Harter atheistischer Determinismus

Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon Dr Fraggles » Mi 17. Sep 2014, 22:55

AgentProvocateur hat geschrieben:
Dr Fraggles hat geschrieben:Wie gesagt: ich habe alles schon dargelegt. Ich warte auf eine umfassende Auflistung meiner diesbezüglichen Argumente, mit entsprechenden Widerlegungen, die ich bisher auch nirgends finden konnte.

Eine umfassende Darlegung Deiner Argumente solltest Du leisten. Damit könntest Du auch meine Ansicht und Behauptung, dass Du bisher nicht hineichend argumentiert hast, widerlegen.

Ich habe keinen Bedarf dir irgendetwas zu beweisen. Über meine Beiträge hinweg habe ich etliche Aspekte genannt welch du entweder ignoriert hast oder aber in einer Weise geantwortet die mir beweist, dass du nicht mal verstehst was ich sage oder wir eben ein gänzlich unterschiedliches Gerechtigkeitsempfinden zusammen mit einer anderen Idee was mit solcher Gerechtigkeit kompatibel ist und was nicht.

Dr Fraggles hat geschrieben:Da wir andere Verstehenshorizonte haben, könnte man ja z.B. eine Umfrage machen mit z.B. folgenden Fragen: "Was verstehen sie unter Freiheit?", "Was verstehen sie darunter wenn man sagt, jemand hätte auch anders handeln können, macht das für sie Sinn?".

Eine solche Studie habe doch oben bereits verlinkt: Klick. Ab Seite 12 wird dazu Stellung genommen, bzw. entsprechende Studien gennannt.

O.k., werde es mir anschauen.

Dr Fraggles hat geschrieben:Was wäre dein Kommentar wenn sagen wir 30% der Personen angeben würden unter der Idee "anders handeln zu können" etwas Sinnvolles, Verständliches zu verstehen?

Meine Frage wäre dann, was sie darunter verstehen.

Ja, deine Standardfloskel. Sie verstehen wohl das was ich darunter verstehe: dass man seine nicht festgelegte Zukunft selber bestimmen kann. Das ist nichts anderes als der Aspekt des epist. Indeterminismus innerhalb der inkomp. Freiheitsidee den jeder Kompatibilist für sich nötig hat um nicht die volle Wucht des Determinismus ansichtig werden zu müssen.

Jedoch die verlinkte Studie stützt nun mal Deine Ansicht nicht. Was nun?
Na ja, Studien sind so eine Sache, gell? Es würde mich aber selbst dann nicht irritieren wenn es repräsentativ und methodisch korrekt wäre. Für mich ist der inkomp. Freiheitsbegriff als Idee und in dem was er indendiert verständlich. Was machst du nu? Ja, mich fragen was ich darunter verstehe. Habe ich doch schon x mal...da müsste dir doch dämmern, dass etwas mit deiner repetitiven Frage nicht stimmen kann, oder?

Was würdest Du tun, wenn solche Studien Deine Ansicht nicht stützen? Die einfach ignorieren und als falsch bezeichnen oder für Deine Ansicht auf andere Art und Weise argumentieren, nicht mehr mit Rückgriff auf eine angebliche, aber gar nicht vorhandene Mehrheihtsmeinung, die Deine Ansicht unterstützt?

Wieder fälscht du das was ich schrieb (und du nimmst die vollkommene Redlichkeit des neutralen philosophischen Oberkorrekten in Anspruch? Oder lässt dich von gewissen Adepten als solchen beweihräuchern...lächerlich). ICH SCHRIEB, DASS ALLENFALLS NOCH 10% IM INKOMP. FREIHEITSBEGRIFF ETWAS SINNVOLLES UNTER DESSEN INTENDIERTEM SEHEN WÜRDEN, Z.B. DASS SCHULDIG GEWORDEN SEIN AUCH BEDINGEN MÜSSTE, DASS MAN AUCH NICHT SCHULDIG HÄTTE SEIN KÖNNEN, DAS IST FÜR MICH EINER DER INTENDIERTEN GEHALTE...WURDE DIESE FRAGE AUCH GESTELLT? Mehrheiten sind a priori kein Garant für Wahrheit, das Gegenteil kann ebenso der Fall sein, und genau darum war das nicht die Pointe der Idee.

Dr Fraggles hat geschrieben:Warum Verantwortung und Determiniertsein sich ausschliesen. Ganz einfach weil für mich evident ist, dass rationales Wollen keine hinreichende Bedingung ist. Dass jemand der keine Chance hatte anders handeln zu können, schuldig sein soll, ist für mich schlicht abstrus. Es widerspricht einer grundlegenden Intuition bzw. Evidenz: dass Schuldfähigkeit impliziert, dass die Tat auch anders hätte ausfallen können, dass ein Täter sich schuldig hätte machen können oder aber auch nicht.

Es mag ja sein, dass Dir das abstrus erscheint und/oder das Deiner Intuition widerspricht. Aber anderen erscheint es nicht abstrus und/oder widerspricht nicht deren Intuitionen. Was dann?

Was dann? Nun, ich würde wohl mit Kopfschütteln diesen Sachverhalt zur Kenntnis nehmen und es akzeptieren müssen (da offenbar die "gegnerische" Position so wenig mit Argumenten zu erschüttern ist, wie es die meine nicht ist (zumindest bisher)). Man müsste sich wohl darin einigen sich nicht einigen zu können. Wie gesagt: ein pluralistisches Strafsystem wäre doch eine originelle Idee (auf dem Papier zumindest).

Dr Fraggles hat geschrieben:Ein Dachziegel der im Fallen jemanden verletzt ist auch nicht schuldfähig.

Ein Ziegelstein ist kein Mensch, der unterscheidet sich von einem Menschen dadurch, dass er keine internen Zustände hat, wie Absichten, Wünsche, Ziele, Überlegungen, rationale Fähigkeiten etc.
Doch ein Dachziegel ist ein Mensch, und zwar genau dann wenn man den einzig relevanten Faktor in Betracht zieht: deren identisches Determiniertsein (ob der Mensch ein vielfältiger determiniertes System ist, spielt keine Rolle...ein Epiphänomenalist würde diesbezüglich eh keine allzu gravierenden Unterschiede erkennen können).

Dr Fraggles hat geschrieben:Und der menschliche Zustand ist bezüglich der Wahlunfreiheit identisch.

Ein Ziegelstein unterscheidet sich, wie gesagt, wesentlich von Wesen, die leben, Absichten, Wünsche etc. haben.

Bestreite ich das? Ich stelle nur nüchtern fest, dass der Mensch exakt im gleichen Ausmass determiniert ist wie ein Dachziegel. Oder von was reden wir hier? Von den mentalen Differenzen zwischen Leblosem und Menschen? Soviel mir ist war das nicht das Thema.

Dr Fraggles hat geschrieben:völlige Absurdität [...] ad hoc-Argumentation. [...] ist für mich absurd und widersinnig und allenfalls von pragmatischer Bedeutung (aber bestimmt nicht weil es eine überzeugende Freiheitsidee liefert).

Wo sind Deine Argumente? Es wäre, wie gesagt, ganz gut, wenn Du die mal zusammenfassen würdest.

Sich dauernd zu wiederholen, ist nicht mein Ding, wie es deines zu sein scheint (Definiere!!!). Aber wenn dir hundert Mal nicht genügen ,dann zum hundertundersten: Schuld und Determinismus schliessen sich gegenseitig aus. Wer schuldig ist/wurde ohne die kleinste Möglichkeit gehabt zu haben es nicht zu werden, wessen Schuldigwerden bei Geburt (und wenn man will: beim Urknall, falls seit dem alles deterministisch ablief, was es kaum tat) schon feststand, zu einem Zeitpunkt wo er nicht existierte...etc. etc. Falls dir das Argument, dass ein Schuldiger/Bestrafter ZUMINDEST die Möglichkeit haben können muss um auch nicht schuldig zu bleiben/zu sein, den kann kein Argument der Welt überzeugen. Wie gesagt, ich kann akzeptieren, dass viele Menschen da wohl anders denken, bin aber überzeugt, würde ich spontan auf der Strasse Leute ansprechen und Fragen: `ob das gerecht ist, wenn jemand der schuldig wurde, aber durch nichts was er hätte tun können daran etwas hätte ändern können, nun dafür bestraft wird`, dass ein grosser Teil zumindest stutzig werden würde und zumindest ein kleiner Teil das als unvereinbar erachten würde. Studie hin oder her (wer machte sie, in wessem Auftrag, wurden zum selben Thema andere Studien mit anderen Aussagen gemacht, welche nicht publiziert wurden, gibt es Metastudien ...na, die Fallstricke kennst du selbst). Aber nochmals: und wäre ich der einzige Mensch der meine Position vertritt, dann wäre mir das genug um sicher zu sein, dass Schuld und Determinismus inkompatibel sind(zumindest so lange wie mir keine besseren Argumente als bisher zugänglich gemacht werden).
Ich bin kein Herdentier dem erst das Mitblöcken der anderen eine Gewissheit verleiht.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon xander1 » Mi 17. Sep 2014, 23:13

ice hat geschrieben:Außerdem ist mir nicht klar, wie ein mathematisches Wissen (Integration, Differnziation, Differenzialgleichungen, Hilbertraum, Wahrscheinlichkeitsrechnung) oder Experimente mit Photonen zum Verständnis des Problems Determinismus Ja/Nein bzw. menschliche (Un-)Freiheit und Verantwortung beitragen soll. Vielleicht kannst du ja noch etwas dazu sagen -
ein paar Tage sind noch Zeit :up:

Man braucht diese Sachen als Grundlage in der Physik, wenn man damit weiter arbeiten will, und damit indirekt auch Aussagen über den Determinismus machen will, aber die Physik ist nicht vollständig erforscht, so dass man Mutmaßungen machen kann, wobei Mathe hilfreich ist. Ein bissl Quantenmechanik hatte ich im Studium.

