Die sieben Todsünden

Re: Die sieben Todsünden

Beitragvon Vollbreit » Mi 7. Dez 2011, 12:40

laie hat geschrieben:Wie einfallslos :lachtot:

Ich wusste gar nicht, daß Darwin nur solche Schwule akzeptiert, die sich künstlich fortpflanzen :mg:


Einfallslos?
Durchaus, war auch nicht affirmativ gedacht.
Aber Darwins Kriterium für evolutionären Erfolg ist nun mal, Nachkommen zu zeugen und so erfolgreich groß zu ziehen, dass diese wieder in der Lage sind Nachkommen zu zeugen (und es auch tun).
Das ist in meinen Augen eine Reduktion von Erfolg auf bloße Fortpflanzung und eine Antwort auf die Frage, wer uns denn sagt, dass es so sein muss.
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Re: Die sieben Todsünden

Beitragvon laie » Mi 7. Dez 2011, 12:51

Vollbreit hat geschrieben:eine Antwort auf die Frage, wer uns denn sagt, dass es so sein muss.


Die Frage war rhetorisch gemeint. Es ist wohl klar, daß Darwin (der Arme, der dauernd in Beschlag genommen wird) hier wenig hilfreich ist.
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Re: Die sieben Todsünden

Beitragvon Vollbreit » Mi 7. Dez 2011, 13:00

Scheint halt mehrere Kriterien für eine gelungenes oder verpfuschtes Leben zu geben, eine Kritik an der naturalistischen Sichtweise ist ja, dass sie hier wenig bis nichts anzubieten hat und ein Rückgriff auf Kriterien à la Darwin ist ja soeben ausgefallen: Was dann?

Dem radikalen Subjektivismus von ganimed bin ich ja zugetan (in Grenzen, auch fragwürdige Menschen könnten denken, dass es sich gelohnt hat), aber wie fädelt man das in den Naturalismus ein?
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Re: Die sieben Todsünden

Beitragvon laie » Mi 7. Dez 2011, 13:19

Wenn die naturalistische Sichtweise
vollbreit hat geschrieben:hier wenig bis nichts anzubieten hat
, warum muss man das
vollbreit hat geschrieben:in den Naturalismus einfädeln
?
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Re: Die sieben Todsünden

Beitragvon Vollbreit » Mi 7. Dez 2011, 13:35

Das muss man nicht, aber wir wollen ja am Ende unseres Lebens tendenziell auf ein eher gelungenes zurückblicken. Einer der erfolgreichsten und besten Ansätze (wenn nicht der) so heißt es, ist der Naturalismus. Eigenartigerweise hat er aber, zu dem was das Individuum zentral interessieren könnte, sehr wenig (bis nichts) anzubieten.

Mit anderen Worten, wir brauchen zum Naturalismus eine Ergänzung.
http://www.forum.brights-deutschland.de/viewtopic.php?f=47&t=1831
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Re: Die sieben Todsünden

Beitragvon laie » Mi 7. Dez 2011, 13:58

Vollbreit hat geschrieben:Das muss man nicht, aber wir wollen ja am Ende unseres Lebens tendenziell auf ein eher gelungenes zurückblicken. Einer der erfolgreichsten und besten Ansätze (wenn nicht der) so heißt es, ist der Naturalismus. Eigenartigerweise hat er aber, zu dem was das Individuum zentral interessieren könnte, sehr wenig (bis nichts) anzubieten.

Mit anderen Worten, wir brauchen zum Naturalismus eine Ergänzung.
http://www.forum.brights-deutschland.de/viewtopic.php?f=47&t=1831


Eine solches Vorhaben an sich wäre sehr reizvoll, auch wenn es vermutlich gar nichts zu der hier aufgestellten Thematik beitrüge. Es hätte selbst einen Wert für den der's mag. Nur sollte man daraus keine ethischen Theorien ableiten. Schließlich will man sich ja nichts vorschreiben lassen oder?
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Re: Die sieben Todsünden

Beitragvon Arathas » Mi 7. Dez 2011, 14:00

Wenn ihr einfach nur auf den vorigen Beitrag antwortet, braucht es keinerlei Zitate, schon gar keine Vollzitate. ;-) Lasst die einfach weg, dann is übersichtlicher.
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Re: Die sieben Todsünden

Beitragvon Vollbreit » Mi 7. Dez 2011, 14:30

@ laie:

Ethische Theorien schreiben ja nichts vor, verlagern zumindest den Ort der Entscheidung ins eigene Gewissen.

