Interview mit den Gründern der Brights

Interview mit den Gründern der Brights

Beitragvon flai » Di 18. Mär 2008, 14:26

Heute erschien im Wochenmagazin CHiLLi ein Dossier über den neuen Atheismus. Darin wird auch ein längeres Interview mit Paul Geisert und Mynga Futrell, den Gründern der Brights-Bewegung, gebracht.

Das Interview:
http://www.chilli.cc/index.php?noframes=1&id=81-1-258

Der Artikel:
http://www.chilli.cc/index.php?noframes=1&id=81-1-256

Der Text ist von mir, würde mich über Kommentare dazu freuen.
beste Grüße aus Wien,
Florian Aigner
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Re: Interview mit den Gründern der Brights

Beitragvon Myron » Di 18. Mär 2008, 15:55

Herzlichen Dank dafür!
Das ist, wenn ich mich nicht irre, das erste (längere) Interview mit Futrell & Geisert, das ins Deutsche übersetzt worden ist.

Mynga Futrell: "Den Brights geht es darum, gleiche Voraussetzungen für alle Weltanschauungen zu schaffen. Wir haben einen 'Nichtangriffspakt' mit Religionen, das bedeutet auch Zusammenarbeit mit religiösen Organisationen, wenn wir gemeinsame Ziele verfolgen."

Das ist wohl ein unter den Brights umstrittenender Punkt; denn Leute wie ich wollen durchaus auch offensive Religions- und Kirchenkritik betreiben. Aber Futrell & Geisert werden nicht müde zu unterstreichen, dass die Brights (in ihren Augen) nichts Antireligiöses an sich haben.
Ein "Nichtangriffspakt" würde beispielsweise bedeuten, dass wir Brights bestenfalls die Einführung einer naturalistisch-humanistischen Weltanschauungslehre an den öffentlichen Schulen fordern düften (so was in der Art gibt's ja stellenweise schon als "Humanistische Lebenskunde"), aber nicht die Abschaffung des (missionarischen) Religionsunterrichts.
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Re: Interview mit den Gründern der Brights

Beitragvon Falk » Di 18. Mär 2008, 20:23

Klasse, danke, da habe ich was zu lesen! :)

@Myron
...aber nicht die Abschaffung des (missionarischen) Religionsunterrichts.

Einspruch! Gleichberechtigungen aller Weltanschauungen erzielt man in dieser Hinsicht immer noch durch die komplette Abschaffung bekenntnisspezifischen Weltanschauungsunterrichts. Wenn es zusätzlich zum christlichen Unterricht ein Naturalismus-konformes Ersatzfach gibt, und demnächst noch Islamunterricht, dann bleiben immer noch die Hindus, Juden, Buddhisten und all die anderen, die nicht ins Mehrheitsraster passen. Dem wird man vermutlich nie gerecht werden können, es sei denn durch bekenntnisungebundenen Religions-/Weltanschauungsunterricht.
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Re: Interview mit den Gründern der Brights

Beitragvon ostfriese » Di 18. Mär 2008, 21:02

Falk, das sehe ich wie Du.

Man muss die Diskussion um weltanschaulichen Unterricht und Wertevermittlung m.E. in einen größeren Zusammenhang stellen und sich fragen, wie man überhaupt verbindliche Lernziele und Fächer rechtfertigen kann.

Grundkonsens der Humanisten dürfte sein, dass Bildung und Erziehung zu einer selbstbestimmten, erfolg- und genussreichen Lebensgestaltung befähigen sollen (wozu Mündigkeit im Sinne kritischer Urteilsfähigkeit unerlässlich ist).

Schon hier stellen (streng) Religiöse die Weichen anders: Glauben steht vor Skepsis, Genuss weit hinter Gottgefälligkeit, und Freiheit ist eher Gefahr als Segen.

Aber was wir zur Zeit in der Schule praktizieren (und was in den Präambeln aller Lehrpläne verankert ist), nimmt aus guten Gründen keine Rücksicht auf solche Befindlichkeiten, das humanistische Bildungsideal steht nicht zur Disposition.

Es wird allerdings durch konfessionellen Unterricht partiell ad absurdum geführt. "Religion" genießt innerhalb der Schule Narrenfreiheit, untergräbt als einziges Fach systematisch die Vorfahrt prüfbaren hypothetischen Wissens vor unkritisierbarem dogmatischen Glauben.

Deshalb plädiere ich für die Abschaffung dieses Unterrichtsfachs.

Zugleich halte ich philosophische Bildung für wünschenswert und befürworte daher die Einführung eines verbindlichen, bekenntnisneutralen weltanschaulich-ethischen Unterrichts.
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Re: Interview mit den Gründern der Brights

Beitragvon stine » Di 18. Mär 2008, 22:11

CHiLLi: Agnostiker und Atheisten brauchen also mehr Selbstbewusstsein?
Paul Geisert: Weil sie als „Ungläubige“ herabgewürdigt werden, übersehen viele Menschen, die nicht an Übernatürliches glauben, dass ihre Möglichkeiten, öffentlich aktiv und einflussreich zu sein, in vielen Bereichen untergraben werden. Ein Begriff wie „Ungläubiger“ stempelt Menschen als moralisch minderwertig ab. Nur in Bezug auf einen fehlenden Glauben definiert zu werden, bedeutet einen Nachteil, was Einfluss und Entscheidungsmöglichkeiten betrifft.