Also die Physik schließt sowohl den Determinismus, noch den Indeterminismus aus.
Was ich vermute wie die Welt wirklich tickt, dass es so ein Zwischending zwischen beiden ist, auch wenn das erstmal nicht geht, denkt man, ich denke es wird ein Quasiindeterminismus sein, der Strenggenommen ein Determinismus ist. Oder anders ausgedrückt, ist es die Chaostheorie bzw. das Chaos, was aus dem Determinismus ein Quasiindeterminismus macht. Also diesen Eindruck hatte ich auch nach dem ich das Buch über Quantenphysik gelesen habe, als es darum ging Atome und Moleküle größer als Wasserstoff zu betrachten, weil man zu Wasserstoff direkte Ergebnisse liefern kann, aber bei Umfangreicheren Objekten eher mit Wahrscheinlichkeitsrechnung arbeiten muss.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon Dr Fraggles » Mi 17. Sep 2014, 23:27

AgentProvocateur hat geschrieben:
Dr Fraggles hat geschrieben:Folgende Aspekte sehe ich beim Kompatibilisten selber als den inkomp. Freiheitsbegriff indirekt als etwas Verstehbares ausweisend:
1) [...] Dieses nicht wissen (was heisst: ich weiss nicht wie mein Entscheid ausfallen wird) ist unabdingbar für das positive Gefühl welches der Kompatibilist beim Entscheidungsprozess hat: er wird getragen von der Illusion eine offene Zukunft vor sich zu haben, welchen erst sein "Entscheid" Form verleihen wird.

Epistemischer Indeterminismus spielt eine große Rolle, das stimmt: man weiß nicht, wie man entscheiden wird. Diese Wissenslücke ist eine prinzipielle: man kann nicht vorab wissen, wie man entscheiden wird. Insofern ist die Zukunft offen und das ist keineswegs eine Illusion. Ein anderer Sinn von "offener Zukunft" (welcher nicht lediglich definitionsgemäß unbeeinflussbaren Zufall enthält, der als solcher keinen Beitrag zu einer wie auch immer gearteten Freiheit beitragen kann) müsste a) erst mal dargelegt werden und b) müsste gezeigt werden, dass dies unabdingbar für einen wesentlichen Freiheitsbegriff sei.

Die Zukunft ist (in relativ engen Grenzen was unsere Entscheide betrifft) offen, nicht aber ontisch. Ontisch also tatsächlich, das besagt der Determinismus, ist die Zukunft determiniert (Zufälle nicht mitbedacht). Du reservierst nun den Begriff "offene Zukunft" für jenen der für den Kompat. nützlich ist (und ich vermute hier mehr dahinter: dass das Gefühl des Kompatibilisten jene der ontischen Offenheit ist) . Offene Zukunft meint aber durchaus zunächst ontisch offen, so z.B. bei Radioaktiven Zerfallsprozessen. Deine Forderung a) b) ist der alte Rohrkrepierer: "Definiere inkomp. Freiheit!" Du scheinst mir lernunfähig. Hier zum letzten Mal: ich weiss, dass der inkompat. Freiheitsbegriff widersinnig ist, dennoch vermittelt er Gehalte und Ideen die verständlich sind (nun, zumindest für mich und das soll mir dann auch genug sein).

Dr Fraggles hat geschrieben:Realität ist aber: dass sein Entscheid feststeht bevor er nur schon begonnen hat die Argumente hin und her zu wägen.

Alles wird so kommen, wie es kommen wird, egal, ob es unbeeinflussbare Zufälle gibt oder nicht. Und, was ist Dein Punkt hier?

Der Punkt ist (Zufälle ob vorhanden oder nicht sind in der Freiheitsdebatte nicht relevant), hier den Rahmen auszubuchstabieren in dem unsere Handlungen geschehen und Teil was für langer Ursachenketten sie sind. Das ist ja der Unterschied zwischen uns: du bewegst dich mehr im realen Entscheidungsprozess und findest ihn ganz passabel als Freiheitskriterium, ich schaue aber auf die kausale Determinierheit des Ganzen: es ist ein Vexierbild, beides zugleich schliesst sich aus.

Dr Fraggles hat geschrieben:2) Wenn der Kompatibilist zurückschaut und einen Entscheid bereut, was bereut er dann? Bereut er wie der Entscheidungsprozess im speziellen Fall determiniert war (das würde bedeuten, dass ihm der Determinismus zumindest retrospektiv bewusst werden müsste)?

Wenn man eine Handlung bereut, bedeutet das wohl kaum, dass man meint, man könne die Handlung nachträglich ändern. Für andere ist Reue ein Anzeichen dafür, dass man sich zukünftig anders verhalten wird.

Das war nicht meine Frage, ich wollte wissen ob in der Reue des Kompatibilisten zugleich ein Bewusstsein von der Determiniertheit des zu Bereuenden hat und ob das nicht zu einem gewissen inneren Widerspruch führt (oder man bereut dann so wie man es bereuren würde, dass ein Dachziegel jemanden erschlug der unter dem Dach vorbeilief...wobei noch mancher eine Wut auf den Ziegel hätte oder aufs schlapp machende Auto oder den Compi: Hinweise wie wir uns in Unbelebtes hineinprojizieren können um der kog. Dissonanz zu entkommen).
Dr Fraggles hat geschrieben:3) Was ist gemeint mit Aussagen der Art: "Hätte ich doch anders gehandelt, ich Idiot." "Das werde ich mir nie verzeihen, dass ich das tat." Ich behaupte, dass in manchen solchen Aussagen genau der intendierte Gehalt der inkomp. Freiheit mit eine Rolle spielt.

Weil mancher Mensch wohl tatsächlich glaubt er hätte anders handeln können, als es damals geschah. Wiederum: ich traue Unfragen generell nicht (siehe die paar obigen Einwände). Ich bin überzeugt, dass mancher tatsächlich glaubt, dass er anders hätte handeln können. Ich kann das nicht verifizieren, aber das könnte ich nur mir beweisen, indem ich selber Leute befragte, oder eine eigene selbstbezahlte Studie in Auftrag geben würde an eine Organisation deren know-how ich kennen würde etc.

Dr Fraggles hat geschrieben:4) Oder angenommen man könnte die Entscheidungsfindung eines Menschen einem Computer bei entsprechender Programmierung und Eingabe der relevanten Informationen übergeben. 5 Minuten nach Eingabe würde der Entschluss feststehen. Würde der Betreffende dies als seinen Entscheid verstehen

Nein, die Entscheidung, ob man das dann machen will oder nicht, würde zusätzlich getroffen werden.

Das ist nicht entscheidend. Entscheidend ist, ob man seine Zustimmung geben würde damit der Computer die "Entscheidung" fällt. Der Proband müsste natürlich die Überzeugung und Garantie haben, dass der Computer seinen Entscheid reproduzieren/simulieren würde. Mich interessiert inwiefern dem Kompatibilisten an der epistemischen Offenheit des Entscheidungsprozesses und dessen interpretatierendes Erleben als ontischer Offenheit liegt. Meiner Vermutung nach das Herzstück jedes Kompatibilisten.

Dr Fraggles hat geschrieben:5)Wie auch immer: ich weiss, dass die Kompatibilisten alles in ihrem Sinn zu erklären versuchen werden...aber für den neutralen Beobachter scheint doch gegeben zu sein, dass sich die Kompatibilisten sich stärker an Aspekte des inkomp. Freiheitsbegriffes anlehnen als sie es ihrer eigenen Theorie gemäss eigentlich dürften. Wäre das der Fall, scheint es wiederum so, dass sie selber zumindest Aspekten der inkomp. Freiheit mit Verständnis begegnen.