Außerdem muss man sich ja nichts vorschreiben lassen, nur den anderen. ;-)
Redlicherweise sollte man sich aber ein wenig selbst dran halten.
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Re: Die sieben Todsünden

Beitragvon stine » Mi 7. Dez 2011, 17:19

Vollbreit hat geschrieben:Ethische Theorien schreiben ja nichts vor, verlagern zumindest den Ort der Entscheidung ins eigene Gewissen.

Ja, das ist schön gesagt, Zuwiderhandlungen bezahlt man mit einem schlechten Gewissen. So war das wenigstens bisher. Ich weiß aber nicht, ob das immer noch so ist. Mir kommt manchmal vor, dass redliche, zuverlässige, verantwortungsbewusste Menschen eine aussterbende Rasse geworden sind und dass das niemanden stört.
Abmachungen werden ignoriert, Zusagen werden vergessen, fremdes Eigentum wird niedergemacht, Respekt wird nur noch dem eigenen Ego gezollt. Das zieht sich zwar nicht durch alle Schichten, aber die Menge der Zuverlässigen dünnt sich ganz schön aus.
Die sogenannten Untugenden werden als persönliche Freiheit verbucht.

LG stine
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Re: Die sieben Todsünden

Beitragvon ganimed » Mi 7. Dez 2011, 17:48

Vollbreit hat geschrieben:eine Kritik an der naturalistischen Sichtweise ist ja, dass sie hier wenig bis nichts anzubieten hat

Man kann das so formulieren. Aber man könnte auch sagen: die naturalistische Sichtweise hat alle 'falschen' Ansätze entlarvt. Übrig bleibt dann nur noch wenig bis nichts. Für den Naturalisten gibt es nunmal kein ewiges Gesetz, dass von oben, von Gott, vom Schicksal, vom Kosmos zu uns herabgereicht wurde und für alle Menschen aller Zeiten gültig wäre. Der Abschied vom Absoluten bedeutet: dann hat man nur noch das Relative.
Wenn man es positiv fassen wollte, könnte man von Entrümpelung oder Befreiung sprechen.

stine hat geschrieben:Ich weiß aber nicht, ob das immer noch so ist. Mir kommt manchmal vor, dass redliche, zuverlässige, verantwortungsbewusste Menschen eine aussterbende Rasse geworden sind und dass das niemanden stört.

Mich erinnert das an die Klage über die verwahrloste, verkommene Jugend, welche ja damals schon von, ich glaube, Sokrates geäußert wurde. Ich möchte fast wetten, dass ein ähnlicher Wahrnehmungsfehler auch bei dir zuschlägt. Als Kind und Jugendlicher hast du aus einer anderen Sichtweise mehr Respekt, Redlichkeit, Zuverlässigkeit und Verantwortungsbewusstsein "gesehen", vielleicht weil du noch nicht so viel hinter die Kulissen geschaut hattest und noch nicht so oft von Menschen enttäuscht worden warst, bzw. dir Eltern und andere Bezugspersonen versuchten, ein bemüht positiveres Bild vorzuleben. Und mit zunehmendem Alter und mehr Erfahrungen, vor allem den schlechten, mit neue Menschen, die auch mal unredlich und unzuverlässig sind, bekommt man dann vielleicht irgendwann den Eindruck, alles gehe moralisch den Bach runter und früher war alles viel schöner.

Solchen eigenen Eindrücken und Bilanzen würde ich grundsätzlich sehr misstrauen. Such lieber eine Studie oder andere objektive Erhebungen, die eine Aussage über die Moral in unserer Gesellschaft und ihren zeitlichen Schwankungen machen.
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Re: Die sieben Todsünden

Beitragvon laie » Mi 7. Dez 2011, 18:44

stine hat geschrieben:Die sogenannten Untugenden werden als persönliche Freiheit verbucht.


