Einsteins Theorien sagten voraus, dass die Gravitation des Merkur, das Licht eines Sternes „dahinter“ würde ablenken müssen, der Stern sollte am Himmel an einer anderen Position erscheinen als bisher.
Das ist eine robuste und falsifizierbare Prognose – obendrein eine, die wirklich eintrat.
Auch das Beispiel mit dem radioaktiven Zerfall ist eher ungeeignet, da dieser ja sehr genau zu bestimmen ist, man weiß nur nicht, welcher Kern als nächster „dran“ ist.
Dass die Biologie komplexer und damit „unexakter“ ist (bzw. von uns schlechter durchschaut werden kann, ob sie wirklich unexakter ist, wissen wir demzufolge gar nicht), mache ich ihr nicht zum Vorwurf. Man findet dort Puffersysteme und allerlei, die eben monokausale Ursache-Wirkungsmechanismen als Erklärungsursache unzureichend erscheinen lassen.
Fraglich erscheint mir, ob bei einem solchen Befund der Reduktionismus, in der weitreichenden Form, überhaupt ein sinnvolles Konzept ist. Warum, wenn Eigenschaften hinzukommen, die in der Sprache der Reduktion weder einen Sinn, noch ein Äquivalent haben – was bspw. ist denn Leben, in der Sprache der Physik? – sollte man alles auf Physik runterbrechen wollen?
So klar manche das sehen, so fragwürdig erscheint mir, warum derselbe Fehler ein Stockwerk höher dann gleich wiederholt wird. Warum muss menschliches Verhalten, das doch sehr komplex ist nun ums Verrecken biologisiert werden? Wo ist der Gewinn? (Und was ist ein Argument, in der Sprache der Biologie?)
Was wir lesen ist Geschwurbel, sind Plattitüden und oft genug eine Aneinanderreihungen von Denkfehlern. Selbst auf wiki findet man Formulierungen die eigentlich den geistesgeschichtlichen Wert der ET betonen und dass sie ja intuitiv einleuchtend, wenn auch schwer zu formulieren sei.
Anders formuliert: „Och Menno, jetzt sei mal nicht so kritisch und stell nicht immer so komische Fragen, irgendwann muss auch mal gut sein.“ Tatsächlich?
Die ganz andere Frage lautet: Aber was dann? Nun, aus meiner Sicht, sicher kein primitiver Schöpfungsmythos, der im wortwörtlichen Sinne glauben machen will, die Erde und der Mensch seien so und nicht anders entstanden. Persönlich sehe ich den Wert dieser Mythen auch nicht in der Klärung von Fakten und wo man darauf besteht, dass diese genau so und nicht anders gewesen seien, bin zumindest ich nicht im Boot, dennoch ist mein Eindruck, dass lange nicht alle Religiösen der Auffassung sind, man könne nur Christ sein, wenn man glaubt die Erde sei vor 6000 Jahren entstanden, oder Buddhist, wenn man an die Jungfrauengeburt glaubt.
Man muss aber nicht schizophren sein, um sich für Astronomie, das Periodensystem der Elemente, Verhaltensforschung, Mythen, Psychologie, Philosophie und Mystik zu interessieren. Von denen die das glauben, hätte ich gerne erklärt, wie sie mit ihrer eigenen „Schizophrenie“ zurecht kommen, die Überlegenheit gegenüber dem Glauben zu bekunden und dann nicht zu merken, was für ein Kuckucksei man da mit der ET im Nest hat.
Die beständige und wechselseitige Versicherung man sei da auf der Seite der Guten, der Rationalen, der Seriösen sind ja klassische Elemente der Mythenbildung. So hält man die Reihen geschlossen, aber die seitenlang erlebte Unfähigkeit überhaupt zu formulieren, worin die Überlegenheit denn nun liegt, ist ja bezeichnend.
Was Luhmann angeht: Ich finde den durchaus auch interessant – sofern ich ihn verstanden habe, was mir nicht immer gelungen ist – meine Kritik galt den erwähnten Punkten, aber wer wäre nicht zu kritisieren? Die größten Bauchschmerzen habe ich mit den Leuten, deren Ideen ich selbst anhänge, das ist ja gerade das Problem, dass nichts so richtig aufgeht.
Ein Wilber hat schon schöne Vorstöße unternommen um bspw. Wissenschaft und Mystik zu vereinen, doch bei aller Wertschätzung die ich für ihn habe (und dessen Werke kenne ich tatsächlich mal gut), kann ich die eklatanten theoretischen Mängel nicht ausblenden. (Auch wenn das in unseren Kreisen lange nicht jeder so sieht, so wie man hier eben auch einfach nicht erkennen kann, was denn an der ET so problematisch sein soll. Wäre sie von Rudolf Steiner, was meinst Du, wie schnell sie wohl zerschossen würde, von denselben Leuten, die sie jetzt in Ehren halten und einfach keinen Fehler erkennen können?)
