mat-in hat geschrieben:Darth Nefarius hat geschrieben:Nö, ich verlange weder vom Menschen noch von Göttern Ge/Verbote, beides ist nicht notwendig. Ge/verbote vom Menschen werden auch nur zu gerne metaphysische Konstrukte bemüht. Warum überhaupt etwas sollen? Warum reicht euch der eigene Wille nicht?
DU bist ja auch einer dieser elenden Freidenker. Es gibt eine Menge Menschen die das nicht selbst können und eine erstaunliche Anzahl die das könnten aber nicht wollen.
Dann müssen wir unseren Beitrag als Freidenker doch nicht auch noch zu einer willenlosen gesellschaft leisten, oder? Ich habe kein Bestreben, mir auch noch atheistische/naturalistische Glaubenssätze aufzulasten. Ich tue nur, was ich will und das übreschneidet sich auch meistens mit den, was die anderen wollen (und was als Gesetz formuliert ist). Eine atheistische Partei könnte mit
Vorschlägen, nicht mit
Impreativen glänzen.
Nanna hat geschrieben:Kollektive lassen sich nicht so organisieren, wie du dir das vorstellst. Die brauchen gemeinsame Wertmaßstäbe und geteilte Narrative, damit sie funktionieren.
Sie lassen sich durch Vorschläge/Ratschläge organisieren. Letztlich sind Gesetze auch nur Vorschläge, sie als solche zu erkennen und später auch zu formulieren wäre nur eine Formalität, die aber mehr Mündigkeit voraussetzen müsste. Viele Politiker und andere erkennen, dass Gesetze nur Vorschläge sind, sie lassen sich biegen, umgehen oder einfach ignorieren.
Nanna hat geschrieben:Um es mal in ein biologistisches Vokabular zu übersetzen, das es für dich vielleicht einfacher macht, der Idee etwas abzugewinnen: Geteilte Vorstellungen dienen dem Energiesparen, weil so nicht bei jeder Begegnung neu von Grund auf ausgehandelt werden muss, wie zwei sich Begegnende miteiander umgehen sollen. Stattdessen gibt es ein Set an Routinen, die als bekannt vorausgesetzt werden können und die den Informationsaustausch standardisieren und Vertrauensräume schaffen (etwa, dass - ganz grundsätzliches Beispiel - das Gebot des Nicht-Tötens gilt und man deshalb nicht dauernd sein Schießeisen mitschleppen muss).
Diese Routine wäre auch durch eine Art nichtbindende Etikette, einem Vorschlägekatalog (mit entsprechender Begründung), gegeben. Imperative schalten das Gehirn aus, sie werden immer schlecht begründet.
Nanna hat geschrieben:Du gehst recht unbeschwert davon aus, dass jeder einfach seinen Willen rational verfolgen sollte und dann alles andere sich schon irgendwie finden würde. Das entspricht dem Denken des Realismus in der Lehre von den Internationalen Beziehungen. Der gilt allerdings auch schon lange nicht mehr uneingeschränkt, weil er eben übervereinfacht und auf viele Szenarien nicht anwendbar ist.
Nein, ich glaube nur, dass die Evolution uns zu ausreichend rationalen Wesen gemacht hat, dass wir einfach unser Bauchgefühl mit ein wenig Denken so kombinieren können, dass wir und unsere Umgebung zufrieden ist. Faktisch gehen wir immer nach unserem Bauchgefühl, ich will nur den Selbstbetrug durch das nichtexistente "Sollen" und diese vermeindliche Objektivität loswerden. Dieses Konzept galt immer auf unterschiedlichen Bewusstseinsebenen (damit meine ich nichts metaphysisches, sondern die Ebene an Reflexion).
Nanna hat geschrieben:Was einzelne Menschen angeht, zeigt schon die Psychologie, wie hochgradig wir unsere Emotionen rationalisieren, also sprich, häufig erst finden, dass etwas sich richtig anfühlt und hinterher rationale Gründe dafür suchen, das aber zeitlich und denkerisch so eng, dass uns das selten auffällt und umso weniger, je weniger wir uns dieses Mechanismus bewusst sind (anders gesagt, wer sich absolut und unverbrüchlich für rein rational hält ist es sehr wahrscheinlich schonmal nicht).
