Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon Julia » Mi 26. Mai 2010, 19:28

Zappa hat geschrieben:Soweit ich das noch memorieren, ist diesem Ansatz prinzipiell der naturalistische Fehlschluss nachgewiesen worden, aber ich mag mich da irren.

Hä? So weit ich weiß sagt die evolutionäre Erkenntnistheorie gar nichts über das Sollen aus. Während wir uns hier mit der Frage beschäftigen, was wir tun sollen, beschäftigt sich die Erkenntnistheorie damit, was wir wissen können.

Zappa hat geschrieben:Allerdings ist die Grenze ein bisschen willkürlich, man könnte mit etwas bösem Willen unterstellen, dass Gewirth hier seinen Spezietismus nur auf "benachbarte" Spezies erweitert hat.

Gewirth hat damit glaube ich nur versucht Menschenrechte zu begründen. Andere haben das dann aufgegriffen und gezeigt, dass hier auch nichtmenschliche Tiere berücksichtigt werden müssen.

Zappa hat geschrieben:Das Interesse an Leben und körperlicher Unversehrtheit würde ich mal viel weiter fassen. In puncto Leben prinzipiell auf alles, was sich fortpflanzt.

Ich habe immer ein Problem damit, wenn Lebewesen oder Dingen ohne Bewusstsein ein Interesse zugeschrieben wird, da IMHO Bewusstsein eine Voraussetzung dafür ist sowas wie Anteilnahme an der Welt zu zeigen und Interessen zu haben. Man kann auch in einem anderen Sinne von Interessen sprechen, aber dann hat auch eine Wolke das Interesse zu regnen und so weiter...
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon Zappa » Mi 26. Mai 2010, 19:59

Julia hat geschrieben:Hä? So weit ich weiß sagt die evolutionäre Erkenntnistheorie gar nichts über das Sollen aus.


Ich meinte natürlich die Anwendung dieser Erkenntnisse auf moralische Fragen, steht ja weiter unten in deinem Zitat (ich lese so lange Zitate meist nicht ganz durch :^^: )

Juia hat geschrieben:Ich habe immer ein Problem damit, wenn Lebewesen oder Dingen ohne Bewusstsein ein Interesse zugeschrieben wird, da IMHO Bewusstsein eine Voraussetzung dafür ist sowas wie Anteilnahme an der Welt zu zeigen und Interessen zu haben. Man kann auch in einem anderen Sinne von Interessen sprechen, aber dann hat auch eine Wolke das Interesse zu regnen und so weiter...


Ich denke auch das ist wieder ein relativer und kein absoluter Anspruch: Warum soll z.B. ein nur leidensfähiger, aber nicht bewusster Organismus nicht auch ein reges Interesse an der Teilnahme der Welt zeigen und haben?

Ich denke bei Dir schwingt noch der alte Materie-Geist Dualismus mit, den ich aufgrund der aktuellen neurophyiologischen Erkenntnisse für obsolet halte. Nur was einen echten Geist hat hat ein Interesse zu haben und zu vertreten? Ich weiß nicht.

Ich halte den Geist / das Bewusstsein / die Ich-Erkenntnis für einen graduellen evolutionären Prozess, da gibt es keinen evolutionären Sprung ab dem ein Organismus nun auf einmal das Recht für sich in Anspruch nehmen kann ein Interesse zu verfolgen.
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon Julia » Mi 26. Mai 2010, 20:14

Zappa hat geschrieben:Ich denke auch das ist wieder ein relativer und kein absoluter Anspruch: Warum soll z.B. ein nur leidensfähiger, aber nicht bewusster Organismus nicht auch ein reges Interesse an der Teilnahme der Welt zeigen und haben?

Ein leidensfähiger Organismus ist doch ein bewusster Organismus, oder nicht?
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon Zappa » Mi 26. Mai 2010, 20:25

Julia hat geschrieben:Ein leidensfähiger Organismus ist doch ein bewusster Organismus, oder nicht?


Abgesehen davon, dass Bewusstsein ein sehr schwieriger Begriff ist, würde ich sagen nein. Wobei ich zugegeben Bewusstsein im Sinne von Selbstbewusstsein verwende.

Auch unbewusstes Schmerzempfinden ist für mich Leiden. Halt alles, was einen Fluchtreflex auslöst kann man im weitesten Sinne als Leiden bezeichnen, mal pseudoschlau umschrieben als "Aversionshaltung eines zur autonomen Zielsetzung befähigten Automaten".
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon Julia » Do 27. Mai 2010, 07:33

Zappa hat geschrieben:Wobei ich zugegeben Bewusstsein im Sinne von Selbstbewusstsein verwende.

