Richard Dawkins und Father George Coyne

Für Artikel, Video- oder Audiomaterialien, die im Zusammenhang mit der Thematik der Brights-Bewegung stehen.

Richard Dawkins und Father George Coyne

Beitragvon pinkwoolf » Mi 10. Dez 2008, 17:01

=) Ziemlich lang und auf englisch. Aber:

Ein faszinierendes Interview von Richard Dawkins' mit Father George Coyne -
http://richarddawkins.net/article,3410, ... Dawkinsnet
- auch Dawkins selbst scheint nicht wenig beeindruckt.

Natürlich kann man einwenden, dem Mann zu widersprechen gleicht dem Versuch, einen Pudding an die Wand zu nageln; aber ich denke trotzdem, er regt zu einer Menge Gedanken an.

Wenn die meisten wirklich gläubigen Christenmenschen so gepolt wären wie dieser, würde ich auf der Stelle wieder zum Agnostiker.
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Re: Richard Dawkins und Father George Coyne

Beitragvon ganimed » Sa 13. Dez 2008, 20:55

Ich habe das Interview jetzt auch endlich sehen können. Vielen Dank für den Link!

Das Interview fand ich ziemlich spannend. Coyne kommt mir wie ein alter, netter und sehr kluger Mann vor, der im Grunde genau wie Dawkins denkt. Nur eine einzige kleine Ausnahme: er lässt nicht von der Vorstellung ab, dass ihn ein gütiger Gott liebt. Sympathisch, wie er teilweise die Widersprüche oder zumindest Brüche in seiner Position einräumt.

Was mich bisher am meisten zum Nachdenken brachte: als Coyne meinte, die heutigen Weltreligionen gibt es erst seit ein paar tausend Jahren. Eine verschwindend geringe Zeit im Vergleich zur Gesamtentwicklung des Menschen. Religionen stecken also vielleicht nur erst in den Kinderschuhen und vielleicht gibt es irgendwann mal eine optimiertere, vereinheitlichte Weltreligion, wo die meisten der sich heute ergebenden Widersprüche (die Dawkins auch gerne immer wieder wie kleine Nadelstiche präsentiert) bereinigt sind. Wieso eigentlich nicht?

Schauen wir Atheisten mal in Ruhe, was sie daraus noch basteln.
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Re: Richard Dawkins und Father George Coyne

Beitragvon folgsam » Sa 13. Dez 2008, 22:26

ganimed hat geschrieben:Schauen wir Atheisten mal in Ruhe, was sie daraus noch basteln.


Ganz sicherlich nicht.
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Re: Richard Dawkins und Father George Coyne

Beitragvon pinkwoolf » Sa 13. Dez 2008, 23:11

folgsam hat geschrieben:
ganimed hat geschrieben:Schauen wir Atheisten mal in Ruhe, was sie daraus noch basteln.

Ganz sicherlich nicht.

Warum denn nicht? Der Father bestätigt doch praktisch alles, was Dawkins sagt. Warum sollte man ihm dann nicht noch eine Weile zuhören?

Natürlich kann man vermuten, dass er vor einem anderen Publikum anders redet; aber lassen wir mal die Vermutungen. So wie es ist, klingt es doch nicht schlecht.
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Re: Richard Dawkins und Father George Coyne

Beitragvon folgsam » So 14. Dez 2008, 04:51

Der Vater hört sich zwar recht rational an und lässt sehr viel durchgehen, doch wenn es an die für ihn zentralen Dogmen des Christentums (Auferstehung und Jungfrauengeburt) geht, dann ist er genauso irrational, ignorant und borniert wie der Literalist der an die in die Säue gefahrenen Dämonen glaubt und andere Wunderlichkeiten.
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Re: Richard Dawkins und Father George Coyne

Beitragvon El Schwalmo » So 14. Dez 2008, 11:32

folgsam hat geschrieben:Der Vater hört sich zwar recht rational an und lässt sehr viel durchgehen, doch wenn es an die für ihn zentralen Dogmen des Christentums (Auferstehung und Jungfrauengeburt) geht, dann ist er genauso irrational, ignorant und borniert wie der Literalist der an die in die Säue gefahrenen Dämonen glaubt und andere Wunderlichkeiten.

natürlich. Aber es ist durchaus interessant, wenn Dawkins mal neben einem Frommen steht und recht locker ist, weil die offensichtlich nicht alle so hundsgefährlich sind, wie er es ab und an darstellt.

