Gottes Jahrhundert?

Für Artikel, Video- oder Audiomaterialien, die im Zusammenhang mit der Thematik der Brights-Bewegung stehen.

Gottes Jahrhundert?

Beitragvon Vollbreit » So 10. Jun 2012, 11:42

Und mal wieder ein interessanter Link, der richtig gut ins Forum passt:

"Die amerikanische Politikwissenschaftlerin Monica Toft prophezeit uns eine machtvolle Rückkehr der Religion in die Weltpolitik."

http://www.zeit.de/2012/23/Interview-Toft
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Re: Gottes Jahrhundert?

Beitragvon Darth Nefarius » So 10. Jun 2012, 18:48

Naja, dass die Anzahl der "Gläubigen" "boomt" hat hauptsächlich mit dem Bevölkerungswachstum in den dritte-Welt-Ländern zu tun, das unterschlägt sie. Ich mache mir nicht mehr Sorgen als sonst. Die Akademiker werden gerade in Harvard diese Frau nicht ernst nehmen.
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Re: Gottes Jahrhundert?

Beitragvon Lumen » So 10. Jun 2012, 19:12

Finde die Antworten auch eher putzig. Da werden all die fürchterlichen Beispiele genannt, aber sie bügelt sie einfach mit einer Bewertung weg (die ihr genehm ist): "Entscheident ist aber, dass religiöse Gruppen häufiger eine positive Rolle spielten bei der Demokratisierung als eine negativer". Sehe ich nicht. Die Standardsituation hierfür ist doch in der Regel Religion vs. Real-Kommunismus. Der Grund für den Einsatz hat keine Gründe in der Demokratie oder Menschenrechten etc. sondern schlicht damit zu tun, dass kommunistische Ideologie und religiöser Glauben als jeweils totalitäre Glaubenssysteme sich spinnefeind sind, da sie diesselbe Nische besetzen wollen. Totalitäre Herrscher finden es allgemein nicht gut, wenn die Schäfchen sich noch von einer anderen Kanzel aus beeinflussen lassen.
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Re: Gottes Jahrhundert?

Beitragvon mat-in » So 10. Jun 2012, 19:50

Naja, der Fundamentalismus macht sich auch hier breit... und ich meine jetzt nicht ausschließlich den Islam. Spinner die Kreationsmythen im Biounterricht lehren, usw. gibt es schon eine Weile und es wird gefühlt mehr statt weniger.
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Re: Gottes Jahrhundert?

Beitragvon Vollbreit » Mo 11. Jun 2012, 10:53

Darth Nefarius hat geschrieben:Naja, dass die Anzahl der "Gläubigen" "boomt" hat hauptsächlich mit dem Bevölkerungswachstum in den dritte-Welt-Ländern zu tun, das unterschlägt sie. Ich mache mir nicht mehr Sorgen als sonst. Die Akademiker werden gerade in Harvard diese Frau nicht ernst nehmen.


Die langfristige Frage ist ja, ob es sinnvoll ist die Gläubigen der Welt kalt zu ignorieren oder ob das nicht dazu führen könnte, dass die Gläubigen der Welt irgendwann mal die Akademiker kalt ignorieren.

Lumen hat geschrieben:Finde die Antworten auch eher putzig. Da werden all die fürchterlichen Beispiele genannt, aber sie bügelt sie einfach mit einer Bewertung weg (die ihr genehm ist): "Entscheident ist aber, dass religiöse Gruppen häufiger eine positive Rolle spielten bei der Demokratisierung als eine negativer". Sehe ich nicht.


Die Autorin aber schon und sie hat offenbar dazu geforscht.

Lumen hat geschrieben:Die Standardsituation hierfür ist doch in der Regel Religion vs. Real-Kommunismus. Der Grund für den Einsatz hat keine Gründe in der Demokratie oder Menschenrechten etc. sondern schlicht damit zu tun, dass kommunistische Ideologie und religiöser Glauben als jeweils totalitäre Glaubenssysteme sich spinnefeind sind, da sie diesselbe Nische besetzen wollen. Totalitäre Herrscher finden es allgemein nicht gut, wenn die Schäfchen sich noch von einer anderen Kanzel aus beeinflussen lassen.


Hm, es ist zwar richtig, dass Religion und Kommunismus nicht gut zusammen passen, aber was hat das nun mit der Demokratisierung zu tun?

mat-in hat geschrieben:Naja, der Fundamentalismus macht sich auch hier breit... und ich meine jetzt nicht ausschließlich den Islam. Spinner die Kreationsmythen im Biounterricht lehren, usw. gibt es schon eine Weile und es wird gefühlt mehr statt weniger.


