Jährliche 'Edge'-Frage

Re: Jährliche 'Edge'-Frage

Beitragvon Darth Nefarius » Do 11. Apr 2013, 20:28

Vollbreit hat geschrieben:So wie ich mich verstanden habe, wollte ich laie zustimmen, dass Baumann die Passage so gemeint hat.
Inhaltlich stimmten weder laie noch ich ihm euphorisch zu.

In Ordnung, ein Missverständnis.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Warum bedeutet Endlichkeit mehr Kostbarkeit? Ich kann wahrscheinlich die mir wertvollsten Sachen kaum genießen, da ich sie umso mehr fürchten würde zu verlieren.


Weil Du jede Erfahrung in ähnlicher Weise noch zig mal machen könntest.

Keine Erfahrung ist wie die andere. Das Universum würde ewig brauchen, um mich irgendwann zu langweilen. Mit bestenfalls 120 Jahren komme ich mir sehr gehetzt vor, ich werde so kaum die Länder besuchen können, die ich noch sehen will, kaum die Sprachen gelernt haben, kaum das Wissen angehäuft haben, das ich anstrebe. Endlichkeit gut zu heißen, bedeutet, man denkt, es würde einem schnell langweilig werden. Aber in meinem Masterplan steht nach der biologischen Optimierung (die ihre Grenzen hat) die Überwindung des organischen zweitklassigen Materials zugunsten höherer Robustheit (womit ich dann die paar jahrzehnte, die man maximal rausschlagen kann mit Manipulationen am biologischen Organismus, verbrauchen würde). Anschließend gibt es diverse optionale Angelegenheiten, irgendwann müsste ich mich mit der Sonne beschäftigen, deren Wasserstoffreserven aufgebraucht werden, anschließend vielleicht noch mit dem Kältetod des ganzen Universums. Um diese Probleme zu lösen oder zu überleben braucht es auch die Ewigkeit. :2thumbs: Ich halte es zwar nicht für realistisch, überhaupt den ersten Schritt zu schaffen, aber zumindest habe ich eine klare Vorstellung, wie ich die Ewigkeit verbringen würde und langweilig könnte es gewiss nicht werden.
Vollbreit hat geschrieben:Ich sage ja auch gar nicht, dass es darum geht in Vergangenem zu schwelgen, sondern im Jetzt zu sein.

Das ist unmöglich für ein Wesen, welches intelligenter ist als ein Goldfisch. Bei den wertvollsten Dingen wirst du dich immer fragen, wie lange du sie noch genießen kannst, und dann bekommst auch du ein unangenehmes Gefühl. Die Zukunft ist uns meist sogar wichtiger als die Gegenwart. Wir gingen nicht zur Schule, weil es uns jedesmal Spaß gemacht hat (oder die meiste Zeit oder ab und zu ), sondern weil wir gut verdienen wollten und/oder einen Beruf ergreifen wollten, der uns gefällt. Wir versichern nicht diverse Dinge in unserem Leben, weil es Spaß macht, die Beiträge zu zahlen, sondern weil wir nicht bei einem Unglück dumm dastehen wollen. Wir haben kein Bankkonto, weil wir den Banken etwas gutes tun wollen und unser Geld nicht brauchen, sondern weil wir (mittlerweile wohl etwas naiv) sparen wollen, eventuell Zinsen erwarten, um später etwas schönes zu kaufen. Nur ein Obdachloser lebt im "Hier und Jetzt". Er hat weder Vergangenheit noch Zukunft.
Vollbreit hat geschrieben:Tust Du aber, das ist das Problem. Die Analyse von Dir stimmt durchaus, der Buddha kam zum gleichen Ergebnis. Dein Ansatz ist die Lebensspanne unendlich auszudehnen – warum nicht, ist sicher einen Versucht wert, auch wenn wir uns über die Risiken und Nebenwirkungen schon mal ausgetauscht haben – der Ansatz des Buddha ist, die Anhaftungen zu überwinden. Das heißt einerseits, mitnehmen was kommt und andererseits, es wieder loszulassen.

Leichter gesagt als getan. Könntest du dich von allem was du kennst und liebst sofort trennen? Wäre ich dazu in der Lage, wäre ich eine emotionslose Hülle ohne Wünsche, Hoffnungen, Ziele und Ansprüche. Ja, dann ist das Leben zwar ohnehin wertlos und man kann getrost ohne Angst abkratzen, aber es widerspricht völlig meinem Wesen als Mensch, der das Leben liebt. Würde ich so eine Haltung anstreben, würde ich das Leben geringschätzen, könnte gleich nach diesem Zustand abtreten, weil ich nichts mehr will. Aber was ich genieße, will ich auch genießen können. Wenn ich es anstrebe, das Leben zu genießen, kann ich nur durch den grundlegenden Verlust dieses Antriebs den Zustand der Wunschlosigkeit und Bindungslosigkeit erreichen. Nein, bevor ich nichts mehr anstrebe, will ich wenigstens noch Angst fühlen oder mir zumindest beim Scheitern sicher zu sein, dass ich es wenigstens versucht habe.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Je erfüllter ein Leben ist, desto schmerzhafter ist der Verlust!


Ja, womit aber die blöde Paradoxie auftaucht, dass man immer unglücklich wird, wenn man ein erfülltes Leben lebt. Und das ist ja dann kein erfülltes Leben.

Vielleicht stimmt das. Momentan habe ich ohnehin nur meinen Willen und mein Studium, habe keinen nennenswerten Verlust zu betrauern, werde gemeinhin als kalt und abweisend betrachtet. Aber umsomehr fürchte ich den Moment, an dem mir etwas wichtiges genommen wird. Deswegen frage ich mich, ob es nicht manchmal besser ist, keine relevanten Bindungen einzugehen. Aber das ist nur hypothetisch, das Problem stellt sich mir nicht, da meine Ansprüche wohl ohnehin zu hoch sind, um eine Gefährdung meiner Ziele und Unangreifbarkeit zuzulassen. Das führt aber wieder zum Problem, dass ich eine solche Bindung wider besseren Wissens wohl anstrebe, weswegen ich nie ein Buddist sein könnte.
Vollbreit hat geschrieben:Auch Beziehungen wandeln sich. Da ist ein wenig Tod schon drin und wer den nicht erträgt, bekommt auch oft den Wandel von der Verliebtheit in Liebe nicht hin. (Ist aber in Deinem Alter noch kein belastendes Thema.) Hier gehen Beziehungen dann häufig in die Brüche und der Wunsch nach anhaltender Verliebtheit tritt an die Stelle.

Ich kenne Beziehungen und Gefühle, die länger als ein paar Monate reichen. Besonders gut kenne ich den Schmerz, der mich jahrelang gequält hat. Mittlerweile ist es zwar überwunden, aber ich habe vieles daraus gelernt und vermute aufgrund dessen, dass Liebe länger halten kann als ein paar Jahre, wenn sie auf Gegenseitigkeit beruht und nicht nur Schmerz bedeutet.
stine hat geschrieben:Ich meinte nicht Gleichaltrige in deinem Alter. Die Rede war von Kindern im Kindergarten oder Grundschulalter die zum ersten Mal mit dem Tod in der Familie, meist Oma, Opa oder Urgroßeltern, konfrontiert werden. Sie erleben zum ersten Mal, dass das Leben irgendwann aus ist und erleben eine erste Ahnung vom eigenen Tod.

Ich kann mich erinnern, wann das bei mir der Fall war. Ehrlich gasagt habe ich das ziemlich emotionslos festgestellt, als meine Stirn zusammengenäht wurde und ich das Bewusstsein erlangte (Ja, das war im Kindergartenalter). Mich hat gestört, dass mein Körper so schwach ist und habe auch schnell verstanden, dass sich das mit dem Alter kaum verbessern würde. Zu dieser Erkenntnis bin ich erst gekommen, als ich meine körperlichen Grenzen austestete, allerdings war das Ergebnis und das Ereignis eher unbeabsichtigt.
Jedenfalls kann ich mich an diese Zeit noch gut erinnern und kann sagen, dass ich niemanden mit der Feststellung belastet habe oder echte Angst und Panik verspürte. Erstmal habe ich mir die Ideen der Religionen angeguckt, besonders haben mich aber die größenwahnsinnigen Ägypter fasziniert, da ihnen die Konsevierung des Körpers wichtig war. Schnell wird bei all den Defiziten der Religionen und der Menschen, die an sie glauben klar, dass es nur um Selbstbetrug geht. Was bleibt? Die Naturwissenschaften in Form angewandter Medizin, die handfeste Zahlen anzubieten haben, was den Rückgang an Sterblichkeiten wegen vieler der grausamsten Krankheiten betrifft. Es ist ein riesen Erfolg der Menschheit, diverse tödliche Krankheiten ausgerottet zu haben. Zu den damaligen Zeiten wäre soetwas wohl kaum denkbar gewesen und mit Pokken, Pest und co. musste man sich arrangieren.
stine hat geschrieben:Dass junge Leute nicht an ihr Ende denken ist normal und gesund. Wäre es nicht so, wären sie depressiv und suizid gefährdet, was ja immerhin schon auch mal vorkommt.

Nur ein Teil der Schwachen, der andere wird religiös. Der Rest kämpft dagegen an (auf die bezogen, die überhaupt daran denken). Für mich ist es völlig paradox den eigenen Tod anzustreben, oder das Leben gering zu schätzen. Das sind Symptome der Resignation, der man nur mit dem wohl stärksten Trieb entgegentreten kann: der Angst.
stine hat geschrieben:Die Flucht (ich halte das übrigens nicht für eine solche) in den Glauben, egal welchen immer, ist eine gesunde Hoffnung.

Hoffnung kann man es nur nennen, wenn es zumindest theoretisch möglich ist. Alles andere ist eine Illusion, Selbstbetrug. Es ist keine Hoffnung, wenn man will, dass eines Tages Aliens landen, die aus Scheiße Plutonium machen können und den Klimawandel damit stoppen, sondern Blödsinn. Gesund ist dieser Selbstbetrug gewiss nicht, er ist jedoch so pandemisch verbreitet, dass er nichtmal mehr als Geisteskrankheit verstanden wird. Wenn dir ein Erwachsener Mensch sagt, dass er einen (imaginären) Freund hat, den du nicht sehen kannst, aber 2 Köpfe hat, lila mit grünen Flecken ist und nebenbei das Universum erschaffen hat, und dir Unsterblichkeit verspricht, halten ihn Psychologen für geisteskrank. Wenn er das mit den Köpfen und den Punkten weglässt und ihn Jesus nennt, heißt es, es sei eine gesunde Hoffnung. Das ist bescheuert.
stine hat geschrieben:Sie befreit vor Manchem und gerade Kinder lassen sich damit gerne trösten, dass Oma immer in unserer Mitte ist, wenn wir an sie denken.

Wie würdest du ein Kind trösten, das gerade seine eigene Endlichkeitserfahrung macht?

Damit, dass es noch lebt und alles daran setzen kann und sollte, dass es auch so bleibt. Mir hat Religion jedenfalls nie gereicht. Dazu war ich einfach nicht (leicht-)gläubig genug. Vielleicht hat mich auch der Gedanke, dass Tote irgendwie noch unter uns sind, zu sehr gegruselt, um ihn tröstend zu finden. Aber das kann an der Kultur liegen und dem kulturellen Aberglauben, der einem vorgetragen wird. Jedenfalls ist der osteuropäische Aberglaube selten tröstend, sondern eher verstörend. Andererseits ist die ganze blutige Kreuzigungs-Auferstehungsgeschichte kaum besser.
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Re: Jährliche 'Edge'-Frage

Beitragvon Vollbreit » Do 11. Apr 2013, 21:19

Darth Nefarius hat geschrieben:Keine Erfahrung ist wie die andere. Das Universum würde ewig brauchen, um mich irgendwann zu langweilen. Mit bestenfalls 120 Jahren komme ich mir sehr gehetzt vor, ich werde so kaum die Länder besuchen können, die ich noch sehen will, kaum die Sprachen gelernt haben, kaum das Wissen angehäuft haben, das ich anstrebe.


Kann ich zwar verstehen, aber wenn Du Pech hast, wird die Gehetztheit dann schon mit Mitte 30 zum Programm, das fühlt sich nicht gut an. Man wird irgendwie heimatlos und kommt nie an. Mit gut 20 ist natürlich gerade das Gegenteil aktuell, insofern ist meine Bemerkung etwas unpassend.

Darth Nefarius hat geschrieben:Endlichkeit gut zu heißen, bedeutet, man denkt, es würde einem schnell langweilig werden.


Endlichkeit gut zu heißen, bedeutet erfahren zu haben, dass manches tatsächlich nach nur einem lächerlichen Jahrzehnt sehr viel Glanz verlieren kann, vor allem bedeutet es für mich, sich dem Tod zu stellen. Würde Dir aber nun auch beruflich in die Quere kommen und wohl auch Motivationsbremse sein, insofern ist Deine Haltung schon folgerichtig.

Darth Nefarius hat geschrieben:Aber in meinem Masterplan steht nach der biologischen Optimierung (die ihre Grenzen hat) die Überwindung des organischen zweitklassigen Materials zugunsten höherer Robustheit (womit ich dann die paar jahrzehnte, die man maximal rausschlagen kann mit Manipulationen am biologischen Organismus, verbrauchen würde). Anschließend gibt es diverse optionale Angelegenheiten, irgendwann müsste ich mich mit der Sonne beschäftigen, deren Wasserstoffreserven aufgebraucht werden, anschließend vielleicht noch mit dem Kältetod des ganzen Universums. Um diese Probleme zu lösen oder zu überleben braucht es auch die Ewigkeit. :2thumbs: Ich halte es zwar nicht für realistisch, überhaupt den ersten Schritt zu schaffen, aber zumindest habe ich eine klare Vorstellung, wie ich die Ewigkeit verbringen würde und langweilig könnte es gewiss nicht werden.


Wie hast Du selbst gesagt: Was wäre die Welt ohne größenwahnsinnige Spinner, die es nicht wenigstens versuchen. Recht hast Du.
Mein Weg ist halt die Mystik, Ziel ist Erleuchtung und ich glaube, sogar tatsächlich, dass es real und erreichbar ist.


Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Ich sage ja auch gar nicht, dass es darum geht in Vergangenem zu schwelgen, sondern im Jetzt zu sein.

Das ist unmöglich für ein Wesen, welches intelligenter ist als ein Goldfisch. Bei den wertvollsten Dingen wirst du dich immer fragen, wie lange du sie noch genießen kannst, und dann bekommst auch du ein unangenehmes Gefühl.


Nö, denn dann bist Du aus dem Moment gefallen. Ärgerst Du Dich, wenn Du isst, dass es gleich aufgegessen ist, ist freust Du Dich, dass Du was Leckeres zu essen hast. Nicht das Ereigenis ist das Problem, das Anhaften und das kann man üben. Die Buddhisten machen es vor. Einer seiner prominentesten Vertreter aus dem Westen, Matthieu Ricard, dürfte für Dich interessant sein, da er promovierter Molekularbiologie ist: http://de.wikipedia.org/wiki/Matthieu_Ricard
Und da der auch behaupten würde, dass man im Jetzt sein kann und Molekularbiologen bekanntermaßen zur absoluten Elite gehören, muss der Goldfisch wohl allein tauchen.

Darth Nefarius hat geschrieben:Die Zukunft ist uns meist sogar wichtiger als die Gegenwart. Wir gingen nicht zur Schule, weil es uns jedesmal Spaß gemacht hat (oder die meiste Zeit oder ab und zu ), sondern weil wir gut verdienen wollten und/oder einen Beruf ergreifen wollten, der uns gefällt. Wir versichern nicht diverse Dinge in unserem Leben, weil es Spaß macht, die Beiträge zu zahlen, sondern weil wir nicht bei einem Unglück dumm dastehen wollen. Wir haben kein Bankkonto, weil wir den Banken etwas gutes tun wollen und unser Geld nicht brauchen, sondern weil wir (mittlerweile wohl etwas naiv) sparen wollen, eventuell Zinsen erwarten, um später etwas schönes zu kaufen. Nur ein Obdachloser lebt im "Hier und Jetzt". Er hat weder Vergangenheit noch Zukunft.


Alles durchaus richtige und wichtige Punkte, aber im Moment zu sein heißt nicht triebhaft am Lustprinzip orientiert zu sein. Was es heißt, kann man nicht in drei Worten sagen, aber man muss nicht sonderlich blöd sein, um Buddhist zu sein.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Tust Du aber, das ist das Problem. Die Analyse von Dir stimmt durchaus, der Buddha kam zum gleichen Ergebnis. Dein Ansatz ist die Lebensspanne unendlich auszudehnen – warum nicht, ist sicher einen Versucht wert, auch wenn wir uns über die Risiken und Nebenwirkungen schon mal ausgetauscht haben – der Ansatz des Buddha ist, die Anhaftungen zu überwinden. Das heißt einerseits, mitnehmen was kommt und andererseits, es wieder loszulassen.

Leichter gesagt als getan. Könntest du dich von allem was du kennst und liebst sofort trennen?

Nein, ich würde leiden wie ein Tier und überlegen, ob ich mich vor einen Zug schmeiße.

Darth Nefarius hat geschrieben:Wäre ich dazu in der Lage, wäre ich eine emotionslose Hülle ohne Wünsche, Hoffnungen, Ziele und Ansprüche. Ja, dann ist das Leben zwar ohnehin wertlos und man kann getrost ohne Angst abkratzen, aber es widerspricht völlig meinem Wesen als Mensch, der das Leben liebt.


Widerspricht sich nicht. Worum es geht ist kein Prozess des fortgesetzten Abstumpfens, sondern einer Steigerung der Intensität. Ich finde mein Leben ehrlich gesagt intensiv genug, so dass ich eher bedarf nach weniger habe, aber was soll's. Es geht darum mehr Intensität auszuhalten. Schwierig.

Darth Nefarius hat geschrieben:Würde ich so eine Haltung anstreben, würde ich das Leben geringschätzen, könnte gleich nach diesem Zustand abtreten, weil ich nichts mehr will. Aber was ich genieße, will ich auch genießen können.


Genau das sollst Du, nur ohne Anhaftung (also, natürlich nur dann, wenn Du Buddhist bist). Das heißt etwas nicht zur Sucht werden zu lassen.

Darth Nefarius hat geschrieben:Wenn ich es anstrebe, das Leben zu genießen, kann ich nur durch den grundlegenden Verlust dieses Antriebs den Zustand der Wunschlosigkeit und Bindungslosigkeit erreichen. Nein, bevor ich nichts mehr anstrebe, will ich wenigstens noch Angst fühlen oder mir zumindest beim Scheitern sicher zu sein, dass ich es wenigstens versucht habe.


Kein Problem, alles andere erschiene mir auch unpassend.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Je erfüllter ein Leben ist, desto schmerzhafter ist der Verlust!


Ja, womit aber die blöde Paradoxie auftaucht, dass man immer unglücklich wird, wenn man ein erfülltes Leben lebt. Und das ist ja dann kein erfülltes Leben.

Vielleicht stimmt das. Momentan habe ich ohnehin nur meinen Willen und mein Studium, habe keinen nennenswerten Verlust zu betrauern, werde gemeinhin als kalt und abweisend betrachtet. Aber umsomehr fürchte ich den Moment, an dem mir etwas wichtiges genommen wird. Deswegen frage ich mich, ob es nicht manchmal besser ist, keine relevanten Bindungen einzugehen.


Nein, ist es nicht. Das wäre Selbstmord aus Angst vor dem Tod.
Da gilt Dein Wort vom Scheitern und es wenigstens versuchen.