Sehr richtig. Das wird dann mit einem hemmungslosen Subjektivismus ummäntelt: "Ich bin wie ich bin, ich kann nicht anders. Warum sollte ich auch nicht? Mir kann keener!"

Jetzt, angenommen jemand sagte: "Wenn du dich von deinen Mitmenschen abwendest und nur um dich selbst kreist, dann kommst du in die Hölle". Zurück gefragt: "Und warum sollte ich nicht in die Hölle kommen wollen?"

Das "Gebot" der Nächstenliebe (=der Gottesliebe) ist also kein Gebot, welches unter Zwang eingefordert werden kann. Man muss sich frei zu ihm bekennen. Das ist die erste Grundbedingung. Erzwungener Gehorsam ist unmoralisch. Eine Ethik, die sich darauf gründet, vor den Folgen einer Handlung zu warnen, ist keine.

Trotzdem hat jede Ethik einen appellativen, normativen Charakter. "Du sollst!", "Handle so" usw. Die Folgen einer Unterlassung solcher Normen dürfen aber keine Rolle spielen. Handle ich nämlich nur in Hinblick auf die zu erwartenden Folgen, dann habe ich meine Handlung zum Knecht dieser Folge gemacht und habe nicht frei gehandelt.

Eine Handlung hat ein Ziel. Ist dieses Ziel in der Handlung selbst begründet oder ist es eine Folge dieser Handlung? Wenn ich ein Haus bauen möchte, weil ich es trocken haben will, muss ich die Gesetze der Statik beachten, sonst fällt das Haus zusammen. In diesem Fall mache ich den Hausbau zum Knecht der Statik. Mein eigentliches Ziel dagegen, es trocken zu haben, liegt in der Handlung, jedenfalls solange ich darauf verzichten kann. Kann ich das nicht, wäre nämlich der Hausbau wieder von etwas abhängig, etwa dem eigenen Überleben.

Eine Kette von Abhängigkeiten tut sich auf. Gibt es ein letztes Ziel, etwas, das frei angestrebt werden kann, aber dennoch verbindlichen Charakter für den einzelnden hat?
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Re: Die sieben Todsünden

Beitragvon Vollbreit » Mi 7. Dez 2011, 19:25

@ Stine:

Ja, man kann den Eindruck haben, dass es in der Gesellschaft regressive Tendenzen gibt und viele Untersuchungen sprechen dafür. Lamentiert darüber wurde auch reichlich, nun muss man irgendwo wieder anknüpfen, mein Vorschlag ist da sowas (im Bewusstsein der möglichen Gefahren), wie ein kollektiver Mythos.
Wenn man es irgendwie hinbekäme, dass so was Virtuelles wie psychische Entwicklung oder Arbeit an sich, (wieder) zu einem Wert würde, wäre das vielleicht nicht schlecht, die Vorübungen sind insofern gemacht, als dass ein allgemeiner Trend zu Biederkeit und Fleiß der Jugend attestiert wird, allerdings leider noch verbunden mit einer (verständlichen) Tendenz zum Rückzug und einem allzu stieren Blick auf die berufliche Perpektive.

Was es allerdings ist, das alle oder sehr viele oder zumindest viele Meinungsmacher verbinden könnte (der Rest folgt dann schon) weiß ich nicht, die diversen Rettungsaktionen ich Richtung Weltklima, oder Milleniumsziele zünden ja nicht.

Da muss mehr emotionaler Gehalt rein und das muss positiver formuliert werden, nicht immer nur gegen dies und das, das macht keinen an. Also, immer her mit konstruktiven Tipps.


@ ganimed:

Ach, warum das immer gegeneinander ausspielen, Du weißt es doch eigentlich besser.
Man muss doch nicht auf die Kiste Naturalismus gegen den lieben Gott im Himmel zurückfallen, vielleicht ist die Lösung eine Fusion, vielleicht ein darüber hinaus, ich vermute ein Fortschreiten mit einem Griff in die Kiste dessen, was sich in beiden Lagern bewährt hat.