Du bist jedoch kein neutraler Beobachter. Es wäre schön, wenn Du nicht einfach immer wieder lediglich Behauptungen aufstellen würdest, sondern die jeweils auch begründen würdest.

Na ja, schaue ich deine Antworten an (die Hälfte mit Gegenfragen behandelt) dann werde ich mich kaum in die Ecke stellen um mich zu schämen. Nein ich bin kein neutraler Beobachter, aber du auch nicht (was du wohl ab und an vergisst): was ich meinte und schlecht formulierte war: ich vermute, dass manch einer das so empfinden würde. Genau darum, habe ich ja obiges Gedankenexperiment formuliert gehabt um zu schauen wie wichtig dem Kompatibilisten der Prozess des Entscheidens ist und nicht bloss der Entscheid.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon Dr Fraggles » Mi 17. Sep 2014, 23:52

AgentProvocateur hat geschrieben:
Dr Fraggles hat geschrieben:Der Kompatibilismus und seine Ansicht, dass determiniertes Verhalten strafwürdig sei, lässt sich mit der Prädestinationlehre vergleichen.

Nein.

Nein...gutes Argument, muss ich mir merken.

Dr Fraggles hat geschrieben:Bei letzterer gibt es nichts was ein Mensch tun könnte um seinem Los zu entkommen, es steht in keinem Zusammenhang mit seinem Wollen oder Tun welcher Art auch immer.

Das ist der wesentliche Unterschied. Determinismus bedeutet nicht Prädestination/Fatalismus. In einer determinierten Welt kommt es - im Unterschied zu einer Prädestination/einem Fatalismus - sehr wohl darauf an, was der Einzelne tut.

Entscheidend wäre aber ob sein Tun und Lassen bezüglich seinem Schuldigwerden relevant ist und dies ist es so wenig wie in einer Prädestinationslehre (allenfalls könnte man sagen, dass bei der Prädestination das Verhältnis von Tun und Resultat noch weit disparater wäre als beim Kompatibilismus). Das ist aber nur eine gradueller Unterschied innerhalb des identischen Sachverhaltes.

Agentprovocatuer hat geschrieben:Das passt übrigens ganz gut zu der im obigen Link vertretenen Fehler-Theorie: inkompatibilistische Intuitionen von Menschen kann man gut damit erklären, dass fälschlich Determinismus mit Fatalismus (= die Überlegungen, Entscheidungen und Handlungen von Menschen haben keinerlei Auswirkung auf die Welt und das Geschehen darin) gleichgesetzt wird.

Wie gesagt du hast den Punkt eh völlig missverstanden, der Fatalismus ist völlig irrelevant in meinem Argument.

Dr Fraggles hat geschrieben:Und dann wird man noch von oben herab gefragt, warum man denn nun um Himmels willen, der Ansicht sei, dass der Determinismus und Schuldfähigkeit nicht kompatibel seien!?

Die Frage nach einer Begründung dessen sollte erlaubt sein. Denn das ist ja nun keineswegs einfach so selbstverständlich, wie Du immer tust.[/quote]
Aber dann sollte auch legitim sein zu fordern das das Gegenüber Augen und Ohren auftut um einen Schritt weiter zu kommen. Warum der inkomp. Freiheitsbegriff widersinnig ist, wissen wir beide (warum dann dein penetrantes daran herumnörgeln, bist du irgendwie unbeweglich?). Warum er dennoch sinnvolles intendiert, habe ich nun oft genug geschrieben, ebenso, dass wir da keinen Konsens finden...ich aber auch keine gleichgesinnten Kumpane brauche um mir über das was mir sinnvoll scheint sicher zu sein (solange keine mich überzeugenden Argumente auftauchen, und die fehlen bisher gänzlich).

Dr Fraggles hat geschrieben:Da muss man schon sehr tief im Alltagstrott sein Leben verbringen, sich den Sachzwängen beugend ein Loblied auf den Pragmatismus singend, um dermassen basalste Gefühle und/oder Reflektionen bezüglich Schuldfähigkeit ignorieren zu können. Meine Gleichung ist da schnell gefunden: Kompatibilismus = härtest möglicher Irrationalismus. Nicht nur irrational, sondern auch ekelhaft in seiner Verlogenheit (da selber sich nährend vom epist. Indeterminismus und einem radikalen Ausblenden des unterstellen "härtest möglichen Determinismus", diese Sachverhalte aber natürlich ebenso verleugnend und abstreitend).

Du magst Dich zwar auf Deine eigenen Intuitionen beziehen, aber das reicht leider nicht als Argument. Insbesondere auch deswegen nicht, weil Deine Intuitionen nicht verallgemeinerbar sind - siehe dazu nochmal die Studie oben. Und - mit Verlaub - sich gegenseitig Irrationalismus vorzuwerfen, bringt es auch nicht.

Also dann mach den ersten Schritt! Ich ziele nicht auf Zustimmungsfähigkeit. In diesem thread hat gerade mal einer (Ice) sich zum harten Determinismus bekannt (und aus pragmatischen Gründen dem Kompatibilismus gewisse Rechte eingestanden, als mögliche überzeugende philosophische Freiheitslehre aber abgewunken).
Wie gesagt: weiter kommen wir kaum. Du wirst mir kaum neue und mich überzeugen könnende Argumente finden und ich werde dich ebenso wenig überzeugen können.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon Dr Fraggles » Do 18. Sep 2014, 00:54

Vollbreit hat geschrieben:
Dr Fraggles hat geschrieben:Doch, ganz interessant. Wobei ich dabei bleibe: Verdrängungen sind allenfalls an Symptomen erkennbar, direkt zeigen sie sich nie (auch im Traum nicht). Und symptomfrei zu sein kann auch kein Garant dafür sein, dass nichts Verdrängtes mehr existiert.
Ich glaube, was unsere Ansätze allgemein unterscheidet, ist, dass ich weniger Wert auf Garanten lege.
Theorien starten immer irgendwo und man schaut, ob sie und die mit ihnen einhergehenden Praktiken funktionieren, oder nicht.
Verdrängungen zeigen sich natürlich empirisch, das was sich zeigt als Verdrängtes zu deuten, dazu bedarf es allerdings einer Theorie.
Historisch ist es so, dass Freud auf die Idee der Verdrängung aufgrund empirischer Beobachtungen bei Charcots Hypnose-Experimenten kam.

Ja, möglich, bin ja auch kein Psychologe.

Dr Fraggles hat geschrieben:Ich werfe dem Kompatibilismus wie du ja mittlerweile weisst vor, blind zu sein für das deterministische Geschehen, nicht nur grundsätzlich sondern auch im Speziellen wie eben in diesem Beispiel.
Was soll das denn konkret heißen? Dass Du tatsächlich das mitbedenkst, dass Du nicht kennst? Wie geht das?[/quote]
Das allgemeine ist klar: dass man durchaus während man etwas entscheidet z.B. innehält und sich sagt: alles hier läuft determiniert ab (auch, dass ich jetzt innegehalten habe etc.), auch mein nächster Gedanke etc. Klingt hirnrissig, aber im Grunde entspricht es buddhistischen Achtsamkeitsübungen die das Ziel haben zu erkennen, dass es kein Ich gibt, kein kontinuierliches (hier wird nicht ein Gedankenprozess seziert, sondern die Bewegungsabläufe. Das spezielle wäre die Ignoranz gegenüber Wissen welches einem an sich offenstünde, aber man davon nicht gebrauch macht oder es "verdrängt" (ist ja dann auch determiniert).

Dass die Welt in vollstem Umfang detertminiert ist, ist ja ebenfalls nur eine Annahme, der Du folgst.
Ich finde es nebenbei auch inkonsequent, sich darüber aufzuregen, dass andere angeblich nicht verstehen, was Du verstanden zu haben meinst.
Wenn wir willenlose Automaten sind, lediglich unfähig den Grad ihrer Willenlosigkeit zu reflektieren oder psychsich zu ertragen und in einer fatalistischen Weise, ohne jede Einflussmöglichkeit auf die Welt, die eigene Psyche, andere Personen, wie Du es annimmst, leben, dann ist doch Dein Engagement wollkommen sinnlos. Ich könnte ja nicht mal anders, selbst wenn ich wollte. Du allerdings auch nicht insofern wärst Du gezwungen immer wieder anzurennen und Dich zu ärgern.
Ansonsten wäre Dein Ärger auch so zu deuten, dass Du davon ausgehst, dass Menschen doch zu überzeugen sind und sich im Kontakt mit geeignet Argumenten freiwillig umentscheiden können.