Darth Nefarius hat geschrieben:Aber das ist nur hypothetisch, das Problem stellt sich mir nicht, da meine Ansprüche wohl ohnehin zu hoch sind, um eine Gefährdung meiner Ziele und Unangreifbarkeit zuzulassen.


Zu hohe Ansprüche sind manchmal der Versuch, relevante Bindungen gar nicht erst aufkommen zu lassen. Dann treten die Einttäuschungen nicht ins Leben. Die sind aber das Feuer durch das man muss, früher oder später.

Darth Nefarius hat geschrieben:Das führt aber wieder zum Problem, dass ich eine solche Bindung wider besseren Wissens wohl anstrebe, weswegen ich nie ein Buddist sein könnte.


Ist doch gut. Man muss ja kein Buddhist sein, um zu lernen. Ist halt nur ein Weg um Leid aufzulösen, aber es gibt andere, zahlreiche.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Auch Beziehungen wandeln sich. Da ist ein wenig Tod schon drin und wer den nicht erträgt, bekommt auch oft den Wandel von der Verliebtheit in Liebe nicht hin. (Ist aber in Deinem Alter noch kein belastendes Thema.) Hier gehen Beziehungen dann häufig in die Brüche und der Wunsch nach anhaltender Verliebtheit tritt an die Stelle.

Ich kenne Beziehungen und Gefühle, die länger als ein paar Monate reichen. Besonders gut kenne ich den Schmerz, der mich jahrelang gequält hat. Mittlerweile ist es zwar überwunden, aber ich habe vieles daraus gelernt und vermute aufgrund dessen, dass Liebe länger halten kann als ein paar Jahre, wenn sie auf Gegenseitigkeit beruht und nicht nur Schmerz bedeutet.


Die Liebe … ist einfach ein entsetzlich schwieriges Thema, bleiben wir lieber beim Tod.
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Re: Jährliche 'Edge'-Frage

Beitragvon Darth Nefarius » Do 11. Apr 2013, 22:03

Vollbreit hat geschrieben:Kann ich zwar verstehen, aber wenn Du Pech hast, wird die Gehetztheit dann schon mit Mitte 30 zum Programm, das fühlt sich nicht gut an. Man wird irgendwie heimatlos und kommt nie an. Mit gut 20 ist natürlich gerade das Gegenteil aktuell, insofern ist meine Bemerkung etwas unpassend.

Ich habe keine echte Heimat, aber zumindest eine Vorstellung davon, wie sie sein sollte. Und mein Anspruch ist zu hoch, um mich mit irgendetwas zweitklassigem abzugeben, nur um zur Ruhe zu kommen. Die könnte ich ohnehin wohl nicht lange aufrechterhalten, da ich schnell zu unzufrieden werden wurde. Summa summarum wäre das Zeitverschwendung.
Vollbreit hat geschrieben:Endlichkeit gut zu heißen, bedeutet erfahren zu haben, dass manches tatsächlich nach nur einem lächerlichen Jahrzehnt sehr viel Glanz verlieren kann, vor allem bedeutet es für mich, sich dem Tod zu stellen. Würde Dir aber nun auch beruflich in die Quere kommen und wohl auch Motivationsbremse sein, insofern ist Deine Haltung schon folgerichtig.

Nun, mir ist klar, was ich will und gebe mich nie mit dem Zweitbesten ab, nur um zu schauen, ob es mir nicht doch reicht. Das wäre einer der vielen Unterschiede zwischen uns, die ich eher auf den Charakter und nicht auf das Alter schieben würde.
Vollbreit hat geschrieben:Wie hast Du selbst gesagt: Was wäre die Welt ohne größenwahnsinnige Spinner, die es nicht wenigstens versuchen. Recht hast Du.
Mein Weg ist halt die Mystik, Ziel ist Erleuchtung und ich glaube, sogar tatsächlich, dass es real und erreichbar ist.

Da muss ich mich an meinen letzten Chemielehrer erinnern: Seine erste und letzte transzendente/mystische Erfahrung war der Geruch von Käsefüßen beim Meditieren mit gleichaltrigen Hippies in der Jugend. Klar, dass Käsefüße einfacher zu erreichen sind, da gebe ich dir Recht! :mg:
Aber mal im Ernst: Erleuchtung ist ein abstrakter Begriff und ich betrachte meine glasklare Philosophie als meine Erleuchtung. Mir hat es nie gereicht, an irgendetwas zu glauben, ich kann Verlust nicht dulden. Damit ist Mystik nichts für mich, aber ich widerspreche wenn du meinst, dass Erleuchtung nur durch diesen philosophischen, esotherischen Mist möglich ist. Ich betrachte es so, dass man "erleuchtet" ist, wenn man mit seiner Lebensphilosophie im Reinen ist.
Vollbreit hat geschrieben:Nö, denn dann bist Du aus dem Moment gefallen. Ärgerst Du Dich, wenn Du isst, dass es gleich aufgegessen ist, ist freust Du Dich, dass Du was Leckeres zu essen hast.

Wie lange dauern diese Momente schon? Mein Verstand ist beweglich, ich denke an viele Sachen in kurzer Zeit und da kann ich schlichtweg kein momentanes Erlebnis lange gleich erleben.
Vollbreit hat geschrieben:Nicht das Ereigenis ist das Problem, das Anhaften und das kann man üben. Die Buddhisten machen es vor. Einer seiner prominentesten Vertreter aus dem Westen, Matthieu Ricard, dürfte für Dich interessant sein, da er promovierter Molekularbiologie ist: http://de.wikipedia.org/wiki/Matthieu_Ricard
Und da der auch behaupten würde, dass man im Jetzt sein kann und Molekularbiologen bekanntermaßen zur absoluten Elite gehören, muss der Goldfisch wohl allein tauchen.

Ich werde auf solche Übungen keine Zeit verschwenden. Ich könnte mit gleicher Argumentation auch irgendwelches euphorisierendes Zeug einwerfen, aber das will ich schlichtweg nicht, ich will Kontrolle über mich. Sobald ich es wollen anders würde, wäre mein Wille durch Angst gebrochen. Bis jetzt war meine Angst immer stark genug, zum Glück.
Vollbreit hat geschrieben:Alles durchaus richtige und wichtige Punkte, aber im Moment zu sein heißt nicht triebhaft am Lustprinzip orientiert zu sein. Was es heißt, kann man nicht in drei Worten sagen, aber man muss nicht sonderlich blöd sein, um Buddhist zu sein.

Na, es ist zumindest ein trainiertes Nicht-Denken, was Buddhisten da betreiben. Und nur Triebe in Form von Hormonen und den entsprechenden Reizen sind stark genug, um klare Gedanken zu vernebeln und zu betäuben (naja, oder entsprechende Psychopharmaka und Drogen). Für solche Übungen sind meine Gedanken zu deutlich, zu klar.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Leichter gesagt als getan. Könntest du dich von allem was du kennst und liebst sofort trennen?

Nein, ich würde leiden wie ein Tier und überlegen, ob ich mich vor einen Zug schmeiße.

Nun, und diesen Gedanken kann ich nicht mit ein paar albernen Übungen überwinden. Der Tod bedeutet jedenfalls nach meiner Meinung nichts anderes, als kurz vor dem Ende gerade noch zu merken, dass man gerade alles verliert und nie wieder wird fühlen und wahrnehmen können(sofern man nicht das Glück hat im Schlaf zu sterben oder sowas). Das wird gewiss mein letzter Gedanke sein und das fürchte ich.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Wäre ich dazu in der Lage, wäre ich eine emotionslose Hülle ohne Wünsche, Hoffnungen, Ziele und Ansprüche. Ja, dann ist das Leben zwar ohnehin wertlos und man kann getrost ohne Angst abkratzen, aber es widerspricht völlig meinem Wesen als Mensch, der das Leben liebt.


Widerspricht sich nicht. Worum es geht ist kein Prozess des fortgesetzten Abstumpfens, sondern einer Steigerung der Intensität. Ich finde mein Leben ehrlich gesagt intensiv genug, so dass ich eher bedarf nach weniger habe, aber was soll's. Es geht darum mehr Intensität auszuhalten. Schwierig.

Die intensivsten Emotionen rufen bei mir die größten Ängste hervor, weil ich wieder den Gedanken an Verlust habe. Das kann nicht mit noch mehr Intensität überwunden werden, es würde alles nur noch verschlimmern.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Würde ich so eine Haltung anstreben, würde ich das Leben geringschätzen, könnte gleich nach diesem Zustand abtreten, weil ich nichts mehr will. Aber was ich genieße, will ich auch genießen können.


Genau das sollst Du, nur ohne Anhaftung (also, natürlich nur dann, wenn Du Buddhist bist). Das heißt etwas nicht zur Sucht werden zu lassen.

Nun, ich bin süchtig nach Leben. Das gestehe ich mir zu. Aber diese Sucht zu überwinden hat keinen Nutzen, es gibt nichts ohne Leben. Und der Verlust wird mich gewiss umso mehr treffen, wenn ich mir den Gedanken nicht immer präsent halten würde. Bis jetzt ist nichts Relevantes in meinem Leben passiert, dass ich nicht auch erwogen und meist auch erwartet habe. Das gab mir die nötige Stärke, es auszuhalten. Das und meine Ziele, meine Planung. Würde ich immer im Moment verhaften, könnte ich genausogut 1000 mal die Hölle erleiden, weil ich dann auch nicht hoffnungsvoll in die Zukunft blicken würde. Das Verhaften im Moment würde genau das ermöglichen, sofern man pech hat.
Vollbreit hat geschrieben: Momentan habe ich ohnehin nur meinen Willen und mein Studium, habe keinen nennenswerten Verlust zu betrauern, werde gemeinhin als kalt und abweisend betrachtet. Aber umsomehr fürchte ich den Moment, an dem mir etwas wichtiges genommen wird. Deswegen frage ich mich, ob es nicht manchmal besser ist, keine relevanten Bindungen einzugehen.


Nein, ist es nicht. Das wäre Selbstmord aus Angst vor dem Tod.
Da gilt Dein Wort vom Scheitern und es wenigstens versuchen.
[/quote]
...Was mich zu einem Konflikt bringt. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass diese beiden Haltungen irgendwann einander widersprechen. So oder so scheinen mir die Optionen der Enscheidung und die Konsequenzen für nicht wünschenswert. Es wird also immer beschissen enden, egal wie ich mich entscheide und das Schlimmste könnte sein, dass ich es bereue bei gleichwertigen Intentionen es zu bereuen, nicht die andere Entscheidung getroffen zu haben. Aber da gibt es wohl keinen Ausweg und nur die wenig beruhigende Erkenntnis, dass ich noch nicht in diese Situation gekommen bin (soviel zum "Anhaften im Moment", was mir herzlich wenig bringt).
Vollbreit hat geschrieben:Zu hohe Ansprüche sind manchmal der Versuch, relevante Bindungen gar nicht erst aufkommen zu lassen. Dann treten die Einttäuschungen nicht ins Leben. Die sind aber das Feuer durch das man muss, früher oder später.

Das sehe ich nicht so. Ich muss Enttäuschungen nicht zulassen, wenn sie absehbar sind. Wenn sie auf einer falschen Einschätzung beruhen, kann ich natürlich nichts dagegen tun. Aber wenn mir klar ist, dass irgendetwas fehlt, muss ich es gar nicht erst versuchen. Ich strebe Glück an und ich konnte bis jetzt wahrscheinlich nicht glücklich werden (ich kann mich jedenfalls nicht explizit an dieses Gefühl erinnern, aber da es flüchtig ist und es schon schnell verloren sein kann, werde ich mich nicht festlegen), obwohl ich es gar nicht so schlecht im Leben hatte. Das bedeutet, dass meine Ansprüche tatsächlich hoch sind.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Das führt aber wieder zum Problem, dass ich eine solche Bindung wider besseren Wissens wohl anstrebe, weswegen ich nie ein Buddist sein könnte.


Ist doch gut. Man muss ja kein Buddhist sein, um zu lernen. Ist halt nur ein Weg um Leid aufzulösen, aber es gibt andere, zahlreiche.

Leid endet nur, wenn das Leben endet. Aber damit endet leider auch alles andere, damit werde ich eben den bitteren Beigeschmack Leid hinnehmen. Es geht auch nicht ums Lernen, ich habe lediglich einen Schwachpunkt meines Willens festgestellt, den ich wahrscheinlich noch nichtmal willens bin, zu beheben. Mich nervt aber am meisten, dass ich mich in diesem Punkt noch nichtmal entschieden habe.
Vollbreit hat geschrieben:Die Liebe … ist einfach ein entsetzlich schwieriges Thema, bleiben wir lieber beim Tod.

Für mich hängt beides zusammen: Die Angst vor dem Tod, die Liebe zum Leben oder zu dem, was im Leben vorhanden ist. Liebe und Angst vor Verlust sind für mich das selbe, zumindest erlebe ich das ziemlich simultan. Wie soll man sich der ultimativen Angst stellen, wenn man nicht das ultimative Glücksgefühl betrachtet? Der Tod wird ohne den Verlust von Liebe tatsächlich bedeutungslos und damit kein bisschen angsterregend. Ich sehe, dass du das "Verweilen im Moment" wie erwartet nur durch Ausklammerung dieser zentralen Problematik bewältigst.
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Re: Jährliche 'Edge'-Frage

Beitragvon laie » Fr 12. Apr 2013, 10:06

@Darth, Vollbreit: Eine wunderbare Diskussion, die ihr beide da gerade führt. Macht Spass, die unterschiedlichen Gedankenführungen zu lesen. Das wollte ich an dieser Stelle einmal los werden. Ich möchte eure Diskussion auch nicht weiter stören, aber einen Punkt herausgreifen:

Darth Nefarius hat geschrieben:Leid endet nur, wenn das Leben endet.


Was ist Leid? Das leidvolle Leben ist u.a. Gegenstand des Hiob-Buches. Die entscheidende Frage darin ist jedoch nicht, was Leid ist oder warum es Leid gibt, sondern lautet vielmehr:

"Warum gibt er den Leidenden Licht und Leben denen, die verbittert sind?" (Ijob 3,20)

Kurz: wozu leben? Ich meine, dass diese Frage und die Frage nach dem Tod, Endlichkeit zusammen gehören.
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Re: Jährliche 'Edge'-Frage

Beitragvon Vollbreit » Fr 12. Apr 2013, 10:31

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Kann ich zwar verstehen, aber wenn Du Pech hast, wird die Gehetztheit dann schon mit Mitte 30 zum Programm, das fühlt sich nicht gut an. Man wird irgendwie heimatlos und kommt nie an. Mit gut 20 ist natürlich gerade das Gegenteil aktuell, insofern ist meine Bemerkung etwas unpassend.

Ich habe keine echte Heimat, aber zumindest eine Vorstellung davon, wie sie sein sollte. Und mein Anspruch ist zu hoch, um mich mit irgendetwas zweitklassigem abzugeben, nur um zur Ruhe zu kommen. Die könnte ich ohnehin wohl nicht lange aufrechterhalten, da ich schnell zu unzufrieden werden wurde. Summa summarum wäre das Zeitverschwendung.

Ich denk Du bist anspruchsvoll. Wieso willst Du dann bereits auf Grundlegendes verzichten?
Die Pflanze bekommt die Turbo-UV-Lampe de luxe, superoptimierte Erde, wird dann aber nicht gegossen?

Darth Nefarius hat geschrieben:Nun, mir ist klar, was ich will und gebe mich nie mit dem Zweitbesten ab, nur um zu schauen, ob es mir nicht doch reicht. Das wäre einer der vielen Unterschiede zwischen uns, die ich eher auf den Charakter und nicht auf das Alter schieben würde.

Wieso meinst Du denn, ich würde mich mich dem Zweitbesten zufrieden geben? Das Gegenteil ist richtig, aber m.E. muss man dadurch nicht zum Snob mutieren.
Man – also jeder für sich – muss ja erst mal rausfinden, was denn für einen selbst das Richtige ist. Immer nur das Beste hat einen sehr faden Beigeschmack, es macht einen nämlich abhängig von der Bewertung anderer, was das aktuell Beste ist. Das aktuell Passendste, wäre wohl besser.
Ich finde die Ausgewogenheit muss stimmen. Arbeit/Geld/Beziehung/Freizeit/An- und Entspannung und so weiter. Nur, wie viel man wovon braucht und ertragen kann, ist hochindividuell. Zu glauben, der eine Bereich befeuere automatisch die anderen mir ist ein häufiger Fehler. Deshalb muss man in meinen Augen das Gesamtkunstwerk Leben möglichst früh im Augen haben. Da das aber auch ein idealistisches Konzept ist, bei dem das Leben zuweilen sein Veto einlegt, ist es eine ganz gute Idee, sich dem Unvermeidlichen nicht in den Weg zu schmeißen. Daraus wird dann im besten Fall ein dynamisches Spiel, es kann nichts Starres sein, da wir uns verändern, eine Art Dialog mit Welt, bei dem man dann schrittweise lernen kann die Kontrolle abzugeben, die ja ohnehin oft nur Illusion ist.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Wie hast Du selbst gesagt: Was wäre die Welt ohne größenwahnsinnige Spinner, die es nicht wenigstens versuchen. Recht hast Du.
Mein Weg ist halt die Mystik, Ziel ist Erleuchtung und ich glaube, sogar tatsächlich, dass es real und erreichbar ist.

Da muss ich mich an meinen letzten Chemielehrer erinnern: Seine erste und letzte transzendente/mystische Erfahrung war der Geruch von Käsefüßen beim Meditieren mit gleichaltrigen Hippies in der Jugend. Klar, dass Käsefüße einfacher zu erreichen sind, da gebe ich dir Recht! :mg:
Aber mal im Ernst: Erleuchtung ist ein abstrakter Begriff und ich betrachte meine glasklare Philosophie als meine Erleuchtung.


Abgesehen davon, dass die meisten Begriffe die wir benutzen recht abstrakt sind und wir uns größtenteils in einer abstrakten und spekulativen Welt bewegen, wie Du ja selbst sagst: Wir tun für die Zukunft … ja, soweit okay, wenn man nicht blöd sein will, aber wann fängt die Zukunft an, wann ist die Zeit der Ernte? Ein Morgen für das man unbedingt vorsorgen muss, kann es auch mit 96 noch geben. Sehr viele haben das Problem, dass sie vor lauter Planen und Machen eigentlich nie zur Ruhe kommen. Für mache ist das ihr Leben und ich finde es okay. Ein Leben auf der Überholspur, hat auch was.
Also, davon abgesehen, finde ich Erleuchtung ungeheuer konkret.

Darth Nefarius hat geschrieben:Mir hat es nie gereicht, an irgendetwas zu glauben, ich kann Verlust nicht dulden. Damit ist Mystik nichts für mich, aber ich widerspreche wenn du meinst, dass Erleuchtung nur durch diesen philosophischen, esotherischen Mist möglich ist. Ich betrachte es so, dass man "erleuchtet" ist, wenn man mit seiner Lebensphilosophie im Reinen ist.


Ich behaupte doch gar nicht, dass man Erleuchtung nur durch spirituelle Praxis erlangt. Aber es ist ein recht guter Weg. Ein Grundirrtum ist hingegen zu glauben, Erleuchtung hätte irgendetwas mit Glauben zu tun. Nichts weniger als das.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Nö, denn dann bist Du aus dem Moment gefallen. Ärgerst Du Dich, wenn Du isst, dass es gleich aufgegessen ist, ist freust Du Dich, dass Du was Leckeres zu essen hast.

Wie lange dauern diese Momente schon?

Ewig!
Ewigkeit ist keine sehr lange Zeitspanne, sondern unausgesetzte Gegenwart. Immer nur dieser Moment. Ich falle am Tag geschätzte 87.000 Mal aus diesem Moment wieder heraus, aber ich weiß, dass es diese Tür gibt und zwar in jedem Moment. Die Zeit tickt trotzdem weiter, auch für den erleuchteten Meister, aber was macht das schon, dass er alt wird und stirbt? Er isst ja gerade oder schläft oder macht sonst was. Die einzige Frage ist, ob er gerade im Moment ist.