Kannst Du mir mal erklären, warum Religion für Dich offensichtlich gleichbedeutend mit Fundamentalismus ist?
Ist das nicht wieder der Mythos von der guten, aufgeklärten, naturwissenschaftlich ausgerichteten Welt, gegen die böse Dunkelkammer der Religion? Der Mythos von dem naturwüchsig jeder weiß, dass es so ist, ohne die himmelweiten Unterschiede benennen zu können?
Wir waren uns doch im anderen Thread einig, dass ein Wissenschaftler durchaus auch religiös sein kann, warum fällst Du hier wieder hinter die gewonnene Einsicht zurück?
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Re: Gottes Jahrhundert?

Beitragvon Lumen » Mo 11. Jun 2012, 12:32

Vollbreit hat geschrieben:
Lumen hat geschrieben:Die Standardsituation hierfür ist doch in der Regel Religion vs. Real-Kommunismus. Der Grund für den Einsatz hat keine Gründe in der Demokratie oder Menschenrechten etc. sondern schlicht damit zu tun, dass kommunistische Ideologie und religiöser Glauben als jeweils totalitäre Glaubenssysteme sich spinnefeind sind, da sie diesselbe Nische besetzen wollen. Totalitäre Herrscher finden es allgemein nicht gut, wenn die Schäfchen sich noch von einer anderen Kanzel aus beeinflussen lassen.

Hm, es ist zwar richtig, dass Religion und Kommunismus nicht gut zusammen passen, aber was hat das nun mit der Demokratisierung zu tun?


Um Kirchen herum gab es z.B. in der DDR Bürgerrechtsbewegungen gegen das bestehende kommunistische System, also demokratische Bestrebungen. Die Paarung Atheismus > Kommunismus und implizit Religion > Demokratie gehört auch zum Standardrepertoire jedes guten Evangelikalen. Ich will das aber nicht wieder aufkochen. Der Punkt ist, dass sich zwei totale Systeme nicht vertragen, und Demokratie nicht total ist, aber dank Religionsfreiheit komplementär zur Religion funktionieren kann.
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Re: Gottes Jahrhundert?

Beitragvon Vollbreit » Mo 11. Jun 2012, 13:23

Lumen hat geschrieben:Um Kirchen herum gab es z.B. in der DDR Bürgerrechtsbewegungen gegen das bestehende kommunistische System, also demokratische Bestrebungen. Die Paarung Atheismus > Kommunismus und implizit Religion > Demokratie gehört auch zum Standardrepertoire jedes guten Evangelikalen. Ich will das aber nicht wieder aufkochen.


Du möchtest das nicht wieder aufkochen und erwartest zugleich, dass Deine Assoziationsketten unwidersprochen stehenbleiben. Ich finde das sollten sie nicht.
Wer ist denn evangelikal und was hat es mit der These zu tun, dass das Christentum öfter bei der Demokratisierung eines Landes geholfen hat, als geschadet?

Lumen hat geschrieben:Der Punkt ist, dass sich zwei totale Systeme nicht vertragen, und Demokratie nicht total ist, aber dank Religionsfreiheit komplementär zur Religion funktionieren kann.


Ja, zwei totale Systeme vertragen sich nicht gut, die Frage ist, ob wirklich alle religiösen System totalitär sind. Komischerweise kooperiert das in Europa verbreitete Christentum doch sehr gut mit der Demokratie, das war ja der Sachverhalt den Frau Toft auch anmerkte. Auch der Buddhismus ist nicht antidemokratisch, der Hinduismus hat eine große Spannbreite von engstirnigen Fundamentalisten bis zu recht liberalen Gläubigen.

Möglicherweise stimmt das ja nicht oder vielleicht interpretiert sie etwas wohlwollend, dazu müsste man prüfen, was ihre Quellen sind und wie sie dieselben deutet.
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Re: Gottes Jahrhundert?

Beitragvon mat-in » Mo 11. Jun 2012, 13:52

Man beachte bei dem Zeitartikel, das die Interviewte Dame auf einem Stiftungslehrstuhl sitzt, kein voller Professor ist und der "Lehrstuhl" von einer Stiftung finanziert wird, deren Name sich auf einen Christlichen Missionar in Asien bezieht..... nur das man weiß, wo her da Geld, Meinung, usw. wehen. Eigentlich unglaublich, so jemand eine Plattform zu bieten, aber die Zeit... verändert sich in den letzten Monaten nicht zu ihrem Guten.
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Re: Gottes Jahrhundert?

