Markus hat geschrieben:Alex hat geschrieben:Ja, sie haben ein Ich-Bewusstsein und nein, es ist nicht an Sprache gebunden, das allein zeigt doch, wie sehr Sprache überschätzt wird.
Dann ist ihr Bewusstsein von sich selbst nicht das gleiche wie menschliches Selbstbewusstsein. Im übrigen bezweifel ich stark, ob man diese beiden Arten von Bewusstsein gleichsetzen kann. Wenn der Affe sich im Spiegel erkennt, dann ist das wohl nicht dasselbe wie wenn ein Mensch sich selbst zum Gegenstand von Reflexionen machen kann, die wiederum das eigene Selbstbild transformieren.
Das ist doch alles sehr vom Menschen aus gedacht, aber man muss es von der Evolution aus betrachten. Die Evolution hat eben kein Ziel, keine Präferenzen, sie ist nicht teleologisch. Von daher ist Intelligenz oder Reflexion einfach nur eine Anpassung, an eine ökologischen Nische. Wenn sie nicht mehr gebraucht wird, weil sich die Bedingungen verändern, verschwindet sie so schnell, wie dichtes Fell oder Stoßzähne.
Markus hat geschrieben:Ob der Affe das kann, weiss ich nicht, dazu müssten wir ihn befragen. Dumm nur, dass er uns nicht antworten kann. Die Sprache wird also in den Naturwissenschaften eher unterschätzt, meiner Meinung nach. Dort scheint man der irrigen Ansicht zu sein, etwa Vogelgezwitscher an die Seite der menschlichen Sprache stellen zu können: beides diene ja der Kommunikation. Selten so gelacht.
Dann erzählt mir doch bitte mal, welche Funktion die Sprache außer der Kommunikation sonst noch hat. Leben Dichter statistisch länger oder zeugen sie mehr Nachkommen? Sie sind doch eher die Schmarotzer aus evolutionärer Sicht.
Man kann sich ja an guten Geschichten erfreuen, aber das kommt alles erst, wenn das Überleben gesichert ist.
Markus hat geschrieben:Alex hat geschrieben:Das kann ja sein, aber warum sollte es sonderlich wichtig sein „ich“ zu sich sagen zu können.
wie sagst denn du zu dir? Kommt es nicht vor, dass Du, genau
Du angesprochen wirst oder
Dich angesprochen fühlst?
Du schreibst doch, wie sehr Dir die Forschung mit Deinen Hunden in Seewiesen mit Freude erfüllt. Wer erlebt denn diese Freude, wenn nicht
Du?
Ich sage natürlich auch „ich“ zu mir, keine Frage und ich werde auch angesprochen, aber im Tierreich sind auch Individuen gemeint, ob bei der Fortpflanzung oder als Beute. Da wird auch nicht einfach irgendwer gewählt.
Und auch Tiere haben Emotionen, der Mensch kann sich einfach nicht damit abfinden, einer unter vielen zu sein und muss immer eine Sonderrolle für sich in Anspruch nehmen, aber jede Tierart hat genauso ihre Besonderheiten. Kannst Du auf der Stelle fliegen? Schönen Gruß von Kolibri.
Nebenbei, ich bin nicht in Seewiesen, sondern in der Nähe von Siegen, in der Nachfolge des großen Eberhard Trumler gelandet, der hier noch gearbeitet und gelebt hat:
http://www.gfh-wolfswinkel.de/ (Das ist aber nur was für Freaks.
)
Markus hat geschrieben:Alex hat geschrieben:Eine Frage der Prägung, unter Wölfen aufgewachsen, sieht das ein wenig anders aus
klar, aber wir werden nicht von Wölfen geprägt. Es gibt übrigens auch keine Wolfskinder, die in der Natur lange überlebt hätten.
Doch klar, schau mal hier:
http://de.wikipedia.org/wiki/WolfskindMarkus hat geschrieben:Alex hat geschrieben:Da erklärt man geduldig, dass und wo überall die Biologie unser Dasein bestimmt und dann kommt wieder so ein Gedankending. Was ändert es denn, wenn man über Gene nachdenkt, etwa die Gene? Versuch doch mal Erbkrankheiten wegzudenken, da merkst Du sehr schnell wo die Grenzen der Denkerei liegen.