Darth Nefarius hat geschrieben:Mein Verstand ist beweglich, ich denke an viele Sachen in kurzer Zeit und da kann ich schlichtweg kein momentanes Erlebnis lange gleich erleben.

Das geht im Grunde vielen so, dass die Gedanken hin und herspringen, es liegt im Wesen der Gedanken. Die andere Frage ist, ob die Gedanken einen mitreißen oder ob man seine Gedanken beobachten kann. Das kann man nämlich (lernen).

Darth Nefarius hat geschrieben:Ich werde auf solche Übungen keine Zeit verschwenden.

Das erwarte ich doch gar nicht. Es ist mir vollkommen egal, ob jemand privat meditiert oder sonst was tut, es geht doch hier nur um den Gedankenaustausch.

Darth Nefarius hat geschrieben:Ich könnte mit gleicher Argumentation auch irgendwelches euphorisierendes Zeug einwerfen, aber das will ich schlichtweg nicht, ich will Kontrolle über mich.

Und? Hast Du die Kontrolle über Deine Gedanken, oder reißen Dich die Gedanken und Emotionen gelegentlich mit?
Genau deshalb wurde ja der Buddhismus aus der Taufe gehoben. Weil das Anhaften ein Spiel der Gedanken ist. Das muss ich unbedingt noch erleben, das will ich behalten, davon will ich mehr, das will ich gar nicht... das ist Anhaften. Dieses Festklammern, diese Angst vorm Loslassen, dieser dauernde Verlustschmerz, das ist ziemlich krasses Ausgeliefertsein, mindestens mal aus buddhistischer Sicht.

Darth Nefarius hat geschrieben:Sobald ich es wollen anders würde, wäre mein Wille durch Angst gebrochen. Bis jetzt war meine Angst immer stark genug, zum Glück.


Hört sich – von wegen immer nur das Beste – in meinen Ohren nicht eben verlockend an.

Darth Nefarius hat geschrieben:Na, es ist zumindest ein trainiertes Nicht-Denken, was Buddhisten da betreiben. Und nur Triebe in Form von Hormonen und den entsprechenden Reizen sind stark genug, um klare Gedanken zu vernebeln und zu betäuben (naja, oder entsprechende Psychopharmaka und Drogen). Für solche Übungen sind meine Gedanken zu deutlich, zu klar.


Was heißt das denn eigentlich ganz konkret, dass Deine Gedanken zu deutlich, zu klar sind? Leidest Du unter Grübelzwang? Kommst Du nie aus dem Hamsterrad? Woher willst Du wissen, dass die Gedanken anderer unklarer, undeutlicher sind? Du kannst doch nur Deine betrachten, wenn überhaupt, wenn Du nicht in ihnen badest, schwimmst und vielleicht sogar manchmal versinkst.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Leichter gesagt als getan. Könntest du dich von allem was du kennst und liebst sofort trennen?

Nein, ich würde leiden wie ein Tier und überlegen, ob ich mich vor einen Zug schmeiße.

Nun, und diesen Gedanken kann ich nicht mit ein paar albernen Übungen überwinden.

Wieso sollten die Übungen albern sein? Das kannst Du doch erst beurteilen wenn Du sie mal gemacht hast.
Hast Du? Wenn ja, was war daran albern?

Darth Nefarius hat geschrieben:Der Tod bedeutet jedenfalls nach meiner Meinung nichts anderes, als kurz vor dem Ende gerade noch zu merken, dass man gerade alles verliert und nie wieder wird fühlen und wahrnehmen können(sofern man nicht das Glück hat im Schlaf zu sterben oder sowas). Das wird gewiss mein letzter Gedanke sein und das fürchte ich.

Es ist gut möglich, dass das Deine Angst bleiben wird, aber Du verlierst ja, wenn Du nicht plötzlich aus dem Leben gerissen wirst, schon schrittweise und ganz gut dosiert, im Laufe des Lebens einiges und gewinnst anderes dazu.

Darth Nefarius hat geschrieben:Die intensivsten Emotionen rufen bei mir die größten Ängste hervor, weil ich wieder den Gedanken an Verlust habe. Das kann nicht mit noch mehr Intensität überwunden werden, es würde alles nur noch verschlimmern.

Kann sein, dass das momentan so ist.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Genau das sollst Du, nur ohne Anhaftung (also, natürlich nur dann, wenn Du Buddhist bist). Das heißt etwas nicht zur Sucht werden zu lassen.

Nun, ich bin süchtig nach Leben. Das gestehe ich mir zu. Aber diese Sucht zu überwinden hat keinen Nutzen, es gibt nichts ohne Leben. Und der Verlust wird mich gewiss umso mehr treffen, wenn ich mir den Gedanken nicht immer präsent halten würde. Bis jetzt ist nichts Relevantes in meinem Leben passiert, dass ich nicht auch erwogen und meist auch erwartet habe. Das gab mir die nötige Stärke, es auszuhalten. Das und meine Ziele, meine Planung. Würde ich immer im Moment verhaften, könnte ich genausogut 1000 mal die Hölle erleiden, weil ich dann auch nicht hoffnungsvoll in die Zukunft blicken würde. Das Verhaften im Moment würde genau das ermöglichen, sofern man pech hat.

Das Ankommen im Moment könnte tatsächlich dazu führen, dass Du die Zukunft, die Planung und die hoffende Erwartung einen Moment lang, genau diesen einen Moment lang, vergisst, in der Tat, das ist sogar das erwünschte Ziel. Wenn es sich gut anfühlt sprich nichts dagegen, dem Moment noch einen weiteren anzufügen. Ein Nebenziel ist sozusagen gezielt herbeigeführte Hoffnunsgslosigkeit. Aber nicht resignativer Art, sondern bei großer Offenheit. Irgendwas ist ja immer, sogar dann, wenn man der Fahrplan nicht zur Hand ist. Man muss nur hinschauen. Pläne sind ja Reduzierungen. Da gibt es so viel, ich nehme nur ein wenig. Es ist nicht schlecht Pläne zu haben, nur ist es die Frage, ob man die Pläne in der Hand hat oder die Pläne einen in der Hand haben.


Darth Nefarius hat geschrieben:...Was mich zu einem Konflikt bringt. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass diese beiden Haltungen irgendwann einander widersprechen. So oder so scheinen mir die Optionen der Enscheidung und die Konsequenzen für nicht wünschenswert. Es wird also immer beschissen enden, egal wie ich mich entscheide und das Schlimmste könnte sein, dass ich es bereue bei gleichwertigen Intentionen es zu bereuen, nicht die andere Entscheidung getroffen zu haben.


Ja, aber ich sehe da noch eine andere, größere Gefahr. Sich nicht zu entscheiden, nicht einzulassen, es könnte ja noch was Perfekteres geben, was Du dann verpasst. Der Ansatz des idealen Lebens erweist sich im Rückblick, als ein Leben der verpassten Chancen. Zaudern und Hadern, sich dann doch entscheiden, nicht wissen, ob es die richtige Wahl war, ein recht sicherer Weg ins Unglück.
Der Fehler liegt im Ansatz, immer das Beste zu wollen. Wenn Du eine klare Vorstellung davon hast, was das konkret sein soll, kein Problem, wenn es so ein Ziel ist, was Du realistisch erst mit 50 erreichst, ist es ein kleines Problem, wenn Du im Grunde gar nicht weißt, was Du eigentlich willst, sondern nur diffuse Vorstellungen hast und alles als nicht gut genug ablehnst, ist es ein großes Problem. Das musst Du zu fassen kriegen.

Darth Nefarius hat geschrieben:Aber da gibt es wohl keinen Ausweg und nur die wenig beruhigende Erkenntnis, dass ich noch nicht in diese Situation gekommen bin (soviel zum "Anhaften im Moment", was mir herzlich wenig bringt).


Der Ausweg ist auf einen Satz reduziert: Trau Dich, Fehler zu machen.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Zu hohe Ansprüche sind manchmal der Versuch, relevante Bindungen gar nicht erst aufkommen zu lassen. Dann treten die Einttäuschungen nicht ins Leben. Die sind aber das Feuer durch das man muss, früher oder später.

Das sehe ich nicht so. Ich muss Enttäuschungen nicht zulassen, wenn sie absehbar sind. Wenn sie auf einer falschen Einschätzung beruhen, kann ich natürlich nichts dagegen tun. Aber wenn mir klar ist, dass irgendetwas fehlt, muss ich es gar nicht erst versuchen. Ich strebe Glück an und ich konnte bis jetzt wahrscheinlich nicht glücklich werden (ich kann mich jedenfalls nicht explizit an dieses Gefühl erinnern, aber da es flüchtig ist und es schon schnell verloren sein kann, werde ich mich nicht festlegen), obwohl ich es gar nicht so schlecht im Leben hatte. Das bedeutet, dass meine Ansprüche tatsächlich hoch sind.

Wenn die Ansprüche zu hoch sind, hat die Realität keine Chance, sie zu erfüllen.
Kompensatorisch muss man sich dann ständig die Welt schön reden und fällt gelegentlich in tiefe Verzweiflungslöcher.
Der Rat die Ansprüche einfach runter zu schrauben ist leichter gesagt, als getan, aber Du könntest drüber nachdenken, warum Du diese hohen Ansprüche hast.
Wozu dienen sie? Sind sie ein Ersatz? Für was? Was genau hältst Du Dir damit vom Leib? Enttäuschungen vermutlich. Aber wo kommen diese Erwartungen einer antizipierten Enttäuschung her? Eigentlich immer aus bereits erlebten bitteren Enttäuschungen. Da wird’s dann interessant, später mal. Aber Du kannst ja dennoch schon mal die Gedanken (privat und sie für Dich behaltend) kreisen lassen.

Darth Nefarius hat geschrieben:Leid endet nur, wenn das Leben endet.

Nö, wenn die Erwartungen enden. Aber bei gedrosselten Erwartungen sind die möglichen Enttäuschungen nicht so groß und besser zu ertragen.
Irgendwann merkt man, dass man sie wegpacken kann, das Fehler und vermeintliche Niederlagen einen nicht umbringen.
Dann traut man sich auch Ansprüche realistischer werden zu lassen und klarer zu formulieren. Da dreht sich die Spirale dann wieder nach oben.

Darth Nefarius hat geschrieben:Aber damit endet leider auch alles andere, damit werde ich eben den bitteren Beigeschmack Leid hinnehmen. Es geht auch nicht ums Lernen, ich habe lediglich einen Schwachpunkt meines Willens festgestellt, den ich wahrscheinlich noch nichtmal willens bin, zu beheben. Mich nervt aber am meisten, dass ich mich in diesem Punkt noch nichtmal entschieden habe.

Entscheidungen kann man auch revidieren. Viele Wege entstehen erst beim Gehen und das vermeintliche Definitive was Deinen Entscheidungen anhaften könnte, verliert damit sein Gewicht. Das ist gut, weil es Fehler erlaubt.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Die Liebe … ist einfach ein entsetzlich schwieriges Thema, bleiben wir lieber beim Tod.

Für mich hängt beides zusammen: Die Angst vor dem Tod, die Liebe zum Leben oder zu dem, was im Leben vorhanden ist. Liebe und Angst vor Verlust sind für mich das selbe, zumindest erlebe ich das ziemlich simultan.

Kann ich verstehen.

Darth Nefarius hat geschrieben:Wie soll man sich der ultimativen Angst stellen, wenn man nicht das ultimative Glücksgefühl betrachtet? Der Tod wird ohne den Verlust von Liebe tatsächlich bedeutungslos und damit kein bisschen angsterregend. Ich sehe, dass du das "Verweilen im Moment" wie erwartet nur durch Ausklammerung dieser zentralen Problematik bewältigst.

Was genau ist denn das ultimative Glücksgefühl? Liebe? Verliebtheit? Der Orgasmus? Was an der Liebe ist das, was sterben kann?
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Re: Jährliche 'Edge'-Frage

Beitragvon Darth Nefarius » Fr 12. Apr 2013, 11:56

laie hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Leid endet nur, wenn das Leben endet.


Was ist Leid? Das leidvolle Leben ist u.a. Gegenstand des Hiob-Buches. Die entscheidende Frage darin ist jedoch nicht, was Leid ist oder warum es Leid gibt, sondern lautet vielmehr:

"Warum gibt er den Leidenden Licht und Leben denen, die verbittert sind?" (Ijob 3,20)

Kurz: wozu leben? Ich meine, dass diese Frage und die Frage nach dem Tod, Endlichkeit zusammen gehören.

Die Frage meine ich beantwortet zu haben: Weil es auch Genuss bereitet, zu leben. Es ist ein ambivalentes Empfinden (zumindest aus meinem Standpunkt aus) zu leben, aber ich kenne weder ein anderes leben noch einen anderen Zustand als zu leben, um etwas anderes zu wünschen. Ich kann jedenfalls nicht behaupten, dass ich nicht das ein oder andere am Leben genossen habe und hin und wieder genieße. Im Tod bin ich dazu nicht fähig.
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Re: Jährliche 'Edge'-Frage

Beitragvon Darth Nefarius » Fr 12. Apr 2013, 12:31

Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Ich habe keine echte Heimat, aber zumindest eine Vorstellung davon, wie sie sein sollte. Und mein Anspruch ist zu hoch, um mich mit irgendetwas zweitklassigem abzugeben, nur um zur Ruhe zu kommen. Die könnte ich ohnehin wohl nicht lange aufrechterhalten, da ich schnell zu unzufrieden werden wurde. Summa summarum wäre das Zeitverschwendung.

Ich denk Du bist anspruchsvoll. Wieso willst Du dann bereits auf Grundlegendes verzichten?
Die Pflanze bekommt die Turbo-UV-Lampe de luxe, superoptimierte Erde, wird dann aber nicht gegossen?

Was meinst du mit "Grundlegendes"? Meinst du Heimat? Nein, ich verzichte nicht dauerhaft darauf, sondern nur solange ich nicht MEINE Heimat gefunden habe und auch dort leben kann. Ich werde mich nicht mit etwas Zweitklassigem abgeben. Es ist ja nicht so, dass ich permanent umgezogen wäre, es gibt einen Ort an dem ich die meiste Zeit meines Lebens verbracht habe, allerdings bindet mich kein gutes Gefühl daran, ich will da nie wieder zurück. Noch viel mehr gilt das für meinen Geburtsort. Man kann sich ja bei einigen Sachen nicht der Konfrontation, dem Angebot völlig entziehen. Ich hatte Möglichkeiten, die ich ablehnte, weil sie mir nicht reichten. Ich habe dennoch einen guten Eindruck, was mich erwartet hätte bei der Wahl der emotionalen Heimat, bei Personen, speziell Frauen. Ich lehne selten etwas ab, das ich nicht auch gut genug kenne. Als Atheist habe ich mich erst auch bezeichnet, als ich mich jahrelang mit verschiedenen Religionen beschäftig habe (außerhalb der Schulbildung).
Vollbreit hat geschrieben:Wieso meinst Du denn, ich würde mich mich dem Zweitbesten zufrieden geben? Das Gegenteil ist richtig, aber m.E. muss man dadurch nicht zum Snob mutieren.
Man – also jeder für sich – muss ja erst mal rausfinden, was denn für einen selbst das Richtige ist. Immer nur das Beste hat einen sehr faden Beigeschmack, es macht einen nämlich abhängig von der Bewertung anderer, was das aktuell Beste ist. Das aktuell Passendste, wäre wohl besser.

Mit "das Beste" meine ich natürlich das nach meiner Einschätzung "Beste". Ich dachte, das wäre klar, zumal du mir oft genug vorgeworfen hast, ich würde bestimmte Normen von Definitionen nicht hinnehmen oder von ihnen abweichen. Mir ist natürlich völlig egal, was die Außenwelt zu meinen Kriterien sagt, so gut müsstest du mich kennen.
Vollbreit hat geschrieben:Ich finde die Ausgewogenheit muss stimmen. Arbeit/Geld/Beziehung/Freizeit/An- und Entspannung und so weiter. Nur, wie viel man wovon braucht und ertragen kann, ist hochindividuell. Zu glauben, der eine Bereich befeuere automatisch die anderen mir ist ein häufiger Fehler.

Das habe ich nie behauptet oder angenommen. Ich sehe keinen direkten Zusammenhang zwischen meinem möglichen beruflichen Erfolg und einer guten Partnerin. Aber da fällt mir ein, dass Frauen auf Kompetenz anders reagieren als auf Inkompetenz. Zumindest besteht ein klares Gefälle zwischen meinen Kompetenzen und denen einer durchschnittlichen Biologin oder Lehrämtlerin, was mir einiges erleichterte. Insofern besteht da ein Zusammenhang, wenn auch keiner, auf den ich es abgesehen habe. Es ist eine nützliche Nebenerscheinung.
Vollbreit hat geschrieben: Deshalb muss man in meinen Augen das Gesamtkunstwerk Leben möglichst früh im Augen haben. Da das aber auch ein idealistisches Konzept ist, bei dem das Leben zuweilen sein Veto einlegt, ist es eine ganz gute Idee, sich dem Unvermeidlichen nicht in den Weg zu schmeißen. Daraus wird dann im besten Fall ein dynamisches Spiel, es kann nichts Starres sein, da wir uns verändern, eine Art Dialog mit Welt, bei dem man dann schrittweise lernen kann die Kontrolle abzugeben, die ja ohnehin oft nur Illusion ist.

Ich betrachte mein Leben gerade deswegen nicht als vollendet, wenn ich eine bestimmte Summe auf dem Konto habe, eine bestimmte Anzahl von Kindern, eine bestimmte Anzahl an Wohnfläche usw.. Die Entwicklung ist nur mit dem Tod abgeschlossen. Ich betrachte mein Leben in Etappen.
Vollbreit hat geschrieben:Abgesehen davon, dass die meisten Begriffe die wir benutzen recht abstrakt sind und wir uns größtenteils in einer abstrakten und spekulativen Welt bewegen, wie Du ja selbst sagst: Wir tun für die Zukunft … ja, soweit okay, wenn man nicht blöd sein will, aber wann fängt die Zukunft an, wann ist die Zeit der Ernte? Ein Morgen für das man unbedingt vorsorgen muss, kann es auch mit 96 noch geben. Sehr viele haben das Problem, dass sie vor lauter Planen und Machen eigentlich nie zur Ruhe kommen. Für mache ist das ihr Leben und ich finde es okay. Ein Leben auf der Überholspur, hat auch was.
Also, davon abgesehen, finde ich Erleuchtung ungeheuer konkret.

Und du meinst, dass mein Weg keine Art der Erleuchtung ist? Mit abstrakt diesbezüglich meine ich eine Unzahl an möglichen Erleuchtungen. Ich denke, dass es nicht die eine Anleitung zur Erleuchtung gibt und sie einen unbedingt zum Eso macht, der nur Barfuß läuft und in einer Kommune mit einer bestimmten Anzahl von Sexpartnern lebt, egal welchen Geschlechts.
Vollbreit hat geschrieben:Ich behaupte doch gar nicht, dass man Erleuchtung nur durch spirituelle Praxis erlangt. Aber es ist ein recht guter Weg. Ein Grundirrtum ist hingegen zu glauben, Erleuchtung hätte irgendetwas mit Glauben zu tun. Nichts weniger als das.

Esotherik und Mystik sind Glaube. Die ganzen Chi-Übungen und Verrenkungen funktionieren nur, wenn man sich nicht völlig lächerlich fühlt und auch daran glaubt.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Nö, denn dann bist Du aus dem Moment gefallen. Ärgerst Du Dich, wenn Du isst, dass es gleich aufgegessen ist, ist freust Du Dich, dass Du was Leckeres zu essen hast.