Beitragvon Lumen » Mo 11. Jun 2012, 14:14

Vollbreit hat geschrieben:
Lumen hat geschrieben:Um Kirchen herum gab es z.B. in der DDR Bürgerrechtsbewegungen gegen das bestehende kommunistische System, also demokratische Bestrebungen. Die Paarung Atheismus > Kommunismus und implizit Religion > Demokratie gehört auch zum Standardrepertoire jedes guten Evangelikalen. Ich will das aber nicht wieder aufkochen.


Du möchtest das nicht wieder aufkochen und erwartest zugleich, dass Deine Assoziationsketten unwidersprochen stehenbleiben. Ich finde das sollten sie nicht.
Wer ist denn evangelikal und was hat es mit der These zu tun, dass das Christentum öfter bei der Demokratisierung eines Landes geholfen hat, als geschadet?


Weil es eben zweifelhaft ist, solche Sachen zu sagen. Die Frage die sich mir stellt: was ist der Zweck einer Aussage, jenseits der faktischen Ebene. Nochmal: wenn jemand sich hinstellt und sagt, Hitler und Stalin seien Bartträger gewesen, stellt sich die Frage, was mit der Ausssage, auch wenn sie faktisch wahr ist, bezweckt werden soll. Atheisten sind andauernd dabei dieser Art der Insinuierungen zu widersprechen, was dann putzigerweise als Argument für den Atheismus ausgelegt wird. Das ist der Kontext, in dem sich das Interview und auch deine Aussagen sich bewegen. Es läuft doch darauf hinaus, das Christentum konsistent mit bestimmten wohlgefälligen Begriffen zu paaren und dabei zugleich durch solche Formulierungen wie "atheistischen Regime" zu unterstellen, dass ohne Gott eben keine Moral möglich sei. Dieser Bockmist kommt hier eben nicht durch. Der Interpretationshoheit-Spielchen wonach du festlegst, was zum Kontext gehört und was nicht, lasse ich auch nicht gelten. Das ist natürlich bequem, man setzt den Kontext so, dass man möglichst viele positive Beispiele im Rahmen drin hat und den ganzen negativen Kram ausklammern kann.

Bild
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Gib mir ein Beispiel, wo eine Ideologie hiermit durchkommt und dabei auch noch allgemein relativ glänzend darsteht? Kann man angesicht einer solchen Geschichte Lobeshymnen auf diese Ideologie singen? Ich glaube nicht.

Christentum und Liebe? Christentum und Demokratie. :irre:
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Re: Gottes Jahrhundert?

Beitragvon Vollbreit » Mo 11. Jun 2012, 14:20

@ mat-in:

Was soll das jetzt sein, Verschwörungstheorie oder argumentum ad hominem?
Der Spiegel als katholisches Leitmedium und DIE ZEIT als evangelikales.
Wohin man guckt, nur Feinde und Unterwanderung.

Zum Glück gibt es ja noch Skeptikerorganisationen die voll neutral sind.

Das lese ich gerade was Interessantes:
Michael Hagner hat geschrieben:Vor 25 Jahren hat Mario Bunge – durchaus untypisch für einen Wissenschaftstheoretiker – auf die kommerzielle Unersättlichkeit der Pseudowissenschaften hingewiesen und es als eines der wichtigsten Merkmale herausgestellt, dass sie wesentlich populärer und profitabler seien als die reguläre Wissenschaft. Wer wollte dem widersprechen, wenn man sich die Milliarden vergegenwärtigt, die in der Welt der Pillen, Salben und Haarwuchsmittel, der Therapien, Diäten und Heilapparaturen umgesetzt werden? Nur sind Bunge hehre und idealistische Vorstellungen von Wissenschaftlern, die in Interesselosigkeit und Selbstgenügsamkeit forschen, durch die Geschichte gründlich demontiert worden: Popularität und kommerzieller Gewinn werden inzwischen nicht mehr nur von Politikern und Wissenschaftsberatern, sondern sogar von Universitätsleitungen als erstrebenswerte Ziele der Wissenschaft hingestellt.
M. Hagner, Bye-bye science, welcome pseudoscience?, in Pseudowissenschsaft, Hrsg. Rupnow, Lipphardt, Thiel, Wessely, Suhrkamp 2008, S. 47
Zuletzt geändert von Vollbreit am Mo 11. Jun 2012, 14:32, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Gottes Jahrhundert?

