Myron hat geschrieben:Die Frage ist, ob es zur evolutionären Hervorbringung geistig-seelischer Erscheinungen irgendwelcher nichtphysischer Ingredienzien bedurfte. Das scheint nicht der Fall zu sein; denn wenn man die natürliche Entwicklung eines bewussten Lebewesens von der Zeugung bis zur Geburt verfolgt, dann spricht alles dafür, dass es sich dabei um einen rein physischen bzw. physiologischen Vorgang handelt, woran keinerlei nichtphysische Faktoren beteiligt sind. Da wird in keiner Phase ein geheimnisvoller "Schuss Psyche" hinzugegeben.
Für einen Baum lasse ich das gelten, aber für mich nehme ich schon in Anspruch über Psyche zu verfügen
Die Frage ist, wie kommt die Psyche (meine) in das physikalisches Weltbild (meins), das sie hervorbringt?
Myron hat geschrieben:Nichtsdestotrotz stellt sich die Frage, in welchem Sinne man Qualia als physische/physikalische Eigenschaften bezeichnen kann.
Zu sagen, sei seien Eigenschaften physischer Dinge oder Vorgänge, genügt noch nicht; denn wer sagt denn, dass Dinge oder Vorgänge mit physischen/physikalischen Eigenschaften nicht auch nichtphysische/nichtphysikalische Eigenschaften haben können. (Chemische und biologische Eigenschaften zählen im weiteren Sinn zu den physikalischen Eigenschaften.)
Betrachten wir es mal von aussen und schauen auf einen Menschen, der gerade sein Abendbrot verspeist.
Die Vorgänge des Zerteilens, Kauens, Verschluckens und sogar des Verdauens können wir sehr exakt messen und physikalisch und chemisch beschreiben
Wir können heute sogar die Gehirnfunktionen dabei beobachten und zb in mrt-Bildern fixieren. Aus dem Vergleich unterschiedlicher mrt-Bilder wird man eines Tages sogar feststellen können, ob es der Person geschmeckt hat.
Das tatsachliche individuelle ERLEBEN der beobachteten Person wahrend des Mahls, werden wir aber niemals messen, beschreiben, nachempfinden oder gar speichern und reproduzieren können.
Myron hat geschrieben:Ich sehe keine begriffliche Lücke zwischen Nichtbewusstsein und Bewusstsein, in die ein "Vorbewusstsein" als dritte Kategorie hineinpassen würde. Jede noch so schwache und flüchtige Empfindung stellt bereits einen Bewusstseinszustand dar.
Streng genommen kann man genauso wenig "halbbewusst" sein, wie man "halbschwanger" sein kann. Was es gibt, sind unterschiedliche Grade der Bewusstseinsspannung, die von Schläfrigkeit bis zur höchsten Wachsamkeit reichen.
Also gibt es doch graduelle schwangerschaft?
Der Vergleich hinkt meiner Meinung nach und führt uns nicht weiter.
Die Bewusstseinszustände des Menschen sind sehr vielfaltig. Wir sind überzeugt, dass ein Säugling Bewusstsein hat, können uns aber nicht mehr im geringsten vorstellen, was in einem Säugling vorgeht, obwohl wir selber einer waren . Noch weniger können wir uns in Tiere hineindenken (Beispiel Fledermaus). Selbst der komplette mrt-Film eines Fledermauslebens wird uns keinen Schimmer davon vermitteln, was es heisst eine Fledermaus zu sein. Gleiches gilt für andere Lebewesen, mit oder ohne Hirn.
Ich halte es für plausibel, dass Bewusstsein tatsächlich ein graduelles Phänomen und rückverfolgbar bis zum Anbeginn der Evolution ist.
Natura non facit saltus.
Als Proto-Bewusstsein könnte ein reines Erleben zb mit nur einem einzigen Sinn bezeichnet werden - ohne Sprache, ohne Reflektion. Beispielsweise wie Pflanzen, die die Sonne "spüren" und sich nach ihr ausrichten oder Geisseltierchen, die sich in Richtung ihrer Nahrung bewegen.
Myron hat geschrieben:1. Was bedeutet es zu sagen, etwas habe oder sei bei Bewusstsein?