Habe ich befürchtet. Sagen wir einfach Selbstbewusstsein, wenn wir Selbstbewusstsein meinen.

Zappa hat geschrieben:Auch unbewusstes Schmerzempfinden ist für mich Leiden. Halt alles, was einen Fluchtreflex auslöst kann man im weitesten Sinne als Leiden bezeichnen, mal pseudoschlau umschrieben als "Aversionshaltung eines zur autonomen Zielsetzung befähigten Automaten".

Damit bin ich nicht wirklich einverstanden. "Unbewusstes Schmerzempfinden" ist für mich ein Oxymoron (siehe oben). Bestimmte Abwehrreaktionen sind auch ohne Bewusstsein, ohne mentale Zustände und demnach ohne Leiden möglich. Gerade bei Pflanzen, die zwar gewisse Reaktionen zeigen, fehlt halt das zentrale Verrechnungssystem.
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon Julia » Do 27. Mai 2010, 09:18

Es gibt da ein Buch, das ich immer noch nicht gelesen habe, das aber vielleicht interessant ist. Ich muss allerdings sagen, dass das was ich in der Kurzzusammenfassung über das Buch gelesen habe schauderhaft klingt, aber bisher war alles was ich von dem Autor gelesen habe interessant und durchdacht, daher kann ich mir nicht vorstellen, dass das diesmal wesentlich anders ist, aber vielleicht erwartet mich auch eine Enttäuschung und ich muss mir neue Helden suchen.

Titel: Die Kontinuität von Bewusstsein. Das naturwissenschaftliche Argument für Tierrecht.
Autor: Mag. DDr. Martin Balluch
Verlag: Guthmann-Peterson
ISBN 3-900782-48-2

Ist aber so teuer. ;-)
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon Myron » Do 27. Mai 2010, 20:10

Zappa hat geschrieben:Abgesehen davon, dass Bewusstsein ein sehr schwieriger Begriff ist, würde ich sagen nein. Wobei ich zugegeben Bewusstsein im Sinne von Selbstbewusstsein verwende.


Bewusstsein ist aber nicht gleich Selbstbewusstsein, d.h. es setzt nicht die Fähigkeit zu begrifflich-sprachlichem Denken voraus.

Zappa hat geschrieben:Auch unbewusstes Schmerzempfinden ist für mich Leiden.


Es gibt keine unbewussten Empfindungen, denn Empfindungen haben heißt bei Bewusstsein sein. Man kann unmöglich Schmerzen haben, ohne sie zu spüren.

P.S.:
Hier ist die Definition von "Bewusstsein", die ich verwende:

Ein Lebewesen ist bei oder hat Bewusstsein genau dann, wenn es für es irgendwie ist zu sein, es sich für es irgendwie anfühlt zu sein, es irgendetwas erlebt, ihm die Welt irgendwie innerlich erscheint.
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon spacetime » Fr 28. Mai 2010, 23:47

Bewusstsein, also Empfindungen, haben eigentlich alle Tiere, die auf Reize reagieren. Eine primitive Form von Bewusstsein haben auch Lebensformen, die wenige tausend Nervenzellen haben. Dass diese Lebewesen keinen Schmerz empfinden, wie wir ihn kennen, sollte logisch sein. Ich würde diesen Organismen deshalb auch etwas zusprechen, dass unserem Schmerzempfinden im Grunde analog, aber sehr viel primitiver, aufgebaut ist. Das menschliche Bewusstsein ist ein Resultat hochkomplexer Reizverarbeitung. Primitive Reizverarbeitung haben wir auch bei Pflanzen, also haben sie ein Bewusstsein, welches sich natürlich extrem vom menschlichen unterscheidet. Es gibt wahrscheilich mehr Bewusstseinsformen als es uns lieb wäre. Diese Formen gibt es, wenn es nach den meisten Menschen geht, nicht, weil sie 'Bewusstsein' immer mit dem menschlichen gleichsetzen wollen.
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon Myron » Sa 29. Mai 2010, 00:58

spacetime hat geschrieben:Primitive Reizverarbeitung haben wir auch bei Pflanzen, also haben sie ein Bewusstsein, welches sich natürlich extrem vom menschlichen unterscheidet.