Beitragvon Vollbreit » Mo 11. Jun 2012, 14:31

Lumen hat geschrieben:Weil es eben zweifelhaft ist, solche Sachen zu sagen. Die Frage die sich mir stellt: was ist der Zweck einer Aussage, jenseits der faktischen Ebene. Nochmal: wenn jemand sich hinstellt und sagt, Hitler und Stalin seien Bartträger gewesen, stellt sich die Frage, was mit der Ausssage, auch wenn sie faktisch wahr ist, bezweckt werden soll. Atheisten sind andauernd dabei dieser Art der Insinuierungen zu widersprechen, was dann putzigerweise als Argument für den Atheismus ausgelegt wird. Das ist der Kontext, in dem sich das Interview und auch deine Aussagen sich bewegen. Es läuft doch darauf hinaus, das Christentum konsistent mit bestimmten wohlgefälligen Begriffen zu paaren und dabei zugleich durch solche Formulierungen wie "atheistischen Regime" zu unterstellen, dass ohne Gott eben keine Moral möglich sei.


Naja, ich habe zwar hier schon öfter das explizite Gegenteil geschrieben, aber vermutlich wirst Du eine bestimmte Absicht damit verfolgen, die Geschichte der Religionen einzig auf das dritte Reich und die Inquisition zu verengen.

Lumen hat geschrieben:Dieser Bockmist kommt hier eben nicht durch. Der Interpretationshoheit-Spielchen wonach du festlegst, was zum Kontext gehört und was nicht, lasse ich auch nicht gelten. Das ist natürlich bequem, man setzt den Kontext so, dass man möglichst viele positive Beispiele im Rahmen drin hat und den ganzen negativen Kram ausklammern kann.


Schade dass Du die bei anderen vermuteten Ressentiments bei Dir selbst nicht erkennst.
So bist Du wohl der einzige mit einem klaren und unverfälschten Blick, auch wenn Du von einer Klärung der Fakten, wieder mal, zugunsten einer anderen Stoßrichtung abgewichen bist.
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Re: Gottes Jahrhundert?

Beitragvon mat-in » Mo 11. Jun 2012, 14:58

Vollbreit hat geschrieben:@ mat-in:
Was soll das jetzt sein, Verschwörungstheorie oder argumentum ad hominem?

Nö, der nötige Hinweis drauf, daß da wichtige Informationen fehlen im Interview zur Interviewten um ihre Einstellungen und Äußerungen im Kontext sehen zu können. Ob das jetzt mehr oder weniger gezielt ist (man kann das ja auch nicht erwähnen, weil einem das nicht auffällt, weil solche Leute ganz selbstverständlich kompetent und unparteiisch sind) oder einfach nur Inkompetenz ist, kann ich nicht sagen.

Mal abgesehen davon, was man zum Thema Religion und Demokratie so sagen könnte, besonders im Bezug auf die im Artikel gelobten Evangelikalen...
Zuletzt geändert von mat-in am Mo 11. Jun 2012, 15:06, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Gottes Jahrhundert?

Beitragvon Lumen » Mo 11. Jun 2012, 15:00

Meine Absicht ist die eines Gegenarguments. Meine Absicht ist nicht, mir Gründe dafür auszudenken, warum das Christentum oder Religionen doch noch toll ist. Wenn jemand eine Behauptung aufstellt, und diese Behauptung sich nicht halten lässt, dann ist es mindestens legitim, diese Behauptung anzufechten. Die Behauptung, dass das Christentum eine positive Kraft darstellt, ist aus meiner Sicht nicht haltbar. Auch die Behauptung, dass Christentum und Moral einen positiven Zusammenhang haben, ist nicht haltbar. Die Bibel ist zum Beispiel keine gute Quelle für moralische Maßstäbe. Kleriker als Gesamtgruppe auch nicht. Wer dann? Drittes Reich, Hexenverfolgung, Religionskriege, Kreuzzüge und so weiter sind in der Tat plakativ. Es gibt auch komplexere Ansatzpunkte, vom himmlischen Überwacher-Diktator bis hin zum Verhältnis von Christen (oder Religionen allgemein) zu Menschenrechten (Stichworte: Homosexualität, Rolle der Frau im Katholozismus oder Islam, Arbeitsrecht in religiösen Einrichtungen). Das ist der Sachverhalt.