2. Wie kann man praktisch feststellen, ob ein gegebenes Etwas Bewusstsein hat oder bei Bewusstsein ist?
Was die erste Frage anbelangt, so arbeite ich mit der folgenden Charakterisierung:
Ein Lebewesen ist bei oder hat Bewusstsein genau dann, wenn es für es irgendwie ist zu sein, es sich für es irgendwie anfühlt zu sein, es irgendetwas erlebt, ihm die Welt irgendwie innerlich erscheint.
Das mag bloß eine vage Quasidefinition sein, aber etwas Besseres habe ich in der Literatur nicht finden können.
......
Informationsprozesse sind nicht per se psychische Prozesse, d.i. Prozesse, die mit subjektivem Erleben einhergehen. Die entscheidende Frage ist, wie aus Informationen Sensationen (Empfindungen) werden können. Damit wären wir wieder bei dem, was David Chalmers das "harte Problem" nennt.
Ach, mir fällt gerade ein Ansatz des Physikers David Bohm ein, der dich interessieren dürfte:
[Ich hoffe, du kannst englische Texte lesen; denn eine Übersetzung dieses längeren Abschnitts ins Deutsche ist mir—sorry!—momentan zu mühselig.]
Danke für die interessanten Aspekte!
Je länger ich nachdenke, desto klarer wird:
Bewusstsein ist reine Informationsverarbeitung.
Deshalb sollten sich die Überlegungen dahingehend entwickeln, was Informationen im Kern eigentlich sind und wie sie übertragen, gespeichert und kombiniert werden können. Ich denke, es ist kein Zufall, dass wir das Zeitalter der Informationsverarbeitung ausgerufen haben. Das Mensch - als Produkt der Evolution - ist ein Meister der Informationsverarbeitung und hat es als solcher geschafft, Werkzeuge zu kreieren, die sich anschicken, den Kern seines Wesens (Bewusstsein) zu reproduzieren.
Bewusstsein wie wir es erleben, entwickelt sich offenbar dort, wo Informationen zur Aufrechterhaltung eines Systems aufgenommen, gespeichert und in neue Zusammenhänge gestellt werden müssen. Sinne erzeugen Informationen mit denen das System agieren und sich selbst erhalten und weiterentwickeln kann.
Was aber ist Information?
Information ist die symbolische Darstellung/Repräsentation von Zuständen.
(Das ist meine definition, vielleicht gibt es prägnantere)
Gehen wir 4 Milliarden Jahre zurück ins Hadaikum.
Es gibt weder Biologie noch irgendeine Form von Leben.
Gibt es also Information? Ohne Sender, ohne Empfänger?
Ich denke nicht, zumindest nicht Information wie wir sie kennen, weil niemand da ist, der sie realisieren oder gar speichern könnte.
Die einzigen Arten von Information existieren hier auf Ebene der Elementarteilchen und sie lauten:
Ich spüre Gravitation, ich spüre Strahlung, ich spüre Druck, ich spüre Hitze.
Diese Informationen sind in der Erdfrühphase so gewaltig, dass sie alles andere überlagern.
Erst wenn der Planet sich abgekühlt, die Strahlung nachgelassen und an einigen Orten "geeignetes" Klima entstanden ist, kommt eine neue wichtige Information zum tragen:
Ich mag dich, oder ich mag dich nicht.
Mit dir bin ich stabiler oder mit dir bin ich unstabiler.
Diese Informationen werden auf Ebene der Elementarteilchen in Wechselwirkungen ausgetauscht und ermöglichen die Bildung von Molekülen hoher Komplexität, die sich alsbald wiederum mit dem Ziel dauerhafter Stabilität teilen und irgendwann als dna reproduzieren.
Das dürfte der Beginn des Informationsaustauschs gewesen sein, der sich bis heute in der Evolution fortsetzt.
Die gesamte lebendige Welt ist auf den Austausch von Informationen aufgebaut. Von den Vögeln die morgens nach Artgenossen rufen, bis zum Gesang der Wale. Alles ist Kommunikation mit dem Ziel einer höheren stabilen Lebensform.
Die höchste Entwicklungsstufe dieser Lebensform entwickelt nun Werkzeuge um den Informationsaustausch innerhalb der Spezies noch einmal zu revolutionieren und das Phänomen des Bewusstseins künstlich zu reproduzieren.
Ich denke die Bedeutung von Information und die Klärung, was Information objektiv ist, kann man nicht hoch genug einschätzen.