Na ja, das ist das Paradox des Menschseins: zwei Welten zu kennen die nicht kompatibel sind und man dennoch in beiden leben muss, da man weder die eine noch die andere auf Dauer vergessen kann. Natürlich kann man da etliches unternehmen um solche kognitive Dissonanz zu beheben (die ja nicht immer angenehm ist). Man könnte sein Denken disziplinieren, nicht mehr zu sehr entlarven was es zu entlarven gibt. Ich für mich habs ehrlich gesagt aufgegeben mit dem Versuch mich mit mir selber, also meinem Denken oder Handeln in Einklang zu bringen. Nicht umsonst bezeichne ich mich als Nihilist (aber bitte keine Debatte darüber). Insofern gebe ich dir recht, zugleich bestätigt es meine Sicht, dass wir in einer Welt existieren die vielfache Inkompatibilitäten mit sich bringt und da muss dann jeder schauen wie er damit umgeht/umgehen lernt.

Dr Fraggles hat geschrieben:Zudem sollte man sich doch eher daran orientieren was man wissen kann/könnte und nicht daran das was man nun mal weiss.
Nö. Das bringt nun gar nichts. Ich kann mich nicht an dem orientieren, was ich nicht weiß. Wie soll das gehen? Ich plane normal zur Arbeit zu fahren, gehe aber davon aus, dass ich von UFOs entführt werden könnte, aber auch, dass es eventuell gar keine UFOs gibt, dass meine Firma abgebrannt sein könnte, aber auch, dass sie nie abbrennen wird, dass es eine massiven außergewöhnichen Stau gibt, weshalb ich besser eine Umgehung fahre, aber auch, dass dieser Stau nicht stattfindet und so weiter und so fort. Das ist im besten Fall vollkommen überflüssig.

Nein, so meinte ich das nicht. Ich meine wer den Anspruch an sich stellt auf Grund rationaler Überlegung zu entscheiden und einsieht, dass ein mehr an Infos zuweilen relevant sein kann, der sollte ihm zugängliches Wissen benutzen. Z.b. warst du bei einem Arzt. Der dir eine Diagnose stellt. Jetzt kannst du aus Trägheit oder warum auch immer es dabei bewenden lassen oder aber du kannst einen zweiten Arzt (Wissensquelle) aufsuchen und eine Zweitmeinung einholen. Dann musst du die evtl. unterschiedlichen Diagnosen gegeneinander abwägen etc. etc. Es geht also um Wissen um dessen Vorhandensein du weisst, aber nicht den speziellen Gehalt desselben.

Dr Fraggles hat geschrieben:Unwissen schützt vor Strafe nicht, wie es so heisst, zumindest dann nicht wenn man das Wissen in Erfahrung hätte bringen können.
Das gilt juristisch, aber doch nicht ontologisch.

Es gilt bedingt dann wenn man den Anspruch hat, rational zu entscheiden. Bedingt weil es immer auch eine Frage des Aufwandes etc. ist (und so verstehe ich den Kompatibilismus).[/quote]
Vollbreit hat geschrieben:Erst willst Du das Konzept Strafe ganz abschaffen, weil Du meinst dies sei unhaltbar und würde nur niedere Instinkte bedienen (was ich nicht glaube), hier willst Du nun das Konzept Strafe ontologisch ausweiten, was, wenn man tatsächlich keine Wahl hätte, ein Ausdruck einer grundlegend sadistischen Auslegung der Welt wäre.

O.k., dann habe ich mich halt beim Anspruch des Kompatibilisten getäuscht: ich dachte er lege Wert auf Entscheide basierend auf Informiertsein. Dass dies kein Müssen ist, ist klar, mir das zu unterstellen auch lächerlich. Oder, dass ich im Alltag denjenigen der sich weigert sich zu informieren bestraft sehen wollte...Quatsch.
Zudem habe ich nirgends gesagt ich wolle die Strafe abschaffen (allenfalls das Wort ändern). Du unterstellst mir Dinge die ich nirgends gesagt habe, obwohl ich sie in aller Länge beschrieb. Auch stimmt es nicht, dass ich gegen die Stafe bin weil er niedere Instinkte bedient (auch wenn er das oftmals tut), mein Hauptargument war: dass wer nie die Möglichkeit hatte nicht schuldig zu sein, also dazu determiniert/verflucht war schuldig zu werden, der kann gerechterweise nicht bestraft werden.


Vollbreit hat geschrieben:Keiner versteht die Spielregeln, aber für den Verstoß gegen sie wird man grausam bestraft. Im besten Fall kann man darauf hoffen, zufällig so programmiert zu sein, dass man den Spielregeln entsprechend unfrei denkt und handelt, ansonsten muss man ohne Einsichtsmöglichkeit in die Verfehlung büßen.
Das klingt nach Kafkas „Prozess“.

Hm, sorry, habe den Kontext dieser Aussage nicht im Kopf. Weiss nicht auf was du dich da beziehst.

Dr Fraggles hat geschrieben:Falls ich dich richtig verstehe ist auch der, der gar nichts versteht ("ich muss nichts verstehn und entscheide legitim auf Grund meines Nichtwissens!") oder der völlig neurotische Mensch ein Kandidat um die kompatibilistischen Kriterien zu erfüllen.
Ja, zu einem gewissen Teil ist das so.
Was uns willensfrei macht, ist, dass wir unserem eigenen Willen, unseren Prämissen folgen können, nicht, dass wir allwissend sind, das sind wir nämlich nicht.
Wenn ich einer Theorie folge, die vollkommener Murks ist, dann irre ich mich, bezogen auf die Richtigkeit der Theorie, aber ich folge ihr freiwillig.

Du kannst dazu determiniert sein einer Theorie zu folgen und tust es freiwillig...habe Mühe mit dieser kompatibilistischen Verwendung aber o.k., was du sagen willst ist glaube ich klar. Wo wäre denn die Grenze wo man sagt: das ist nicht megr freiwillig im kompatibilistischen Sinne? Zudem irritiert mich, dass ein Vollneurotiker der bestimmt eine Tendenz hat zu sehr irrational-zwanghaftem Handeln auch noch als freiwillig handeln gelten soll, wie das?

Vollbreit hat geschrieben:Da ich glaube, dass wir tatsächlich über freien Willen verfügen, würde ich, wenn ich sehe, dass eine Theorie nicht funktioniert (ich folge ihr, es tut sich aber nicht, was ich erwarte) die Theorie entweder modifizieren oder verwerfen, wenn ich glaube, dass ich gemäß der Theorie alles richtig gemacht habe.
Ich würde eine neue, verbesserte, erweiterte Theorie verfolgen. Ich glaube, dass man die Geschichte der Menschheit in weiten Teilen so deuten kann.

Aber wo ist da der freie Wille? Er kann kompatibilistisch gesehen nur darin liegen, dass man ohne Zwang seinen inneren Impulsen folgt/geschehen lässt. Was du beschreibst, ist ein determinierter Prozess, der nur dann so ablaufen kann wenn alle beteiligten Determinanten vorliegen (Du hast eine Theorie, du bemerkst Widersprüche zur Theorie, du hast den Impuls/den Drang diese Dissonanz aufzulösen und z.B. nicht mit ad hoc Thesen zu retten, du suchst nach einer anderen Erklärung). Der beschriebene Prozess setzt alle diese Aspekte, Eigenschaften etc. voraus, ansonsten es anders ablaufen würde. Da er aber nicht anders ablaufen kann, da ja allem der härtest mögliche Determinismus zugrunde liegt, frage ich dich: was meinst du hier mit freiem Willen?!

Dr Fraggles hat geschrieben:Unterstellt...den härtest möglichen (ich dachte du glaubtest auch an nicht-determiniertes Geschehen?), den härtest möglichen...das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen, klingt wie eine zu keinem Kompromiss bereite Kampfansage...und dann ist man so enttäuscht, dass es nur Schall und Rauch war.

Noch mal: 1) Ich glaube nicht an eine lückenlos determinierte Welt, in der alles bereits feststeht, sei es aus göttlichem Willen oder einem vorgeschriebenem Ablauf der Natur, den man bereits ab dem Urknall hochrechnen könnte. Physikalisch ausgedrückt heißt das, dass ich nicht an ein realistisches Universum glaube, indem jedes Teilchen seinen festen, bestimmten Platz hat, da das Universum nicht lokal zu sein scheint, jedenfalls deuten die Experimente das an, was die Bellsche Ungleichung verletzt, wie oben im link dargestellt: https://de.wikipedia.org/wiki/Bellsche_Ungleichung
2) Ich kann aber eine lückenlos determinierte Welt als Gedankenexperiment zulassen und fragen, welche Folgen das für die Willensfreiheit hätte und bei diesem Gedankenexperiment überzeugt mich der Kompatibilismus als logisch konsistent, der gedanklich die härtesten deterministischen Bedigungen (an deren Existenz ich aber nicht glaube) voraussetzt und selbst unter diesen Bedigungen sehe ich Willensfreiheit als möglich an, woraus für mich folgt, dass dies unter schwächeren Bedigungen erst recht möglich ist (jedoch scheint es sogar so zu sein, dass zu wenig Determinismus, die Willensfreiheit gravierend einschränkt).