Die Ordnungsfunktionen der Religionen sind aller Ehren wert, diverse Bodensätze wie Homophobie usw. kann man getrost in die Tonne kloppen, die technischen Mittel auf naturalistischer Basis haben sich längst durchgesetzt, was halt nachhinkt ist das Bewusstsein.

Tollere Computerspiele und Plattformen zur Selbstdarstellung für alle befriedigen zwar Narzissten, auf lange Sicht ist damit aber nichts gewonnen.
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Re: Die sieben Todsünden

Beitragvon ganimed » Mi 7. Dez 2011, 20:24

laie hat geschrieben:Das wird dann mit einem hemmungslosen Subjektivismus ummäntelt: "Ich bin wie ich bin, ich kann nicht anders. Warum sollte ich auch nicht?

Erklär mal: bin ich also doch nicht wie ich bin? Kann ich tatsächlich anders? Warum sollte ich?
Es kommt mir so vor, als gäbe es gar keine Alternative zum "hemmungslosen" Subjektivismus. Denn dein "Gebot der Nächstenliebe" ist zunächst einmal nur ein willkürlicher Appell von dir bzw. der Kirche. Wie begründest du diesen Appell? Oder anders gefragt: was hast du eigentlich gegen hemmungslosen Subjektivismus?

Vollbreit hat geschrieben:Ja, man kann den Eindruck haben, dass es in der Gesellschaft regressive Tendenzen gibt und viele Untersuchungen sprechen dafür.

Kannst du ein paar dieser vielen Untersuchungen nennen?

Vollbreit hat geschrieben:Man muss doch nicht auf die Kiste Naturalismus gegen den lieben Gott im Himmel zurückfallen, vielleicht ist die Lösung eine Fusion

Hm, ja vielleicht ist es eine Fusion. Ja, oder, Moment mal, hm, vielleicht auch nicht. Nee, doch nicht. Ich spiele doch lieber aus, will sehen, und oute mich als Naturalist. Bist du also so etwas wie ein Fusionist? Glaubst du an Gott?

Vollbreit hat geschrieben:Die Ordnungsfunktionen der Religionen sind aller Ehren wert... die technischen Mittel auf naturalistischer Basis haben sich längst durchgesetzt ... Tollere Computerspiele und Plattformen zur Selbstdarstellung für alle

Verstehe ich dich richtig? Eine wesentliche Eigenschaft der Religion ist für die die ethische Ordnungsfunktion? Und du hälst demgegenüber technische Entwicklung für das wesentliche Merkmal von Naturalismus?
Ignorierst du damit nicht zu sehr die Antworten bezüglich der Ehtik, die vom Naturalismus kommen? Und mir will keine technische Entwicklung einfallen, die in irgend einer Weise auf den Naturalismus zurückzuführen wäre.
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Re: Die sieben Todsünden

Beitragvon ganimed » Mi 7. Dez 2011, 20:37

stine hat geschrieben:Nur um nochmal aufzuzeigen, worum es geht:
1. der Hochmut (Eitelkeit, Stolz, Übermut)
...
7. die Faulheit (Feigheit, Ignoranz, Trägheit des Herzens)

Glaubst du der Opa wäre in San Franzisko glücklicher geworden, wenn eine der Eigenschaften die seine gewesen wäre?
Ich denke, dass keine der aufgezählten Eigenschaften irgendjemanden glücklich macht.

Aha, die 7 Totsünden sind also keine Totsünden, sondern nur noch Eigenschaften, die unglücklich machen?
Ich würde denken, es ist wie mit dem Vitamin C, zu geringe Dosen sind ganz schlecht, richtige Dosen sind richtig und zu hohe Dosen sind wieder ganz schlecht.
Ganz ohne Feigheit erleidet man morgen bei einer todesmutigen Aktionen einen fürchterlichen Unfall und ist für den Rest seines Lebens gelähmt oder sonst was und wird totunglücklich. Mit zu viel Feigheit traut man sich morgen nicht mehr aus der Wohnung und versinkt in ein soziophobes Leben aus Angst und Einschränkungen mit sofortiger Unglückswirkung. Mit genau der richtigen Menge Feigheit gehe ich morgen aus der Wohnung aber surfe nicht auf der Straßenbahn, sondern gelange relativ sicher zu meiner Arbeit und werde am Ende des Tages sehr glücklich sein.
Es wäre geradezu dämlich, Vitamin C als Todsündennahrung zu bezeichnen oder als eine schlechte Nahrung, die ungesund ist. Und für genau so verkehrt halte ich es, die genannten 7 Eigenschaften als Unglückseigenschaft zu charakterisieren.
Ich glaube also, dass der Frisco-Opa :^^: (tolle Wortschöpfung von laie) alle 7 Eigenschaften hat aber völlig unabhängig davon genau dann sehr glücklich wird, wenn er irgendwo seine homosexuelle, freie Hippie-Existenz ausleben darf.
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Re: Die sieben Todsünden