Diese Einschätzung hat mich im Interview etwas irritiert. Seht ihr das genauso? Und wenn ja warum?
Ich nehme das in meinem Umfeld nämlich genau andersrum wahr, es werden eher jene, die noch katholischen Riten zugetan sind belächelt. Die Mehrheit kennt doch Kirchen nur noch von außen.

LG stine
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Re: Interview mit den Gründern der Brights

Beitragvon ostfriese » Di 18. Mär 2008, 22:58

Das kann man wohl nur im US-amerikanischen Kontext verstehen. Zwar gibt es auch hierzulande noch Leute, die "Ungläubige" und "gottlos" als Schmähungen verwenden, aber es gibt hierzulande wohl kaum noch Menschen, die sich davon beleidigt fühlen.

Allerdings ändert dies nichts daran, dass Christen in Deutschland immer noch Privilegien genießen, die nicht zu rechtfertigen sind. Benachteiligt werden hierdurch keineswegs "nur" kulturelle Minderheiten, sondern alle Konfessionslosen. Und die sind zahlenmäßig stärker als Katholiken und Protestanten.

Deshalb ist das Anliegen der (in den USA gegründeten) Brights bezogen auf Deutschland oder Europa keineswegs obsolet.
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Re: Interview mit den Gründern der Brights

Beitragvon Myron » Mi 19. Mär 2008, 00:23

Falk hat geschrieben:Einspruch! Gleichberechtigungen aller Weltanschauungen erzielt man in dieser Hinsicht immer noch durch die komplette Abschaffung bekenntnisspezifischen Weltanschauungsunterrichts.


Obwohl ich ein "starker" Atheist und Naturalist bin, bin ich nicht für die Einführung einer missionierenden atheistisch-naturalistischen Weltanschauungslehre an den öffentlichen Schulen.
Das Problem ist allerdings, dass wir die Religionsgemeinschaften im Rahmen eines "Nichtangriffspaktes" nicht dazu bewegen werden können, ihren Religionsunterricht selbst freiwillig abzuschaffen. Die werden in jedem Fall auf dessen Beibehaltung beharren. Das heißt, selbst wenn wir nichts weiter wollen als das Verschwinden jedweder Art von missionierender Weltanschauungslehre aus den Schulen, werden wir die Religionen bzw. die Religionsgemeinschaften/Kirchen (argumentativ) angreifen müssen.
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Re: Interview mit den Gründern der Brights

Beitragvon Andreas Müller » Mi 19. Mär 2008, 02:07

Myron hat geschrieben:Aber Futrell & Geisert werden nicht müde zu unterstreichen, dass die Brights (in ihren Augen) nichts Antireligiöses an sich haben.


Es geht wohl darum, mit Religiösen zusammenzuarbeiten, wenn man die selben Ziele hat. Kann man ja machen. Ansonsten ist der Erfolg der Brights automatisch ein Misserfolg für die Supernaturalisten. :^^:
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Re: Interview mit den Gründern der Brights

Beitragvon Myron » Mi 19. Mär 2008, 02:10

Andreas Müller hat geschrieben:Es geht wohl darum, mit Religiösen zusammenzuarbeiten, wenn man die selben Ziele hat. Kann man ja machen.


Ein gewisses Maß an Pragmatismus ist o.k.
(Gibt es denn eine Gruppe von Theisten, die öffentlich die Abschaffung des Religionsunterrichts fordert?)
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Re: Interview mit den Gründern der Brights

Beitragvon Andreas Müller » Mi 19. Mär 2008, 02:14

Es gibt religiöse Gruppen, die für die Trennung von Kirche und Staat eintreten. Eben weil es sie vor Konfessionskriegen bewahrt. Das war ja auch die Idee dahinter.
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Re: Interview mit den Gründern der Brights

Beitragvon Robert » Mi 19. Mär 2008, 10:04

Myron macht in meinen Augen den Fehler, dass er mit Religion nur das Christentum und womöglich auch den Islam meint.

Ein "Nichtangriffspakt" mit allen Religionen und die Vorantreibung der Trennung von Kirche und Staat wird den Religionsunterricht von alleine verbannen.

Aus diesem Grunde ist der Islamunterricht in meinen Augen ein Teilerfolg.