Ah, o.k. verstehe. Du nimmst die Hypothese Determinismus als härtesten Probestein sozusagen in der Annahme, dass der damit kompatible Freiheitsbegriff unter allen anderen möglichen Umständen bestehen wird.

Vollbreit hat geschrieben:Ich sehe nicht, das Punkt 1) und 2) sich logisch ausschließen.
Dass Du von ganz anderen Prämissen ausgehst, ist ja eine andere Geschichte.

Nein ich gehe einfach vom Determinismus aus, obwohl die Welt mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht determiniert ist. Aber selbst wenn er nicht determiniert wäre spielt das für mich keine Rolle. Du sagst, dass du einen Freiheitsbegriff gefunden hast, der unter allen Bedingungen (bezüglich Ausmass des Determiniertseins der Welt) bestehen kann. Ich sage, dass es unter keinen Determinationsbedingungen überhaupt einen sinnvollen freien Willen gibt, da ja auch ein vom Zufall durchsetzter freie Wille wenig taugt.
D.h. ich bin harter Determinist, inkl. Zufall oder nicht, und das besagt: die inkompat. Freiheit kann es darum nicht geben weil es sich nicht denken lässt (in was für einer Welt auch immer). Vielleicht bin ich so gesehen eher ein Freiheitsskeptiker, ich negiere einfach, dass es freie Entscheide im Sinne des inkomp. Freiheitsbegriffes geben kann und jede andere Freiheitskonzeption philosophisch ein Rohrkrepierer ist, mit noch zu beweisender pragmatischer Tauglichkeit wo auch immer. Der inkompat. Freiheitsbegriff trägt in sich allerdings Intendiertes/Gehalte (z.B. die Idee ontischer Offenheit) welche aus meiner Sicht wesentlich sind um die Hohlheit und Falschheit von Ersatzkonzepten zu durchschauen.

Dr Fraggles hat geschrieben:Wenn du ihn dir härtest im Bewusstsein präsent halten würdest (das würde ich als härtest bezeichnen...wäre als Übung doch eine recht nette Idee), dann wird dir nur schon das Wort Kompatibilismus nicht mehr verständlich erscheinen, mit Sicherheit aber nicht als adäquaten philosophischen Freiheitsbegriff.
Weil ich dann was erkennen müsste?[/quote]
Du würdest deinen Blickpunkt im Vexierbild ändern: nicht mehr der freiwillige Entscheidungsprozess stände im Focus deiner Aufmerksamkeit, sondern dessen härtest mögliche determinierte Struktur. Es ist bestimmt keine Erfahrung die ich oder auch du dir aufzwingen kannst, aber sie existiert (und ich lebe oft darin, übrigens auch Susan Blackmore, die einzige bekannte Person von der ich ein solches Statement kenne) und gerade weil sie existiert, kann ich den Kompatibilismus als ernsthafte alternative Freiheitskonzeption nicht ernst nehmen (allenfalls als Konstrukt welches sich in irgendwelchen Kontexten als nützlich erweisen wird...wobei ich mich schwer tue mir solche vorzustellen).
Zuletzt geändert von Dr Fraggles am Do 18. Sep 2014, 01:09, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon Dr Fraggles » Do 18. Sep 2014, 01:06

ice hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Wenn wir willenlose Automaten sind, lediglich unfähig den Grad ihrer Willenlosigkeit zu reflektieren oder psychsich zu ertragen und in einer fatalistischen Weise, ohne jede Einflussmöglichkeit auf die Welt, die eigene Psyche, andere Personen, wie Du es annimmst, leben, dann ist doch Dein Engagement wollkommen sinnlos. Ich könnte ja nicht mal anders, selbst wenn ich wollte. Du allerdings auch nicht insofern wärst Du gezwungen immer wieder anzurennen und Dich zu ärgern.
Ansonsten wäre Dein Ärger auch so zu deuten, dass Du davon ausgehst, dass Menschen doch zu überzeugen sind und sich im Kontakt mit geeignet Argumenten freiwillig umentscheiden können.


Auch wenn der Beitrag nicht an mich gerichtet ist, will ich kurz darauf antworten:
Diese Einsicht bzw. dieses Argument gehört für mich zu den seltsamen Paradoxa bei den Überlegungen zum harten Determinismus. Der, der ihn vertritt ist ebenso festgelegt wie der, mit dem man diskutiert. Engagement in der Diskussion und Ärger wären somit sinnlos, wie du richtig schreibst, weil keiner aus seiner Haut heraus kann. Der Determinismus ist für mich keine falsifizierbare Theorie, sondern eine "metaphysische Erkenntnis", an die man glauben kann - oder auch nicht. Es deuten - rational betrachtet - zwar viele Fakten darauf hin, dass wir in einer komplexen dynamischen Welt leben, die vollkommen kausal geordnet und (zum Großteil) unausweichlich festgelegt ist, aber aus dieser Einsicht folgt nichts. Es ist völlig unerheblich für den Fortgang dieser festgelegten Welt, ob man den Determinismus dahinter erkennt oder nicht. Es ist sinnlos, sich dafür zu engagieren und andere davon zu überzeugen oder sich zu ärgern, wenn jemand nicht daran glaubt.

Es ist völlig egal ob der Determinismus stimmt oder nicht. Die einzige Alternative wäre anzunehmen, dass unser Wille, unsere Gefühle etc. vom Zufall regiert werden, was wäre damit gewonnen? Auch gegen den Zufall wäre man machtlos, man verbliebe genauso determiniert wie zuvor. Nur ein inkompatibilistischer freie Wille könnte aus diesem Problem herausführen und den gibt es nun mal nicht. D.h. wer die Augen aufmacht wird unweigerlich zumindest zeitweise sich in einem paradoxen Zustand befinden, ich mich mittlerweile in einem gefühlten Dauerzustand der Uneigentlichkeit. Ich bin entweder Als-ob oder unfähig zu handeln.

Ice hat geschrieben:Wir sind, denke ich, vielleicht wirklich komplexe "Bioautomaten" in einer komplexen Umwelt, die sich dynamisch unvorhersehbar verändern/verändert. Wir haben offensichtlich einen Willen, den wir erkennen können und der uns antreibt - in welche Richtung auch immer - darauf haben wir keinen Einfluss. Ich kann nicht nicht wollen. Wenn ich etwas will, dann tue ich es, wenn ich kann. Wenn ich etwas nicht will, dann tue ich es nicht, soweit das geht. Von Freiheit in diesem Szenario zu reden hat nur insofern einen Sinn, dass wir unterscheiden können zwischen Denk-, Entscheidungs- und Handlungsfreiheit. Denk- und Entscheidungsfreiheit sind bedingt durch unzählige innere und äußere Einflussfaktoren. Handlungsfreiheit ist schön, wenn man sie hat, aber auch sie ist festgelegt und eingeschränkt durch unzählige Faktoren, auf die man meist keinen Einfluss hat.

Wille haben wir allenfalls darin unsere unmittelbaren Wünsche und Lüste zurückzudrängen, man könnte es auch bezeichnen als ein Determiniertsein durch andere Anreizsysteme. Am Schluss ist alles Scheisse wenn man ehrlich ist und sich nicht in seiner Handlungsfreiheit heimisch einigelt (aber auch deren Horizonte werden sich bei jedem irgendwann verdüstern).
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon Dr Fraggles » Do 18. Sep 2014, 01:14

stine hat geschrieben:Oh, welch schönes Schlusswort! :2thumbs:
Ich denke, weil das fast alle genauso sehen, könnte mit diesem Beitrag das Forum zum Thema Determinismus beruhigt geschlossen werden.
LG stine


Selbst wenn alle dem zustimmen würden (der Kompatibilist tut`s eben nicht wirklich, sprich: existenziell, er ist fixiert auf das eine Bild des Vexierbildes), würde ich eher und abschliessend sagen: gar nicht schön.
Aber, dass das Abschlusswort reif ist gesprochen zu werden, da hast du recht, denn Neues wird`s wohl nimmer geben und die alten repetitiven Fragen ("Was verstehst du darunter?" "Na, leck mich doch!") und Antwort-Taubheiten werden auch nicht origineller. Also lassen wir nochmals unseren einzig Retter (na ja, besser als nichts) sein Haupt erheben und sein Resümee verkünden. Als-ob: "Drauf geschissen!"