Beitragvon laie » Mi 7. Dez 2011, 21:30

ganimed hat geschrieben:Denn dein "Gebot der Nächstenliebe" ist zunächst einmal nur ein willkürlicher Appell von dir bzw. der Kirche. Wie begründest du diesen Appell? Oder anders gefragt: was hast du eigentlich gegen hemmungslosen Subjektivismus?


Wie ich schon sagte, ich habe schon deshalb nichts gegen hemmungslosen Subjektivismus, weil ein "Du sollst nicht" das Gegenteil von Subjektivismus nicht garantieren kann.

Ich sehe die Sache - darin folge ich dem Jesuiten Albert Keller - wie folgt: Die Frage, wie man leben soll, ist gleichbedeutend mit der, welches Ziel man letztlich im Leben anzielt. Was auch immer das Ziel sein mag, ich muss frei sein es zu wählen und darf nicht gezwungen werden. Nahezu alle Ziele aber ziehen Folgen nach sich, die jene von sich abhängig machen. Mithin ist kein Ziel wirklich frei gewählt.

Nun sagt Keller: Es gibt ein Ziel, welches bedingungslos gegeben ist und dessen man sich nicht entziehen kann: das ist die Freiheit selbst. Gegen die Freiheit kann man sich nicht entscheiden. Mit Sartre: "Nicht wählen, heisst wählen, nicht zu wählen". Daher ist sie nicht abwählbar wie andere Ziele. Sie muss ferner immer grenzenlos angezielt werden. Ein bisschen Freiheit zu wollen geht nicht. Die Maxime lautet daher: Handle so, daß Du die größtmögliche Freiheit erzielst.

Größtmögliche Freiheit wird in der Ausrichtung auf den Mitmenschen erzielt, der gleichfalls als einer behandelt wird, der nach grenzenloser Freiheit strebt. Begründung:

Freiheit benötigt eine endgültige Festlegung auf einen Gegenstand (a)
Dieses Objekt soll nicht begrenzt sein, d.h. es muss unendlich sein (b)
Das einzige Ziel, welches (b) entspricht, ist der freie Mensch. (c)

zu (a): Freiheit braucht eine endgültige Festlegung, weil eine vorläufige Festlegung auf einen Gegenstand bedeutet, daß man sich anders entscheiden würde, sobald die Umstände andere sind. Damit machte man sich jedoch zum Sklaven der jeweiligen Umstände und wäre nicht frei.

zu (b) eine endgültige Festlegung auf einen endlichen Gegenstand würde der Freiheit zuwiderlaufen, da man sich vernünftigerweise für einen anderen, besseren endlichen Gegenstand entscheiden müsste.

Daher sei die Freiheit des Mitmenschen als Ziel anzustreben, denn diese Freiheit ist ja grenzenlos. Nur in diesem Gegenstandsbereich kann man größtmögliche Freiheit anstreben.

Darum die Nächstenliebe. :santagrin:
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Re: Die sieben Todsünden

Beitragvon ganimed » Mi 7. Dez 2011, 22:00

laie hat geschrieben:Was auch immer das Ziel sein mag, ich muss frei sein es zu wählen und darf nicht gezwungen werden.