Und wenn man mal genauer hinhört, findet man von Coyne Antworten auf Fragen, die Dawkins immer wieder stellt (beispielsweise, wer Gott geschaffen hat), die man in Büchern nachlesen kann, die älter sind als Coyne, Dawkins und wir Beide zusammen, mit denen Dawkins aber immer noch meint, Leser beeindrucken zu können.
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Re: Richard Dawkins und Father George Coyne

Beitragvon El Schwalmo » So 14. Dez 2008, 11:35

ganimed hat geschrieben:Schauen wir Atheisten mal in Ruhe, was sie daraus noch basteln.

als Agnostiker stelle ich mir vor, dass es irgendwann mal einen Menschen gegeben hat, dem sich der wahre Gott geoffenbart hat, und der dann eine Religion gründete, die den richtigen Gott verehrte. Dummerweise sind diese Menschen ausgestorben und nun verehren alle Religionen falsche Götter.

Dann haben wir die hübsche Situation, dass es den 'unbekannten Gott' wirklich gibt, und alle liegen falsch. Die Atheisten, weil es doch einen Gott gibt, die Angostiker, weil sie ihn nicht erkennen, und alle Theisten, weil sie, sobald sie konkret werden, auch falsch liegen.

Okay, okay, auf die Idee kamen auch schon Andere.
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Re: Richard Dawkins und Father George Coyne

Beitragvon ostfriese » So 14. Dez 2008, 12:17

El Schwalmo hat geschrieben:Dann haben wir die hübsche Situation, dass es den 'unbekannten Gott' wirklich gibt, und alle liegen falsch. Die Atheisten, weil es doch einen Gott gibt, die Angostiker, weil sie ihn nicht erkennen, und alle Theisten, weil sie, sobald sie konkret werden, auch falsch liegen.

Und Du weißt natürlich, dass man nicht falsch liegen kann, wenn man etwas nicht erkennt (und folglich auch nichts darüber aussagt). Das sehr dezent verpackte Eigenlob eines Agnostikers... :applaus:

Aber:
Atheisten liegen mit hoher Wahrscheinlichkeit richtig, wenn sie hypothetisch annehmen, dass über die erkennbare Natur hinaus nichts existiert.
Agnostiker liegen richtig, wenn sie Theisten klar machen, dass wir über "Transzendentes" keine Erkenntnisse mit (vorläufig) akzeptierbarem Wahrheitsanspruch gewinnen können, da sich private "Offenbarungen" intersubjektiver Kritik entziehen.
Und sie liegen falsch, wenn sie Atheisten einzureden versuchen, alle Erkenntnis sei gleichermaßen unsicher.
Theisten liegen mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit falsch, wann immer sie über Gott oder das Jenseits Konkretes aussagen.

Wie heißt es doch so schön in Kästners "Das fliegende Klassenzimmer":

Forscht, wo ihr was zum Forschen findet.
Das Unerforschliche lasst unergründet.

Den Atheisten fällt es am leichtesten, sich hieran zu halten (da sie nicht an die Existenz von Unerforschlichem glauben), während für die Theisten ihre halbe Welt in ewiges Dunkel fiele, wenn sie die Empfehlung ernst nähmen. Tun sie natürlich nicht, sondern betreiben weiter fröhlich "Theologie"...
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Re: Richard Dawkins und Father George Coyne

Beitragvon El Schwalmo » So 14. Dez 2008, 12:27

ostfriese hat geschrieben:Das sehr dezent verpackte Eigenlob eines Agnostikers... :applaus:

vielen Lieben Dank.

Mit Amüsemang habe ich das Hohe Lied des Atheismus vernommen.
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Re: Richard Dawkins und Father George Coyne

Beitragvon ostfriese » So 14. Dez 2008, 12:43

Über die alles entscheidende Frage bügelt Father George Coyne erwartungsgemäß mit Unfehlbarkeitsattitüde hinweg:

Of course there ist positive evidence for the supernatural.