Die Motivation für das Anfechten der Behauptung besteht darin, dass die christliche Position mit Unterstellungen arbeitet, die meinen Interessen (und der der Brights) zuwiderlaufen. Christen sind nicht demokratischer und (das wird häufig unterstellt) Atheisten sind nicht undemokratischer. Da haben wir einen Doppelstandard. Eine Truppe in Sonstwostan, die ihren Glauben nicht ausüben darf, und sich deshalb für Demokratie einsetzt, wird zum positiven, leuchtenden Beispiel für das positive Wirken der Religion. Aber die Lord Resistance Army in Afrika, mit ihren zahlreichen, grausamsten Menschenrechtsverletzungen, ist irgendwie nicht religiös. Da sind es dann ganz schnell "ethnische" Konflikte, so wie auch im ehemaligen Jugoslawien.

Der Knackpunkt ist wie oben kurz angerissen, dass Kommunikation nicht nur auf rein sachlicher Ebene abläuft. Eine Behauptung wie "Hitler war Bartträger" kann eine Motivation haben, und sogar ein Appell sein ("Hitler ist schlecht, Hitler trug einen Bart, also sollte man keien Bärte tragen"). Der Appell ist bei der Beschäftigung mit der Materie hinreichend bekannt und zielt auf "christliche Werte" und dergleichen ab, für die es bislang keinen einzigen brauchbaren Beleg gibt. Diese fiktive Konstruktion hat es dennoch bis in die höchsten Etagen der Politik geschafft. In Zeiten wo Christen nichtmal kirchlich heiraten dürfen, wenn sie den verkehrten Konfessionen angehören, finde ich diese "christliche" Eintracht höchst suspekt. Zumindest in den USA ist das gemeinsame christliche Label ein Produkt von Agenda-Setting und gezielter Meinungsmache gewesen. Ich würde mich nicht wundern, wenn es hier nicht genauso wäre. Jedenfalls ist es legitim, dem als bright zu widersprechen.

Davon abgesehen ist das Muster ja bekannt.
Christ behauptet "(nur) Christen sind moralisch verantwortungsvoll"
Gegner sagt dann... "Also, gut, was war hier und da und hier und da los?"
Christ: "Hasserfüllter Atheist! Böser Atheist! Kommunismus! Mao! Gott hasst Schwuchtel!"*

*übertriebene, nicht akkurate aber satirisch überzogene Darstellung
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Re: Gottes Jahrhundert?

Beitragvon laie » Mo 11. Jun 2012, 15:16

@Lumen:

ich denke, der Punkt geht an Dich, vor allem der zweite Abschnitt.
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Re: Gottes Jahrhundert?

Beitragvon Vollbreit » Mo 11. Jun 2012, 15:29

@ mat-in:

Ich finde, das was jemand macht, sollte nicht bewusst verschwiegen werden, aber der link ist ja nun auch in der ZEIT zu finden gewesen. Verleger Luce, der der Geldgeber der Organisation ist, hat immerhin das einflussreiche TIME Magazin hervorgebracht, das trotz seiner Einstellung als neutral gilt. Auch in ihrer Biographie kann ich keinen religiösen Schwerpunkt erblicken, sondern sehe da eher ein breites Spektrum.

Und sollte man nicht bei allem cui bono noch immer mal einen scheuen Blick auf die Fakten werfen?
Noch bevor ihr auch nur eine Statistik überprüfen konntet, verdammt ihr das Buch, weil es euch nicht in den Kram passt und dabei die Faktenlage im Grunde gut widerspiegelt. Das finde ich ehrlich gesagt, nicht sehr überzeugend.

Es ist ein simples demographisches Rechenspiel, dass der Atheismus abnimmt, da hat Darth Nefarius ganz Recht, er scheint nur zu unterschätzen, dass das keine Lappalie ist, sondern Meinungen vor allem auch über die schiere Masse der Anhänger gemacht werden.
Nanna weist immer wieder darauf hin, dass der Atheismus auch mit Bildung korrespondiert und auch wenn die Bewegung wohl nicht linear ist, so ist sie von einem sehr ungebildeten Stadium zu einer durchschnittlichen Bildung hin, sicher richtig, nur spielen auch hier viele Faktoren mit hinein.