Wieso dies? Diese Anforderung an das Lebensziel erscheint mir völlig willkürlich. Gibt es einen Grund, warum die Wahl frei sein muss?

laie hat geschrieben:Freiheit braucht eine endgültige Festlegung, weil eine vorläufige Festlegung auf einen Gegenstand bedeutet, daß man sich anders entscheiden würde, sobald die Umstände andere sind. Damit machte man sich jedoch zum Sklaven der jeweiligen Umstände und wäre nicht frei.

Um Freiheit zu haben, muss ich also bestimmte Dinge tun (muss ich mich endgültig festlegen)? Kommt dir das nicht auch wie ein Widerspruch vor? Wieso nennst du etwas Freiheit, wenn man dadurch zu etwas anderem gezwungen wird? Wieso ist Festlegung bei dir Freiheit? Wenn man sich festlegt verliert man die Freiheit, es sich anders zu überlegen.

Von was ist man bei deinem Freiheitsbegriff eigentlich frei?
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Re: Die sieben Todsünden

Beitragvon laie » Mi 7. Dez 2011, 22:49

Hmm...vielleicht ist der Naturalismus doch eher was für dich.
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Re: Die sieben Todsünden

Beitragvon stine » Do 8. Dez 2011, 07:33

Vollbreit hat geschrieben:Da muss mehr emotionaler Gehalt rein und das muss positiver formuliert werden, nicht immer nur gegen dies und das, das macht keinen an. Also, immer her mit konstruktiven Tipps.

Aber hallo! Sehe ich hier einen Verbündeten? Das sind doch meine Worte so aus dem 1000sten oder 2000sten meiner Beiträge.

=) stine
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Re: Die sieben Todsünden

Beitragvon Vollbreit » Do 8. Dez 2011, 12:39

ganimed hat geschrieben:Kannst du ein paar dieser vielen Untersuchungen [zur Regression –V.]]nennen?


Es gibt Untersuchungen von einer Narzissmus-Forscherin in den Staaten, Twenge, die von einer Epidemie des Narzissmus spricht.
Otto Kernberg, einer der großen Forscher über schwere Persönlichkeitsstörungen,erwartet ein anwachsen derselben in der nächsten Generation.
Offenbar aber nicht nur in Amiland: http://www.ruhr-uni-bochum.de/rubin/rub ... trag7.html
Auch das rasante Wachstum von Angststörungen und Depressionen (die tatsächlich wachsen und nicht nur verstärkt diagnostiziert werden) könnte man unter diesem Blickwinkel deuten.
Was die Intelligenz betrifft sinkt seit 20 Jahren die ansonsten stetig gestiegene durchschnittliche Intelligenz. Mehr fällt mir jetzt nicht ein.

ganimed hat geschrieben:Hm, ja vielleicht ist es eine Fusion. Ja, oder, Moment mal, hm, vielleicht auch nicht. Nee, doch nicht. Ich spiele doch lieber aus, will sehen, und oute mich als Naturalist. Bist du also so etwas wie ein Fusionist? Glaubst du an Gott?


Im klassischen Sinne sicher nicht, also weder alter Mann mit Bart, noch Kreationismus , noch Intelligent Design überzeugen mich irgendwie. Bezüglich der Frage ob das All im Ganzen in irgendeiner Weise bewusst sein könnte, bin ich Agnostiker, ich kann es nicht mit letzter Gewissheit ausschließen. Was den Punkt betrifft, ob die Naturgesetze überall gelten und alles mit rechten Dingen zugeht: Es könnte sein, dass man letztlich alles in Rahmen der Naturgesetze erklären kann, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass unter meiner Kaffeetasse ein Ort ist an dem die Naturgesetze nicht gelten, ich bin aber überzeugt davon, dass es Phänomene gibt, die sich bisher recht sperrig verhalten, was eine naturalistische Interpretation angeht und die nicht allein durch Zufall oder Sinnestäuschungen oder Suggestionen zu erklären sind. So ungefähr ist d er Stand der Dinge bei mir.

ganimed hat geschrieben:Verstehe ich dich richtig? Eine wesentliche Eigenschaft der Religion ist für die die ethische Ordnungsfunktion? Und du hälst demgegenüber technische Entwicklung für das wesentliche Merkmal von Naturalismus?


