mat-in hat geschrieben:Gegen "Waffennarr" würde ich wohl gerichtlich vorgehen, ich besitze keine eine und beabsichtige auch nicht eine zu besitzen. Kampfsportler wäre wichtig, sobald ich im Interview behaupte das Kampfsport - besonders die aggressiven Vollkontaktvarianten, praktiziert in Vereinen die am Wochenende mal um die Ecken ziehen und Leute verhauen - immer viel zu negativ bewertet wird, daß Kampfsportlernen voll im Trend ist und man nicht übersehen sollte, das es schön straffe Haut macht und man dabei Gewicht verliert weil man ordentlich Kalorien verbrennt wenn man auf jemanden einprügelt. Außerdem praktizieren alle Kampfsportler das nur für straffe Haut. Selbstverteidigung ist Nebensache und wer damit Angreift hat es eben nicht verstanden... Das wäre eine Aussage, bei der es wünschenswert wäre wenn da "Kampfsportler, derzeit Vorsitzender der Vollkontaktliga mit Unisportanschluß" und nicht "Sportexperte an der Uni" stehen würde. Vielleicht nicht wünschenswert für mich - schließlich mache ich meinen Job dann nicht richtig - aber wünschenswert für den Leser. Weniger wünschenswert ist vom ersten Satz "Sie müssen mir helfen!" an den Lippen des Interviewpartners zu kleben. Das ist dann kein Interview sondern bestenfalls etwas, wo man "Dauerwerbesendung" drüber schreiben muß. Ganz unabhängig davon ob die dort beworbenen Thesen in den Kram passen.
Du merkst ja gerade selbst, dass man über die ganz harmlose Positionierung von Informationen sogleich unter Rechtfertigungsdruck kommt, wenn es nur geschickt/ungeschickt genug angestellt wird.
Selbst wenn Du gegen bestimmte Äußerungen erfolgreich gerichtlich vorgehst, ist Dein Name erst mal mit einem bestimmten Attribut verknüpft und das bleibt oft selbst bei erfolgreichen Gegendarstellungen haften.
Wie auch immer, die nächste Frage ist, wie und zu welchem Zweck führe ich ein Interview.
Ich kann, muss aber nicht kritisch nachfragen, es gibt die ganze Spannbreite von Hofberichterstattung oder Werbeblog, bis zur neutralen Information über die Klärung von Unstimmigkeiten bis zur Zerlegung des Interviewpartners (die nicht ohne guten Grund geschehen sollte).
Das Interview beginnt doch mit einer ganzen Reihe kritischer Nachfragen, so in dem Stil: Sie behaupten, das laufende Jahrhundert sei das der Religionen, sorry, ich sehe davon nichts, wo soll das denn stattfinden?
Stell Dir vor, Du arbeitest bei der Firma X im Biobereich. Du schreibst ein Buch oder eine Dissertation meinetwegen zur Diabetologie es gibt eine Interviewanfrage, bezüglich des Buches und dann prasselt ein Hagel von Fragen zur Eugenik auf Dich nieder.
Ist das positiv kritischer Journalismus, oder zieht da einfach der Interviewer sein Steckenpferd durch und benutzt Dich als Mittel zum Zweck?
Um nicht falsch verstanden zu werden, ich finde kritischen Journalismus sehr gut (wenn er angezeigt ist), ich habe für Roger Willemsen ein inneres Denkmal errichtet, seit er vor vielen Jahren den schönen Konsul Weyer in alle seine Einzelteile zerlegte.
Er tat dies völlig zurecht (leider ist vom Interview bei youtube nur noch das Finale vorhanden, wer es sieht, kann immerhin noch ahnen, was für ein Gemetzel zuvor stattgefunden hat), denn Konsul Weyer betrat das Studio mit unsäglicher Arroganz und entblödete sich nicht gegenüben Willemsen mit seinem hohen IQ zu protzen, das war die Ouvertüre zu einer Filetierung vor laufender Kamera. Aber es war eine subtile, schleichende Vernichtung, Willemsen zog die Schlinge immer enger, wer das ganze Interview findet, bitte posten, der Anfang ist eigentlich viel interessanter und ein Lehrstück in Demontage.
(Leider ist die Tonqualität beim Nächhören bei mir nicht gut, für alle Fälle noch mal als link:
http://www.youtube.com/watch?v=cjGPVRAk9qQ )
Ich finde marktschreierische Enthüllungen und Aufklärungen hingegen eher peinlich und vorhersehbar. Wer immer wieder, zu jeder passenden und unpassenden Gelegenheit auf sein Thema kommt, der kann eben nicht anders und entlarvt sich damit viel mehr, als seine Partner, die er damit nur zu Statisten degradiert. Solche Leute will niemand sehen.
Ich finde auch dieses in meinen Augen selbstgefällige Geplauder eines Kerner ziemlich entsetzlich, dessen „kritische Nachfragen“ genau die Mainstreamerwartungen bedienen. Da wird mit selbstsicherem Gespür für das was konventionell ist und ankommt jedes Klischee bedient, Empörung, Toleranz und Zurechtweisung stets an der richtigen Stelle inklusive.
Früher gab es eine rote Linie, ein stilles Abkommen zwischen Journalisten und Politikern und anderen Personen aus dem öffentlichen Leben. In diesen Bereich fiel dann das Privatleben des Betreffenden, alle wussten Bescheid aber es gab ein Agreement, dass die Klappe gehalten wurde, sofern nicht der öffentliche Mensch und seine Arbeit davon tangiert war.
Ich mag auch die stillen Enthüllungen, wenn der Interviewer nicht vordergründig bissig ist, was oft platt und berechenbar ist, sondern im netten Plauderton den Interviewten dazu bringt etwas zu erzählen, was er nie (öffentlich) erzählen wollte. Das ist wirklich brillant, wenn es gelingt.
Dazu ist so ein Interview um ein Buch m.E. nicht geeignet. Um ein vielleicht fragwürdiges Weltbild eines Interviewten zu zerlegen, braucht es eigentlich keine Kommentierung, damit es auch der Dümmste unter der Sonne versteht, der solche Sendungen aber ohnehin nicht schaut.
Oft genug bedient der Journalismus oder auch der Buchautor einfach seine Zielgruppe, in wieder mal vorhersehbarer Art und Weise. Da wird routiniert abgespult und man fühlt sich wohl in der eigenen Welt, seine Sicht bestätigt, kann abnicken und sagen: Jawoll, gutes Blatt (das einzig objektive).
Enthüllungsjournalismus ist oft von billigster Machtart, aber gerne gelesen, weil er die paranoide Seite in uns kitzelt. Man kann das mit Genuss lesen, wenn man weiß, was das ist und was man tut, es ist ein wohliges Schaudern, was man genießen kann, wenn man in der Lage ist, ein zwei Schritte zurückzutreten.