Ich sprach nicht von Genen, sondern dem Verständnis von uns selbst.
Okay, aber das ändert doch nicht. Ich bin ja Wissenschaftler, damit ist ja bereits klar, dass das Denken mein täglich Brot ist, nur sind wir eben viel breiter aufgestellt, als die Lehnsesselgelehrten. Wir fahren noch hin und schauen uns die Dinge an, andere bleiben zu Hause und phantasieren darüber, was es wohl alles gibt, oder nicht gibt. Ich mache halt Aufzeichnungen und Videoaufnahmen, das kann jeder sehen. Das ist eben der Unterschied zwischen empirischem Arbeiten und reiner Denkerei.
Markus hat geschrieben:Alex hat geschrieben:... Aber ist verstehe einfach nicht, welche Not und wieviel Angst – Matthias hat es ja bestätigt – nötig ist, um sich ständig einreden zu müssen direkt von einem Gott geschaffen zu sein. Für das Mittelalter, okay, aber heute... das ist einfach nur verrückt.
Ich denke, du verwechselst Aussenansicht mIt Innenansicht. Dass der Mensch naturwissenschaftlich sehr erfolgreich beschrieben werden kann, stelle ich gar nicht in Abrede. Aber der Mensch hat eben auch eine Persönlichkeit, die sich nicht von aussen erfassen lässt, sondern aus der Geschichte des jeweiligen Menschen heraus, also gleichsam von innen heraus, gedeutet werden muss.
Sicher, das stimmt schon, aber am Ende des Tages ist das wichtig, was der Mensch tatsächlich tut, nicht worüber er nachdenkt. Wir verplempern doch viel zu viel Zeit damit, darüber nachzudenken, was wir alles tun könnten, der Mensch früher hat es einfach getan, das ist auch der Stand der Forschung heute. Wir lesen Evolution immer noch als eine Geschichte der Verbesserung, dabei ist es eine Geschichte der Veränderung. Besser und schlechter gibt es nur im Hinblick auf aktuelle Anpassung. Es gibt gewichtige Strömungen in der Wissenschaft, die besagen, dass der Jäger und Sammler unterm Strich viel besser dran war, als der Ackerbauer und Viehzüchter nur der „schlaue“ Mensch konnte aus der Nummer dann einfach nicht mehr aussteigen. Er musste weiter planen, Vorräte anlegen, sesshaft werden, Speicher und Häuser bauen, natürlich auch eine Brutstätte für Viren- und Bakterienpopulationen, wie immer beherrscht die Biologie auch hier die Geschichte, das Problem ist nur, dass die meisten das ganz einfach nicht wissen. Wer aber den ganzen Tag über so schwere Sätze wie „Das Früstick frühstückt“ nachdenken muss, der hat natürlich keine Zeit mehr für echte Forschung, das erledigen wir dann.
Markus hat geschrieben:Alex hat geschrieben:Und ehrlich gesagt haben mich diese Leute auch nie interessiert, aufmerksam geworden auf sie bin ich in besonderer Weise erst durch meine Ex. Wie gesagt, eine schlaue Frau, sonst wären wir gar nicht zusammengekommen, aber dann haut die sowas raus. Um ehrlich zu sein, mich habe das erst für einen guten Witz von ihr gehalten, aber dann gemerkt, dass sie das ernst meint. Aber sie hatte eben auch diese andere Seite und hat auch viel von dem verstanden, was ich ihr erklärt habe, sie war auch fasziniert von meine Hundeforschungen, gerade darum krieg' ich's ja nicht zusammen.
Du scheinst sie vielleicht auch nicht verstanden zu haben.
Doch natürlich, ich habe ihr doch alle ihre Fehler erklärt und sie hat es eingesehen. Ich hab' doch gesagt, wir haben zusammen den Dawkins gelesen und was sie nicht wusste, das habe ich ihr erläutert. Sie hat ja dann durchaus erkannt, was da alles falsch ist (also kurz gesagt, alles) aber man muss natürlich mit Anstand und Taktgefühl vorgehen und kann nicht einfach sagen, dass ist doch alles totaler Mist, auch wenn es natürlich totaler Mist ist.
Da muss man geschickt und strategisch rangehen.