Ich glaube nicht, dass pflanzliches Reiz-Reaktions-Verhalten mit subjektivem Empfinden einhergeht.
Ein unbewusstes Reiz-Reaktions-Verhalten können ja selbst mit Sensoren ausgestattete technische Geräte an den Tag legen.
(Der Bewegungsmelder an meiner Haustüre "sieht" mich kommen und schaltet dann das Licht ein, was mich immer wieder fasziniert.)
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon spacetime » Sa 29. Mai 2010, 14:17

Myron hat geschrieben:Ich glaube nicht, dass pflanzliches Reiz-Reaktions-Verhalten mit subjektivem Empfinden einhergeht.

Das kommt darauf an, was du unter subjektivem Empfinden verstehst. Wenn Materie im menschlichen Gehirn so angeordnet ist, dass es Bewusstsein hervorruft, warum soll es dann nicht auch bei Pflanzen oder Computern so geschehen? Wir können es einfach nicht wissen, sage ich. Ich würde sogar behaupten, dass jede Art interagierender Materie schon zu den Anfängen der Bewusstseinsbildung gehört (dann hätte nicht nur der Bewegungsmelder eine Art der Empfindung, sogar ein Stein oder zwei interagierende Atome hätten nach dieser Definition ein "Bewusstsein")
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon Zappa » Sa 29. Mai 2010, 15:34

Myron hat geschrieben:Ich glaube nicht, dass pflanzliches Reiz-Reaktions-Verhalten mit subjektivem Empfinden einhergeht.


Ich glaub, wir sollten uns vor allem nicht mit zuviel Begrifflichkeiten aufhalten sondern pragmatisch bleiben.

Die entscheidende Frage ist doch: Inwiefern ist das Reiz-Rekationsverhalten als relevantes Interesse des Gegenüber zu werten nicht geschädigt zu werden. Ob das nun Bewusstsein welcher Stufe auch immer heisst oder subjektives Empfinden ist doch wurscht, wir sind hier ja nicht im philosophischen Proseminar, dafür gibt es doch den anderen thread :mg:
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon Myron » Sa 29. Mai 2010, 15:45

Zappa hat geschrieben:Die entscheidende Frage ist doch: Inwiefern ist das Reiz-Rekationsverhalten als relevantes Interesse des Gegenüber zu werten nicht geschädigt zu werden. Ob das nun Bewusstsein welcher Stufe auch immer heisst oder subjektives Empfinden ist doch wurscht, wir sind hier ja nicht im philosophischen Proseminar, dafür gibt es doch den anderen thread :mg:


Der für die hier diskutierten moralischen Fragen relevante Punkt ist, dass Leidensfähigkeit die Fähigkeit zu subjektivem Empfinden voraussetzt.
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon smalonius » Sa 29. Mai 2010, 20:13

Julia hat geschrieben:Es tut nur niemand was dagegen.

Wie hoch schätzt du deine Erfolgsrate/Bekehrungsrate ein?

Ich persönlich denke, man kann sich den Mund fusselig reden, und es kümmert keine Sau. Aber vielleicht (hoffentlich) liege ich hier auch falsch.



Ist Tierschutz und sind Tierrechte eigentlich ein Thema für unsere politischen Parteien? :ka:

Vor einer Weile hab' ich mal ein bisschen rumgesucht, was es im Netz so über Landwirtschaftssubventionen gibt. Viel habe ich nicht gefunden, für was genau hier Geld ausgegeben wird.

Allerdings habe ich herausgefunden, daß ein Milchbauer in Sichtweite meines Elternhauses 48 000 EUR jährlich an Subventionen erhält. Das wäre ein guter Grund für mich meinen persönlichen Neid-Debatten-Thread aufzumachen. (Unser Regensburger Thurn-und-Taxis-Milliardär erhält eine Million jährlich. Kein Wunder, daß es Widerstände gab, diese Zahlen zu veröffentlichen. :pfeif:)

Hinzukommt, daß jüngstens eine 750 Millionen schwere Subventionen für Milchbauern beschlossen wurden. (Sehr schlau, wenn die Milchpreise durch Überangebot ohnehin schon im Keller sind. :irre:)

Wie's auf'm Fleischmarkt mit Subventionen aussieht, weiß ich nicht. Würde mich aber interessieren.
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon Bionic » Sa 29. Mai 2010, 20:23

Hyet hat geschrieben:Was denkt ihr darueber? Ist eine Menschenleben wertvoller als das eines Schweines? Wie koennen wir aber das ganze Massenschlachten zulassen bzw. Tiere essen..