Kann man so sagen.

ganimed hat geschrieben:Ignorierst du damit nicht zu sehr die Antworten bezüglich der Ethik, die vom Naturalismus kommen?


Ich ignoriere sie nicht, möglicherweise kenne ich sie nicht.
Wenn Du Forschungen meinst, die darauf hindeuten, dass vieles was wir als ethisch oder moralisch ausdeuten in einem weitaus höheren Maße, als man bis vor kurzem noch dachte vererbt ist, dann kenne ich das ein wenig (hochinteressant: Frans de Waal) und kann es auch akzeptieren, ohne dass sich meine Nüstern blähen.
Aber die Tatsache, dass mehr vererbt sein könnte, als manche Philosophen anzuerkennen bereit sind, ist an sich noch keine Ethik oder Moral, die fragt, was wir sollen sollen und wie das zu begründen ist.
Der andere Punkt sind die mehr oder weniger spietheoretischen Rechenspiele, mit denen versucht wird statistisch zu ergürnden, warum dieses oder jenes Verhalten Vorteile bringt, weil man dann seine Gen- oder Denkmuster vererbt. Das ist aber allenfalls nachgereicht, es erklärt, warum sich jemand verhält, wie er sich verhält, dabei rennt man aber der Intention oder Motivation und der Fragen nach dem Sollen beständig hinterher.

Oder anders gefragt: Welche ethische Prinzipien oder moralischen Forderungen resultieren denn direkt aus dem Naturalismus?

ganimed hat geschrieben:Und mir will keine technische Entwicklung einfallen, die in irgend einer Weise auf den Naturalismus zurückzuführen wäre.


Ich weiß ja nicht, was Du unter Naturalismus verstehst, aber wenn man darunter eine Analyse naturgesetzlicher Vörgange versteht, die man bei Kenntnis zu eigenen Gunsten nutzen kann, fällt mir da eine ganze Menge ein.


`
stine hat geschrieben:Aber hallo! Sehe ich hier einen Verbündeten? Das sind doch meine Worte so aus dem 1000sten oder 2000sten meiner Beiträge.


Mich gibt es ja hier erst ein paar Tage und ich konnte noch nicht alle 77.000 Beiträge lesen.
Aber verbündet hin oder her (wenn ja, warum auch nicht?), es ist ja was dran. Diese Verbotstiraden sind ja nicht wirklich sexy, vielleicht vernünftig, aber die meisten Menschen leben nicht sonderlich vernünftig, noch nicht mal wenn es ihre eigenen Bedürfnisse geht. Also muss man sie irgendwie begeistern, mit den Mitteln den jeweiligen Schichten entsprechend. Man müsste also sowas wie bestimmte Werte oder Formen der inneren Entwicklung geschickter Bewerben, die Berechtigung dazu ist ja da, ein reflektiertes Leben ist allemal bunter als der reine Herdentrieb. Man muss das nicht zu sehr trennen und zu snobistisch werden, aber ein Veränderung der inneren Einstellung löst mehr Probleme auf einen Streich, als hier eine Filter einzubauen und da die Glühbirnen auszuwechseln.
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Re: Die sieben Todsünden

Beitragvon ganimed » Fr 9. Dez 2011, 00:01

@Vollbreit: gute Antwort von dir. Danke für die Infos über diese Studien zu Narzissmus und Ähnlichem. Ich zögere noch etwas, das mit einem Niedergang der Moral gleichzusetzen, aber natürlich verändern sich die Moralvorstellungen der Gesellschaft. Kein Wunder bei dem Tempo in dem sich die Gesellschaft ändert. Einige kommen nicht klar und werden krank. Und insgesamt ändern sich Werte, verschieben sich Prioritäten, mehr Ich und weniger Nächstenhilfe, das könnte ich mir schon vorstellen. Aber wieso sprechen wir von einem Niedergang der Moral, von einer Regression? Könnte es nicht auch neutraler formuliert eine Progression, ein Fortschritt, eine Veränderung sein?

Vollbreit hat geschrieben:Ich weiß ja nicht, was Du unter Naturalismus verstehst, aber wenn man darunter eine Analyse naturgesetzlicher Vörgange versteht, die man bei Kenntnis zu eigenen Gunsten nutzen kann, fällt mir da eine ganze Menge ein.