Ja, diese Rationalisierung ist purer Selbstbetrug, der den Verstand ausschaltet. Sie erfolgt meistens als ethisch-moralische Rechtfertigung und nicht als logisch-egoistische. WIe gesagt, wir handeln so oder so nach unserem Bauchgefühl, oder wollen es zumindest. Wenn wir das schon nicht unterdrücken können (und auch nicht sollten), können wir es durch Logik und den rationalen Egoismus kanalysieren. Ich war nie ein Vertreter des Vernunftkonzepts. Ich denke mir nur, dass Tiere gewiss soetwas nicht besitzen und dennoch instinktiv meist das beste für sich und ihre Artgenossen tun. Siem sind quasi mit sich im Einklang und empfinden ihre eigenen Triebe nicht als schändlich, diese haben sie wie uns zu dem gemacht, was sie sind und das Überleben gesichert.
Nanna hat geschrieben:Natürlich kann man dann immer noch sagen, dass man rational die Ziele verfolgt, die einem der eigene Kopf aus seiner rational-emotionalen Melange serviert, nur muss man sich dann auch die Frage gefallen lassen, inwiefern das nicht schnell Gefahr läuft, völlig willkürliches Verhalten zu erzeugen. Daraus ergibt sich schonmal die erste Maxime (eigentlich die zweite, weil "Folge deinem Willen" auch schon eine Maxime ist), nämlich über sein Verhalten zu reflektieren. Und es legt auch nahe, dass allgemeinverbindliche Regeln sinnvoll sein könnten, was dann schnell ein Geflecht weiterer Maximen ergibt.
Natürlich wäre das willkürlich, genau das will ich ja. Die Alternative wäre unwillkürlich, also eine Gesellschaft ohne Willen. Was ich aber nur vorschlagen will, ist ein Vorschlägekatalog, kein Gesetzbuch voller Imperative. Gewiss wäre ungerechtfertigtes, willkürliches und schädliches Verhalten zu bestrafen. Die Begründung wäre aber nicht der Regelbruch, sondern der mangelnde Verstand, die mangelnde Reflexion des eigenen Handelns und der entstandene Schaden. Ich habe nie gesagt, dass man seinem Willen folgen soll, ich habe es
vorgeschlagen. Auch das reflektieren ist nicht erzwungen, man kann eine Fähigkeit nicht erzwingen. Es sind nur Vorschläge, die aber bei Zuwiderhandlung und Schaden sanktioniert werden müssten. Ein Geflecht von Maximen ist nicht notwendig, sondern nur eine leichte Konditionierung.
Nanna hat geschrieben:Klar wäre so ein maximenloses Leben auf den ersten Blick erstmal viel einfacher, aber bei genauerer Betrachtung entkompliziert es eigentlich überhaupt nichts. Es sind die Regelwerke, die wirklich die Macht haben, Abläufe zu vereinfachen, was natürlich wieder zu einem Preis führt, der an anderer Stelle zu entrichten ist. Manchmal gibt's halt keine wirklich einfache, elegante Lösung. Was widerum zur Maxime führt, über das Reflektieren zu reflektieren und das dauerhaft.
Es würde so ziemlich alles entkomplizieren, die Nachteile, die du aufgezählt hast, würden nur bei roher Willkür, nicht bei konditionierter Willkür eintreten (um Missverständnisse auszuschließen: In der Biologie bedeutet Willkür, dass z. Bsp. ein Muskel durch den bewussten Willen gesteuert werden kann). Das einzige, was die Willkür nicht vereinfachen würde, wäre in der Tat die Entscheidungsfindung. Aber genau das strebe ich auch an. Wenn Regeln und Dogmen die rohen Instinkte ohne Reflexion zulassen und begünstigen, werden zwar Entscheidungen schneller getroffen, aber die Qualität dieser wäre nicht erstrebenswert. Die Konsequenz der Willkür wären durchdachtere Handlungen, die allerdings natürlich mehr Zeit beanspruchen. Die Reflexion kann man wie gesagt nicht erzwingen, mit keiner Maxime.