Die Metafrage ist m.E. immer noch die, wie man eine Einigung zwischen gemäßigten Atheisten und gemäßigten Religiösen hinbekommt, m.E. das Gebot der Stunde, denn als Atheist würde ich mich nicht ins Lager der eigenen Fundamentalisten flüchten und es auf eine Konfrontation ankommen lassen.
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Re: Gottes Jahrhundert?

Beitragvon Vollbreit » Mo 11. Jun 2012, 16:03

Lumen hat geschrieben:Meine Absicht ist die eines Gegenarguments. Meine Absicht ist nicht, mir Gründe dafür auszudenken, warum das Christentum oder Religionen doch noch toll ist. Wenn jemand eine Behauptung aufstellt, und diese Behauptung sich nicht halten lässt, dann ist es mindestens legitim, diese Behauptung anzufechten. Die Behauptung, dass das Christentum eine positive Kraft darstellt, ist aus meiner Sicht nicht haltbar.


Das Argument von Frau Toft war

Toft hat geschrieben: Wenn Sie sich anschauen, welche Länder sich seit den 1970er Jahren demokratisiert haben, haben religiöse Akteure in 63 Prozent der Fälle die Demokratisierung vorangetrieben. Eine politische Theologie, die das Individuum in den Mittelpunkt stellt, hat automatisch einen engen Bezug zur Demokratie; sie lebt vom Grundsatz »eine Person, eine Stimme«. Einen besonderen Anteil hatte Papst Johannes Paul II. in Osteuropa, er förderte Solidarność und kritisierte autokratische Regime. Katholische Bischöfe in Lateinamerika haben für die Freiheit gekämpft. In Indonesien fordern muslimische Gruppen Mitbestimmung. Und auch die Muslimbrüder in Ägypten nutzen die entstehende Demokratie.
http://www.zeit.de/2012/23/Interview-Toft/seite-2


Ich kann mir einige Gegenargumente dazu vorstellen, aber das einfach nur zu leugnen ist doch ein wenig dünn

Lumen hat geschrieben:Auch die Behauptung, dass Christentum und Moral einen positiven Zusammenhang haben, ist nicht haltbar.


Selbstverständlich ist die haltbar, wenn ich etwas kritisieren würde, dann eher das Verhältnis von Moral und Ethik in der Religion.

Lumen hat geschrieben:Die Bibel ist zum Beispiel keine gute Quelle für moralische Maßstäbe. Kleriker als Gesamtgruppe auch nicht. Wer dann? Drittes Reich, Hexenverfolgung, Religionskriege, Kreuzzüge und so weiter sind in der Tat plakativ. Es gibt auch komplexere Ansatzpunkte, vom himmlischen Überwacher-Diktator bis hin zum Verhältnis von Christen (oder Religionen allgemein) zu Menschenrechten (Stichworte: Homosexualität, Rolle der Frau im Katholozismus oder Islam, Arbeitsrecht in religiösen Einrichtungen). Das ist der Sachverhalt.


Jetzt hast Du wieder ein Sammelsurium aller negativen Aspekte geliefert, die sind ja nun jedem bekannt, schau doch mal, ob Du irgendwas Positives findest.

Lumen hat geschrieben:Die Motivation für das Anfechten der Behauptung besteht darin, dass die christliche Position mit Unterstellungen arbeitet, die meinen Interessen (und der der Brights) zuwiderlaufen. Christen sind nicht demokratischer und (das wird häufig unterstellt) Atheisten sind nicht undemokratischer.


Wer hat das denn behauptet? Frau Toft, ich?
Oder argumentierst Du da eher gegen eine virtuelle Phantasigestalt des katholischen Evangelikalen, mit dem muslimischen Schwert in der Hand, der insgeheim nur darauf wartet, dass er wieder steinigen, foltern und unterdrücken kann.

Lumen hat geschrieben:Da haben wir einen Doppelstandard. Eine Truppe in Sonstwostan, die ihren Glauben nicht ausüben darf, und sich deshalb für Demokratie einsetzt, wird zum positiven, leuchtenden Beispiel für das positive Wirken der Religion. Aber die Lord Resistance Army in Afrika, mit ihren zahlreichen, grausamsten Menschenrechtsverletzungen, ist irgendwie nicht religiös. Da sind es dann ganz schnell "ethnische" Konflikte, so wie auch im ehemaligen Jugoslawien.


Wer leugnet denn, dass es religiös motivierte Konflikte in der Welt gab und gibt?
Es gibt für Konflikte in aller Regel mehr als eine Ursache und wer sogar den zweiten Weltkrieg zum Religionskrieg machen will, der ist eigentlich schon nicht mehr ernst zu nehmen.