Wie lange dauern diese Momente schon?

Ewig!
Ewigkeit ist keine sehr lange Zeitspanne, sondern unausgesetzte Gegenwart. Immer nur dieser Moment. Ich falle am Tag geschätzte 87.000 Mal aus diesem Moment wieder heraus, aber ich weiß, dass es diese Tür gibt und zwar in jedem Moment. Die Zeit tickt trotzdem weiter, auch für den erleuchteten Meister, aber was macht das schon, dass er alt wird und stirbt? Er isst ja gerade oder schläft oder macht sonst was. Die einzige Frage ist, ob er gerade im Moment ist.

So kann man das nicht angehen, da unsere Wahrnehmung, unser Bewusstsein klar erkennt, was Präsens ist und was nicht. Ich nehme Vergangenheit anders wahr als Gegenwart, mir ist klar, dass die Gegenwart vergänglich ist, da sie in Echtzeit vergeht und ich es wahrnehme. Für mich hängen die Momente nicht von der Konstellation in Raum und Zeit ab, sondern von meinem Empfinden, meiner Wahrnehmung, die sich ändert wie der Punkt in Raum und Zeit, in dem ich mich bewege. Somit dauern diese Momente nicht ewig. Andernfalls hätte man ein perfektes Gedächtnis und könnte eventuell nicht unterscheiden, was Vergangenheit und was Gegenwart ist. Man könnte einen Glücksmoment ebenso immer wieder erleben wie ein Trauma.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Mein Verstand ist beweglich, ich denke an viele Sachen in kurzer Zeit und da kann ich schlichtweg kein momentanes Erlebnis lange gleich erleben.

Das geht im Grunde vielen so, dass die Gedanken hin und herspringen, es liegt im Wesen der Gedanken. Die andere Frage ist, ob die Gedanken einen mitreißen oder ob man seine Gedanken beobachten kann. Das kann man nämlich (lernen).

Ich kann meine Gedanken beobachten, ich analysiere meine Triebe, Motive, Intentionen fast simultan. Aber gerade deswegen merke ich, wie sich meine Perspektive, meine Wahrnehmung, sogar meine Erinnerungen permanent ändern. Es gibt kein Verweilen.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Ich könnte mit gleicher Argumentation auch irgendwelches euphorisierendes Zeug einwerfen, aber das will ich schlichtweg nicht, ich will Kontrolle über mich.

Und? Hast Du die Kontrolle über Deine Gedanken, oder reißen Dich die Gedanken und Emotionen gelegentlich mit?
Genau deshalb wurde ja der Buddhismus aus der Taufe gehoben. Weil das Anhaften ein Spiel der Gedanken ist. Das muss ich unbedingt noch erleben, das will ich behalten, davon will ich mehr, das will ich gar nicht... das ist Anhaften. Dieses Festklammern, diese Angst vorm Loslassen, dieser dauernde Verlustschmerz, das ist ziemlich krasses Ausgeliefertsein, mindestens mal aus buddhistischer Sicht.

Ich habe Kontrolle über meine Gedanken, zumindest mehr als wohl die meisten anderen triebgesteuerten Lebewesen. Mir scheint aber dein "Anhaften" irgendwie widersprüchlich interpretiert. Einerseits erklärst du, dass klare Ziele Anhaften bedeuten (sehe ich nicht so), andererseits erklärst du mir, dass ich das Anhaften lernen könnte/müsste. Tue ich nicht ohnehin genau das? Ich habe konkrete Ziele, die sich nicht (oder nur minimal aufgrund neuerer Infirmationen) ändern. Ebenso arretiere ich das Gefühl Angst vor Verlust. Genaugenommen bin ich dann doch Buddhist, oder nicht? Nur eben einer der dunklen Seite der Macht, wie die Esos sagen würden.
Zum Rest schreibe ich später was, jetzt ist Bioinformatik angesagt.
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Re: Jährliche 'Edge'-Frage

Beitragvon laie » Fr 12. Apr 2013, 14:47

Darth nefarius hat geschrieben:Die Frage meine ich beantwortet zu haben: Weil es auch Genuss bereitet, zu leben.


Daß das Leben auch Genuss bereit halten kann, wird in Ijob nicht bestritten. Aber dann erfährt Ijob Leid und dann ist sein Leben auf einmal gar nicht mehr so lustig. Die Frage ist doch, ob es auf Dauer eine Strategie sein kann, mögliche leidvolle Erfahrungen auszublenden bzw. sich solchen zu verschliessen.
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Re: Jährliche 'Edge'-Frage

Beitragvon Vollbreit » Fr 12. Apr 2013, 14:55

Darth Nefarius hat geschrieben:Was meinst du mit "Grundlegendes"? Meinst du Heimat?

Ja, in dem Sinne, wie Du das unten schreibst: ankommen.

Darth Nefarius hat geschrieben:Mit "das Beste" meine ich natürlich das nach meiner Einschätzung "Beste".

Okay. Das machen doch, meine ich, die meisten, oder?

Darth Nefarius hat geschrieben:Zumindest besteht ein klares Gefälle zwischen meinen Kompetenzen und denen einer durchschnittlichen Biologin oder Lehrämtlerin, was mir einiges erleichterte.

Erleichtert? Eigentlich doch nur, wenn Du auf asymmetrischen Beziehungsmodelle steht.

Darth Nefarius hat geschrieben:Ich betrachte mein Leben gerade deswegen nicht als vollendet, wenn ich eine bestimmte Summe auf dem Konto habe, eine bestimmte Anzahl von Kindern, eine bestimmte Anzahl an Wohnfläche usw.. Die Entwicklung ist nur mit dem Tod abgeschlossen. Ich betrachte mein Leben in Etappen.

Das sehen wir wohl sehr ähnlich.

Darth Nefarius hat geschrieben:Und du meinst, dass mein Weg keine Art der Erleuchtung ist? Mit abstrakt diesbezüglich meine ich eine Unzahl an möglichen Erleuchtungen. Ich denke, dass es nicht die eine Anleitung zur Erleuchtung gibt und sie einen unbedingt zum Eso macht, der nur Barfuß läuft und in einer Kommune mit einer bestimmten Anzahl von Sexpartnern lebt, egal welchen Geschlechts.

Unsere Vorstellungen bezüglich Erleuchtung weichen hingegen recht weit voneinander ab.

Darth Nefarius hat geschrieben:So kann man das nicht angehen, da unsere Wahrnehmung, unser Bewusstsein klar erkennt, was Präsens ist und was nicht. Ich nehme Vergangenheit anders wahr als Gegenwart, mir ist klar, dass die Gegenwart vergänglich ist, da sie in Echtzeit vergeht und ich es wahrnehme.

Ich behaupte mal ganz dreist, dass Du (und ich und jeder) immer nur die Gegenwart wahrnimmt, man lebt ja nicht morgen oder gestern, sondern ohnehin immer nur jetzt. Der Rest ist, womit man sich beschäftigt.

Darth Nefarius hat geschrieben:Für mich hängen die Momente nicht von der Konstellation in Raum und Zeit ab, sondern von meinem Empfinden, meiner Wahrnehmung, die sich ändert wie der Punkt in Raum und Zeit, in dem ich mich bewege.

So geht es allen, darum kann man an der Schraube ja auch drehen.

Darth Nefarius hat geschrieben:Somit dauern diese Momente nicht ewig. Andernfalls hätte man ein perfektes Gedächtnis und könnte eventuell nicht unterscheiden, was Vergangenheit und was Gegenwart ist. Man könnte einen Glücksmoment ebenso immer wieder erleben wie ein Trauma.

Jetzt hast Du Ewigkeit aber doch als lange Zeitdauer interpretiert. Die Abwesenheit von Zeit ist etwas anderes. Das hast Du dann, wenn Du hochkonzentriert einer Tätigkeit nachgehst.

Darth Nefarius hat geschrieben:Ich kann meine Gedanken beobachten, ich analysiere meine Triebe, Motive, Intentionen fast simultan. Aber gerade deswegen merke ich, wie sich meine Perspektive, meine Wahrnehmung, sogar meine Erinnerungen permanent ändern. Es gibt kein Verweilen.

Das ist aber nicht damit gemeint. Es geht nicht um Analyse, sondern das Gegenteil. Wahrnehmen, beobachten und versuchen den Gedanken gerade nicht nachzugehen. Dieses Dauerdenken ist ja total verbreitet. Allein den Strom der Gedanken zu beobachten und von ihm nicht mitgerissen zu werden, ist schwer.

Darth Nefarius hat geschrieben:Ich habe Kontrolle über meine Gedanken, zumindest mehr als wohl die meisten anderen triebgesteuerten Lebewesen. Mir scheint aber dein "Anhaften" irgendwie widersprüchlich interpretiert. Einerseits erklärst du, dass klare Ziele Anhaften bedeuten (sehe ich nicht so), andererseits erklärst du mir, dass ich das Anhaften lernen könnte/müsste. Tue ich nicht ohnehin genau das?

Ich meinte, dass man lernen kann nicht anzuhaften. Ein Ziel zu haben ist kein Problem, so weit ich das sehe, die Frage ist, wie sehr man einem Plan unterworfen ist.

Darth Nefarius hat geschrieben:Ich habe konkrete Ziele, die sich nicht (oder nur minimal aufgrund neuerer Infirmationen) ändern. Ebenso arretiere ich das Gefühl Angst vor Verlust. Genaugenommen bin ich dann doch Buddhist, oder nicht? Nur eben einer der dunklen Seite der Macht, wie die Esos sagen würden.
Zum Rest schreibe ich später was, jetzt ist Bioinformatik angesagt.

Also die dunkle Seite der Macht klingt für mich eher nach Krieg der Sterne. Es ist auch nichts Besonderes Buddhist zu sein, finde ich, ich bin ja auch keiner, nur finde ich den Ansatz des Buddha im Bezug auf Leidminimierung sehr genial. Und speziell bei dem, was diese Ängste vor Tod und Verlust angeht, sehr hilfreich.
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Re: Jährliche 'Edge'-Frage

Beitragvon Darth Nefarius » Fr 12. Apr 2013, 16:30

Also du hättest wirklich auf den Rest warten können, manche haben ein Leben außerhalb des Forums. Wenn du nun an einer Diskussion interessiert bist, musst du dein Gegenüber auch ausreden lassen, bevor du auf eine halbfertige Antwort reagierst, damit ich nicht auf noch mehr antworten muss.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Sobald ich es wollen anders würde, wäre mein Wille durch Angst gebrochen. Bis jetzt war meine Angst immer stark genug, zum Glück.


Hört sich – von wegen immer nur das Beste – in meinen Ohren nicht eben verlockend an.

Besser als die Alternative: Die Angst kehrt zurück und dann unkanalysiert, weil ich mein Ziel aus den Augen verloren habe. Einige Ängste kommen immer wieder, du kannst dir nie sicher sein, dass sie entgültig verschwindet. Sie ist ein Teil meines Charakters. Und dann ist es besser sie sich immer bewusst zu halten aber ihr entgegenzuwirken als ihre Unberechenbarkeit zuzulassen, indem man sie mal vergisst.
Vollbreit hat geschrieben:Was heißt das denn eigentlich ganz konkret, dass Deine Gedanken zu deutlich, zu klar sind? Leidest Du unter Grübelzwang? Kommst Du nie aus dem Hamsterrad? Woher willst Du wissen, dass die Gedanken anderer unklarer, undeutlicher sind? Du kannst doch nur Deine betrachten, wenn überhaupt, wenn Du nicht in ihnen badest, schwimmst und vielleicht sogar manchmal versinkst.

Ich denke, dass andere, die nicht so konsequent und detailliert ihr Leben planen und ausführen, weniger fokussiert denken. Das ist eine Annahme, kein Wissen, jedoch plausibel. Wie fokussiert kann ein Verstand funktionieren, der noch nicht kurz vor dem Abitur überhaupt weiß, was er mit sich anfangen will? Wie fokussiert funktioniert der Verstand, wenn ein Studium abgebrochen wird, weil man sich nicht über seine Fähigkeiten oder das Studium im Klaren war? Wenn Der Lebensweg weniger geradlinig verläuft (also ohne erkennbare Absicht/Intention/Ziel), unterstelle ich dem Betroffenen einen Unwillen, sich die zentralen, aber einfachen Gedanken des Lebens gestellt zu haben. Jeder Schüler in der ersten Philosophiestunde (spätestens) sollte damit konfrontiert worden sein. Die Antworten zu finden ist auch nicht sonderlich schwierig, zumal das Angebot groß ist. Aber was bekommt man meist zu hören? "Weiß nicht." Vielleicht ist diese Art von Denken klar, aber nicht besonders tiefgründig.
Und wenn ich meine nicht unter Kontrolle hätte, würde mein Verhalten auch nicht sonderlich konsequent sein. Ich kann mich schnell entscheiden, weil ich mir meiner Ziele, Motive bewusst bin, denn sie sind klar definiert. Wenn jemand zögert oder sich Entscheidungen ganz verschließt, hat er keine klaren Gedanken, keine klare Priorisierung.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Nun, und diesen Gedanken kann ich nicht mit ein paar albernen Übungen überwinden.

Wieso sollten die Übungen albern sein? Das kannst Du doch erst beurteilen wenn Du sie mal gemacht hast.
Hast Du? Wenn ja, was war daran albern?

Du kannst mich gern aufklären. Wahrscheinlich geht es nicht wesentlich über Atemtechnicken und bestimmte Verrenkungen hinaus. Aber unabhängig davon, ob ich diese Übungen kenne oder nicht, wenn dir ein Mensch sagt, dass du die zentrale Angst der Lebewesen durch "Übungen"( die dir nicht bekannt sind, dafür ist dir aber jede erdenkliche philosophische Strömung und Bewältigungsstrategie bekannt, die aber allesamt fast nichts taugen) dir helfen, für wie zurechnungsfähig würdest du ihn halten? Verschiedene Generationen der berühmtesten Philosophen oder Persönlichkeiten hatten nicht zufriedenstellende Lösungen, aber deine Übungen sind der Stein der Weisen?
Vollbreit hat geschrieben:Es ist gut möglich, dass das Deine Angst bleiben wird, aber Du verlierst ja, wenn Du nicht plötzlich aus dem Leben gerissen wirst, schon schrittweise und ganz gut dosiert, im Laufe des Lebens einiges und gewinnst anderes dazu.

..und irgendwann werde ich alles verlieren. Wenn ich mitten im Leben etwas verliere, tröstet mich das Verbliebene vielleicht und das Kommende. Diesen Trost habe ich nicht beim Sterben, deswegen ist der endgültige Verlust nicht vergleichbar mit dem alltäglichen.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Die intensivsten Emotionen rufen bei mir die größten Ängste hervor, weil ich wieder den Gedanken an Verlust habe. Das kann nicht mit noch mehr Intensität überwunden werden, es würde alles nur noch verschlimmern.

Kann sein, dass das momentan so ist.

Wenn du dich für so viel reifer hälst als mich, wieso versuchst du nicht meine Gedanken als gleichwertig zu betrachten anstatt als einen Nachhall der Pubertät? Diese Dreistigkeit von Älteren hat mich nie beeindruckt, sie ist kein Argument. Es hängt nicht vom Alter ab, wer cleverer ist, es hängt nicht vom Alter ab, wer im Recht ist. "Wenn du alt bist, wirst du es verstehen" traf bis jetzt (zumindest nicht in der Form, wie sie es wünschten) nie zu. Ich erkenne, ja, aber die Analyse fällt dann selten schmeichelhaft aus. Das Altern ist eine Niederlage, kein Gewinn. Es ist mit Resignation, Abkühlung des Gemüts verbunden, einem Senken der Ansprüche, der Ziele.
Vollbreit hat geschrieben:
Das Ankommen im Moment könnte tatsächlich dazu führen, dass Du die Zukunft, die Planung und die hoffende Erwartung einen Moment lang, genau diesen einen Moment lang, vergisst, in der Tat, das ist sogar das erwünschte Ziel. Wenn es sich gut anfühlt sprich nichts dagegen, dem Moment noch einen weiteren anzufügen. Ein Nebenziel ist sozusagen gezielt herbeigeführte Hoffnunsgslosigkeit. Aber nicht resignativer Art, sondern bei großer Offenheit. Irgendwas ist ja immer, sogar dann, wenn man der Fahrplan nicht zur Hand ist. Man muss nur hinschauen. Pläne sind ja Reduzierungen. Da gibt es so viel, ich nehme nur ein wenig. Es ist nicht schlecht Pläne zu haben, nur ist es die Frage, ob man die Pläne in der Hand hat oder die Pläne einen in der Hand haben.

Klingt danach, als hätte man Angst vor seinen eigenen Gedanken und Gefühlen. Das ist schwach. Hoffnung und ihre Kehrseite die Furcht machen einen stark. Vielleicht hilft diese Methodik im Alltag, aber ich würde gern wissen, ob du die Disziplin, deine Hoffnungen, deine Gedanken und Ängste einfach zu dämpfen, auch im letzten Moment beibehalten könntest. Was wenn nicht und du merkst, dass die Ängste nie weg waren? Wenn du dein leben vergeudet hast und weitsichtiger hättest vorgehen können und sollen? Die Furcht muss nur einmal präzise zuschlagen, um dich in die Verzweiflung zu treiben.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:...Was mich zu einem Konflikt bringt. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass diese beiden Haltungen irgendwann einander widersprechen. So oder so scheinen mir die Optionen der Enscheidung und die Konsequenzen für nicht wünschenswert. Es wird also immer beschissen enden, egal wie ich mich entscheide und das Schlimmste könnte sein, dass ich es bereue bei gleichwertigen Intentionen es zu bereuen, nicht die andere Entscheidung getroffen zu haben.


Ja, aber ich sehe da noch eine andere, größere Gefahr. Sich nicht zu entscheiden, nicht einzulassen, es könnte ja noch was Perfekteres geben, was Du dann verpasst. Der Ansatz des idealen Lebens erweist sich im Rückblick, als ein Leben der verpassten Chancen. Zaudern und Hadern, sich dann doch entscheiden, nicht wissen, ob es die richtige Wahl war, ein recht sicherer Weg ins Unglück.

Das ist mir klar, ich habe auch nur in diesem einen Punkt meine Philosophie noch nicht festgelegt. Bei allem anderen fällt mir jede Entscheidung sehr leicht. Wer kann das schon von sich behaupten?
Vollbreit hat geschrieben:Der Fehler liegt im Ansatz, immer das Beste zu wollen. Wenn Du eine klare Vorstellung davon hast, was das konkret sein soll, kein Problem, wenn es so ein Ziel ist, was Du realistisch erst mit 50 erreichst, ist es ein kleines Problem, wenn Du im Grunde gar nicht weißt, was Du eigentlich willst, sondern nur diffuse Vorstellungen hast und alles als nicht gut genug ablehnst, ist es ein großes Problem. Das musst Du zu fassen kriegen.

Oh, da ist schon einer an dem Punkt angekommen. :applaus: Wenn du dich erinnern kannst, ich habe geschrieben, dass meine Vorstellungen konkret sind (und das Beste von mir nach meinen Kriterien definiert wurde, damit das Passendste ist). Ich habe nur in einem hypothetischen Szenario noch keine Antwort, alle anderen Optionen sind klar. Kannst du das von dir behaupten?
Vollbreit hat geschrieben:Der Ausweg ist auf einen Satz reduziert: Trau Dich, Fehler zu machen.