(Na ja, Dichten war noch nie meine Schwäche)
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon Dr Fraggles » Do 18. Sep 2014, 02:33

Vollbreit hat geschrieben:Wenn wir willenlose Automaten sind, lediglich unfähig den Grad ihrer Willenlosigkeit zu reflektieren oder psychsich zu ertragen und in einer fatalistischen Weise, ohne jede Einflussmöglichkeit auf die Welt, die eigene Psyche, andere Personen, wie Du es annimmst, leben, dann ist doch Dein Engagement wollkommen sinnlos. Ich könnte ja nicht mal anders, selbst wenn ich wollte. Du allerdings auch nicht insofern wärst Du gezwungen immer wieder anzurennen und Dich zu ärgern.
Ansonsten wäre Dein Ärger auch so zu deuten, dass Du davon ausgehst, dass Menschen doch zu überzeugen sind und sich im Kontakt mit geeignet Argumenten freiwillig umentscheiden können.

Nun, im Grunde hast du recht. Das ist im Vexierbild das Bild der Realität (d.h. jenes jenseits illusionärer Freiheitskonzepte, das Bild jenseits des Als-ob, wobei wir wohl immer noch irgendein Als-ob in anderer Hinsicht bleiben). Allerdings wenn du sagst: "Ich könnte nicht mal anders selbst wenn ich wollte." schlecht sich irgendwie Konfuses hinein. Natürlich kannst du das was du willst (Handlungsfreiheit) auch in einer deterministischen Welt.
Das andere Problem betrifft jene ob Wahrheit, Einsichtsfähigkeit Freiheit voraussetzt. Ich würde das als falsch oder zumindest als nicht zwingend erachten. Man könnte durchaus auch denken, dass man eben richtig oder falsch kausal determiniert sein kann.


Ice hat geschrieben:Diese Einsicht bzw. dieses Argument gehört für mich zu den seltsamen Paradoxa bei den Überlegungen zum harten Determinismus. Der, der ihn vertritt ist ebenso festgelegt wie der, mit dem man diskutiert. Engagement in der Diskussion und Ärger wären somit sinnlos, wie du richtig schreibst, weil keiner aus seiner Haut heraus kann.

Doch, man kann sehr wohl sich ändern, wenn man z.B. gewisse Standards verinnerlicht hat, dann ist es im wissenschaftlichen Bereich eben möglich Wahrheiten zu entdecken oder der Wahrheit näher zu kommen. Wer allerdings solche Standards ablehnt, wird, abhängig von den ihn determinierenden Faktoren, mit Argumenten zu überzeugen sein oder auch nicht. Vielfach ist Leid ein Auslöser neuer wahrerer Sichtweisen.

Der Determinismus ist für mich keine falsifizierbare Theorie, sondern eine "metaphysische Erkenntnis", an die man glauben kann - oder auch nicht. Es deuten - rational betrachtet - zwar viele Fakten darauf hin, dass wir in einer komplexen dynamischen Welt leben, die vollkommen kausal geordnet und (zum Großteil) unausweichlich festgelegt ist, aber aus dieser Einsicht folgt nichts.

Was ist mit Quantenzufällen? Du meinst, dass diese auf einer Makro-Ebene irrelevant sind bzw. sich mitteln. Aber auch ein indeterministisches Weltbild scheint nicht falsifizierbar. Im einen wie im anderen Fall liesse sich auf mögliches mangelhaftes Wissen rekurrieren.

Ice hat geschrieben:Es ist völlig unerheblich für den Fortgang dieser festgelegten Welt, ob man den Determinismus dahinter erkennt oder nicht. Es ist sinnlos, sich dafür zu engagieren und andere davon zu überzeugen oder sich zu ärgern, wenn jemand nicht daran glaubt.

Warum? Weil Erkenntnis und Determinismus sich ausschliessen?
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon Dr Fraggles » Do 18. Sep 2014, 02:39

Als-ob: "Drauf geschissen!" (Irgendwann muss einfach Schluss sein mit diesen Angriffen aufs Als-ob :explodieren: ).
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon Vollbreit » Do 18. Sep 2014, 10:02

Dr Fraggles hat geschrieben:Das allgemeine ist klar: dass man durchaus während man etwas entscheidet z.B. innehält und sich sagt: alles hier läuft determiniert ab (auch, dass ich jetzt innegehalten habe etc.), auch mein nächster Gedanke etc. Klingt hirnrissig, aber im Grunde entspricht es buddhistischen Achtsamkeitsübungen die das Ziel haben zu erkennen, dass es kein Ich gibt, kein kontinuierliches (hier wird nicht ein Gedankenprozess seziert, sondern die Bewegungsabläufe. Das spezielle wäre die Ignoranz gegenüber Wissen welches einem an sich offenstünde, aber man davon nicht gebrauch macht oder es "verdrängt" (ist ja dann auch determiniert).

Aber der Adressat, der innehalten und sich bewusst werden soll, ist eben doch so stabil, dass man genau ihm, genau diese Anweisung geben kann (er hat sie nicht morgen schon vergessen, weil er ja da ein ganz anderer ist), war der berechtigte Einwand von Nagarjuna. Der mittlere Weg ist eben genau deshalb der mittlere Weg, weil er auch hier erkennt, dass das Ich einerseits dynamisch ist und eben doch auch stabil.

Dr Fraggles hat geschrieben:Ich für mich habs ehrlich gesagt aufgegeben mit dem Versuch mich mit mir selber, also meinem Denken oder Handeln in Einklang zu bringen.
Wo ist das große Problem?
Wir haben primäre Affekte, als biologisches Erbe und ein kulturelles System an Normen und Werten, das von uns verlangt, unsere Affekte zu kontrollieren.
Das führt zu Spannungen aber irgendwann auch zu Bahnungen stabiler Sublimationen (um mal Termini zweier Erklärungssystem zu verbinden).

Dr Fraggles hat geschrieben:Insofern gebe ich dir recht, zugleich bestätigt es meine Sicht, dass wir in einer Welt existieren die vielfache Inkompatibilitäten mit sich bringt und da muss dann jeder schauen wie er damit umgeht/umgehen lernt.
Ja, und das ist ein alter Hut.
Spannender, gerade auch für Dich könnte sein, die verschiedenen Ansätze zu vergleichen und zu schauen, ob sich bei allen unterschiedlichen Wegen und Ansätzen Muster ergeben, die übereinstimmen. M.E. kann man das im Moment wunderschön erkennen ob Neurobiologie, Semantik, Philosophie, Kognitionspsychologie.

Dr Fraggles hat geschrieben:Ich meine wer den Anspruch an sich stellt auf Grund rationaler Überlegung zu entscheiden und einsieht, dass ein mehr an Infos zuweilen relevant sein kann, der sollte ihm zugängliches Wissen benutzen.
So wird jede kluge Mensch handeln, zumindest bei größeren Entscheidungen.
Aber, wenn Du ernsthaft glaubst, alles sei vorherbestimmt, macht eine Zweitmeinung auch keinen Sinn, denn ob eine OP gelingt oder nicht, steht ja bereits fest.
Sinn ergibt das nur, wenn Du Dir einen Determinismus strickst, der exakt so aussehen muss, als ob man willensfrei agieren würde, dann wäre meine Rolle, dass es darauf ankommt, dass ich mich aktiv engagiere, Zweit- und Drittmeinungen einhole und ggf. auch noch den Wunderheiler konsultiere, um dann, in dieser Welt, die exakt so aussehen muss, als wäre ich ein freier Agent nachträglich den metaphysischen Zusatz zu glauben: „Aber du musst wissen, dass es nur so aussiehst, als seist du frei, in Wirklichkeit ist alles vollkommen determiniert.“ Dieser Zusatz ist unnötig, wenn man freier Agent spielt, so unnötig, dass sogar Du darauf hinweist, man müsse sich dieses Glaubenssatzes bei allem was man tut, immer wieder bewusst werden, wie bei einer Achstsamkeitsübung.
Alternative: Streich das als ob und schau mal, ob Du nicht ein rationaler Agent (im Rahmen der üblichen Grenzen) bist.


Dr Fraggles hat geschrieben:Es gilt bedingt dann wenn man den Anspruch hat, rational zu entscheiden. Bedingt weil es immer auch eine Frage des Aufwandes etc. ist (und so verstehe ich den Kompatibilismus).
Das habe ich nicht verstaden.

Dr Fraggles hat geschrieben:O.k., dann habe ich mich halt beim Anspruch des Kompatibilisten getäuscht: ich dachte er lege Wert auf Entscheide basierend auf Informiertsein.
Natürlich. Aber ich urteile nur auf dem Boden dessen, was ich weiß, weil der Satz, dass ich auch das berücksichtige was ich nicht weiß und nicht kenne, keinerlei Sinn ergibt.
Wenn ich mir ein neues Auto kaufen will, dann kann es sein, dass ich das tue und durch einen Zufall, gewinnt meine Frau drei Tage später bei einem Presiausschreiben ebenfalls ein Auto. Logischerwiese würde ich mir, wüsste ich, dass meine Frau in drei Tagen im Lotto ein Auto gewinnt, keines kaufen, sondern die drei Tage noch warten.
Ich weiß es aber nicht und nun jede Woche abzuwarten, ob meine Frau, die wöchentlich Lotto spielt, einen Wagen gewinnt, würde mich beim Autokauf lähmen. Ich würde mir nie eines kaufen, denn immer könnte meine Frau ja eines gewinnen. Das ist gemeint.