Und wenn Naturalisten dies nicht wahrhaben wollen, dann liegt es eben daran, dass die naturwissenschaftlichen Methoden ungeeignet sind, diese Offenbarungen zu registrieren.

Aber an dieser Stelle sind die Naturalisten im Diskurs eben längst in Führung. Denn Neurowissenschaftler können bereits viel mehr registrieren, als sich viele Theisten träumen lassen, und sie bieten für diese Phänomene sehr viel weniger redundante, dafür umso plausiblere Erklärungen an als die Theologen. Vor allem aber sind diese Erklärungen rational kritisierbar.


Edit: Sehr bemerkenswert finde ich allerdings, dass Coyne sich ausdrücklich vom "God of the gaps" distanziert. Die Feinabstimmung des Universums als Schöpfungsbeweis rundweg auszuschlagen ("an absurdity"), ist für einen Theologen schon sehr stark. :up: An dieser Stelle merkt man, dass er als Astronom wissenschaftlich zu denken gelernt hat.

Schade, dass er kurz zuvor meint, mit Thomas von Aquin von der Bewegung auf einen ersten Beweger schließen zu können. Das ist weniger stark... :nosmile:
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Re: Richard Dawkins und Father George Coyne

Beitragvon ostfriese » So 14. Dez 2008, 14:20

Und letztlich hat Coyne auf die Frage, warum er glaubt, nicht mehr zu vorzubringen, als dass sich ihm Gottes Liebe offenbart habe (Carl Sagan hat's nur noch nicht gemerkt, sehr witzig).

Dafür, dass er einer bestimmten religiösen Tradition die Treue hält (in seinem Fall an Jungfrauengeburt und Auferstehung des Gottessohnes glaubt), bleibt er sogar jede Begründung schuldig und wird sichtlich verlegen, als Dawkins hier insistiert.

Dabei wäre das genau die Frage, auf die alle, die Religionen jenseits privaten Glaubens etablieren wollen, eine halbwegs belastbare Antwort haben sollten. An dieser Stelle enttäuscht er mich als Priester, nicht als Wissenschaftler.

Und als Philosoph enttäuscht er mich, wenn er ernstlich postuliert, Menschen würden ihren Tod überleben, Schimpansen jedoch nicht. Durch Interpretation wissenschaftlicher Befunde gelangt man jedenfalls nicht zu diesem speziezistischen Bekenntnis.
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Re: Richard Dawkins und Father George Coyne

Beitragvon Myron » So 14. Dez 2008, 17:02

"Die Kirche lehrt, daß jede Geistseele unmittelbar von Gott geschaffen ist [Vgl. Pius XII., Enz. ,,Humani generis" 1950: DS 3896; SPF 8.]- sie wird nicht von den Eltern ,,hervorgebracht" - und daß sie unsterblich ist [Vgl. 5. K. im Lateran 1513: DS 1440.]: sie geht nicht zugrunde, wenn sie sich im Tod vom Leibe trennt, und sie wird sich bei der Auferstehung von neuem mit dem Leib vereinen."

(Katechismus der Katholischen Kirche, §366)

Der Theismus setzt bekanntlich den Substanzdualismus voraus, dem zufolge die Seelen ebenso eine grundlegende Art von "Substanz", d.i. von selbstständiger Wesenheit, bilden wie die Körper.
Aus darwinistischer Sicht sind jedoch alle Träger psychischer Eigenschaften Organismen, d.h. materielle Gebilde, deren psychische Eigenschaften sich ebenso im Laufe der ganz natürlichen Evolution herausgebildet haben wie deren physische Eigenschaften.
Wenn die RKK also den (Neo-)Darwinismus akzeptiert, dann nur als eine Evolutionstheorie, die die Entwicklung von Körpern betrifft, aber nicht die Seelen, die ja—siehe oben—auf übernatürliche Weise direkt von Gott erschaffen worden sind und somit keine Produkte der natürlichen Evolution sind.
Eine natürliche Evolution der Seele, des Geistes hat der RKK zufolge nicht stattgefunden!
In dieser Hinsicht ist und bleibt sie radikal antidarwinistisch und supranaturalistisch gesinnt!
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Re: Richard Dawkins und Father George Coyne

Beitragvon folgsam » So 14. Dez 2008, 17:21

Hier schlägt dir Coyne ein schnippchen und sagt: An Seelen glaube ich nicht, diese sind nicht unbedingt nötig um Katholik zu sein. Man kann gewisse Bibelstellen so interpretieren, aber man muss nicht.