Das ist nicht weltbewegend. Fehler sind miteinkalkuliert und führen zu weiteren, meist bereits erwarteten Optionen. Wenn man sein Leben durchplant, muss das berücksichtigt werden, aber besonders auch die Fehler der anderen, die Unwägbarkeiten.
Vollbreit hat geschrieben:Wenn die Ansprüche zu hoch sind, hat die Realität keine Chance, sie zu erfüllen.
Kompensatorisch muss man sich dann ständig die Welt schön reden und fällt gelegentlich in tiefe Verzweiflungslöcher.
Der Rat die Ansprüche einfach runter zu schrauben ist leichter gesagt, als getan, aber Du könntest drüber nachdenken, warum Du diese hohen Ansprüche hast.

Nein, es gibt minimale Erfolgsaussichten für fast alles. Ich bin, wie gesagt, jemand, der hofft. Meine Hoffnung ist immer noch besser als das Runterschrauben der Ansprüche. Vielleicht ist das ein Derivat der Basis von Religiösität (auch wenn es zu einem ganz anderen Ergebnis führt): Religiöse Menschen finden sich nicht mit ihrer Sterblichkeit ab, nicht mit einem zweitklassigen Leben und träumen sich den unendlichen Himmel herbei. Ich bin da pragmatischer, aber nicht unähnlich. Während erstere meist einfach auf ihre Illusion warten, erarbeite ich mir meine theoretisch möglichen Hoffnungen oder versuche es zumindest.
Vollbreit hat geschrieben:Wozu dienen sie? Sind sie ein Ersatz? Für was? Was genau hältst Du Dir damit vom Leib? Enttäuschungen vermutlich. Aber wo kommen diese Erwartungen einer antizipierten Enttäuschung her? Eigentlich immer aus bereits erlebten bitteren Enttäuschungen. Da wird’s dann interessant, später mal. Aber Du kannst ja dennoch schon mal die Gedanken (privat und sie für Dich behaltend) kreisen lassen.

Denkst du eigentlich immer so langsam? Alles schon geschehen, wahrscheinlich millionenmal, gerade auch in den letzten Sekunden. Immer das gleiche Ergebnis. Abgesehen davon brauchst du nicht zu vermuten, ich habe dir doch schwarz auf blau geschrieben, dass ich Enttäuschungen (absehbare) vermeiden will. Das bedeutet nicht, dass ich nicht das Risiko eingehe, unerwartete Enttäuschungen zuzulassen, ich kann nicht alles erfassen und abschätzen.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Leid endet nur, wenn das Leben endet.

Nö, wenn die Erwartungen enden. Aber bei gedrosselten Erwartungen sind die möglichen Enttäuschungen nicht so groß und besser zu ertragen.
Irgendwann merkt man, dass man sie wegpacken kann, das Fehler und vermeintliche Niederlagen einen nicht umbringen.
Dann traut man sich auch Ansprüche realistischer werden zu lassen und klarer zu formulieren. Da dreht sich die Spirale dann wieder nach oben.

Nein, ich kann gedrosselte Erwartungen weniger ertragen als eine Enttäuschung. Ich kann mir dann zumindest nicht vorwerfen, es nicht versucht zu haben. Abgesehen davon sind meine Erwartungen nicht diffuser nur weil sie höher sind, und auch Niederlagen kann ich gut wegstecken, da ich mir nicht vorwerfen musste, es sei an meinem Willen gescheitert. Mein Wille ist das, was ich noch am ehesten kontrollieren kann, meine Fähigkeiten, meine Grundlagen, meine Prädispositionen weniger oder gar nicht. Ich habe einen guten Freund, der genau dieses Dilemma hatte: Er hat sich nie wirklichen Herausforderungen gestellt und kategorisiert Optionen nach "zu einfach" oder "nicht realistisch". Es ist eine selbsterfüllende Prophezeiung, wenn man sich keinen Herausforderungen (also höheren Ansprüchen) stellt. Und genau dann lässt man auch Niederlagen zu, nicht wenn man seine Ansprüche niedrig hält.
Vollbreit hat geschrieben:Entscheidungen kann man auch revidieren. Viele Wege entstehen erst beim Gehen und das vermeintliche Definitive was Deinen Entscheidungen anhaften könnte, verliert damit sein Gewicht. Das ist gut, weil es Fehler erlaubt.

Keine Entscheidung kann man revidieren, sobald sie getroffen ist (und damit meine ich keine hypothetische Festlegung, sondern die Situation und die unmittelbare Handlung). Das mit den Fehlern spare ich mir ab hier, ich habe dazu genug geschrieben und es sollte jedem bei Distanz auf den ersten Blick auffallen, welche Lebensphilosophie mehr riskiert als die andere. Ist es diejenige, die nur den Moment beobachtet, keine weitreichenderen Gedanken und Emotionen zulässt und die Ansprüche runterschraubt? Oder ist es diejenige, die sich übermenschliche Ziele setzten lässt und den Versuch, sie zu erreichen als höherwertiger einschätzt, als ein ruhiges Leben? Welche Philosophie fürchtet das Risiko weniger?
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Wie soll man sich der ultimativen Angst stellen, wenn man nicht das ultimative Glücksgefühl betrachtet? Der Tod wird ohne den Verlust von Liebe tatsächlich bedeutungslos und damit kein bisschen angsterregend. Ich sehe, dass du das "Verweilen im Moment" wie erwartet nur durch Ausklammerung dieser zentralen Problematik bewältigst.

Was genau ist denn das ultimative Glücksgefühl? Liebe? Verliebtheit? Der Orgasmus? Was an der Liebe ist das, was sterben kann

[/quote]
Etwas immer wieder oder permanent zu erleben, bedeutet nicht, dass es weniger wert hat. Es ist nicht das ultimative Gefühl, wenn es irgendwann an Wert verliert, wenn es nicht Priorität hat, wenn es vergeht. Wozu es dann anstreben? Gehst du überhaupt von der einen Liebe aus? Ich schon, aber darüber braucht man nicht zu diskutieren, das ist eher eine Glaubensfrage.
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Re: Jährliche 'Edge'-Frage

Beitragvon Darth Nefarius » Fr 12. Apr 2013, 16:33

laie hat geschrieben:Daß das Leben auch Genuss bereit halten kann, wird in Ijob nicht bestritten. Aber dann erfährt Ijob Leid und dann ist sein Leben auf einmal gar nicht mehr so lustig. Die Frage ist doch, ob es auf Dauer eine Strategie sein kann, mögliche leidvolle Erfahrungen auszublenden bzw. sich solchen zu verschliessen.

Wieso glaubt ihr, ich würde sie nicht einberechnen? Sie sind unvermeidlich, aber das bedeutet nicht, dass ich sie auch noch bewusst zulassen muss. Es ist ein Unterschied, ob ich ein dummes, mir bekanntes Risiko eingehe, oder ich klar analysiere, Optionen betrachte und das immer vorhandene statistische Restrisiko auf die "Unwägbarkeiten" reduziere.
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Re: Jährliche 'Edge'-Frage

Beitragvon Darth Nefarius » Fr 12. Apr 2013, 16:55

Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Mit "das Beste" meine ich natürlich das nach meiner Einschätzung "Beste".

Okay. Das machen doch, meine ich, die meisten, oder?

Nehme ich an. Allerdings führt dein Vorwurf, ich würde mich an dem äußeren Standard orientieren, nur weil ich das Beste will (worunter du offensichtlich das objektiv oder intersubjektiv Beste verstanden hast), wenn du das verstanden hast, ad absurdum.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Zumindest besteht ein klares Gefälle zwischen meinen Kompetenzen und denen einer durchschnittlichen Biologin oder Lehrämtlerin, was mir einiges erleichterte.

Erleichtert? Eigentlich doch nur, wenn Du auf asymmetrischen Beziehungsmodelle steht.

Nein, es steigert meine Attraktivität in subjektiver Bewertung. Das ist ein Vorteil, bedeutet jedoch nicht, dass ich im Gegenzug auf die Unterlegenheit stehe. Abgesehen davon will ich wissen, was du unter symmetrischen Beziehungen verstehst. Schon wenn es 2 verschiedene Geschlechter sind, ist sie asymmetrisch (im Verhalten, in Präferenzen, ja, auch körperlich). Das scheint mir aus den Sprachgebauch der Amerikaner zu stammen und ihrer Kriegsrhetorik. Damit wird lediglich eine eigene Unterlegenheit gerechtfertigt, kein Verhältnis ist wirklich symmetrisch.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Und du meinst, dass mein Weg keine Art der Erleuchtung ist? Mit abstrakt diesbezüglich meine ich eine Unzahl an möglichen Erleuchtungen. Ich denke, dass es nicht die eine Anleitung zur Erleuchtung gibt und sie einen unbedingt zum Eso macht, der nur Barfuß läuft und in einer Kommune mit einer bestimmten Anzahl von Sexpartnern lebt, egal welchen Geschlechts.

Unsere Vorstellungen bezüglich Erleuchtung weichen hingegen recht weit voneinander ab.

Also betrachtest du Erleuchung nur als barfüßiges Esotheriker-Hippieleben in einer Kommune? Die Verneinung beziehte sich auch auf dieses Beispiel, falls deine Anwort auf einem Missverständnis beruht. Aber eigentlich hätte das klar sein müssen, da ich im vorangegangenen Satz "Erleuchtung" vielfältig zulasse und eben die eine Möglichkeit negiere. Sofern du also die Vielfältigkeit zum Glück, zur Erleuchtung doch bestreitest, will ich von dir wissen, wie deine konkret aussieht.
Vollbreit hat geschrieben:Ich behaupte mal ganz dreist, dass Du (und ich und jeder) immer nur die Gegenwart wahrnimmt, man lebt ja nicht morgen oder gestern, sondern ohnehin immer nur jetzt. Der Rest ist, womit man sich beschäftigt.
Das bedeutet, dass keiner sich bemühen muss, Buddhist zu sein, weil jeder ohnehin einer ist. Wozu also die Empfehlungen?
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Für mich hängen die Momente nicht von der Konstellation in Raum und Zeit ab, sondern von meinem Empfinden, meiner Wahrnehmung, die sich ändert wie der Punkt in Raum und Zeit, in dem ich mich bewege.

So geht es allen, darum kann man an der Schraube ja auch drehen.

Weil es so ist, kann ich NICHT an der Schraube drehen. Ich kann meine Wahrnehmung nicht von der Gegenwart wegbewegen (wie du es oben selbst festgestellt hast), ich kann auch die Raumzeit nicht krümmen. Vielleicht solltest du dir nicht so oft widersprechen.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Somit dauern diese Momente nicht ewig. Andernfalls hätte man ein perfektes Gedächtnis und könnte eventuell nicht unterscheiden, was Vergangenheit und was Gegenwart ist. Man könnte einen Glücksmoment ebenso immer wieder erleben wie ein Trauma.

Jetzt hast Du Ewigkeit aber doch als lange Zeitdauer interpretiert. Die Abwesenheit von Zeit ist etwas anderes. Das hast Du dann, wenn Du hochkonzentriert einer Tätigkeit nachgehst.

Nein, ich habe es ganz streng so wie du interpretiert. Aber wenn ich jeden Moment unabhängig von seiner Dauer bewerte, kann ich genausogut eine subjektive, ewige Hölle erleben.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Ich kann meine Gedanken beobachten, ich analysiere meine Triebe, Motive, Intentionen fast simultan. Aber gerade deswegen merke ich, wie sich meine Perspektive, meine Wahrnehmung, sogar meine Erinnerungen permanent ändern. Es gibt kein Verweilen.

Das ist aber nicht damit gemeint. Es geht nicht um Analyse, sondern das Gegenteil. Wahrnehmen, beobachten und versuchen den Gedanken gerade nicht nachzugehen. Dieses Dauerdenken ist ja total verbreitet. Allein den Strom der Gedanken zu beobachten und von ihm nicht mitgerissen zu werden, ist schwer.

Wo ist der relevante Unterschied zwischen Beobachten, Wahrnehmen und Analysieren?
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Ich habe Kontrolle über meine Gedanken, zumindest mehr als wohl die meisten anderen triebgesteuerten Lebewesen. Mir scheint aber dein "Anhaften" irgendwie widersprüchlich interpretiert. Einerseits erklärst du, dass klare Ziele Anhaften bedeuten (sehe ich nicht so), andererseits erklärst du mir, dass ich das Anhaften lernen könnte/müsste. Tue ich nicht ohnehin genau das?

Ich meinte, dass man lernen kann nicht anzuhaften. Ein Ziel zu haben ist kein Problem, so weit ich das sehe, die Frage ist, wie sehr man einem Plan unterworfen ist.

"Nicht anzuhaften"? Was soll ich denn nun tun? Vorhin wolltest du noch, dass man im Moment anhaftet, jetzt willst du das Gegenteil. Was denn nun?
Vollbreit hat geschrieben:Also die dunkle Seite der Macht klingt für mich eher nach Krieg der Sterne.

:applaus: Da hat einer nach Jahren das "Darth" nicht im Namen bemerkt. Der Sithtitel passt nebenbei, wie ich finde, ganz gut, da er eigentlich meine Philosophie noch am ehesten widerspiegelt. Die Angst vor dem Tod, Leidenschaft und der Wille nach Macht sind zentral. :veg: Regeln sind irrelevant, Moral ist irrelevant. Die eigentlichen Stars in den Star Wars sind immer die Sith.
Vollbreit hat geschrieben: Es ist auch nichts Besonderes Buddhist zu sein, finde ich, ich bin ja auch keiner, nur finde ich den Ansatz des Buddha im Bezug auf Leidminimierung sehr genial. Und speziell bei dem, was diese Ängste vor Tod und Verlust angeht, sehr hilfreich.

ich nicht, habe ausgeführt, warum. Die Leitsätze, so wie du sie wiedergegeben hast (sofern sie sich nicht widersprachen), lassen ebenso meine Interpretation zu und vermeiden keineswegs die Angst.
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Re: Jährliche 'Edge'-Frage

Beitragvon Vollbreit » Fr 12. Apr 2013, 18:02

Darth Nefarius hat geschrieben:Besser als die Alternative: Die Angst kehrt zurück und dann unkanalysiert, weil ich mein Ziel aus den Augen verloren habe. Einige Ängste kommen immer wieder, du kannst dir nie sicher sein, dass sie entgültig verschwindet. Sie ist ein Teil meines Charakters. Und dann ist es besser sie sich immer bewusst zu halten aber ihr entgegenzuwirken als ihre Unberechenbarkeit zuzulassen, indem man sie mal vergisst.

Wenn das so klappt bei Dir, okay.

Darth Nefarius hat geschrieben:Ich denke, dass andere, die nicht so konsequent und detailliert ihr Leben planen und ausführen, weniger fokussiert denken. ...
Und wenn ich meine nicht unter Kontrolle hätte, würde mein Verhalten auch nicht sonderlich konsequent sein. Ich kann mich schnell entscheiden, weil ich mir meiner Ziele, Motive bewusst bin, denn sie sind klar definiert. Wenn jemand zögert oder sich Entscheidungen ganz verschließt, hat er keine klaren Gedanken, keine klare Priorisierung.

Das ist schon in sich stimmig und würde jetzt viel zu weit führen, wenn ich das kommentieren sollte. Muss auch nicht.

Darth Nefarius hat geschrieben:Du kannst mich gern aufklären. Wahrscheinlich geht es nicht wesentlich über Atemtechnicken und bestimmte Verrenkungen hinaus. Aber unabhängig davon, ob ich diese Übungen kenne oder nicht, wenn dir ein Mensch sagt, dass du die zentrale Angst der Lebewesen durch "Übungen"( die dir nicht bekannt sind, dafür ist dir aber jede erdenkliche philosophische Strömung und Bewältigungsstrategie bekannt, die aber allesamt fast nichts taugen) dir helfen, für wie zurechnungsfähig würdest du ihn halten? Verschiedene Generationen der berühmtesten Philosophen oder Persönlichkeiten hatten nicht zufriedenstellende Lösungen, aber deine Übungen sind der Stein der Weisen?

Im Grunde ist Hinsetzen und Atemzüge zählen das ganze Geheimnis. Es geht nicht um wundersame Übungen, sondern eine Instanz oberhalb oder außerhalb der Gedanken und Gefühle zu errichten. Typisch zu nennen Zazen, aber im Grunde hat jede spirituelle Tradition diese Übung. Sitzen, Atmen, Nichtstun und schauen, was passiert.

Darth Nefarius hat geschrieben:..und irgendwann werde ich alles verlieren. Wenn ich mitten im Leben etwas verliere, tröstet mich das Verbliebene vielleicht und das Kommende. Diesen Trost habe ich nicht beim Sterben, deswegen ist der endgültige Verlust nicht vergleichbar mit dem alltäglichen.

Ja, das stimmt natürlich.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Die intensivsten Emotionen rufen bei mir die größten Ängste hervor, weil ich wieder den Gedanken an Verlust habe. Das kann nicht mit noch mehr Intensität überwunden werden, es würde alles nur noch verschlimmern.

Kann sein, dass das momentan so ist.

Wenn du dich für so viel reifer hälst als mich, wieso versuchst du nicht meine Gedanken als gleichwertig zu betrachten anstatt als einen Nachhall der Pubertät? Diese Dreistigkeit von Älteren hat mich nie beeindruckt, sie ist kein Argument. Es hängt nicht vom Alter ab, wer cleverer ist, es hängt nicht vom Alter ab, wer im Recht ist. "Wenn du alt bist, wirst du es verstehen" traf bis jetzt (zumindest nicht in der Form, wie sie es wünschten) nie zu. Ich erkenne, ja, aber die Analyse fällt dann selten schmeichelhaft aus. Das Altern ist eine Niederlage, kein Gewinn. Es ist mit Resignation, Abkühlung des Gemüts verbunden, einem Senken der Ansprüche, der Ziele.

Beruhig Dich, ich habe Dich gar nicht angegriffen. Pauschale Urteile über das Alter oder die Jugend finde ich ohnehin verfehlt. Es gibt glückliche und fitte alte Leute und depressive Kinder und eben sämtliche Mischformen. Gibt auch Leute die mir erzählt haben, die Schulzeit sei die glücklichste des Lebens, hätte ich das auch nur eine Sekunde geglaubt, wäre das ein Grund für einen Strick gewesen. Nie habe ich mich auch nur einen Moment in die Schule zurück gesehnt.

Darth Nefarius hat geschrieben:Klingt danach, als hätte man Angst vor seinen eigenen Gedanken und Gefühlen. Das ist schwach. Hoffnung und ihre Kehrseite die Furcht machen einen stark. Vielleicht hilft diese Methodik im Alltag, aber ich würde gern wissen, ob du die Disziplin, deine Hoffnungen, deine Gedanken und Ängste einfach zu dämpfen, auch im letzten Moment beibehalten könntest. Was wenn nicht und du merkst, dass die Ängste nie weg waren? Wenn du dein leben vergeudet hast und weitsichtiger hättest vorgehen können und sollen? Die Furcht muss nur einmal präzise zuschlagen, um dich in die Verzweiflung zu treiben.
Im Grunde gute Fragen: Bezüglich der eigenen Ängste muss man eine gewisse Sicherheit gewinnen, das will ich eingestehen. Das geht aber und diese Sicherheit gibt Dir weitere, das ist ein sich selbst verstärkender Mechanismus, wie ja andersrum bei der Angst, die Angst vor der Angst irgendwann das Schlimmste wird.

Darth Nefarius hat geschrieben:Das ist mir klar, ich habe auch nur in diesem einen Punkt meine Philosophie noch nicht festgelegt. Bei allem anderen fällt mir jede Entscheidung sehr leicht. Wer kann das schon von sich behaupten?