Dr Fraggles hat geschrieben:... mein Hauptargument war: dass wer nie die Möglichkeit hatte nicht schuldig zu sein, also dazu determiniert/verflucht war schuldig zu werden, der kann gerechterweise nicht bestraft werden.
Damit hat man aber schon Deine Prämisse geschluckt, dass der Mensch nie eine Wahl hat.
Ich gehe nicht davon aus, dass diese Prämisse stimmt.

Dr Fraggles hat geschrieben:Wo wäre denn die Grenze wo man sagt: das ist nicht megr freiwillig im kompatibilistischen Sinne?
Erpressung und Sucht.
Innerer und äußerer Zwang.

Dr Fraggles hat geschrieben:Zudem irritiert mich, dass ein Vollneurotiker der bestimmt eine Tendenz hat zu sehr irrational-zwanghaftem Handeln auch noch als freiwillig handeln gelten soll, wie das?
Ein ausgewiesen zwanghafter Mensch ist m.E. nicht frei (in dem Bereich, indem seine Zwänge liegen). Der kann wirklich nicht anders.
Dabei gibt es aber Unterschiede, die sehr interessant sind. Ein psychotischer oder wahnhafter Zwang zeichnet sich dadruch aus, dass der Betroffene jede Kritikfähigkeit verliert und ganz eins mit seinem Wahn ist.
Ein Zwang im Rahmen schwerer Persönlichkeitsstörungen sieht so aus, dass es Phasen gibt, in denen man weiß, dass es irrational ist sich 50 Mal am Tag die Hände zu waschen und dann Phasen, in denen man denkt, dies sei doch rational, da es schließlich überall Bakterien und Viren gibt.
Ein neurotischer Zwang zeichnet sich dadurch aus, dass man weiß, dass man unter Zwängen leidet und gerne anders würde, aber man kann nicht, der Zwang steht dagegen. Man tut etwas, will es aber eigentlich nicht.
Interessant ist nun folgende Analogie aus der Hirnforschung: Reizt man bestimmte Areale, so ist der Mensch gezwungen beispielsweise seine Hand zu bewegen oder das Gesicht zu verzerren. Das wird immer als so ein Paradebeispiel des Neurodeterminismus verkauft. Gib hier Strom drauf, dann erfolgt dort eine Reaktion.
In der Lesart der Neurodeterministen handelt es sich dabei um eine Reaktion, die vollkommen (man könnte sagen: in wahnhafter = unkritischer Weise) in das Ich eingebettet ist, das heißt, das Ich ist vollkommen mit dieser Handlung einverstanden – weil es ja ohnehin kein Ich gibt oder dessen einzige Funktion, laut neurobiologischer Doktrin zu sein scheint, zu rechtfertigen oder zu erklären, was das Gehirn „beschlossen“ hat.
Im Experiment ist es jedoch so gewesen, dass es genau so nicht lief. Zwar waren die Patienten gezwungen den Arm oder das Geischt zu bewegen, aber sie sagten: „Ja aber, das war nicht ich, das haben sie mit ihrem Strom gemacht, Herr Doktor.“ Das ist hochinteressant, weil es die These der epiphänomenalen Rechtfertigungsmaschine: illusionäres Ich falsifiziert.
Wenn es stimmt, was Stephan Schlein behauptet, dann hat Gerhard Roth diese Daten nicht nur gekannnt, sondern sie benutzt und (un)wissentlich verzerrt, nämlich im Sinne seiner neurodeterministischen Thesen, obwohl sie exakt das Gegenteil belegen.
Hier müsstest Du das ausführlicher hören können: http://www.scilogs.de/braincast/forschu ... schleim-1/

Dr Fraggles hat geschrieben:Aber wo ist da der freie Wille? Er kann kompatibilistisch gesehen nur darin liegen, dass man ohne Zwang seinen inneren Impulsen folgt/geschehen lässt.
Wieso? Man kann seine Impulse doch kontrollieren.
Grob gesagt ist eine Neurose eine etwas zu ausgedehnte Impulskontrolle, während eine schwere Persönlichkeitstörung eine zu geringe Impulskontrolle ist.
Die Beispiele der Neurobiologen gingen fast immer von Fällen aus, in denen jemand tatsächlich nicht anders konnte und gerade die schwersten Fälle eines Verlustes von Impulskontrolle (und jeder Form von Empathie) dienten als Beispiele, dass der Mensch so sei.
Tatsächlich gibt es aber weit mehr Neurotiker als Vollbildpsychopathen, keine Rede davon, dass wir alle so sind.
Hätte man schwerst körperbehinderte Menschen untersucht und gefolgert, der Mensch sei ja nicht mal in der Lage eine Treppe zu benutzen oder sich die Schuhe zuzubinden, hätte jeder Einspruch erhoben. Schwerste psychische Deformationen als menschliche Protoypen zu behandeln, ist ebenso ein Murks.

Dr Fraggles hat geschrieben:Was du beschreibst, ist ein determinierter Prozess, der nur dann so ablaufen kann wenn alle beteiligten Determinanten vorliegen (Du hast eine Theorie, du bemerkst Widersprüche zur Theorie, du hast den Impuls/den Drang diese Dissonanz aufzulösen und z.B. nicht mit ad hoc Thesen zu retten, du suchst nach einer anderen Erklärung). Der beschriebene Prozess setzt alle diese Aspekte, Eigenschaften etc. voraus, ansonsten es anders ablaufen würde. Da er aber nicht anders ablaufen kann, da ja allem der härtest mögliche Determinismus zugrunde liegt, frage ich dich: was meinst du hier mit freiem Willen?!
Auch das ist inkonsistent.
Du schreibst dem Menschen die Fähigkeit zu ständig seine Theorien an die determinierten Prozesse - zu denen er nie etwas kann – anzupassen.
D.h auf komplexester Ebene, kann der Mensch rasend schnell Theoreibegäude entwerfen und revidieren (denn das „bermekt“, wie Du schriebst, der Mensch scheinbar recht bewusst und eigenmächtig) aber selbstständig zu entscheiden, wo er Urlaub macht, oder ob er Milch oder Cola trinken möchte, das ist ihm vollkommen versagt.

Dr Fraggles hat geschrieben:Ah, o.k. verstehe. Du nimmst die Hypothese Determinismus als härtesten Probestein sozusagen in der Annahme, dass der damit kompatible Freiheitsbegriff unter allen anderen möglichen Umständen bestehen wird.
Exakt.

Dr Fraggles hat geschrieben:Du sagst, dass du einen Freiheitsbegriff gefunden hast, der unter allen Bedingungen (bezüglich Ausmass des Determiniertseins der Welt) bestehen kann. Ich sage, dass es unter keinen Determinationsbedingungen überhaupt einen sinnvollen freien Willen gibt, da ja auch ein vom Zufall durchsetzter freie Wille wenig taugt.
Davon ist ja die ganze Zeit u.a. die Rede, dass der Zufall keine gute und vor allem keine notwendige Zutat für die Willenfreiheit ist.
Sind wir in diesem Punkt der gleichen Meinung?

Dr Fraggles hat geschrieben:D.h. ich bin harter Determinist, inkl. Zufall oder nicht, und das besagt: die inkompat. Freiheit kann es darum nicht geben weil es sich nicht denken lässt (in was für einer Welt auch immer).
Da wäre ich jetzt auch nicht so sicher, aber lass uns lieber zunächst beim eigentlichen Streitpunkt, dem Kompatibilismus bleiben.