Sie konnte nur den letzten Schritt nicht gehen, aus Angst, denn einen Vorteil hat die Religion ja nicht, das ist einfach nur lebensbehindernd. Und ich bin da gar nicht sauer, ich sehe das einfach nur als Wissenschaftler, von außen.
Markus hat geschrieben:Alex hat geschrieben:Warum kannst Du Dich nicht einfach von Deinem Fehler trennen?
Welchem Fehler?
Der Hauptfehler ist m.E. die Umkehrung der Gewichtung. Es ist ganz klar, dass an erster Stelle die Realität kommt und dann das, was wir über die Realität denken, nicht umgekehrt. Ich habe es doch jetzt schon mehrfach erklärt, es gibt ein einfach Experiment: Man denke sich Krankheiten oder den Mond oder was auch immer weg und schaue, ob die Krankheiten oder der Mond dann tatsächlich verschwinden. Das möchte ich dann aber sehen. Wenn mir jemand den Mond wegdenkt oder Gott hindenkt, bitte, ich bin Wissenschaftler und glaube nicht, was ich sehe, sondern ich sehe, was ich sehe, dann brauche ich nichts mehr zu glauben.
Glaubst Du im Ernst, dass die Denkerei etwas ändert?
Markus hat geschrieben:Alex hat geschrieben:Eibl-Eibesfeldt müsste doch eine Schnittmenge bei uns sein.
Eibl-Eiblsfeldt hat in den Siebzigern Forschungen bei den Khoisan mit versteckter Kamera durchgeführt. Er hat sie in ihrem Alltag
ohne ihr Einverständnis gefilmt und hatte nicht einmal den Anstand, beim Beischlaf von Mann und Frau die Kamera auszuschalten. Warum? Weil er im Grunde diese "Buschmänner" nicht für Menschen, sondern für objektivierbare Primaten hielt.
Wir sind alle Primaten. Das ist ganz einfach so. Was sollen wir denn sonst sein? Gottes Kinder? Da haben die Genetiker uns noch nichts von berichtet.
Markus hat geschrieben:Alles im Dienst der Wissenschaft natürlich. Die Erkenntnisse, die wir seinem Filmmaterial verdanken, sind gleichwohl marginal. Die Filmaufnahmen zeigen eben nicht eine Situation vor ca. 30.000 Jahren, sondern wurden in den von der südafrikanischen Armee errichteten Reservaten für die Khoisan durchgeführt. Research in displaced persons camps, Forschung in Vertriebenenlagern ist das. Nein, Eibl-Eiblsfeldt ist keine Schnittmenge.
Das Problem hat man in der Ethologie immer, zugegeben. Der beste Weg ist immer die Forschung in der natürlichen Umgebung, aber das ist eben nicht immer möglich. Aber Verhaltensforschung muss eben ein ganzes Bild zeigen, da gehören Geburt und Tod und Fortpflanzung und Aggression nun mal dazu, die Natur ist kein Streichelzoo, sondern ein erbahrmungsloser Kampf mit gelegentlichen Kooperationen. Wer das nicht erträgt, muss eben etwas anderes machen, die Möglichkeit Taxi zu fahren, besteht ja auch immer. Sorry, ist jetzt ein bisschen fies gewesen.
Markus hat geschrieben:Alex hat geschrieben:Wir kommen uns immer so schlau vor, dabei ist das doch alles sehr fragwürdig. Letztens habe ich ein spannendes Buch von einem jungen Professor für Geschichte gelesen, man höre und staune, normalerweise ja auch eher eines von den Fächern, an die man sich nicht so gerne zurückerinnert, aber der hat wenigstens was von Biologie begriffen. Und der schreibt über Seiten die Geschichte mal aus der Sicht des Weizens und wie der Weizen uns schlaue Menschen dazu brachte ihm dem Weizen, zu diesen. Sehr pfiffig und überzeugend.
ja, sehr gut. Coevolution. Der Mensch vergrössert durch seine Sammeltätigkeit oder allgemein durch sein Verhalten die Fitness von bestimmten Pflanzen wie Weizen. Dazu gibt es eine Reihe von sehr interessanten Arbeiten, seit etwa Mitte der Achtziger Jahre.