Keine Ahnung, ist aber doch auch egal. Wichtig ist doch, dass Du damit klar kommst.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Der Fehler liegt im Ansatz, immer das Beste zu wollen. Wenn Du eine klare Vorstellung davon hast, was das konkret sein soll, kein Problem, wenn es so ein Ziel ist, was Du realistisch erst mit 50 erreichst, ist es ein kleines Problem, wenn Du im Grunde gar nicht weißt, was Du eigentlich willst, sondern nur diffuse Vorstellungen hast und alles als nicht gut genug ablehnst, ist es ein großes Problem. Das musst Du zu fassen kriegen.

Oh, da ist schon einer an dem Punkt angekommen. :applaus: Wenn du dich erinnern kannst, ich habe geschrieben, dass meine Vorstellungen konkret sind (und das Beste von mir nach meinen Kriterien definiert wurde, damit das Passendste ist). Ich habe nur in einem hypothetischen Szenario noch keine Antwort, alle anderen Optionen sind klar. Kannst du das von dir behaupten?

Es ist nicht meine Absicht einen Wettkampf in Lebensklugheit zu führen.

Vollbreit hat geschrieben:Der Ausweg ist auf einen Satz reduziert: Trau Dich, Fehler zu machen.

Das ist nicht weltbewegend. Fehler sind miteinkalkuliert und führen zu weiteren, meist bereits erwarteten Optionen. Wenn man sein Leben durchplant, muss das berücksichtigt werden, aber besonders auch die Fehler der anderen, die Unwägbarkeiten.[/quote]
Und genau hier (bei den anderen) endet die Möglichkeit der Kontrolle, was man sich aber zumeist nicht eingesteht. Dann besteht die Gefahr, dass man zu manipulieren beginnt.

Darth Nefarius hat geschrieben:Nein, es gibt minimale Erfolgsaussichten für fast alles. Ich bin, wie gesagt, jemand, der hofft. Meine Hoffnung ist immer noch besser als das Runterschrauben der Ansprüche.

Kommt drauf an. Wenn man Hoffnung anstelle der Realität setzt, ist das ein Problem. Hoffnung als ein As im Ärmel, sehe ich als eine Stärke an.

Darth Nefarius hat geschrieben:Vielleicht ist das ein Derivat der Basis von Religiösität (auch wenn es zu einem ganz anderen Ergebnis führt): Religiöse Menschen finden sich nicht mit ihrer Sterblichkeit ab, nicht mit einem zweitklassigen Leben und träumen sich den unendlichen Himmel herbei. Ich bin da pragmatischer, aber nicht unähnlich. Während erstere meist einfach auf ihre Illusion warten, erarbeite ich mir meine theoretisch möglichen Hoffnungen oder versuche es zumindest.

Ich glaube, dass da was dran ist und dass Du damit auf einer tendenziell guten Seite bist.

Darth Nefarius hat geschrieben:Nein, ich kann gedrosselte Erwartungen weniger ertragen als eine Enttäuschung. Ich kann mir dann zumindest nicht vorwerfen, es nicht versucht zu haben.

Wenn es darum geht, warum wirfst Du Dir es denn dann überhaupt vor?

Darth Nefarius hat geschrieben:Abgesehen davon sind meine Erwartungen nicht diffuser nur weil sie höher sind, und auch Niederlagen kann ich gut wegstecken, da ich mir nicht vorwerfen musste, es sei an meinem Willen gescheitert. Mein Wille ist das, was ich noch am ehesten kontrollieren kann, meine Fähigkeiten, meine Grundlagen, meine Prädispositionen weniger oder gar nicht. Ich habe einen guten Freund, der genau dieses Dilemma hatte: Er hat sich nie wirklichen Herausforderungen gestellt und kategorisiert Optionen nach "zu einfach" oder "nicht realistisch". Es ist eine selbsterfüllende Prophezeiung, wenn man sich keinen Herausforderungen (also höheren Ansprüchen) stellt. Und genau dann lässt man auch Niederlagen zu, nicht wenn man seine Ansprüche niedrig hält.

Niederlagen lässte man auch dann zu, wenn die Ansprüche hoch sind. Man muss sie sich dann nur wegerklären. Halte ich für unrealistisch.

Darth Nefarius hat geschrieben:Ist es diejenige, die nur den Moment beobachtet, keine weitreichenderen Gedanken und Emotionen zulässt und die Ansprüche runterschraubt? Oder ist es diejenige, die sich übermenschliche Ziele setzten lässt und den Versuch, sie zu erreichen als höherwertiger einschätzt, als ein ruhiges Leben? Welche Philosophie fürchtet das Risiko weniger?

Diejenige, die sich zu realistischen Aussagen und Zielen durchringt, ganz gleich, wie die Prämissen sind. Man kann sich immer selbst betuppen und vorm Leben wegrennen, da waren Menschen stets erfinderisch, bis heute.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Was genau ist denn das ultimative Glücksgefühl? Liebe? Verliebtheit? Der Orgasmus? Was an der Liebe ist das, was sterben kann

Etwas immer wieder oder permanent zu erleben, bedeutet nicht, dass es weniger wert hat.

Sag ich doch die ganze Zeit.

Darth Nefarius hat geschrieben:Es ist nicht das ultimative Gefühl, wenn es irgendwann an Wert verliert, wenn es nicht Priorität hat, wenn es vergeht. Wozu es dann anstreben?

Bedürfnisse ändern sich in jeder Altersphase. Man rennt ja heute nicht mehr mit seinem Stoffhasen durch die Gegend, sondern betrachtet das sogar als lächerlich. Für eine Kind in einem bestimmten Alter keinesfalls.

Darth Nefarius hat geschrieben:Gehst du überhaupt von der einen Liebe aus? Ich schon, aber darüber braucht man nicht zu diskutieren, das ist eher eine Glaubensfrage.


Romantische Liebe? Ja, finde ich gut. Ist nur schwer durchzuhalten, weil irgendwann der Alltag kommt und der ist eben immer Alltag.
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Re: Jährliche 'Edge'-Frage

Beitragvon Vollbreit » Fr 12. Apr 2013, 20:49

Darth Nefarius hat geschrieben:Okay. Das machen doch, meine ich, die meisten, oder?

Nehme ich an. Allerdings führt dein Vorwurf, ich würde mich an dem äußeren Standard orientieren, nur weil ich das Beste will (worunter du offensichtlich das objektiv oder intersubjektiv Beste verstanden hast), wenn du das verstanden hast, ad absurdum.[/quote]
Wieso Vorwurf? Hinweis, Bemerkung.

Darth Nefarius hat geschrieben:Also betrachtest du Erleuchung nur als barfüßiges Esotheriker-Hippieleben in einer Kommune?

Nein, Hippieleben ist Hippieleben. Was hat das eine mit dem anderen zu tun?

Darth Nefarius hat geschrieben:Sofern du also die Vielfältigkeit zum Glück, zur Erleuchtung doch bestreitest, will ich von dir wissen, wie deine konkret aussieht.

Die beste Definition ist vielleicht „die Abwesenheit von Widerständen“. Muss man präzisieren, kommt der Sache aber vermutlich nahe.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Ich behaupte mal ganz dreist, dass Du (und ich und jeder) immer nur die Gegenwart wahrnimmt, man lebt ja nicht morgen oder gestern, sondern ohnehin immer nur jetzt. Der Rest ist, womit man sich beschäftigt.
Das bedeutet, dass keiner sich bemühen muss, Buddhist zu sein, weil jeder ohnehin einer ist. Wozu also die Empfehlungen?

Weil man sich eben durchaus mit anderem beschäftigt, als dem, was gerade los ist. In der Regel während weiter Phasen des Tages.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Für mich hängen die Momente nicht von der Konstellation in Raum und Zeit ab, sondern von meinem Empfinden, meiner Wahrnehmung, die sich ändert wie der Punkt in Raum und Zeit, in dem ich mich bewege.

So geht es allen, darum kann man an der Schraube ja auch drehen.
Weil es so ist, kann ich NICHT an der Schraube drehen. Ich kann meine Wahrnehmung nicht von der Gegenwart wegbewegen (wie du es oben selbst festgestellt hast), ich kann auch die Raumzeit nicht krümmen. Vielleicht solltest du dir nicht so oft widersprechen.

Du kannst Deine Wahrnehmungen durchaus von der Gegenwart wegbewegen. Jetzt was tun und an gleich, Morgen oder Gestern denken. Man kann auch das singuläre Tun überstrapazieren, aber man kann auch permanent überall sein, außer bei dem, was man gerade tut.

Darth Nefarius hat geschrieben:Nein, ich habe es ganz streng so wie du interpretiert. Aber wenn ich jeden Moment unabhängig von seiner Dauer bewerte, kann ich genausogut eine subjektive, ewige Hölle erleben.

Ja, die Hölle gehört dazu.

Darth Nefarius hat geschrieben:Wo ist der relevante Unterschied zwischen Beobachten, Wahrnehmen und Analysieren?

Indem Du eine Situation anschaust und nicht eintütest. „Boah schön.“ „Ach, wie ätzend.“ Oder Dinge anschauen, ohen das gleich Begriffe auftauchen, fast nicht möglich. Wahrnehmen, anschauen und mal abwarten, das kann sehr intensiv sein. In der Meditation selbst merkt man es dann, wenn man diese einfachen Zählübungen einführt – von 1 bis 10 und dann wieder von vorne, mit Ein- und Ausatem kombiniert – wenn man bei 19 angekommen ist. Dann haben einen die Gedanken entführt. Oder man hat vergessen zu zählen. Dann auch.

Darth Nefarius hat geschrieben:"Nicht anzuhaften"? Was soll ich denn nun tun? Vorhin wolltest du noch, dass man im Moment anhaftet, jetzt willst du das Gegenteil. Was denn nun?

Ah, verstehe. Nein, im Moment zu sein, verstehe ich nicht als anhaften. Der Moment verändert sich ja. Was bleiben kann, ist die Aufmerksamkeit die man ihm und der Veränderung schenkt.
Unter Anhaften würde ich verstehen den Moment festhalten zu wollen, etwa immer, immer wieder oder niemals haben/erleben zu wollen.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Also die dunkle Seite der Macht klingt für mich eher nach Krieg der Sterne.

:applaus: Da hat einer nach Jahren das "Darth" nicht im Namen bemerkt. Der Sithtitel passt nebenbei, wie ich finde, ganz gut, da er eigentlich meine Philosophie noch am ehesten widerspiegelt. Die Angst vor dem Tod, Leidenschaft und der Wille nach Macht sind zentral. :veg: Regeln sind irrelevant, Moral ist irrelevant. Die eigentlichen Stars in den Star Wars sind immer die Sith.

Bei Krieg der Sterne bin ich nicht mehr genau informiert, ist zu lange her.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben: Es ist auch nichts Besonderes Buddhist zu sein, finde ich, ich bin ja auch keiner, nur finde ich den Ansatz des Buddha im Bezug auf Leidminimierung sehr genial. Und speziell bei dem, was diese Ängste vor Tod und Verlust angeht, sehr hilfreich.

ich nicht, habe ausgeführt, warum. Die Leitsätze, so wie du sie wiedergegeben hast (sofern sie sich nicht widersprachen), lassen ebenso meine Interpretation zu und vermeiden keineswegs die Angst.

Das muss ja auch nicht sein.
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Re: Jährliche 'Edge'-Frage

Beitragvon Darth Nefarius » Fr 12. Apr 2013, 21:32

Vollbreit hat geschrieben:Im Grunde ist Hinsetzen und Atemzüge zählen das ganze Geheimnis. Es geht nicht um wundersame Übungen, sondern eine Instanz oberhalb oder außerhalb der Gedanken und Gefühle zu errichten. Typisch zu nennen Zazen, aber im Grunde hat jede spirituelle Tradition diese Übung. Sitzen, Atmen, Nichtstun und schauen, was passiert.

Nenne ich Videospielen, ist spannender aber auch entspannender. Meine Vermutung war also berechtigt. Abgesehen davon bewege ich mich nicht wie ein Gepard auf Ritalin, ich bewege mich meist ohnehin wesentlich langsamer und ruhiger als meine Umgebung. Mein Verstand bleibt dabei in Bewegung, aber kontrolliert.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Wenn du dich für so viel reifer hälst als mich, wieso versuchst du nicht meine Gedanken als gleichwertig zu betrachten anstatt als einen Nachhall der Pubertät? Diese Dreistigkeit von Älteren hat mich nie beeindruckt, sie ist kein Argument. Es hängt nicht vom Alter ab, wer cleverer ist, es hängt nicht vom Alter ab, wer im Recht ist. "Wenn du alt bist, wirst du es verstehen" traf bis jetzt (zumindest nicht in der Form, wie sie es wünschten) nie zu. Ich erkenne, ja, aber die Analyse fällt dann selten schmeichelhaft aus. Das Altern ist eine Niederlage, kein Gewinn. Es ist mit Resignation, Abkühlung des Gemüts verbunden, einem Senken der Ansprüche, der Ziele.

Beruhig Dich, ich habe Dich gar nicht angegriffen. Pauschale Urteile über das Alter oder die Jugend finde ich ohnehin verfehlt. Es gibt glückliche und fitte alte Leute und depressive Kinder und eben sämtliche Mischformen. Gibt auch Leute die mir erzählt haben, die Schulzeit sei die glücklichste des Lebens, hätte ich das auch nur eine Sekunde geglaubt, wäre das ein Grund für einen Strick gewesen. Nie habe ich mich auch nur einen Moment in die Schule zurück gesehnt.

Vielleicht glaube ich dir sogar, dass du mich nicht provozieren wolltest, aber ich habe oft genug mit dir diskutiert, um dir zu sagen, dass du gern dein Alter versuchst auszuspielen oder mir meines als Nachteil zu verkaufen (ob nun bewusst oder als Reflex). Das zieht bei mir nicht und trägt nicht zur Diskussion bei. Sollte nur eine Anmerkung sein.
Vollbreit hat geschrieben:Bezüglich der eigenen Ängste muss man eine gewisse Sicherheit gewinnen, das will ich eingestehen. Das geht aber und diese Sicherheit gibt Dir weitere, das ist ein sich selbst verstärkender Mechanismus, wie ja andersrum bei der Angst, die Angst vor der Angst irgendwann das Schlimmste wird.

Nun, nach allem, was du bis jetzt gesagt hast, scheint deine Sicherheit nur im Alltag zu funktionieren. Wie gesagt, ich kann das Sterben und den damit bedeutenden Verlust nicht so leicht verdauen wie den alltäglichen. Und auch das Verweilen (oder Nicht-Verweilen, je nachdem, was du gerade meinst) funktioniert lediglich in Standardsituationen, die bereits eine Erwartungshaltung beinhalten, weiterzuleben, da möglicher, künftiger Verlust nicht berücksichtigt wird. Du setzt dich auch nur widerwillig mit dem größten Verlust auseinander: der Verlust von Liebe, geliebten Menschen. All das ist kein Alltag und deine Regeln würden deine Angst und Verzweiflung gewiss nicht kontrollieren können.
Vollbreit hat geschrieben:Es ist nicht meine Absicht einen Wettkampf in Lebensklugheit zu führen.

Meine auch nicht, aber den rhetorischen Zeigefinger "das musst du zu fassen kriegen" finde ich da nur lächerlich. Du bist mir in nichts diesbezüglich voraus, hast lediglich einen anderen Weg gewählt.
Vollbreit hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Der Ausweg ist auf einen Satz reduziert: Trau Dich, Fehler zu machen.

Das ist nicht weltbewegend. Fehler sind miteinkalkuliert und führen zu weiteren, meist bereits erwarteten Optionen. Wenn man sein Leben durchplant, muss das berücksichtigt werden, aber besonders auch die Fehler der anderen, die Unwägbarkeiten.

Und genau hier (bei den anderen) endet die Möglichkeit der Kontrolle, was man sich aber zumeist nicht eingesteht. Dann besteht die Gefahr, dass man zu manipulieren beginnt.
[/quote]
Wieso Gefahr? Es ist eine Methode, die Umgebung zu kontrollieren, Risiken zu minimieren. Die Ethymologie des Wortes deutet im Grunde darauf hin, dass es lediglich bedeutet, besonders geschickt mit seiner Umwelt umzugehen. Das fürchten natürlich Unfähigere und deuten diese Fähigkeit als unmoralisch.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Nein, es gibt minimale Erfolgsaussichten für fast alles. Ich bin, wie gesagt, jemand, der hofft. Meine Hoffnung ist immer noch besser als das Runterschrauben der Ansprüche.

Kommt drauf an. Wenn man Hoffnung anstelle der Realität setzt, ist das ein Problem. Hoffnung als ein As im Ärmel, sehe ich als eine Stärke an.

Ich würde Hoffnung nicht als "Heile-Welt-Illusion" nutzen, ansonsten müsste ich ja nicht hoffen. Hoffnung treibt einen gerade dazu an, etwas in der Realität anzustreben, was nicht vorhanden ist. Wenn ich mich in Illusionen verlieren würde, hätte ich keinen Grund zur Hoffnung, keinen Grund zur Handlung.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Vielleicht ist das ein Derivat der Basis von Religiösität (auch wenn es zu einem ganz anderen Ergebnis führt): Religiöse Menschen finden sich nicht mit ihrer Sterblichkeit ab, nicht mit einem zweitklassigen Leben und träumen sich den unendlichen Himmel herbei. Ich bin da pragmatischer, aber nicht unähnlich. Während erstere meist einfach auf ihre Illusion warten, erarbeite ich mir meine theoretisch möglichen Hoffnungen oder versuche es zumindest.

Ich glaube, dass da was dran ist und dass Du damit auf einer tendenziell guten Seite bist.

Wohl kaum. Es ist eine Wesenseigenschaft, die leider viel zu oft in Religiösität Ausprägung findet. Das halte ich nicht für "gut". Allerdings ist diese Eigenschaft auch nicht unbedingt schlecht, sofern sie eine pragmatischere Ausprägung erlebt. Jedenfalls würde ich sie lediglich auf der Basis der Ähnlichkeit mit Religiösen nicht als "gut" betrachten, sofern du das meinst. Ich kann lediglich gut genug reflektieren, um meine Wesenszüge in anderen zu erkennen, auch wenn ich ihr Handeln, ihren Glauben ablehne.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Nein, ich kann gedrosselte Erwartungen weniger ertragen als eine Enttäuschung. Ich kann mir dann zumindest nicht vorwerfen, es nicht versucht zu haben.

Wenn es darum geht, warum wirfst Du Dir es denn dann überhaupt vor?

Was soll ich mir vorgeworfen haben? Sofern ich mich über etwas beschwere, dann führe ich es nicht auf mich zurück, sondern die äußeren Gegebenheiten wie Sterblichkeit, Unglück oder Unfähigkeit, auf die ich keinen Einfluss habe (zumindest solange ich mein Bestes gegeben habe).
Vollbreit hat geschrieben:Niederlagen lässte man auch dann zu, wenn die Ansprüche hoch sind. Man muss sie sich dann nur wegerklären. Halte ich für unrealistisch.

Ich erkläre mir nichts weg, eine Niederlage einzugestehen bedeutet lediglich, dass man keinen Plan mehr hat, die Situation noch zu retten. Wenn man flexibel genug ist, sind Rückschläge auch keine echten Niederlagen, das hat aber nichts mit Wegerklären zu tun.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Ist es diejenige, die nur den Moment beobachtet, keine weitreichenderen Gedanken und Emotionen zulässt und die Ansprüche runterschraubt? Oder ist es diejenige, die sich übermenschliche Ziele setzten lässt und den Versuch, sie zu erreichen als höherwertiger einschätzt, als ein ruhiges Leben? Welche Philosophie fürchtet das Risiko weniger?

Diejenige, die sich zu realistischen Aussagen und Zielen durchringt, ganz gleich, wie die Prämissen sind. Man kann sich immer selbst betuppen und vorm Leben wegrennen, da waren Menschen stets erfinderisch, bis heute.