Der Naturalist, so wie ich ihn mir vorstelle, erkennt die Naturwissenschaften als wichtigste Quelle für halbwegs gesicherte Erkenntnisse an und denkt sich nicht unabhängig von ihnen übernatürlichen Krimskrams aus. Aber das bedeutet nicht, dass er selbst ein Wissenschaftler ist, oder ein Tüftler, der das Wissen in alltagstaugliche Geräte gießt, die zu seinem Vorteil arbeiten. Naturalismus hat für mich nichts mit Technikaffinität oder Ingenieurwesen zu tun. Und Naturwissenschaften beinhalten ja auch nicht nur Technik, sondern auch Naturbeobachtungen aller Art.

Vollbreit hat geschrieben:Oder anders gefragt: Welche ethische Prinzipien oder moralischen Forderungen resultieren denn direkt aus dem Naturalismus?

Da fällt mir spontan zugegebenermaßen nur Michael Schmidt-Salomon ein, zum Beispiel mit dem Buch, dass ich ganz gut fand : Jenseits von Gut und Böse

Und hier gleich mal, weil der Platz nichts kostet, die 10 humanistischen Angebote aus Wikipedia zitiert:
Die Zehn Angebote des evolutionären Humanismus

Die Zehn Angebote des evolutionären Humanismus erschienen zuerst im Buch Manifest des evolutionären Humanismus welches von Michael Schmidt-Salomon im Auftrag der Giordano-Bruno-Stiftung geschrieben wurde. In der zugehörigen Vorbemerkung heißt es:

„Die zehn ‚Angebote‘ wurden von keinem Gott erlassen und auch nicht in Stein gemeißelt. Keine ‚dunkle Wolke‘ soll uns auf der Suche nach angemessenen Leitlinien für unser Leben erschrecken, denn Furcht ist selten ein guter Ratgeber. Jedem Einzelnen ist es überlassen, diese Angebote angstfrei und rational zu überprüfen, sie anzunehmen, zu modifizieren oder gänzlich zu verwerfen.“

Die Kurzfassung der Angebote lautet:
Diene weder fremden noch heimischen „Göttern“, sondern dem großen Ideal der Ethik, das Leid in der Welt zu mindern!
Verhalte dich fair gegenüber deinem Nächsten und deinem Fernsten!
Habe keine Angst vor Autoritäten, sondern den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!
Du sollst nicht lügen, betrügen, stehlen, töten – es sei denn, es gibt im Notfall keine anderen Möglichkeiten, die Ideale der Humanität durchzusetzen!
Befreie dich von der Unart des Moralisierens! Trage dazu bei, dass die katastrophalen Bedingungen aufgehoben werden, unter denen Menschen heute verkümmern, und du wirst erstaunt sein, von welch freundlicher, kreativer und liebenswerter Seite sich die vermeintliche „Bestie“ Homo sapiens zeigen kann.
Immunisiere dich nicht gegen Kritik! Ehrliche Kritik ist ein Geschenk, das du nicht abweisen solltest.
Sei dir deiner Sache nicht allzu sicher! Zweifle aber auch am Zweifel! Selbst wenn unser Wissen stets begrenzt und vorläufig ist, solltest du entschieden für das eintreten, von dem du überzeugt bist. Sei dabei aber jederzeit offen für bessere Argumente, denn nur so wird es dir gelingen, den schmalen Grat jenseits von Dogmatismus und Beliebigkeit zu meistern.
Überwinde die Neigung zur Traditionsblindheit, indem du dich gründlich nach allen Seiten hin informierst, bevor du eine Entscheidung triffst!
Genieße dein Leben, denn dir ist höchstwahrscheinlich nur dieses eine gegeben!
Stelle dein Leben in den Dienst einer „größeren Sache“, werde Teil der Tradition derer, die die Welt zu einem besseren, lebenswerteren Ort machen woll(t)en! Eine solche Haltung ist nicht nur ethisch vernünftig, sondern auch das beste Rezept für eine sinnerfüllte Existenz.
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