Gewitzter Hund, aber natürlich legitim.
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Re: Richard Dawkins und Father George Coyne

Beitragvon El Schwalmo » So 14. Dez 2008, 17:31

Myron hat geschrieben:In dieser Hinsicht ist und bleibt sie radikal antidarwinistisch und supranaturalistisch gesinnt!

nicht nur in dieser. Schönborn hat in seinem OpEd in der NYT nur das ausformuliert, was auch JPII explizit gesagt hat, und worauf sich auch Coyne beruft. Die RKK hat Evolution immer nur im Sinne von Deszendenz anerkannt, nie aber im Sinne durchgängig naturalistischer Mechanismen.

Einer der Wenigen, die das explizit darstellen, ist

Junker, T. (2007) 'Schöpfung gegen Evolution - und kein Ende? Kardinal Schönborns Intelligent-Design-Kampagne und die Katholische Kirche' in: Kutschera, U.; (Hrsg.) 'Kreationismus in Deutschland. Fakten und Analysen' Berlin, LIT-Verlag S. 71-97


Die RKK erkennt gerade das Spezifikum des Darwinismus, eben die Selektionstheorie als Zufallstheorie, nicht an. Es ist Augenwischerei, wenn Evolutionsbiologen darauf abheben, dass 'Zufallstheorie' eine Fehlbezeichnung ist, weil die Selektion als nicht-zufälliges Element hinzukommt. Wenn man das aber näher analysiert entstehen die Neuheiten ('Variation') eben doch zufällig (bestenfalls im Rahmen von constraints, die kanalisierend wirken und den Zufall 'zähmen'), zumindest wenn man unter 'Zufall' das versteht, was in Kreisen von Evolutionsgegnern üblich ist: alles, was ohne Lenkung abläuft. In diesem Sinn ist sogar die Bildung eines Kristalls 'zufällig'.
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Re: Richard Dawkins und Father George Coyne

Beitragvon Myron » So 14. Dez 2008, 17:41

folgsam hat geschrieben:Hier schlägt dir Coyne ein schnippchen und sagt: An Seelen glaube ich nicht, diese sind nicht unbedingt nötig um Katholik zu sein. Man kann gewisse Bibelstellen so interpretieren, aber man muss nicht.
Gewitzter Hund, aber natürlich legitim.


"A physical object is a spatial substance: a substance that is located in space. A soul is a nonspatial substance that has mental properties; it is a substance which is not located in space and which is conscious, or at least capable of consciousness: Because God is a nonspatial conscious substance, God is a soul."

"Ein physisches Objekt ist eine räumliche Substanz: eine Substanz, die einen Ort im Raum hat. Eine Seele ist eine unräumliche Substanz, die psychische Eigenschaften hat; sie ist eine Substanz, die keinen Ort im Raum hat und die bei Bewusstsein oder zumindest bewusstseinsfähig ist: Weil Gott eine unräumliche bewusste Substanz ist, ist Gott eine Seele."
[© meine Übers.]

(Hoffman, Joshua, and Gary S. Rosenkrantz. The Divine Attributes. Oxford: Blackwell, 2002. p. 39+)

Ob man Gott nun als eine Seele oder einen Geist bezeichnet, ist gehupft wie gesprungen.

Im Katechismus steht:

"§367: Manchmal wird die Seele vom Geist unterschieden. So betet der hl. Paulus: ,,Gott ... heilige euch ganz und gar und bewahre euren Geist, eure Seele und euren Leib unversehrt, damit ihr ohne Tadel seid" bei der Wiederkunft des Herrn (1 Thess 5,23). Die Kirche lehrt, daß diese Unterscheidung die Seele nicht zweiteilt (...)"