Ich stelle mich dem Leben, meinen Ansprüchen und schraube sie nicht zurück, nur weil ich Angst habe, sie nicht zu erfüllen. Was hat es für einen Nutzen, einen Erkenntnisgewinn, seine Ziele "realistisch" zu setzen? Es bringt mir keinen Frieden, ich stelle mich gerade durch mein Handeln dem Leben, nicht durch gesenkte Ansprüche. Ich würde einiges darauf wetten, dass die Größenwahnsinnigen Persönlichkeiten der Geschichte obgleich ihres Scheiterns ihr Leben wesentlich intensiver erlebten als jeder Zeitzeuge, welcher nicht zu ihren Entscheidungen den Mut hatte. Du sitzt doch eigentlich beim Leben gerade beim Poker und hast doch nur eine Chance, nicht zu verlieren: Du setzt alles, dein Gegenüber hat unendlich viele Chips. Verlieren wirst du deinen Besitz sowieso, aber so hast du zumindest eine Chance.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Was genau ist denn das ultimative Glücksgefühl? Liebe? Verliebtheit? Der Orgasmus? Was an der Liebe ist das, was sterben kann

Etwas immer wieder oder permanent zu erleben, bedeutet nicht, dass es weniger wert hat.

Sag ich doch die ganze Zeit.

Nein, du erklärst, dass das Erlebnis durch seine Vergänglichkeit an Wert gewinnt. Dann hast du erklärt, dass man sich wiederum selbst austricksen sollte und im Moment verweilen.
Vollbreit hat geschrieben:Bedürfnisse ändern sich in jeder Altersphase. Man rennt ja heute nicht mehr mit seinem Stoffhasen durch die Gegend, sondern betrachtet das sogar als lächerlich. Für eine Kind in einem bestimmten Alter keinesfalls.

Dazu habe ich oben genug geschrieben. Meine Ansprüche kannst du nicht mit der Bindung an einen Stoffhasen vergleichen, nur weil ich jünger bin als du.
Vollbreit hat geschrieben:Romantische Liebe? Ja, finde ich gut. Ist nur schwer durchzuhalten, weil irgendwann der Alltag kommt und der ist eben immer Alltag

Gewiss, wenn man sich mit einem ruhigen, ziellosen Leben zufrieden gibt.
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Re: Jährliche 'Edge'-Frage

Beitragvon Darth Nefarius » Fr 12. Apr 2013, 21:54

Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Nehme ich an. Allerdings führt dein Vorwurf, ich würde mich an dem äußeren Standard orientieren, nur weil ich das Beste will (worunter du offensichtlich das objektiv oder intersubjektiv Beste verstanden hast), wenn du das verstanden hast, ad absurdum.

Wieso Vorwurf? Hinweis, Bemerkung.

Dann ist eben dein Hinweis ad absurdum geführt.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Also betrachtest du Erleuchung nur als barfüßiges Esotheriker-Hippieleben in einer Kommune?

Nein, Hippieleben ist Hippieleben. Was hat das eine mit dem anderen zu tun?

Du hast geschrieben, dass wir (nach dem Kommentar mit dem Hippie) offensichtlich nicht das gleiche unter Erleuchtung verstehen. Da ich die Hippie-Situation nicht als einzig richtigen weg betrachtete, du mir daraufhin widersprachst, musst du diesen Weg für den einzig Richtigen gehalten haben, sofern es kein Missverständnis war (deinerseits).
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Sofern du also die Vielfältigkeit zum Glück, zur Erleuchtung doch bestreitest, will ich von dir wissen, wie deine konkret aussieht.

Die beste Definition ist vielleicht „die Abwesenheit von Widerständen“. Muss man präzisieren, kommt der Sache aber vermutlich nahe.

Nach Wikipedia ist es eher eine besondere, dauerhafte Einsicht, ein Endergebnis persönlicher Entwicklung. Das schließt die Konfrontation mit Widerständen gewiss nicht aus, wenn man weiß mit ihnen umzugehen.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Ich behaupte mal ganz dreist, dass Du (und ich und jeder) immer nur die Gegenwart wahrnimmt, man lebt ja nicht morgen oder gestern, sondern ohnehin immer nur jetzt. Der Rest ist, womit man sich beschäftigt.
Das bedeutet, dass keiner sich bemühen muss, Buddhist zu sein, weil jeder ohnehin einer ist. Wozu also die Empfehlungen?

Weil man sich eben durchaus mit anderem beschäftigt, als dem, was gerade los ist. In der Regel während weiter Phasen des Tages.

Eine Antwort würde dich in eine zirkelschlüssige Argumentation führen, da du den Widerspruch nicht gemerkt hast. Ich lasse es.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Ich kann meine Wahrnehmung nicht von der Gegenwart wegbewegen (wie du es oben selbst festgestellt hast), ich kann auch die Raumzeit nicht krümmen. Vielleicht solltest du dir nicht so oft widersprechen.

Du kannst Deine Wahrnehmungen durchaus von der Gegenwart wegbewegen. Jetzt was tun und an gleich, Morgen oder Gestern denken. Man kann auch das singuläre Tun überstrapazieren, aber man kann auch permanent überall sein, außer bei dem, was man gerade tut.

Widerspricht das nicht dem:
Vollbreit hat geschrieben:Ich behaupte mal ganz dreist, dass Du (und ich und jeder) immer nur die Gegenwart wahrnimmt, man lebt ja nicht morgen oder gestern, sondern ohnehin immer nur jetzt.

???
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben: Nein, ich habe es ganz streng so wie du interpretiert. Aber wenn ich jeden Moment unabhängig von seiner Dauer bewerte, kann ich genausogut eine subjektive, ewige Hölle erleben.

Ja, die Hölle gehört dazu.

Folglich ist kein Vorteil in deiner Methodik. Du meinst lediglich deine Wahrnehmung automatisiert ans Positive konzentrieren zu können, in Wahrheit meidest du lediglich schwierige Situationen. Aber mindestens einer wirst du dich nicht enziehen können und dann fehlt dir das Handwerkszeug, mit ihr umzugehen.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Wo ist der relevante Unterschied zwischen Beobachten, Wahrnehmen und Analysieren?

Indem Du eine Situation anschaust und nicht eintütest. „Boah schön.“ „Ach, wie ätzend.“ Oder Dinge anschauen, ohen das gleich Begriffe auftauchen, fast nicht möglich. Wahrnehmen, anschauen und mal abwarten, das kann sehr intensiv sein. In der Meditation selbst merkt man es dann, wenn man diese einfachen Zählübungen einführt – von 1 bis 10 und dann wieder von vorne, mit Ein- und Ausatem kombiniert – wenn man bei 19 angekommen ist. Dann haben einen die Gedanken entführt. Oder man hat vergessen zu zählen. Dann auch.

Analyse beinhaltet keine Wertung, zumindest nicht nach dem Sprachgebrauch der Wissenschaftler. Es besteht als kein Unterschied. Abgesehen davon ist es ein Trugschluss, dass Ruhe ein Zustand der Emotions-/Wertungslosigkeit ist. Wenn man deine Gehirnwellen messen oder deinen Hormonspiegel analysieren würde, könnte man dies gewiss leicht nachweisen.
Vollbreit hat geschrieben:Nein, im Moment zu sein, verstehe ich nicht als anhaften. Der Moment verändert sich ja. Was bleiben kann, ist die Aufmerksamkeit die man ihm und der Veränderung schenkt.
Unter Anhaften würde ich verstehen den Moment festhalten zu wollen, etwa immer, immer wieder oder niemals haben/erleben zu wollen.

Meine Wahrnehmung ist also anhaftend nur dadurch, dass sie Wandel beobachtet? Und inwiefern soll sich das von meinem Vorgehen unterscheiden oder von dem jedes Lebewesens?
Vollbreit hat geschrieben:Bei Krieg der Sterne bin ich nicht mehr genau informiert, ist zu lange her.

Aha, so alt sind wir dann doch nicht! Vielleicht hat die Qualität der Betrachtung der Gegenwart, der Vergangenheit, der Zukunft und ihrer Ereignisse doch nicht unbedingt etwas mit dem Alter zu tun? Vielleicht können auch Jüngere die Welt erkennen wie sie ist, eine reife(re) Philosophie ausprägen? Nur ein kleiner Denkanstoß.
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Re: Jährliche 'Edge'-Frage

Beitragvon Vollbreit » Sa 13. Apr 2013, 08:47

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Im Grunde ist Hinsetzen und Atemzüge zählen das ganze Geheimnis. ...

Nenne ich Videospielen, ist spannender aber auch entspannender.

Jeder wie er mag, kein Problem.

Darth Nefarius hat geschrieben:Nun, nach allem, was du bis jetzt gesagt hast, scheint deine Sicherheit nur im Alltag zu funktionieren. Wie gesagt, ich kann das Sterben und den damit bedeutenden Verlust nicht so leicht verdauen wie den alltäglichen.

Der Alltag ist immer ein guter Testlauf. Wie geht man hier mir Unvermeidlichem, Niederlegen und Loslassen um. Das ist m.E. auch eher keine Alterfrage, sondern eine Typenfragen, bestimmt auch eine der Erziehung.

Darth Nefarius hat geschrieben:Und auch das Verweilen (oder Nicht-Verweilen, je nachdem, was du gerade meinst) funktioniert lediglich in Standardsituationen, die bereits eine Erwartungshaltung beinhalten, weiterzuleben, da möglicher, künftiger Verlust nicht berücksichtigt wird. Du setzt dich auch nur widerwillig mit dem größten Verlust auseinander: der Verlust von Liebe, geliebten Menschen. All das ist kein Alltag und deine Regeln würden deine Angst und Verzweiflung gewiss nicht kontrollieren können.

Doch, ich habe mich schon recht intensiv mit dem Tod in allem Spielarten auseinandergesetzt, auch mit dem Verlust der Liebsten.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Und genau hier (bei den anderen) endet die Möglichkeit der Kontrolle, was man sich aber zumeist nicht eingesteht. Dann besteht die Gefahr, dass man zu manipulieren beginnt.

Wieso Gefahr? Es ist eine Methode, die Umgebung zu kontrollieren, Risiken zu minimieren. Die Ethymologie des Wortes deutet im Grunde darauf hin, dass es lediglich bedeutet, besonders geschickt mit seiner Umwelt umzugehen. Das fürchten natürlich Unfähigere und deuten diese Fähigkeit als unmoralisch.

Soweit die Theorie. In der Praxis bedeutet das, dass sich ein Partner irgendwann genervt und kontrolliert führt, wenn er manipuliert wird. Dann bist Du die Liebe los, noch bevor Du tot ist und das ist es doch, was Du fürchtest.

Darth Nefarius hat geschrieben:Ich würde Hoffnung nicht als "Heile-Welt-Illusion" nutzen, ansonsten müsste ich ja nicht hoffen. Hoffnung treibt einen gerade dazu an, etwas in der Realität anzustreben, was nicht vorhanden ist. Wenn ich mich in Illusionen verlieren würde, hätte ich keinen Grund zur Hoffnung, keinen Grund zur Handlung.

Es ist auch nicht schlimm sich in Illusionen ein Stück weit zu verlieren, darf halt nicht zu arg werden.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Nein, ich kann gedrosselte Erwartungen weniger ertragen als eine Enttäuschung. Ich kann mir dann zumindest nicht vorwerfen, es nicht versucht zu haben.

Wenn es darum geht, warum wirfst Du Dir es denn dann überhaupt vor?

Was soll ich mir vorgeworfen haben? Sofern ich mich über etwas beschwere, dann führe ich es nicht auf mich zurück, sondern die äußeren Gegebenheiten wie Sterblichkeit, Unglück oder Unfähigkeit, auf die ich keinen Einfluss habe (zumindest solange ich mein Bestes gegeben habe).

Ach so. Hörte sich für mich erst so an, als würdest Du Dir gelegentlich Vorwürfe machen, ist aber dann wohl nicht so.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Niederlagen lässte man auch dann zu, wenn die Ansprüche hoch sind. Man muss sie sich dann nur wegerklären. Halte ich für unrealistisch.
Ich erkläre mir nichts weg, eine Niederlage einzugestehen bedeutet lediglich, dass man keinen Plan mehr hat, die Situation noch zu retten. Wenn man flexibel genug ist, sind Rückschläge auch keine echten Niederlagen, das hat aber nichts mit Wegerklären zu tun.

Vielleicht meinen wir hier dasselbe. Aus Fehler lernen. Aus der Sicht werden Fehler und Probleme geradezu zum Treibstoff der Evolution.

Darth Nefarius hat geschrieben:Ich stelle mich dem Leben, meinen Ansprüchen und schraube sie nicht zurück, nur weil ich Angst habe, sie nicht zu erfüllen. Was hat es für einen Nutzen, einen Erkenntnisgewinn, seine Ziele "realistisch" zu setzen?

Dass man Ziele auch mal erreicht.

Darth Nefarius hat geschrieben:Es bringt mir keinen Frieden, ich stelle mich gerade durch mein Handeln dem Leben, nicht durch gesenkte Ansprüche. Ich würde einiges darauf wetten, dass die Größenwahnsinnigen Persönlichkeiten der Geschichte obgleich ihres Scheiterns ihr Leben wesentlich intensiver erlebten als jeder Zeitzeuge, welcher nicht zu ihren Entscheidungen den Mut hatte.

Wenn Intensität das ist was Du anstrebst, vielleicht. M.E. jedoch eher nicht. Die Intensität ist in meinen Augen da oft die Kompensation einer zu geringen Variablität des emotionalen Spektrums. Man erlebt nicht alles (manche spüren das neidvoll) und darum soll das was man erlebt maximal ausgekostet werden. Halte ich als Kompensationsmechanismus für verständlich, letztlich aber für defizitär.

Darth Nefarius hat geschrieben:Du sitzt doch eigentlich beim Leben gerade beim Poker und hast doch nur eine Chance, nicht zu verlieren: Du setzt alles, dein Gegenüber hat unendlich viele Chips. Verlieren wirst du deinen Besitz sowieso, aber so hast du zumindest eine Chance.

Das scheint mir eine verengte Sicht zu sein, die zu wissen behauptet, wie das Leben wirklich ist. Ein Kampf, ein Ort an dem unausgesetzt um Sieg oder Niederlage, Alles oder Nichts, Triumph oder Verlust geht. Reduziert man menschliches Miteinander auf diese Sicht, ist es verständlich lieber Sieger als Verlierer sein zu wollen, allerdings verfehlt diese Sicht m.E. eine breites Spektrum des ganz realistisch Menschenmöglichen, nämlich eine schrittweise Erweiterung eben dieses emotionalen Spektrums.

Darth Nefarius hat geschrieben:Nein, du erklärst, dass das Erlebnis durch seine Vergänglichkeit an Wert gewinnt. Dann hast du erklärt, dass man sich wiederum selbst austricksen sollte und im Moment verweilen.

Mein Gedankengang war hier aus buddhistischer Perspektive geprägt: Alles was entsteht, vergeht auch wieder und ist genau darum eine Quelle des Leides. Ist etwas emotional stark besetzt, leidet man mehr, ansonsten weniger. Eigentlich das was Du sagst. Dein Versucht, die Dinge deshalb nie wieder loszulassen, wäre für Buddhisten eines der drei Gifte: Gier, Hass, Verblendung. Sie würden sagen, dass durch sie das Leid intensiviert wird.
Aber der Buddhismus muss einen nicht kümmern, er ist eine Perspektive von vielen.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Romantische Liebe? Ja, finde ich gut. Ist nur schwer durchzuhalten, weil irgendwann der Alltag kommt und der ist eben immer Alltag

Gewiss, wenn man sich mit einem ruhigen, ziellosen Leben zufrieden gibt.

Ruhig und ziellos trifft es eigentlich sehr gut. Würde ich mich tatsächlich mit identifizieren können. Ruhe allerdings als Ruhe des Geistes, nicht als Betulichkeit. Und ziellos im Sinne von nichts mehr erreichen wollen oder müssen, kann ich annehmen. Ich würd's halt nicht als Defizit sehen, für Dich scheint das der maximale Alptraum zu sein.
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Re: Jährliche 'Edge'-Frage

Beitragvon Vollbreit » Sa 13. Apr 2013, 09:56

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Sofern du also die Vielfältigkeit zum Glück, zur Erleuchtung doch bestreitest, will ich von dir wissen, wie deine konkret aussieht.
Die beste Definition ist vielleicht „die Abwesenheit von Widerständen“. Muss man präzisieren, kommt der Sache aber vermutlich nahe.
Nach Wikipedia ist es eher eine besondere, dauerhafte Einsicht, ein Endergebnis persönlicher Entwicklung. Das schließt die Konfrontation mit Widerständen gewiss nicht aus, wenn man weiß mit ihnen umzugehen.

Das schließt die Konfrontation nicht aus, stimmt. Man setzt den Situationen nur keine Widerstände entgegen, auch Konfrontationen nicht unbedingt.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Ich kann meine Wahrnehmung nicht von der Gegenwart wegbewegen (wie du es oben selbst festgestellt hast), ich kann auch die Raumzeit nicht krümmen. Vielleicht solltest du dir nicht so oft widersprechen.

Du kannst Deine Wahrnehmungen durchaus von der Gegenwart wegbewegen. Jetzt was tun und an gleich, Morgen oder Gestern denken. Man kann auch das singuläre Tun überstrapazieren, aber man kann auch permanent überall sein, außer bei dem, was man gerade tut.

Widerspricht das nicht dem:
Vollbreit hat geschrieben:Ich behaupte mal ganz dreist, dass Du (und ich und jeder) immer nur die Gegenwart wahrnimmt, man lebt ja nicht morgen oder gestern, sondern ohnehin immer nur jetzt.

???

Nein, ich schrieb ja dazu, das eine ist das, wo man sich sowieso befindet: zeitlich immer in der Gegenwart. Der anderen Punkt ist, ob man sich mit dem beschäftigt, was gerade ist, oder sonst wo ist. Wie gesagt, man muss auch daraus keinen Fetisch machen, sonst wird es einseitig und idiotisch, aber an der Sache ist natürlich was dran.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben: Nein, ich habe es ganz streng so wie du interpretiert. Aber wenn ich jeden Moment unabhängig von seiner Dauer bewerte, kann ich genausogut eine subjektive, ewige Hölle erleben.
Ja, die Hölle gehört dazu.

Folglich ist kein Vorteil in deiner Methodik. Du meinst lediglich deine Wahrnehmung automatisiert ans Positive konzentrieren zu können, in Wahrheit meidest du lediglich schwierige Situationen.

Wie kommst Du auf diese Idee, wo ich doch eben schrieb, dass die Hölle dazu gehört?

Darth Nefarius hat geschrieben:Analyse beinhaltet keine Wertung, zumindest nicht nach dem Sprachgebrauch der Wissenschaftler. Es besteht als kein Unterschied. Abgesehen davon ist es ein Trugschluss, dass Ruhe ein Zustand der Emotions-/Wertungslosigkeit ist. Wenn man deine Gehirnwellen messen oder deinen Hormonspiegel analysieren würde, könnte man dies gewiss leicht nachweisen.

Gerade weil man ja inzwischen reihenweise Buddhas Mönche in die Röhre geschoben und durchgemessen hat, finde ich die Ergebnisse noch eindrucksvoller. Sie bestehen jeden Praxistest.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Nein, im Moment zu sein, verstehe ich nicht als anhaften. Der Moment verändert sich ja. Was bleiben kann, ist die Aufmerksamkeit die man ihm und der Veränderung schenkt.
Unter Anhaften würde ich verstehen den Moment festhalten zu wollen, etwa immer, immer wieder oder niemals haben/erleben zu wollen.
Meine Wahrnehmung ist also anhaftend nur dadurch, dass sie Wandel beobachtet? Und inwiefern soll sich das von meinem Vorgehen unterscheiden oder von dem jedes Lebewesens?

