchen finden wir im Tierreich und können obendrein auch noch aus Ideologie verzichten.

Markus hat geschrieben:Trotzdem glauben die Gläubigen an diese Stabilität, vermutlich, weil sie einfach nicht wissen, wie stark sich Religionen im Lauf der Zeit ändern können. Ist ja auch klar: warum sollen sich religiöse Vorstellungen nicht wandeln können? Wie genau das geschieht auf kultureller Ebene wissen wir noch nicht, aber das dieser Wandel geschieht, steht ausser Frage.
Biologische Muster sind durchaus stabil, aber das hat nichts mit Religion zu tun, es ist eine Frage der Anpassung. Wer sich durch die Luft bewegen will braucht Flügel, so ist das nun mal, wer zusammenleben will braucht Regeln, aber wer man ein Wolfsrudel gesehen hat, der weiß wie natürliche Regeln funktionieren und die funktionieren ja gut. Da soll mir mal jemand sagen, wo unsere Regeln wirklich besser sind, als die natürlichen, ich finde da keine einzige und wenn man eine findet die gut ist, dann ist das eine Regel aus der Natur. Ich hoffe das wirkt nicht arrogant, aber ich habe diese Diskussion einfach schon zig mal geführt.

Markus hat geschrieben:
Alex hat geschrieben:Wo soll das denn überhaupt sein, das Paradies, das hat mir auch noch niemand erklären können.
lol und rofl, mir auch nicht. Aber wir können ja mal zur Kenntnis nehmen, dass es Menschen gibt, die an etwas glauben, was sie nicht erklären können. Irrationalität des Alltags.
Ja, irgendwann war das als Strategie mal nützlich. Wer gehinkt hat und nicht gut jagen konnte, der fing an Geschichten zu erzählen und kriegte dafür einen Teil von der Nahrung, mehr, als er bekommen hätte, wenn er einfach nur rumgesessen hätte. Ist doch eigentlich leicht zu verstehen und sozusagen eine Urform des Entertainment, aber im Zeitalter der Überversorgung unnötig, darum gehen Religionen ja auch zurück. Die Entertainer merkten irgendwann, dass sie mehr Macht und Einfluss hatten, wenn die Geschichten, die sie erzählten gruselig waren, auch dieses evolutionäre Muster finden wir bis heute: „bad news are good news“.- Was wollen die Leute sehen? Tatort und Dramen, positive Geschichten langweilen, das war vor 4000 Jahren nicht anders und wenn man dann behauptet man sehe riesige Unglücke kommen, stünde aber selbst in gutem Kontakt zu den Geistern, dann wird der Teil vom Kuchen den man bekommt noch mal größer und abrackern müssen sich die anderen.
Und selbst wenn es nicht klappt ist vorgesorgt: Die anderen haben sich nicht genau genug an die Anweisungen aus der Geisterwelt gehalten. So bekommt der Underdog von einst noch eine herausragende Stellung. Da sind wir wieder bei der Machtfrage von oben. Eine geniale Strategie, aber doch heute nicht mehr. Wir Biologen sehen zwar etwas mehr als die anderen, weil wir einfach einen geschulten Blick für solche Strategien haben, aber im Zeitalter von Wikipedia sollte das Allgemeingut sein.
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Re: Seitenwechsel

Beitragvon laie » Do 6. Mär 2014, 12:20

Hallo Alex,

ich würde vielleicht nicht alles unterschreiben, was du schreibst, da stehe ich als Ethnologe den Geisteswissenschaften doch etwas näher als den Sozialwissenschaften, vor allem nicht unbedingt die Ansicht, dass es für das menschliche Zusammenleben ausreicht, auf ein Rudel Wölfe zu schauen.