Klar ist das bekannt, aber jetzt kommt es auch mehr in der Breite an. Es ist einfach wichtig, das die Menschen was über sich lernen, aber es muss eben da Richtige sein.
Und das Richtige ist eben optimale Anpassung, an das was die Evolution fordert und die Lebensformen, die uns nützlich sind.
Markus hat geschrieben:Nein, es existiert nicht. Wenn man etwas nicht benennen kann, existiert es nicht für uns.
Bitte? Du machst Witze, oder?
Markus hat geschrieben:Und dass etwas für uns existiert, ist entscheidende Zusatz. Einigen wir uns darauf: zu behaupten, Realität gebe es nicht, wenn es keine sie ausdeutenden Menschen gebe, ist sicher nicht richtig.
Na bitte.
Markus hat geschrieben:Richtig ist aber, dass die Ausdeutung an Sprache gebunden ist und somit erst durch die Sprache dasjenige Gestalt annimmt, was in der Realität schon vorher vorhanden war. Da komme ich aber schon weit entgegen.
Was heißt entgegekommen, das ist ganz einfach so. Du widersprichst ja nicht mir, sondern der Realität und das bekommt einem nicht gut, wenn man der Realität widerspricht, die lässt nämlich nicht mit sich verhandeln. Tut mir leid, wenn Du das nicht erkennst, aber so sind ganz einfach die Spielregeln, ich habe die nicht erfunden, wir Ethologen sehen sie nur am klarsten, weil wir den umfassendsten Blick haben.
Markus hat geschrieben:Alex hat geschrieben:Klar, aber die Welt ist auch ohne Theorie entstanden. Du bist doch wohl jetzt kein Kreationist, oder?
bist du immer so ausfallend?
Man weiß ja nie, die sitzen mittlerweile überall.
Markus hat geschrieben:Was wüsstest du von der Welt, wenn andere dir nicht davon erzählt hätten? Sag jetzt nicht, dann wärest du ein Wolfskind. Die gibt es nämlich nicht. Niemand kann den Strom der Geschichten verlassen und am Ufer sich die Dinge so ansehen, wie sie wirklich sind.
Ich sage doch, dass Prägung sehr wichtig ist und wenn das Zeitfenster verpasst wurde, dann ist daran auch nicht mehr viel zu ändern. Insofern bin ich wirklich dankbar, dass ich in aller Freiheit aufwachsen durfte und da nicht falsch geprägt bin, vermutlich müsste ich dann heute auch an Gott glauben.
Deshalb bin ich ja dafür, dass man Kindern sofort das Richtige beibringt, in der Prägungsphase. Ein konsequentes Programm und die Welt wäre in einer Generation besser. Ich weiß ja nicht ob alle Formen von Aggression verschwinden, denn es ist nun mal ein Faktum, dass wir egoistisch geboren sind, wie Dawkins schreibt, aber es versteht ja kaum einer, dass dieser Egoismus der Motor zur Kooperation ist. Wir kooperieren, weil wir konkurrieren, aber die ganzen Gleichmacher können das nicht ertragen. Hat uns jemand vor der Geburt zugesichert, dass die Welt nur schön ist?
Markus hat geschrieben:Alex hat geschrieben:Ähm, ich würde eher sagen, das lag daran, dass solche technischen Spielereien noch keinen Überlebensvorteil boten. Anpassung erklärt doch wirklich alles, das ist doch in der Ethnologie auch nicht anders.
Vermutlich. Aber das war nicht der Punkt.
Warum suchst Du denn hier Ausflüchte? Hast Du denn wirklich Zweifel, dass wir uns evolutionär anpassen müssen? Doch wohl eher nicht, oder? Ich sage ja gar nicht, dass die Biologie alles erklärt, darum geht es gar nicht, ich sage nur, dass für uns, als fraglose biologische Wesen mit einem Körper, nichts wichtiger ist, als Kenntnisse über die Evolution zu haben. Es würden so viele Fragen damit beantwortet, aber man sträubt sich immer dagegen und stattdessen redet man sich über Jahrzehnte die Köpfe heiß, über Veränderungen im Lehrplan und soziale Maßnahmen und was immer.
Ich sage das in aller Bescheidenheit, denn als Biologe bilde ich mir gerade auf unser Menschsein nichts ein. Eine momentane Laune der Natur, mehr nicht.