Anhaften ist das Festhalten wollen von etwas. Dabei geht es nicht um Dich, sondern um das was wir ungefähr alle machen. Wir versuchen unser Glück durch die wiederholte Herbeiführung von etwas und die Ablehnung von Neuem (in aller Regel) zu zementieren. Genau das ist, nach buddhistischer Interpretation der falsche Weg. Nach allem was ich weiß, haben die Buddhisten mit ihrer Einstellung recht.

Darth Nefarius hat geschrieben:Aha, so alt sind wir dann doch nicht! Vielleicht hat die Qualität der Betrachtung der Gegenwart, der Vergangenheit, der Zukunft und ihrer Ereignisse doch nicht unbedingt etwas mit dem Alter zu tun? Vielleicht können auch Jüngere die Welt erkennen wie sie ist, eine reife(re) Philosophie ausprägen? Nur ein kleiner Denkanstoß.

Also nach meinen Erfahrungen, wie schon mal geschrieben, ist Alter/Jugend per se weder ein Vor- noch Nachteil. Ich habe mich schon in manchen Diskussionen äußerst gewundert, wie klug, tief und reif manche Menschen in sehr jungen Jahren sind. Ich habe im Rahmen gelegentlicher Gesprächsrunden schon 19-Jährige erlebt, die zu Einsichten gelangt sind und diese auch umsetzen, da kann ich mich nur vor verneigen. Intelligent, geistige beweglich, enagagiert, erste Sahne. Auch Nanna, der ja nun auch nicht kurz vorm Greisentum steht, hat m.E. einen Weitblick, den ich nur bewundern kann. Als ich pi mal Daumen 11 war, habe ich Astronomievorträge besucht, Astronomiebücher verschlungen und mir vor meinem Spiegelteleskop draußen die Flossen abgefroren, Tagebücher über den Sternenhimmel angelegt, was übrigens keinesfalls ungewöhnlich für Jungs in dem Alter ist. Was mich damals schon beeindruckt hat, waren die Größenrelationen des Kosmos. Typisch Junge bin ich natürlich auf den üblichen Gigantismus abgefahren und habe mich für Astronomie durchaus auch (wenn auch nicht nur) wie für Autoquartetts interessiert: Hellster Stern, größter Stern, weiteste Entfernung und so weiter... größer, schneller, weiter. Eben kindgerecht. Aufgrund dieser Größenrelationen, dieser Wahnsinnsentfernungen, wenn man mal kapiert, was es wirklich heißt auf dem dritten Planeten eines mittelgroßen Sterns einer durchschnittlichen Milchstraße unter Milliarden anderen zu leben; wenn man weiß, was 400x mehr Durchmesser wirklich heißt; wenn man ahnt, was (lächerliche) 1.000 Lichtjahre sind, da fragte sich dann auch das Kind, das ich war, welches Getue wir angesichts dieser Dimensionen um unser bisschen Leben und Wirken machen.
Nur, das ist eben eine Perspektive von vielen und erst später lernte ich (andere kapieren das früher), dass es nicht die Perspektive ist, die man unweigerlich einnehmen muss. Denn die lächerlichen Probleme, mit denen wir uns abmühen, lassen einen ja nicht los. Der Verweis auf Beteigeuze oder dass uns die Sonne in ein paar Milliarden Jahren eh verbrutzelt, löst eben keinen Liebeskummer auf (jedenfalls bei mir nicht) und so steht man bei allem Bewusstsein um die unendlichen Weiten doch, jeder für sich, irgendwie immer auch im Zentrum der Welt. Je mehr man die Diskrepanz sieht, umso größer die Spannung. Sei's weil unsere doofe Denkdrüse hypertrophiert ist, oder warum auch immer, auf jeden Fall ham wa den Salat.
Davon ab, gibt es ungeheuer bewegliche Alte. Kennst Du Gadamer? Nein, der liegt nicht im Käseregal, ist ein Philosoph (einer der großen), den ich vor Jahren, noch bevor ich mit Philosophie im engen Sinne zu tun bekam, im Telekolleg (oder so) gesehen habe. Da war der Knabe hoch in den 90ern, redete ohne äh und öh, klar, druckreif und fesselnd. Als ich später erfuhr, dass bei seinen Diskussionsrunden, mit seinen Studenten, die mitunter bis tief in die Nacht dauerten, auch reichlich Weißwein floss, machte mir das den Knaben noch sympathischer.
Was der alte Sophokles (antiker Tragödienschreiber und Mysterieneingeweihter) uns hinterlassen (und mitunter erst mit 90 geschrieben) hat, wird vermutlich nur deshalb nicht mit stehenden Ovationen bedacht, weil es keine Sau kennt.
Wahrscheinlich stecken Goethe, Skakespeare und andere uns alle und 95% der Philosophen gleich mit in die Tasche.
Es gibt Genieleistungen in jungen, mittleren, alten und greisen Jahren, es gibt durch alle Alterklassen Idioten.
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Re: Jährliche 'Edge'-Frage

Beitragvon Darth Nefarius » Sa 13. Apr 2013, 20:31

Vollbreit hat geschrieben:Der Alltag ist immer ein guter Testlauf. Wie geht man hier mir Unvermeidlichem, Niederlegen und Loslassen um. Das ist m.E. auch eher keine Alterfrage, sondern eine Typenfragen, bestimmt auch eine der Erziehung.

Mich hat gewiss nichts zu einem Größenwahnsinnigen Amoralisten erzogen. Meine Eltern trifft da keine Schuld (sofern man diesen Begriff wählen wollen würde, ich halte es jedenfalls nicht für nachteilig so zu sein). Und der Alltag taugt in diesem Fall bestimmt nicht als Vergleich. Wie gesagt, im Hinterkopf kannst du im Alltag immer davon ausgehen, dass es ein Morgen gibt, was der eigentliche Trost ist und nicht deine angepasste Wahrnehmung.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Und auch das Verweilen (oder Nicht-Verweilen, je nachdem, was du gerade meinst) funktioniert lediglich in Standardsituationen, die bereits eine Erwartungshaltung beinhalten, weiterzuleben, da möglicher, künftiger Verlust nicht berücksichtigt wird. Du setzt dich auch nur widerwillig mit dem größten Verlust auseinander: der Verlust von Liebe, geliebten Menschen. All das ist kein Alltag und deine Regeln würden deine Angst und Verzweiflung gewiss nicht kontrollieren können.

Doch, ich habe mich schon recht intensiv mit dem Tod in allem Spielarten auseinandergesetzt, auch mit dem Verlust der Liebsten.

Und deine Antort auf den hypothetischen Verlust hat gezeigt, dass dir deine Philosophie nicht helfen würde (soweit ich mich erinnern kann, hast du klar auf meine Frage geantwortet: Du wüsstest nicht, was du tun würdest, vielleicht vor einen Zug werfen oder sowas, war es nicht so? Und wieso hast du dann versucht, dieses Thema im Zusammenhang mit dem Tod, dem Verlust zu betrachten?).
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Und genau hier (bei den anderen) endet die Möglichkeit der Kontrolle, was man sich aber zumeist nicht eingesteht. Dann besteht die Gefahr, dass man zu manipulieren beginnt.

Wieso Gefahr? Es ist eine Methode, die Umgebung zu kontrollieren, Risiken zu minimieren. Die Ethymologie des Wortes deutet im Grunde darauf hin, dass es lediglich bedeutet, besonders geschickt mit seiner Umwelt umzugehen. Das fürchten natürlich Unfähigere und deuten diese Fähigkeit als unmoralisch.

Soweit die Theorie. In der Praxis bedeutet das, dass sich ein Partner irgendwann genervt und kontrolliert führt, wenn er manipuliert wird. Dann bist Du die Liebe los, noch bevor Du tot ist und das ist es doch, was Du fürchtest.

Die Manipulation bezog ich nicht auf die Partnerin. Wenn sie mich emotional derart überzeugen würde, hätte ich gar nicht den Willen, sie zu manipulieren, im Verhalten zu modifizieren. Aber grundsätzlich ist Manipulation ein Werkzeug wie jedes andere.
Vollbreit hat geschrieben:Es ist auch nicht schlimm sich in Illusionen ein Stück weit zu verlieren, darf halt nicht zu arg werden.

Ich kann Illusionen (so wie der Religion) nichts abgewinnen, solange sie nicht lediglich zur kurzweiligen Unterhaltung dienen und klar als Illusion erkannt werden.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Ich erkläre mir nichts weg, eine Niederlage einzugestehen bedeutet lediglich, dass man keinen Plan mehr hat, die Situation noch zu retten. Wenn man flexibel genug ist, sind Rückschläge auch keine echten Niederlagen, das hat aber nichts mit Wegerklären zu tun.

Vielleicht meinen wir hier dasselbe. Aus Fehler lernen. Aus der Sicht werden Fehler und Probleme geradezu zum Treibstoff der Evolution.

Naja, wenn du eben nur so deine Fehleinschätzung eingestehen kannst, dann ist das in Ordnung. Jedenfalls würde doch kaum jemand zuerst meinen, Niederlagen nicht zuzulassen, würde bedeuten sie wegzuerklären und sie anschließend als Treibstoff der Evolution zu bezeichnen. Oder meinst du nicht, dass deine Wortwahl diese Einschätzung zulässt?
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Ich stelle mich dem Leben, meinen Ansprüchen und schraube sie nicht zurück, nur weil ich Angst habe, sie nicht zu erfüllen. Was hat es für einen Nutzen, einen Erkenntnisgewinn, seine Ziele "realistisch" zu setzen?

Dass man Ziele auch mal erreicht.

Und was sind erreichte Ziele wert, wenn sie gar keine Freude bereiten? Abgesehen davon habe ich meine Ziele im Wesentlichen bis jetzt immer erreicht (sie sind natürlich nicht vergleichbar mit den eigentlichen Zielen, aber die erreichten Etappen sind bereits mehr als viele andere erreichen konnten und auch mehr als mir viele zugetraut haben). Und selbst bei kleineren Rückschlägen gewinne ich mehr als bei mittelmäßigen kleinen Zielen.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Es bringt mir keinen Frieden, ich stelle mich gerade durch mein Handeln dem Leben, nicht durch gesenkte Ansprüche. Ich würde einiges darauf wetten, dass die Größenwahnsinnigen Persönlichkeiten der Geschichte obgleich ihres Scheiterns ihr Leben wesentlich intensiver erlebten als jeder Zeitzeuge, welcher nicht zu ihren Entscheidungen den Mut hatte.

Wenn Intensität das ist was Du anstrebst, vielleicht. M.E. jedoch eher nicht. Die Intensität ist in meinen Augen da oft die Kompensation einer zu geringen Variablität des emotionalen Spektrums. Man erlebt nicht alles (manche spüren das neidvoll) und darum soll das was man erlebt maximal ausgekostet werden. Halte ich als Kompensationsmechanismus für verständlich, letztlich aber für defizitär.

Intensität ist ein Maß für die Stärke des Erlebnisses, kein Teil des emotionalen Spektrums. Folglich hat das nichts mit Beschränktheit zu tun. Vielleicht wusstest du aber auch einfach nicht, was Intensität bedeutet. Ich finde mich jedenfalls nicht damit ab, nicht alles, was ich auch erleben will, nicht erleben zu können. Das zu nehmen, was man möglichst leicht erreichen kann, ist antriebslos. Das ist defizitär und ist auch noch ein Kompensationsmechanismus. Denn du hast noch nichtmal widersprochen, dass meine Ziele die Emotionen, die ich anstrebe tatsächlich die erstrebenswertesten sind. Du bevorzugst lediglich aufgrund der leichteren Erreichbarkeit zweitklassiges - wenn das nicht Kompensation ist, was dann?
Vollbreit hat geschrieben:Das scheint mir eine verengte Sicht zu sein, die zu wissen behauptet, wie das Leben wirklich ist. Ein Kampf, ein Ort an dem unausgesetzt um Sieg oder Niederlage, Alles oder Nichts, Triumph oder Verlust geht. Reduziert man menschliches Miteinander auf diese Sicht, ist es verständlich lieber Sieger als Verlierer sein zu wollen, allerdings verfehlt diese Sicht m.E. eine breites Spektrum des ganz realistisch Menschenmöglichen, nämlich eine schrittweise Erweiterung eben dieses emotionalen Spektrums.

Kämpfe können wesentlich abstrakter sein als auf sich einzudreschen. Und abgesehen davon war meine Parabel ein Spiel, kein aggressiver Konflikt. Das Leben ist eher ein Spiel, mit hohem Einsatz. Und Spiele können vielfältig gestaltet sein, ihre Regeln variieren, können gebrochen werden. Dann kann man ziemlich alles als Verlust oder Gewinn einstufen. Komplexere Gefühle können durch gewonnene Erfahrungen geweckt werden, Verlust wird gemeinhin als Niederlage gewertet. Das deckt ein ziemlich weites Spektrum ab.
Vollbreit hat geschrieben:Mein Gedankengang war hier aus buddhistischer Perspektive geprägt: Alles was entsteht, vergeht auch wieder und ist genau darum eine Quelle des Leides. Ist etwas emotional stark besetzt, leidet man mehr, ansonsten weniger. Eigentlich das was Du sagst. Dein Versucht, die Dinge deshalb nie wieder loszulassen, wäre für Buddhisten eines der drei Gifte: Gier, Hass, Verblendung. Sie würden sagen, dass durch sie das Leid intensiviert wird.
Aber der Buddhismus muss einen nicht kümmern, er ist eine Perspektive von vielen.

Das ist der Preis für ebenso intensiviertes Glück. Das Leben ist bittersüß. Ich bevorzuge vielfältigere Empfindungen als eintönige, gedämpfte Empfindungen. Abgesehen davon will ich wissen, wo ich verblendet bin. Ist nicht eher die buddhistische Philosophie nicht bewusste, absichtliche Verblendung gegenüber der Vergänglichkeit?
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Romantische Liebe? Ja, finde ich gut. Ist nur schwer durchzuhalten, weil irgendwann der Alltag kommt und der ist eben immer Alltag

Gewiss, wenn man sich mit einem ruhigen, ziellosen Leben zufrieden gibt.

Ruhig und ziellos trifft es eigentlich sehr gut. Würde ich mich tatsächlich mit identifizieren können. Ruhe allerdings als Ruhe des Geistes, nicht als Betulichkeit. Und ziellos im Sinne von nichts mehr erreichen wollen oder müssen, kann ich annehmen. Ich würd's halt nicht als Defizit sehen, für Dich scheint das der maximale Alptraum zu sein.

Was hat das Leben noch für einen Antrieb, wenn Ziele nur so weit reichen wie das Bier im Kühlschrank, wenn jede Emotion gedämpft wird, damit das Leid nicht zugelassen wird?
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Re: Jährliche 'Edge'-Frage

Beitragvon Darth Nefarius » Sa 13. Apr 2013, 21:04

Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Nach Wikipedia ist es eher eine besondere, dauerhafte Einsicht, ein Endergebnis persönlicher Entwicklung. Das schließt die Konfrontation mit Widerständen gewiss nicht aus, wenn man weiß mit ihnen umzugehen.

Das schließt die Konfrontation nicht aus, stimmt. Man setzt den Situationen nur keine Widerstände entgegen, auch Konfrontationen nicht unbedingt.

Nein, das geht aus der Definition nicht hervor. Solange ich zugleich Einsicht behalte, meine Enwticklung abgschlossen ist, kann ich mich jedem Konflikt stellen. Sie spielen keine Rolle, da sie keinen Schrecken darstellen. Konflikte, Widerstände stellen sich einem automatisch, dein Vorgehen besteht vielmehr darin, ihnen auszuweichen, indem du dich den dahinterstehenden Zielen und Erlebnissen verschließt. Aber man bekommt nunmal selten etwas geschenkt, das auch wirklich wertvoll ist.
Vollbreit hat geschrieben:Nein, ich schrieb ja dazu, das eine ist das, wo man sich sowieso befindet: zeitlich immer in der Gegenwart. Der anderen Punkt ist, ob man sich mit dem beschäftigt, was gerade ist, oder sonst wo ist. Wie gesagt, man muss auch daraus keinen Fetisch machen, sonst wird es einseitig und idiotisch, aber an der Sache ist natürlich was dran.

Nun, wenn ersteres auf die zeitliche Position bezieht, kann ich schlecht meine Philosophie und Einstellung an diese Unverrückbarkeit anpassen, da as nichts an selbiger Unverrückbarkeit ändern würde. Mit anderen Worten ist es keine Diskussion wert, zu sagen, dass ein Apfel vom Baum fällt. Aber ich denke nicht, dass du das meintest, sondern jetzt versuchst nur den Widerspruch wegzuläugnen. In Ordnung, wird nicht weiter vertieft.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben: Ja, die Hölle gehört dazu.

Folglich ist kein Vorteil in deiner Methodik. Du meinst lediglich deine Wahrnehmung automatisiert ans Positive konzentrieren zu können, in Wahrheit meidest du lediglich schwierige Situationen.

Wie kommst Du auf diese Idee, wo ich doch eben schrieb, dass die Hölle dazu gehört?

Tja, was erstrebst du denn an der Hölle? Gerade weil du eingestanden hast, dass deine Methodik die Hölle oder das Leid ebenso zulässt wie das Glück, sehe ich eben keinen Vorteil in ihr. Abgesehen davon hast du doch auch zu der Erreichbarkeit von Zielen genug geschrieben. Es kommt dir ja eben nicht auf die Ziele an, sondern auf Erreichbarkeit. Das IST die Vermeidung von schwierigen Situationen.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Analyse beinhaltet keine Wertung, zumindest nicht nach dem Sprachgebrauch der Wissenschaftler. Es besteht als kein Unterschied. Abgesehen davon ist es ein Trugschluss, dass Ruhe ein Zustand der Emotions-/Wertungslosigkeit ist. Wenn man deine Gehirnwellen messen oder deinen Hormonspiegel analysieren würde, könnte man dies gewiss leicht nachweisen.

Gerade weil man ja inzwischen reihenweise Buddhas Mönche in die Röhre geschoben und durchgemessen hat, finde ich die Ergebnisse noch eindrucksvoller. Sie bestehen jeden Praxistest.

Und was sollen sie belegen? Weil sie einen ruhigen Zustand haben, ist eine Analyse nicht das gleiche wie Beobachtung? Oder dass Ruhe gleich Emotionslosigkeit-/Wertungslosigkeit bedeutet? Gib mir einen Link, der genau das bestätigt.
Vollbreit hat geschrieben:Anhaften ist das Festhalten wollen von etwas. Dabei geht es nicht um Dich, sondern um das was wir ungefähr alle machen. Wir versuchen unser Glück durch die wiederholte Herbeiführung von etwas und die Ablehnung von Neuem (in aller Regel) zu zementieren. Genau das ist, nach buddhistischer Interpretation der falsche Weg. Nach allem was ich weiß, haben die Buddhisten mit ihrer Einstellung recht.

Die Ablehnung von neuem, von Herausforderung, Konflikten, Widerständen großen Zielen scheint mir eher DEIN Weg zu sein. Und es geht auch nicht ums rechthaben, du kannst ja glauben, was du willst, wenn es für dich funktioniert. Meine gut begründete Analyse ist jedoch, dass dein Weg nur für den Alltag funktioniert und nur solange du größere Ziele und Emotionen unterdrückst. Das ist für mich nicht erstrebenswert.
Vollbreit hat geschrieben:Es gibt Genieleistungen in jungen, mittleren, alten und greisen Jahren, es gibt durch alle Alterklassen Idioten.

Schön, würdest du es dann endlich lassen, immer auf das Alter zu verweisen?
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