Entsprechenderweise wird im Katechismus der Begriff "Geistseele" verwendet, wohl um deutlich zu machen, dass zwischen der Seele und dem Geist kein ontologisch relevanter Unterschied besteht.
Wer an Gott glaubt—und das tut der gute Father ja wohl—, der glaubt an eine göttliche Seele, einen göttlichen Geist, eine göttliche Geistseele. Und der Glaube an menschliche Seelen, Geistseelen, die Gott "nach seinem Bilde" geschaffen hat, ist dem Theismus nicht minder wesentlich.
Wer den Glauben an göttliche oder menschliche Seelen aufgibt, der verabschiedet sich damit vom Theismus!
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Re: Richard Dawkins und Father George Coyne

Beitragvon folgsam » So 14. Dez 2008, 17:51

Das sind Probleme die Mr. Coyne mit sich und seinen Glaubensbrüdern ausbaldowern darf.
Ich bin mir fast sicher, dass es da einiges Konfliktpotential gab und gibt.
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Re: Richard Dawkins und Father George Coyne

Beitragvon Myron » So 14. Dez 2008, 17:57

El Schwalmo hat geschrieben:Die RKK hat Evolution immer nur im Sinne von Deszendenz anerkannt, nie aber im Sinne durchgängig naturalistischer Mechanismen.


Die Anerkennung des (Neo-)Darwinismus durch die RKK ist heuchlerisch, um nicht zu sagen verlogen.

El Schwalmo hat geschrieben:Die RKK erkennt gerade das Spezifikum des Darwinismus, eben die Selektionstheorie als Zufallstheorie, nicht an. Es ist Augenwischerei, wenn Evolutionsbiologen darauf abheben, dass 'Zufallstheorie' eine Fehlbezeichnung ist, weil die Selektion als nicht-zufälliges Element hinzukommt. Wenn man das aber näher analysiert entstehen die Neuheiten ('Variation') eben doch zufällig (bestenfalls im Rahmen von constraints, die kanalisierend wirken und den Zufall 'zähmen'), zumindest wenn man unter 'Zufall' das versteht, was in Kreisen von Evolutionsgegnern üblich ist: alles, was ohne Lenkung abläuft. In diesem Sinn ist sogar die Bildung eines Kristalls 'zufällig'.


"An welcher Stelle spielt der Zufall (stochastische Prozesse) für die Selektion eine Rolle?
Der erste Schritt der Selektion, die Entstehung genetischer Variationen, ist fast ausschließlich vom Zufall bestimmt, allerdings mit der Einschränkung, dass an einem bestimmten Genlocus nur ganz bestimmte Arten von Veränderungen stattfinden können. Auch im zweiten Schritt, der Beseitigung weniger geeigneter Individuen, spielt der Zufall eine bedeutende Rolle. Besonders wichtig dürfte der Zufall in Phasen des Massenaussterbens sein, wo er häufig allein das Überleben bestimmt."


(Mayr, Ernst. Das ist Evolution. Übers. S. Vogel. München: Goldmann, 2005. S. 343)
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Re: Richard Dawkins und Father George Coyne

Beitragvon ostfriese » So 14. Dez 2008, 18:00

El Schwalmo hat geschrieben:Die RKK erkennt gerade das Spezifikum des Darwinismus, eben die Selektionstheorie als Zufallstheorie, nicht an.

Aber an dieser Stelle liegt Coyne mit ihr klar überkreuz, denn er äußert dezidiert, dass Theologen einen Fehler machen, wenn sie "Gott" irgendwie ins Bild wissenschaftlicher Explanationen zu mogeln versuchen.
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Re: Richard Dawkins und Father George Coyne

Beitragvon Myron » So 14. Dez 2008, 18:15

ostfriese hat geschrieben:Aber an dieser Stelle liegt Coyne mit ihr klar überkreuz, denn er äußert dezidiert, dass Theologen einen Fehler machen, wenn sie "Gott" irgendwie ins Bild wissenschaftlicher Explanationen zu mogeln versuchen.