Lumen hat geschrieben:Der Knackpunkt ist wie oben kurz angerissen, dass Kommunikation nicht nur auf rein sachlicher Ebene abläuft. Eine Behauptung wie "Hitler war Bartträger" kann eine Motivation haben, und sogar ein Appell sein ("Hitler ist schlecht, Hitler trug einen Bart, also sollte man keien Bärte tragen"). Der Appell ist bei der Beschäftigung mit der Materie hinreichend bekannt und zielt auf "christliche Werte" und dergleichen ab, für die es bislang keinen einzigen brauchbaren Beleg gibt.


Dafür dass es christliche Werte gibt?
Aha, es wird zwar immer gegen die christlichen Moralvorstellungen polemisiert und gesagt, das Paradies liege jenseits von Gut und Böse, aber eigentlich gibt es diese Moralvorstellungen gar nicht.

Lumen hat geschrieben:Diese fiktive Konstruktion hat es dennoch bis in die höchsten Etagen der Politik geschafft. In Zeiten wo Christen nichtmal kirchlich heiraten dürfen, wenn sie den verkehrten Konfessionen angehören, finde ich diese "christliche" Eintracht höchst suspekt. Zumindest in den USA ist das gemeinsame christliche Label ein Produkt von Agenda-Setting und gezielter Meinungsmache gewesen. Ich würde mich nicht wundern, wenn es hier nicht genauso wäre. Jedenfalls ist es legitim, dem als bright zu widersprechen.


Absolut, aber eben lieber mit Argumenten, hier lieferst Du ja durchaus welche.

Lumen hat geschrieben:Davon abgesehen ist das Muster ja bekannt.
Christ behauptet "(nur) Christen sind moralisch verantwortungsvoll"
Gegner sagt dann... "Also, gut, was war hier und da und hier und da los?"
Christ: "Hasserfüllter Atheist! Böser Atheist! Kommunismus! Mao! Gott hasst Schwuchtel!"*


Es tut mir leid, es fällt mir schwer Dich ernst zu nehmen, wenn Du ständig Deine eigenen Strohmänner abfackelst. Ich habe in dem verlinkten Interview nicht gelesen, dass nur Christen moralisch verantwortungsvoll seien und mir ist auch nicht bekannt, dass ich je behauptet hätte, nur Christen seien moralisch verantwortungsvoll. Warum schreibst Du also ständig in der Art, als hätte irgendwer das behauptet. Irgendwer behauptet das bestimmt, aber schreibt das dann doch auch dem Betreffenden und nicht mir. Vielen Dank.

Ich meine, in dem Thread geht es um das Interview und die These, dass ein Jahrhundert der Religionen angebrochen sei und weniger um die moralische Überlegenheit des Christentum, da in dem Artikel zudem auch von mehreren Religionen die Rede ist.
Die konkrete Behauptung geht um die Rolle der Religionen bei der Demokratisierung und auch das hat in meinen Augen nichts mit moralischer Überlegenheit zu tun.
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Re: Gottes Jahrhundert?

Beitragvon Lumen » Mo 11. Jun 2012, 16:24

Vollbreit hat geschrieben:...


Ich werde nicht jeden Satz einzeln angehen, aber ein paar zusammengehörende Aspekte rausgreifen.

Jetzt hast Du wieder ein Sammelsurium aller negativen Aspekte geliefert, die sind ja nun jedem bekannt, schau doch mal, ob Du irgendwas Positives findest.


Ja, das habe ich dir auch beschrieben, warum das so ist. Es ist aber dennoch immer wieder dasselbe Katz und Maus Spiel. Die Spielregel ist doch ganz einfach und du übersiehst sie, weil du mein Beispiel unten nicht ernst nehmen willst. Nimm es doch mal versuchsweise kurz ernst.