Aber grundsätzlich gehe ich d'accord mit dir. Fakt ist doch, dass die meisten, wenn nicht sogar alle Religionen sich ursprünglich aus Krisenkulten entwickelt haben. Was ist das Christentum anderes als ein Krisenkult, der während und nach dem jüdischen Aufstand von 66 n.Chr. aufkam? Wie alle Krisenkulte hat er auch natürlich ein typisches Element, nämlich eine ausgesprochen messianische Eschatologie: "Hier im Diesseits ist alles Mist, drum hoffen wir, dass es dort im Jenseits besser ist". Klingt ja fast wie auf 'ner Büttenrede im Karneval. Spass beseite. Klar, zurückgekommen ist noch keiner, aber trotzdem müssen Gläubige völlig verängstigt abstruse Verbote einhalten, damit sich ihre messianische Hoffnung erfüllt. Tut sie natürlich nicht, wie auch? Ähnliches können wir während des Maji-Maji-Aufstand in Deutsch-Ostafrika beobachten, wo ein bestimmtes Wasser angeblich unverwundbar machen sollte. Natürlich nur, wenn man zahlose Gebote und Vorschriften einhielt, so dass die Verführer immer sagen konnten, das Wasser hat nicht gewirkt, weil du mit dem linken Fuss zuerst aufgestanden bist.

Aberglaube halt. Ich finde überhaupt diese seriös daherkommende Grenzziehung zwischen Aberglaube und Religion höchst lächerlich. Ist doch alles das gleiche. Alles Gift für das Zusammenleben. Tatsache ist doch: Wo es keine Krisen mehr gibt, da geht auch das Bedürfnis nach solchen "sinnstiftenden" Krisenkulten zurück. Wo es noch Krisen gibt, die ja paradoxerweise vielfach genau auf die Engstirnigkeit der Vertreter solcher "sinnstiftenden" Krisenkulte zurückgehen, da schiessen diese Kulte wie Pilze aus dem Boden.
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Re: Seitenwechsel

Beitragvon Vollbreit » Do 6. Mär 2014, 15:37

Markus hat geschrieben:Hallo Alex,

ich würde vielleicht nicht alles unterschreiben, was du schreibst, da stehe ich als Ethnologe den Geisteswissenschaften doch etwas näher als den Sozialwissenschaften, vor allem nicht unbedingt die Ansicht, dass es für das menschliche Zusammenleben ausreicht, auf ein Rudel Wölfe zu schauen.
So wortwörtlich meinte ich das auch nicht. Wir solle uns nicht von den Wölfen abschauen, wie wir unser Zusammenleben regeln, ich glaube nur, dass wir da einfach der Natur was abschauen können.
Es gibt keine ewigen Regeln, sondern nur optimale Anpassung, die ist für uns anders als für Caniden, aber das ist eben alles Biologie.

Auf der sozialen Ebene dasselbe Prinzip, einmal der Kampf der Gene, dort der Kampf der Ideen oder Meme, wie Dawkins das nennt, auf Popper sprach ja schon von der Evolution der Theorien. Ideen kommen ja nun mla aus Gehirnen und fallen nicht vom Himmel und Gehirne sind immer noch biologische Organe und alles was biologisch ist folgt nun mal der Evolution.

Markus hat geschrieben:Aber grundsätzlich gehe ich d'accord mit dir. Fakt ist doch, dass die meisten, wenn nicht sogar alle Religionen sich ursprünglich aus Krisenkulten entwickelt haben. Was ist das Christentum anderes als ein Krisenkult, der während und nach dem jüdischen Aufstand von 66 n.Chr. aufkam? Wie alle Krisenkulte hat er auch natürlich ein typisches Element, nämlich eine ausgesprochen messianische Eschatologie: "Hier im Diesseits ist alles Mist, drum hoffen wir, dass es dort im Jenseits besser ist". Klingt ja fast wie auf 'ner Büttenrede im Karneval. Spass beseite.
Ist aber was dran, der ungedeckte postmortal einzulösende Scheck auf die Zukunft. Kann man nur mit Leuten machen, die zu wenig wissen und Angst haben.