Was ist das für eine Frage? Ja ein Menschenleben ist wertvoller wie das eines Schweines! Wie meinst du wie können wir?
Wir wollen uns abwechslungsreich und nährhaft ernähren. Aber du kannst ja auch Vegitarier werden, wenn du das nicht unterstützen willst.
Zur Ausgangsfrage: Wertvoll in Bezug auf was genau?
Wenn man bedenkt wie zerstörerisch der Mensch ist, dann kann man ihn nicht gerade als wertvoll ansehen.
Wenn man aber alles zusammen bedenkt, denke ich ist der Mensch das Wertvollste auf der Erde.
Deshalb sollten wir uns aber nicht zu überheblich über die Natur stellen.
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon Nanna » Sa 29. Mai 2010, 21:21

Unter dem Titel "Die Welt ist nicht nett" hat die Süddeutsche heute einen recht ausführlichen Artikel gebracht (S.22). Der Tenor ist ein Plädoyer für einen verantwortlichen, aber auch realistischen Umgang mit dem Thema, insgesamt fand ich ihn sehr ausgewogen. Er spricht auch eine simple Wahrheit an, die der politische Veganismus meiner Meinung nach gerne umgeht: "Die Wesen dieses Planeten können nicht alle in Eintracht leben.

Es standen darin Sachen, die mir noch nicht bekannt waren, beispielsweise, dass ein Metzger in einem Schlachthof im Durchschnitt alle zwei Sekunden einem Tier die Kehle durchschneidet. Dabei unterlaufen in etwa einem Prozent der Fälle Fehler, so dass die Tiere bei Bewusstsein bleiben und im anschließenden Kochbad lebendig gekocht werden. Aufgrund der enormen Summe betrifft das etwa eine halbe Million Tiere im Jahr allein in Deutschland.
Andersherum werden durch die Landwirtschaft, von der nun auch einmal die Veganer leben, eine weitere halbe Million Wildtiere, darunter 90 000 Rehkitze, von Mähmaschinen zerstückelt. Eine weitere komplette Million geht auf das Konto des Straßenverkehrs. Am extremsten fällt allerdings die Zahl der aus Hygienegründen getöteten Kanalbewohner (Ratten) aus: 300 Millionen. Das übertrifft die letztjährige Rekordhaltung von 60 Millionen Tiere, die zum Verzehr getötet werden, bei weitem. Die 2,7 Millionen Tiere, v.a. Kleintiere, die für medizinische Versuche getötet wurden, nehmen sich dagegen fast schon marginal aus, der Nutzen der Forschung ist riesig, wenn man bedenkt, wie viele Impfstoffe oder z.B. die Anti-Baby-Pille dadurch entdeckt wurden. Hauptsächlich zur Forstschonung wurden weiterhin fünf Millionen Wildtiere erlegt, das geht zumindest zum Teil als Naturschutz durch.
In einem anderen Artikel habe ich vor einiger Zeit ferner gelesen, dass die Bahn tierische Schmiermittel einsetzt.

Lange Zahlenkolonnen, kurzer Sinn:
Vegan zu leben, im Sinne, dass man an keinem einzigen Tiertod beteiligt ist, ist einfach unmöglich, wenn man nicht das Steuerzahlen einstellt und sich in irgendein wildbelassenes Naturschutzgebiet zurückzieht und dort nur von dem lebt, was man selbst geernet hat. Dass man irgendwann möglicherweise an einer fiesen, aber prinzipiell behandelbaren Krankheit verendet, sollte man wegen der Tierversuchsproblematik auch von vornherein einplanen. So erschreckend die Zahl der getöteten Tiere sein mag, ein Großteil der Tötungen, nämlich fast alle, die nicht dem Verzehr dienen, sind nicht oder nicht prinzipiell vermeidbar.

Pragmatisch sein und Leid vermeiden, wo es geht, beispielsweise Vegetarier werden oder im mindesten Fleisch aus Massentierhaltung meiden, das finde ich ist den Menschen an Verantwortungsbewusstsein abzuverlangen, aber uns zivilisatorisch komplett rückzuentwickeln, weil wir uns für die hässlichen Seiten des Überlebens zu fein geworden sind? Nein, danke.
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon Bionic » Sa 29. Mai 2010, 21:57

Ja zuerst mal danke für diese Ausführung. Ich kannte diese Zahlen nicht. Kenne allerdings so Filme, wie "We feed the World".
Klar der Mensch ist zerstörerisch, wie ich schon gesagt habe. Was dabei zu vermeiden wäre, kann ich jetzt nicht einfach so sagen.
Wer kein Fleisch ist, oder gar vegan lebt, hat zumindest keine Leichenteile in sich und ist nicht für die unmittelbare Tötung verantwortlich.
Ich will dies jetzt nich unnötig dramatisieren. Es sind auch andere Formen der Landwirtschaft denkbar, wie diejenige, die heutzutage praktiziert wird.
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon Julia » So 30. Mai 2010, 10:10

Nanna hat geschrieben:Vegan zu leben, im Sinne, dass man an keinem einzigen Tiertod beteiligt ist, ist einfach unmöglich, wenn man nicht das Steuerzahlen einstellt und sich in irgendein wildbelassenes Naturschutzgebiet zurückzieht und dort nur von dem lebt, was man selbst geernet hat.