Coyne geht davon aus, dass sich die Naturwissenschaft per se nur mit natürlichen Phänomenen befassen kann bzw. soll.
Man kann die Wissenschaften, d.h. sowohl die Natur- als auch die Sozialwissenschaften, aber auch allgemein als Wirklichkeitswissenschaften auffassen, sodass alles, was Teil der Wirklichkeit ist, sei es natürlich oder übernatürlich, in ihren Zuständigkeitsbereich fällt. Wenn Gott existiert und er ein realer Faktor im Weltgeschehen ist, dann muss ihn die Wirklichkeitswissenschaft, die mehr ist als eine "bloße" Naturwissenschaft, als Explanans in Betracht ziehen.
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Re: Richard Dawkins und Father George Coyne

Beitragvon El Schwalmo » So 14. Dez 2008, 18:26

Myron hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Die RKK hat Evolution immer nur im Sinne von Deszendenz anerkannt, nie aber im Sinne durchgängig naturalistischer Mechanismen.

Die Anerkennung des (Neo-)Darwinismus durch die RKK ist heuchlerisch, um nicht zu sagen verlogen.

hmmm, ich bin mir nicht sicher, ob die RKK den (Neo-)Darwinismus jemals offiziell anerkannt hat. Denn der hat nur am Rande etwas mit Deszendenz zu tun, sondern ist eine Auffassung von Evolutionsmechanismen. Das sind zwei vollkommen verschiedene Paar Stiefel. Um 1900 wurde die Selektionstheorie allgemein als widerlegt angesehen, aber so gut wie alle Biologen gingen von Deszendenz aus. Das Pikante ist, dass genau das, für das Darwin so hoch gelobt wird, nämlich einen Mechanismus für den Artenwandel vorgeschlagen zu haben, eigentlich gar nicht stimmt, denn genau das (die Selektionstheorie, 'my theory') war bis in die 1930er Jahre zumindest heftig umstritten, wurde dann Standard, und seit den 1970er-Jahren spielt sie, wenn man genauer hinschaut, eher eine Nebenrolle. In vielen Arbeiten von Evolutionsbiologen findet man 'Selektion' in irgendwelchen Zusammenhängen, wenn man aber meint, in den Arbeiten fände man Inhalte der Selektionstheorie (tm), muss man etwas genauer hinsehen.

Okay, das ist ein komplexes Thema. Es gibt auch Theologen in der RKK, die im Darwinismus eine Möglichkeit zur Lösung der Theodizee-Frage sehen (Ayala beispielsweise lernte das im Priesterseminar, und interessanterweise aus diesem Grund ID ablehnen). Auch wenn es unglaublich klingt, ein Theologe meint sogar, den Neodarwinismus über die via quinta als Gottesbeweis instrumentalisieren zu können:

Rhonheimer, M. (2007) 'Neodarwinistische Evolutionstheorie, Intelligent Design und die Frage nach dem Schöpfer. Aus einem Schreiben an Kardinal Christoph Schönborn' IMABE 14 (1):47-81
URL: <http://www.imabe.org/index.php?id=600>

(Mayr, Ernst. Das ist Evolution. Übers. S. Vogel. München: Goldmann, 2005. S. 343)

Nun ja, erfreulicherweise hat sich Ernst Mayr im Laufe seines langen Lebens immer wieder mal genauer überlegt, was er zu bestimmten Themen schreiben sollte. Mayr hat es doch tatsächlich fertig gebracht, jahrzehntelang andere Evolutionsbiologen von oben herab zu belehren, dass diese nicht verstünden, wie subtil Selektion doch verlaufe, nur um dann gegen Ende seines Lebens selber einzusehen, dass er selber nicht so recht verstanden hatte, wie 'Selektion' eigentlich verläuft.

Gerade die Konsequenzen von Massensterben waren ein extrem harter Brocken für die STE, deren Mitbegründer Mayr doch war. Ganz nett dargestellt in

Sepkoski, D. (2008) 'Macroevolution' in: Ruse, M.; (ed.) 'The Oxford Handbook of Philosophy of Biology' Oxford; mult., Oxford University Press S. 211-237

Wenn man Dawkins genauer liest, merkt man sehr genau, wie gerne 'gewisse Kreise' die Rolle des Zufalls in der Evolution lieber gering ansetzen wollten. Denn dann wird sie intelligibel, und es wird einfacher, ein 'intellectually fulfilled atheist' zu sein.
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