Dr Fraggles hat geschrieben:Vielleicht bin ich so gesehen eher ein Freiheitsskeptiker, ich negiere einfach, dass es freie Entscheide im Sinne des inkomp. Freiheitsbegriffes geben kann und jede andere Freiheitskonzeption philosophisch ein Rohrkrepierer ist, mit noch zu beweisender pragmatischer Tauglichkeit wo auch immer. Der inkompat. Freiheitsbegriff trägt in sich allerdings Intendiertes/Gehalte (z.B. die Idee ontischer Offenheit) welche aus meiner Sicht wesentlich sind um die Hohlheit und Falschheit von Ersatzkonzepten zu durchschauen.
Du bist ganz sicher ein Freiheitsskepiker, machst aber m.E. den Fehler vieler Freiheitsskeptiker, dass sie meinen, da die das Konzept verwerfen, den Begriff nicht definieren zu müssen. Doch gegen Krieg und Folter zu sein ist auch nicht ausreichend, man muss auch definieren, wo Krieg und Folter beginnen und enden. Selbes gilt für die Freiheit.
Dass man unter den identischen(!) Bedingungen sich anders entscheidet ist m.E. kein Akt der Freiheit (Ich habe meine Gründe, Vorlieben und Gewichtungen und sage: A und habe ein anderes mal die identischen(!) Gründe, Vorlieben und Gewichtungen und sage: B), sondern der Willkür.
Und Willkür ist so lange für mich keine Option für Freiheit, bis man mir begründet hat, wie und wo Willkür die Freiheit vergrößert, m.E. schränkt sie sie ein.
Sollten Willkür und Zufall jedoch als Elemente wegfallen, bleibt als Option, das abwägen rationaler Gründe im Lichte dessen, was man aktuell weiß und der aktuellen Vorlieben und Gewichtungen der Prämissen. Das wäre die kompatibilistische Option.

Dr Fraggles hat geschrieben:Du würdest deinen Blickpunkt im Vexierbild ändern: nicht mehr der freiwillige Entscheidungsprozess stände im Focus deiner Aufmerksamkeit, sondern dessen härtest mögliche determinierte Struktur.
Ich kann natürlich so denken, aber uabhängig vom oft unterstellen Wohlgefühl, auf was man dabei angeblich verzichtet, sehe ich das ganz nüchtern als theorieökonomisches Defizit.
Ich kann zu allem denken, dass ich es nur tue: a) weil Gott es so gewollt hat, b) weil die Naturgesetze es gebieten, c) weil Aliens mich fernsteuern, d) weil ich qua egoistischer Gene nur meinem Vorteil nachjage, f) weil ich in einer Matrix lebe … z) weil wir irgendwie alle manipuliert sind und alles ganz anders ist, als es scheint.
Nur, in der Wissenschaft gilt, man solle den zusätzliche Ballast streichen und die schlankste Theorie nehmen. Ob die Welt tatsächlich so konstruiert ist, dass sie extrem gradlinig ist und keine Umwege macht, das weiß ich nicht. Aber im Zuge einer Argumentation die wissenschaftlich sein möchte, sollte man die Gebote der Wissenschaft nicht unbegründet außer Kraft setzen dürfen und da der Neurodeterminismus sich explizit auf seine Wissenschaftlichkeit beruft, gilt das für seine Theorien.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon AgentProvocateur » Do 18. Sep 2014, 15:22

Dr Fraggles hat geschrieben:Die Zukunft ist (in relativ engen Grenzen was unsere Entscheide betrifft) offen, nicht aber ontisch. Ontisch also tatsächlich, das besagt der Determinismus, ist die Zukunft determiniert (Zufälle nicht mitbedacht). Du reservierst nun den Begriff "offene Zukunft" für jenen der für den Kompat. nützlich ist (und ich vermute hier mehr dahinter: dass das Gefühl des Kompatibilisten jene der ontischen Offenheit ist) .

In einer determinierten Welt ist die Zukunft nicht ontisch offen, da es in einer determinierten Welt keine echten Zufälle gibt. (Wieso sagst Du: "Zufälle nicht mitbedacht"?) Kompatibilismus ist die Ansicht, dass Determinismus und Freiheit miteinander vereinbar und keine Widerspüche/Gegensätze sind. Ein Kompatibilist, der eine ontische Offenheit der Zukunft als notwendige Bedingung für Freiheit ansehen würde, würde sich daher selber widersprechen. Wie kommst Du auf Deine Vermutung, dass er das tut?

Dr Fraggles hat geschrieben:[...] ich wollte wissen ob a) in der Reue des Kompatibilisten zugleich ein Bewusstsein von der Determiniertheit des zu Bereuenden hat und b) ob das nicht zu einem gewissen inneren Widerspruch führt

a) ja, b) nein.

Dr Fraggles hat geschrieben:
Dr Fraggles hat geschrieben:4) Oder angenommen man könnte die Entscheidungsfindung eines Menschen einem Computer bei entsprechender Programmierung und Eingabe der relevanten Informationen übergeben. 5 Minuten nach Eingabe würde der Entschluss feststehen. Würde der Betreffende dies als seinen Entscheid verstehen

Nein, die Entscheidung, ob man das dann machen will oder nicht, würde zusätzlich getroffen werden.

Das ist nicht entscheidend. Entscheidend ist, ob man seine Zustimmung geben würde damit der Computer die "Entscheidung" fällt. Der Proband müsste natürlich die Überzeugung und Garantie haben, dass der Computer seinen Entscheid reproduzieren/simulieren würde. Mich interessiert inwiefern dem Kompatibilisten an der epistemischen Offenheit des Entscheidungsprozesses und dessen interpretatierendes Erleben als ontischer Offenheit liegt. Meiner Vermutung nach das Herzstück jedes Kompatibilisten.

Die Zukunft ist epistemisch offen, d.h. ein Computer, der Teil der Welt ist, kann nicht die Zukunft der Welt vorausberechnen.

Nehmen wir beispielsweise mal an, der Computer würde berechnen, dass der Proband sich morgen um 12:00 Uhr entscheiden würde, über die Bahnhofstraße zu gehen und dabei von einem Auto überfahren werden. In dem Falle würde sich der Proband, (angenommen, er hinge an seinem Leben), wohl hüten, tatsächlich um 12:00 Uhr die Bahnhofstraße zu überqueren, (weiter angenommen, der Proband wäre davon überzeugt, dass der Computer richtig gerechnet hätte). Was aber nichts mit ontischer Offenheit zu tun hätte. (Wäre die Zukunft ontisch offen, dann hätte der Computer von Vorneherein keine Grundlage für seine Berechnung gehabt.)

Mir ist nun nicht klar geworden, worauf Du damit hinauswillst. Meinst Du, dass der Proband in dem Falle irgendwie gezwungen wäre, um 12:00 Uhr die Bahnhofstraße zu überqueren? Und was hat das Ganze mit ontischer Offenheit zu tun? Und wieso meinst Du, Kompatibilisten würden eine solche annehmen?
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon Dr Fraggles » Mo 29. Sep 2014, 00:29

Hier noch eine letzte Anmerkung:

Meine Unterscheidung einerseits der Unmöglichkeit den inkomp. freien Willen rational zu explizieren und andererseits dennoch zu verstehen was darunter gemeint ist, lässt sich in Analogie zum Zufalls-Begriff darstellen: so wie der Zufallsbegriff definiert werden kann als ursacheloses (nicht verursachtes) Geschehen, so der inkomp. Freiheitsbegriff als `anders handeln können unter denselben Bedingungen`. Wie man beim Zufall auf empirisches Geschehen hinweisen kann (Zerfall von Atomen z.B.), so bei der inkom. Freiheit auf Situationen (vor einer Tasse Tee und Kaffee sitzend sowohl diese wie jene trinken zu können, ohne dass es bereits im vorhinein feststünde was geschieht...da beide Optionen subjektiv in etwa gleich ansprechend sind: d.h. der epist. Indeterminismus wird als ontologischer erfahren). Letzteres ist in gleicher Weise verstehbar wie das Zufalls-Beispiel. Falls jemand behauptet zu verstehen was zufälliges Geschehen bedeutet, dann wohl auch was es heisst inkomp. frei handeln zu können. Zufälliges Geschehen kann man nicht eigentlich erklärend begreifen, sondern nur definieren, eben solches trifft auch für den inkomp. freien Willen zu. Beides lässt sich verstehen und definieren, aber keines wirklich als Rationales nachvollziehen. Beide setzen eine `Kausalitätsform` voraus, die für uns nicht nachvollziehbar ist (wie kann etwas ursachelos geschehen resp. wie kann jemand jenseits von zufällig oder determiniert handeln).
O.k., auch hierzu werden wieder elaborierte Ausweichmanöver der `Als-obler` als Antworten bereit liegen (wie steht es mit dem Epiphänomenalismus? Auch da aus Instinkt abgeneigt?), aber obige Analogie ist ja auch nur für jene gedacht die sich ja bereits (von mir aus: in meinen Augen) als eher dubios bezüglich ihrer Redlichkeit geoutet haben durch Verneinung, dass der inkomp. Freiheitsbegriff (oder deren Postulierung) für sie irgendeine gehaltvolle Intention hätte (in diesbezüglich natürlich nicht zufälliger Entsprechung ihrer `existentiellen` Unbedarftheit bezüglich der Wahrheit ihres eigenen determiniert Seins).
Dem Forum: :segen:
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon Dr Fraggles » Di 30. Sep 2014, 01:09

"Eine glaubwürdige Freiheit ist nicht denkbar, eine denkbare nicht glaubwürdig".
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