Dazu der Beitrag eines Atheisten aus einem anderen Forum:
Hoppelreiter2 hat geschrieben:Ich bin ja einerseits froh, daß deutsche Juristen auch mal ausdrücklich dummen Ideen widersprechen. Andererseits wünschte ich mir, §166 würde endlich ersatzlos gestrichen. Denn solange er besteht, kommen immer wieder Leute, die nur bis zur allernächsten Ecke denken können, auf solche Ideen wie Herr Singhammer. Zitat aus dem Artikel:
"Der Unions-Fraktionsvize Johannes Singhammer (CSU) hatte im Streit um den plump-antimuslimischen Mohammed-Film Ende 2012 gefordert, diese Einschränkung wieder zu streichen, weil sonst „leicht erzürnbare Muslime“ in Deutschland besser geschützt seien als „duldsame Katholiken“."
Herr Singhammer hat hier entweder den Sinn von §166 nicht verstanden, oder er tut so, als habe er ihn nicht verstanden, um sich an seine Wählerklientel heranzuwanzen. Dummheit oder Verlogenheit - was ist bei einem Politiker schlimmer? Gerade die Einschränkung
wenn sie (die Beschimpfung von Bekenntnissen) „geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören“
macht doch den Sinn des Paragraphen erst deutlich: Es geht nicht darum, irgendwelche Ideen, Bekenntnisse oder Weltanschaungen vor Spott, Kritik oder politischen Angriffen zu schützen. Welches Rechtsgut würde denn damit geschützt? Sondern es geht darum, Gewalteskalationen im politischen und weltanschaulichen Wettstreit zu verhindern. Hintergrund dafür dürften auch die Erfahrungen aus der Weimarer Republik gewesen sein, wo Braunhemden und Kommunisten sich für ihre "Bekenntnisse" auf offener Straße gegenseitig die Rüben einschlugen. Ähnliches sollte in Deutschland nicht wieder passieren.
Nun tut Herr Singhammer so, als sei der Zweck des Gesetzes ein gänzlich anderer, nämlich die Gefühle einzelner "Gläubiger" (egal ob gläubiger Christ, Muslim, Faschist oder Kommunist) zu schützen. Diese Idee widerspricht der grundlegenderen Idee unserer demokratisch-pluralistischen Gesellschaft, nach welcher sich die besseren Konzepte im Wettbewerb der Ideen durchsetzen. Einzelne Konzepte extra durch Gesetze gegen (auch scharfe, auch vom Niveau her vielleicht mal sehr flache) Kritik zu schützen, wäre da genau hinderlich!
Also: Paragraph 166 macht überhaupt nur dann Sinn, wenn man seinen Zweck darin verortet, Gewalteskalationen im öffentlichen Raum zu verhindern.
Wenn man nun merkt, daß mit ihm eher diejenigen im öffentlichen Diskurs "bevorteilt" werden, die bereit sind, auf Kritik an ihren Ideen gewaltsam zu reagieren, dann sollte doch wohl sich die Frage stellen, ob das Gesetz hier überhaupt seinen Zweck erfüllt. Meine These: Nein, tut es nicht. Allein die niedrige Fallzahl (2011 laut Artikel ganze sechs! Verurteilungen) deutet für mich darauf hin, daß §166 in der Praxis überflüssig ist. Um Gewalteskalationen bei Meinungsverschiedenheiten zu vermeiden, gibt es andere Paragraphen, die seinen Zweck genausogut, wenn nicht besser, erfüllen können, beispielsweise §130 StGB, der Volksverhetzungsparagraph. Dort wird sogar die religiöse Zugehörigkeit zu einer Gruppe explizit erwähnt.
Nach meinem Verständnis gehören Gesetze, die in der Praxis keine echte Relevanz mehr haben, komplett abgeschafft. Also: statt nur darauf hinzuweisen, daß eine Verschärfung des Blasphemie-Verbots grundgesetzwidrig sei, hätten die Juristen ruhig einen Schritt weitergehen und für eine Abschaffung von §166 StGB plädieren dürfen. Insofern haben sich die Teilnehmer der Juristentagung in meinen Augen auch nicht unbedingt mit Ruhm bekleckert, sondern gerade mal so die Basics dessen geliefert, was man von ihnen erwarten durfte.
Es grüßt
der Reiter