Markus hat geschrieben:Klar, zurückgekommen ist noch keiner, aber trotzdem müssen Gläubige völlig verängstigt abstruse Verbote einhalten, damit sich ihre messianische Hoffnung erfüllt.
Ja, immer diese Schuldkeule. Wie bitte, kann man sich einer Idee verschreiben, in der man schon als Sünder geboren wird, noch bevor ma Zeit hatte überhaupt die erste Sünde zu begehen. Man nimmt doch auch niemandem den Führerschein weg, für eine Alkoholfahrt, die er nicht gemacht hat.

Markus hat geschrieben:Tut sie natürlich nicht, wie auch? Ähnliches können wir während des Maji-Maji-Aufstand in Deutsch-Ostafrika beobachten, wo ein bestimmtes Wasser angeblich unverwundbar machen sollte. Natürlich nur, wenn man zahlose Gebote und Vorschriften einhielt, so dass die Verführer immer sagen konnten, das Wasser hat nicht gewirkt, weil du mit dem linken Fuss zuerst aufgestanden bist.
Richtig, die Ausreden hören nicht auf, Du erkennst das, ich erkenne das, wieso erkennen die Gläubige das nicht?

Würde ich ja gerne mal von Matthias erklärt haben.

Markus hat geschrieben:Aberglaube halt. Ich finde überhaupt diese seriös daherkommende Grenzziehung zwischen Aberglaube und Religion höchst lächerlich. Ist doch alles das gleiche. Alles Gift für das Zusammenleben.
Ich finde es noch okay, wenn sich jemand seinen Glückbringer zur Klausur mitbringt, aber wie jemand sein Leben danach ausrichten kann, das will mir nicht in den Sinn.

Markus hat geschrieben:Tatsache ist doch: Wo es keine Krisen mehr gibt, da geht auch das Bedürfnis nach solchen "sinnstiftenden" Krisenkulten zurück. Wo es noch Krisen gibt, die ja paradoxerweise vielfach genau auf die Engstirnigkeit der Vertreter solcher "sinnstiftenden" Krisenkulte zurückgehen, da schiessen diese Kulte wie Pilze aus dem Boden.
Ja, ängstlich und ungebildet, das ist das Klientel. Auf der anderen Seite stehen natürlich die, die mit dem Zauber viel Geld verdienen können.
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Re: Seitenwechsel

Beitragvon laie » Do 6. Mär 2014, 17:43

Alex hat geschrieben:Richtig, die Ausreden hören nicht auf, Du erkennst das, ich erkenne das, wieso erkennen die Gläubige das nicht?

Würde ich ja gerne mal von Matthias erklärt haben.


ja, wo steckt der eigentlich?

Alex hat geschrieben:Ja, immer diese Schuldkeule. Wie bitte, kann man sich einer Idee verschreiben, in der man schon als Sünder geboren wird, noch bevor ma Zeit hatte überhaupt die erste Sünde zu begehen. Man nimmt doch auch niemandem den Führerschein weg, für eine Alkoholfahrt, die er nicht gemacht hat.


Genau, völlig absurd. "Urschuld", wenn ich das schon höre, da geht mir echt der Hut hoch. Aber was will man erwarten von Leuten, die mit vollem Ernst dran glauben, dass Adam und Eva die ersten Menschen gewesen seien. Aber so heikel, an den Weihnachtsmann nicht zu glauben, sind sie dann schon. In der Bibliothek schlug ich kürzlich so eine Bibel auf, da hiess es dann, so und so war das Paradies und da flossen vier Ströme durch. Fussnote dazu:

Die Flussnamen wurden nach der Sintflut wiederverwendet, aber angesichts der starken Veränderungen der Erdoberfläche durch die Flutkatastrophe ist ihr ursprünglicher Verlauf nicht genau feststellbar.


Das steht da wirklich. Da fällt einem doch nichts mehr ein. Man beachte: "nicht genau feststellbar", köstlich was? Ich wollte das Ding dann schon weglegen, aber weil ich mich so amüsierte, blätterte ich wahllos weiter. Irgendwo in der Mitte war von einem "Leviathan" die Rede. Fussnote:

bed. 'Der Gewundene'; nach der Beschreibung ein großer Meeressaurier.


