sun hat geschrieben:Also Dawkins als Agnostiker zu bezeichnen ist schon etwas grenzwertig.
sehe ich nicht. Für mich ist ein 100%-Atheist ein Atheist, ein 95 + x %-iger Atheist ist für mich das Äquivalent einer 'teilschwangeren Frau'.
Genauso, wie Du damit Recht hast, dass sich viele Theisten als Deisten bezeichnen müssten, sollte sich Dawkins als Agnostiker bezeichnen.
Agnostizismus ist eine epistemische Position, 'Atheismus', wie Dawkins ihn vertritt, eine pragmatische. Beides sollte man nicht miteinander vermengen, oder doch zumindest angeben, was man konkret vertritt. Ich beispielsweise lebe als Atheist, bin aber Agnostiker. Ich weiß, dass es Agnostiker gibt, die als Theisten leben. Die haben auch kein Problem damit, sich ihren Gott als eingreifend vorzustellen. Ein Gewaltpotenzial, das über das meinige hinausginge, sehe ich bei diesen Menschen nicht.
Wenn Du Dawkins' Argumentation (und die etlicher anderer Menschen) analysierst, merkst Du, dass es letztendlich um Diskursregeln und darum geht, was man mit Anspruch auf Geltung vertreten kann (eine typische Frage in diesem Kontext ist üblicherweise 'where is the evidence'). Bestimmte Gottesbilder lassen sich so nicht vertreten, aber es ist auch nicht möglich, aus diesen Regeln eine Ontologie zu basteln (das, worüber wir nicht reden können, ist etwas, über das wir nicht reden können, ob etwas Derartiges existiert, lässt sich so nicht entscheiden, denn das würde den 'Gottesstandpunkt' erfordern). Das bedeutet, dass es durchaus Gottesbilder geben kann, die man auch im rationalen Diskurs vertreten kann, vermutlich aber nicht mehr mit dem Anspruch auf Geltung. Aber Menschen, die so argumentieren, brauchen sich in puncto Intelligenz vor kaum einem Agnostiker oder Atheisten zu verstecken. Aufrechte Naturalisten schreiben meist im Vorwort ihrer Bücher irgendwo, dass alles, was sie schreiben, unter Irrtumsvorbehalt steht, wenn man den Rest des Buchs liest, fällt einem das nicht mehr weiter auf.
Es gibt zum Beispiel einen guten Text von Vollmer, in dem er begründet, warum er sich als Atheist und nicht als Agnostiker betrachtet. Wenn man näher hinschaut, steht dort, dass er das auch nur als rational begründete Entscheidung vertreten kann. Ein Argument gegen eine andere rational begründete Entscheidung ist das nicht.
Natürlich kannst Du nun sagen, dass derartige Diskurse nicht mehr im Interesse Dawkins' liegen, weil er eine andere Zielgruppe anspricht. Kein Problem, und das, was Dawkins für diese Menschen (oder gegen bestimmte Positionen) schreibt, ist durchaus erstklassig. Mir geht es aber um den 'HighEnd'-Bereich. Und von dem aus betrachtet lesen sich pauschalisierende Vorwürfe gegen Gläubige recht merkwürdig.