In Brandenburg z.B. wird der Religionsunterricht durch LER ersetzt. Wer Religion aber haben möchte, kann es machen, was nur noch sehr wenige waren.
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Re: Interview mit den Gründern der Brights

Beitragvon El Schwalmo » Mi 19. Mär 2008, 11:07

Myron hat geschrieben:(Gibt es denn eine Gruppe von Theisten, die öffentlich die Abschaffung des Religionsunterrichts fordert?)

ganz hartgesottene Evangelikale melden ihre Kinder von RU ab ;->
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Re: Interview mit den Gründern der Brights

Beitragvon Andreas Müller » Mi 19. Mär 2008, 15:22

Jedes Eingeständnis gegenüber dem Islam ist eine Katastrophe und kein Erfolg.
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Re: Interview mit den Gründern der Brights

Beitragvon Myron » Mi 19. Mär 2008, 15:24

El Schwalmo hat geschrieben:ganz hartgesottene Evangelikale melden ihre Kinder von RU ab ;->


Das sind die Letzten, mit denen ich mich zusammentun werde.
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Re: Interview mit den Gründern der Brights

Beitragvon Peter Janotta » Mi 19. Mär 2008, 18:13

Es gab da zum Beispiel die Gruppe "Christen fuer Amnestie", die sich gegen den Boykottaufruf des Vatikans richteten. Auch hat sich hier der Umweltreferent der evangelischen Kirche explizit an die Brights gewandt, mit dem Anliegen sich gemeinsam gegen ID und Kreationismus zu engagieren.

Hier sehe ich Anknuepfungspunkte fuer Kooperationen. Wichtiger als vorschnell Kooperationen einzugehen, finde ich es aber in den Dialog mit Vertretern der verschiedenen Konfessionen und Glaubensrichtungen zu treten und damit vllt. mehr Verstaendnis fuer ein Leben ohne uebernatuerliches zu erwecken. Dieser Punkt gehoert auch zu den Zielen des neu gegruendeten Brights-Vereins.
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Re: Interview mit den Gründern der Brights

Beitragvon Myron » Mi 19. Mär 2008, 18:16

Gibt's da nicht auch jene Gruppe namens "Christen gegen Gott"? ;-)
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Re: Interview mit den Gründern der Brights

Beitragvon ostfriese » Mi 19. Mär 2008, 20:15

Myron hat geschrieben:Obwohl ich ein "starker" Atheist und Naturalist bin, bin ich nicht für die Einführung einer missionierenden atheistisch-naturalistischen Weltanschauungslehre an den öffentlichen Schulen.

Wer will denn das?

Es gibt ja gar keine atheistisch-naturalistische Weltanschauungslehre. Oder kannst Du mir zeigen, wo eine geschrieben steht, der alle Atheisten und alle Naturalisten zustimmen? Wir kommen hier ja nicht mal über Definitionsversuche für "Naturalismus" hinaus.^^

Was ich fordere, ist Philosophie als Unterrichtsfach. Und die ist selbstverständlich nicht bekenntnisgebunden. Ob in der Praxis Lehrer ihre eigene Weltanschauung den Schülern aufzuoktruieren versuchen, ist eine andere Frage. In dieser Hinsicht halte ich "Religion" aber allemal für strukturell gefährlicher als "Philosophie".
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Re: Interview mit den Gründern der Brights

Beitragvon El Schwalmo » Mi 19. Mär 2008, 20:49

ostfriese hat geschrieben:Was ich fordere, ist Philosophie als Unterrichtsfach. Und die ist selbstverständlich nicht bekenntnisgebunden.

nur eine kleine Zwischenfrage: wieviel Prozent der Philosophen sind Deiner Meinung nach Naturalisten?
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Re: Interview mit den Gründern der Brights

Beitragvon Andreas Müller » Mi 19. Mär 2008, 22:20

El Schwalmo hat geschrieben:wieviel Prozent der Philosophen sind Deiner Meinung nach Naturalisten?

Und wenn es Null Prozent wären, hätte das noch immer kein Gewicht und keine Aussagekraft.
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Re: Interview mit den Gründern der Brights

Beitragvon ostfriese » Mi 19. Mär 2008, 23:45

El Schwalmo hat geschrieben:
ostfriese hat geschrieben:Was ich fordere, ist Philosophie als Unterrichtsfach. Und die ist selbstverständlich nicht bekenntnisgebunden.

nur eine kleine Zwischenfrage: wieviel Prozent der Philosophen sind Deiner Meinung nach Naturalisten?

Keine Ahnung, uns das ist ja für meine Forderung auch völlig irrelevant.

Angenommen ich wüsste, dass 90% aller Philosophen Naturalisten wären; dann könnte man mir umso eher vorwerfen, ich befürworte das Fach Philo nur, weil ich den Naturalismus in Kinderköpfe pflanzen will.

Da ich es aber nicht weiß, ginge dieser Vorwurf ins Leere.

Falls Du umgekehrt davon ausgehst, die meisten Philosophielehrer wären genauso gläubig wie Religionslehrer, kann ich Dich ebenfalls beruhigen; denn dies änderte nichts daran, dass Schüler im Philo-Unterricht mit vielen möglichen Denkrichtungen in Kontakt kämen und angeregt würden, sich ihr eigenes kritisches Urteil zu bilden. Auch in diesem Fall bliebe ich also bei meiner Forderung.
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