Ich hab mich weggeschmissen.
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Re: Seitenwechsel

Beitragvon Lumen » Do 6. Mär 2014, 21:34

Hallo!

Ich bin Henning und bin durch Zufall auf das Forum gestoßen. Ich stelle mich mal kurz vor: ich bin 28 Jahre alt und studiere noch Afrikanistik auf den letzten Zügen, hehe. Ich weiß, alle Fragen mich warum ich Taxifahrer studiere, aber es gefällt mir einfach. Ich bin vorher schon viel rumgekommen und war gleich nachm Abi ein Jahr in Indien und Thailand unterwegs, dann wollte ich wieder etwas Neues und habe ich mit dann für Afrikanistik eingeschrieben, weil ich fremde Kulturen unglaublich spannend finde. Als Hobby gehe ich gerne Klettern, aber das ist ja nicht das Thema, hehe

Mir macht das auch ein bischen Sorge, dass viele Menschen sich in ihren Religionen radikalisieren und das dann das gemeinsame Miteinander erschwert. Aber ich finde es wichtig, dass wir uns für andere Menschen öffnen, einfach auch wegen dem demografischen Wandel. Und umgekehrt zwingen wir das den Menschen so auch leider auf.

Der Westen mit seinem auf fortwährendem Wachstum getrimmten Wirtschaftssystem zwingt sich allen anderen auf. Der Westen hat es so eingerichtet, dass die Weiterverarbeitung heute mehr Wert ist, als die Rohstoffe. So hängen die andern Länder, gerade auch in Afrika, ständig hinterher und können nie aufschließen. Die meisten Menschen wollen ja in ihrer Heimat bleiben, aber es doch verständlich sein Glück woanders zu suchen.

Mit unserem Wirtschaftsystem bringen wir auch unsere westliche Kultur in die entfernten Ecken der Erde, und plötzlich müssen die Menschen dort mit unseren vorgelebten Werten und Einstellungen fertig werden. Ich meine sogar hier in Deutschland tun sich manche Menschen schwer mit der Moderne. Aber hier hatten wir Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte Zeit uns an alles zu gewöhnen. In Westafrika, oder in Indien, wo ich schon einige Male war, leben die Menschen noch so wie seit Jahrhunderten.

Wir flüchten uns hier in Film und Fernsehen, unsere moderne Mythen. Für die Menschen dort übernimmt die Funktion eben die Religion, die ihnen eine etwas überschaubarere Welt präsentiert, die ihnen klare Werte vorgibt. Ich finde, man kann die Menschen nicht einfach zur westlichen Aufklärung zwingen. Zwar gibt es auch Probleme durch Religionen, die von charismatischen Führern wie Koni für ihre Zwecke eingesetzt wird, aber man darf auch nicht das Gegenteil übersehen. Ich war zwar nur auf einem Kurztrip in Phnom Penh, aber man merkt da noch heute wie die Roten Khmer gewütet haben und alles umgenietet haben, was nicht genau nach ihren Vorstellungen war.

Ich konnte auch bei mir und anderen sehen wie wir uns als Deutsche zusammentaten, um auch mal im Ausland irgendwo deutsch sprechen zu können und natürlich haben wir unsere Einstellungen auch nicht dem Land angepasst. Natürlich war jeder respektvoll und wir haben uns auch so gut es geht auf alles eingelassen, aber trotzdem verkleidet sich ja keiner um dort komplett einzutauchen oder ändert seine Meinungen beim übertreten in eine andere Kultur. Und wenn keine Deutschen in der Nähe waren, hingen eben die Westler zusammen rum. Ich kann da nicht verstehen, warum gerade so Leute die aufm Ballermann nur deutsch sprechen und ihr Schnitzel wollen sich dann über hier lebende Menschen aus anderen Kulturen aufregen, wenn die sich zusammentun und ihre Kultur pflegen.

Darum finde ich es unglaublich wichtig, dass ein friedliches Miteinander gefördert wird. Das Gegenteil von Vielfalt ist Einfalt!
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