Man muss m.E. auch gar nicht bis zum Münchhausentrilemma gehen (das ist ja eine Fundamentalkritik am kausalen Denken), die Schwierigkeiten der ET beginnen sehr viel früher (und liegt innerhalb des Rahmens der hier eben gewöhnlich benutzt wird).
Und das „Problem“ der ET ist ja, dass sie gar nicht gegen die Wirklichkeit verstoßen kann. Was immer man vorfindet, ist ja Teil der Evolution und bekommt, wie laie so richtig schreibt, seine passende Erklärung – nachträglich. Der „Nutzen“ ist schon eingepreist, die Fakten, werden noch gesucht.
Dass das Verhalten „egoistisch“ motiviert sein muss steht fest, die Begründungen werden noch geliefert. In dem Cartoon am Anfang des Threads (Seite 1) sollte genau diese Arbeitsweise noch den Unterschied zwischen Wissenschaft und Kreationismus markieren.
Und am Anfang des Threads hieß es:
Lumen hat geschrieben:Ansonsten finde ich es für einen Wissenschaftler schon sehr schwach, wenn vollkommen unzusammenhängende "Theorien" des Glaubens ineinandergesetzt werden und suggeriert wird, als verberge sich da irgendeine Wahrheit.
In der Tat.
Dabei schätze ich den Wert nachträglicher Interpretationen durchaus hoch ein. Die Psychoanalyse macht nichts anderes. Alles womit sich an Analytiker beschäftigt ist ebenfalls schon passiert, vorbei, Geschichte. Warum rührt man in dem Kram noch mal rum? Weil der persönliche Mythos, den jeder von der eigenen Lebensgeschichte hat, manchmal nicht mehr hinreichend in der Lage ist, die Ereignisse des Lebens zu erklären. Dann braucht man eine bessere Erklärung (in dem Fall eine, die bis dato unbewusste Bereiche mit in die Interpretation mit einbezieht). Am Ende hat man einfach nur eine bessere Geschichte, aber die verändert viel, sehr viel – bis zur Hirnstruktur.
Dasselbe muss man für die ET auch gelten lassen. Inklusive der Verdrängungsschranke. In der Analyse arbeitet man ständig mit heißen Eisen, zumindest für den Patienten. Da wird alles aufgedeckt, was keinen Spaß macht. „Könnte es sein, dass das Neid ist, den sie fühlen?“ „Sind sie vielleicht auch wütend auf ihren Vater, dass er sie im Stich ließ, neben der Trauer über seinen plötzlichen Tod?“ Zum geeigneten Zeitpunkt zwingen einen solche Deutungen, das eigene Leben umzuschreiben.
Das könnte auch für die ET gelten. Es kann ja durchaus als kränkend empfunden werden, vom Affen abzustammen. Ein „Tier“ zu sein. Egoistisch motiviert zu sein. Nur gibt es den schönen Spruch: „Wenn eine Deutung zutrifft, dann
trifft sie auch.“ Nur, wer von uns ist denn nicht bereits in dem Bewusstsein groß geworden, dass wir von den Affen abstammen? Und der Egoismus? Klar, sind wir immer auch egoistisch, man kann sich nicht mit Psychologie beschäftigen und das nicht wissen. Aber nur? Ausschließlich? Und dann noch so gewendet, dass der Egoismus am Ende doch altruistisch ist, aber weiter darauf bestanden wird, es sei Egoismus? Wo ist der Mehrwert, der Erkenntnisfortschritt? Das ist einfach ne Luftnummer, kreationistische Denke.
(Und ganz nebenbei kommen Affektforscher zu ganz anderen Ergebnissen.)
Persönlich glaube ich auch an die ET, wenigstens im pflanzlichen und tierischen Bereich. Darüber hinaus, sind die simplen Prinzipien der ET m.E. völlig unangemessen menschliches Verhalten zu erklären und ob Anpassung der beste Modus ist (oder auch nur der erfolgreichste) darüber darf man streiten, gerade vor einem politischen Hintergrund.
Der Mensch hat sein Schicksal – im Rahmen seiner Möglichkeiten – selbst in die Hand genommen, das weiß nun jeder, dass er dabei nicht gegen die Naturgesetze verstoßen haben kann und was das genau bedeutet, das ist eine echte Herausforderung, die in den Kompatibilismus führt.
Hier ist die Messe keinesfalls gelesen und hier geht es auch noch mal an die Grundfesten der ET.
Zufall und Notwendigkeit, heißt es da immer. Was ist denn Zufall? Echter Zufall?
Der radioaktive Zerfall ist gesetzmäßig wie eine Quarzuhr, wir verstehen nur das Gesetz nicht.
Mutationen stehen nicht außerhalb der Naturgesetze, wie könnten sie? Also sind auch sie gesetzmäßig. Wo ist also der Zufall hin? Und wenn wir als Beobachter zweiter Ordnung keinen Einblick ins Räderwerk haben, so heißt das nicht, dass der Ablauf nicht streng determiniert sein könnte. Aus Zufall und Notwendigkeit würde Notwendigkeit und Notwendigkeit.