Römer: Gladiatorenkämpfe sind wahrer Sport, der viel gutes bewirkt. Wir führen dadurch auch keine Kriege.
Grieche: Naja, sehe ich nicht so. Ihr führt ganz schön viele Kriege und so richtig Sport ist das auch nicht. Diskuswerfen, wie wir ihn pflegen ist Sport, würd ich sagen.
Vollbreit: Aber Grieche! Finde doch mal gute Argumente für Gladiatorenkämpfe!
Römer: Und in den letzten drei Monaten haben wir keine Kriege geführt. Das ist doch mal ein Beweis.
Grieche: Naja, sehe ich anders. Was denn diese Niederschlagung des Niederstandes in Antiochia neulich? War schon ziemlich kriegerisch.
Vollbreit: Boah. Grieche. Immer so negativ, immer die gleichen Beispiele. Und außerdem, Nicht-Römer führen auch sehr viel Kriege und sehr grausige dazu.
Grieche: Kann ja sein. Aber was hat das mit mir zu tun?
Vollbreit: Du bist ja Nicht-Römer. Hint Hint. Nicht-Römer haben zum Beispiel die ganze Bevölkerung von Vorderasien ausgerottet.
Römer: Genau! Böse Nicht-Römer. Römer sind eben anständiger, besser als Nicht-Römer. Wie man überall sieht. Wer hat die Straßen gebaut? Genau. Caesar (Heil Caesar!) wars. So sieht das aus.
Grieche: Aber aber... moment mal...
Römer: Werde einfach Römer. Und mehr Römer in die Politk. Und mehr Gladiatorenkämpfe. So muss das.
Vollbreit: Siehste, Grieche. Oller Nihilist.
Römer: Ja, diese Griechen sind eben hasserfüllt, laut und haben keine Moral.

Nimm es ernst. Kurz. Dann schau dir mal die Doku hier an.

Vollbreit hat geschrieben:Die konkrete Behauptung geht um die Rolle der Religionen bei der Demokratisierung und auch das hat in meinen Augen nichts mit moralischer Überlegenheit zu tun.


Ob die Paarung nun "Demokratisierung & Christentum gehören zusammen" heisst, oder anders, die Botschaft ist diesselbe. Und auf Demokratie und Christentum bin ich nun speziell eingegangen. Das gefällt dir dann aber nicht. Was ist nun mit der Lord Resistance Army, zum Beispiel? Kann man da sagen, das Christentum sei (impliziert: grundsätzlich) eine Kraft des Guten? Nein. Und es ist nicht die Aufgabe der Kritiker solche Behauptungen stehen zu lassen.

Könnte ein Firma, die irgendwo auf Kinderarbeit setzt von sich behaupten, sie würde nach sauberen und guten ethischen Grunsätzen arbeiten? Ich finde nicht, auch dann nicht, wenn sie in anderen Teilen der Welt etwas sehr gutes bewirkt. Warum sollte ich als "Kritiker" der Firma auf die guten Seiten hinweisen wollen, wenn mein Problem das der Kinderarbeit ist?
Zuletzt geändert von Lumen am Mo 11. Jun 2012, 16:40, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Gottes Jahrhundert?

Beitragvon stine » Mo 11. Jun 2012, 16:34

Ein gleichberechtigtes Miteinander vorwärtstreiben, moralische Grundsätze beschreiben und dann stabile Werte verankern erfordert einen Konsens, der wohl am ehesten in bereits vorhandenen Gruppen zu finden ist. Es wundert also nicht, wenn dann ausgerechnet religiöse Gruppen der Motor für ein solches Unterfangen sind.
Aus vielen Einzelkämpfern wird in der Regel kein stabiles Miteinander.
Es wird auch hier immer wieder von atheistischer Seite darauf hingewiesen, dass nicht beabsichtigt ist, sowas wie eine Gesinnungsbruderschaft (oder wie immer man das nennen möchte) anzustreben. Dafür ist das Feld des Atheismus zu groß und zu groß ist der Unterschied der einzelnen individuellen Weltsicht.
Der Naturalismus könnte schon einen, aber auch nicht jeder Atheist ist Naturalist. Prinzipiell strebt jeder Mensch nach Zugehörigkeit und sozialer Anerkennung, das kann man aber in einem Atheistenlager (noch) nicht finden. Es eint vorerst nur die Gegenwehr zur Religion. Das ist aber leider etwas dünn. Ich denke, dass Frau Toft dies bei ihren Recherchen berücksichtigt hat.

LG stine
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Re: Gottes Jahrhundert?

Beitragvon laie » Mo 11. Jun 2012, 16:39

@lumen, hast du dir den dialog selber ausgedacht?
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Re: Gottes Jahrhundert?

Beitragvon Lumen » Mo 11. Jun 2012, 16:43

laie hat geschrieben:@lumen, hast du dir den dialog selber ausgedacht?


Ja, inklusive der Rechtschreibfehler. :ops:
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