Veganismus bedeutet vermeiden des Vermeidbaren und in einer unveganen Gesellschaft gibt es einige Dinge, die nicht vermeidbar sind. Ich kann dir auch noch sagen, dass Kupfer nicht vegan ist und ich trotzdem einen Computer verwende. Ich habe auch schon über die Alternative der Selbstversorgung nachgedacht, aber wenn man sich wirklich konsequent von der Gesellschaft fern hält, hat man keinerlei Möglichkeit auf diese Einfluss zu nehmen. Der Beitrag den man selbst zum Tierleid beiträgt geht dann vielleicht gegen Null, aber der Beitrag den man zum Wandel der Gesellschaft beiträgt auch. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass ich den Tieren mehr nütze, wenn ich weiterhin Computer verwende und diese verwende um mich für ihre Belange einzusetzen.

Unfälle sind dann auch wieder ein ganz anderes Thema. Ich bin sowieso kein Fan des Autoverkehrs, auf den Straßen sterben nicht nur Tiere, sondern auch Menschen, nur käme niemand auf die Idee damit die Sklaverei zu rechtfertigen. Ich würde auch mal stark davon ausgehen, dass es durchaus im Bereich des Möglichen liegt die Opferzahlen geringer zu halten ohne in die Steinzeit zurück zu kehren. Nur damit solche Maßnahmen durchgesetzt werden, müssten Tiere erst mal entsprechende Rechte bekommen.

Tierversuche ist ein schwieriges Thema, vor allem, da man immer nur die Dinge benennen kann, die durch Tierversuche ermöglicht wurden und die Dinge, die durch Tierversuche verhindert wurden in den seltesten Fällen.
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon Julia » So 30. Mai 2010, 10:14

smalonius hat geschrieben:Wie hoch schätzt du deine Erfolgsrate/Bekehrungsrate ein?

Ich persönlich denke, man kann sich den Mund fusselig reden, und es kümmert keine Sau. Aber vielleicht (hoffentlich) liege ich hier auch falsch.

Die Frage ist eher wie hoch ich die Rückfallquote einschätze. Privat habe ich momentan hauptsächlich mit anderen Veganern zu tun, die Fleischesser mit denen ich diskutiere sehe ich meistens nicht wieder, also kann ich das schlecht einschätzen.
Aber, wie gesagt, ich diskutiere gerne und ich rekrutiere gerne Leute für die Tierbefreiungsbewegung, aber ich habe nicht vor 7 Milliarden Menschen zu überreden.
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon spacetime » So 30. Mai 2010, 12:20

Myron hat geschrieben:
Der für die hier diskutierten moralischen Fragen relevante Punkt ist, dass Leidensfähigkeit die Fähigkeit zu subjektivem Empfinden voraussetzt.


Richtig, aber weil subjektives Empfinden fast überall in der belebten Natur zu finden ist, müssen wir uns fragen, in welchem Maß dieses Empfinden dem menschlichen Bewusstsein gleichkommt. Natürlich setzen wir uns, als Menschen, so wieder die Krone auf, nur bleibt uns nichts anderes übrig. Wir können ja auch nicht hergehen und sagen, der Mensch zerstört nur die Ökosysteme mit seiner Lebensweise, also müssen jetzt 3 Milliarden aufhören mit dem Essen - der Menschheit zuliebe und den Menschen zunichte?

Was wollen wir in Zukunft also in den Vordergrund stellen: Den Menschen oder die Menschheit?
Aus der Antwort ergäbe sich, ob wir Rechte auch unserer Umwelt zuschreiben müssen. Ich gehe sogar noch weiter: Haben dann Pflanzen auch Rechte? Hat selbst der Planet, auf dem wir wohnen, Rechte?
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon ujmp » So 30. Mai 2010, 12:39

Julia hat geschrieben:Ich habe auch schon über die Alternative der Selbstversorgung nachgedacht, aber wenn man sich wirklich konsequent von der Gesellschaft fern hält, hat man keinerlei Möglichkeit auf diese Einfluss zu nehmen.

Es geht sowieso nur im großen Stile, also mit der Gesellschaft.

Wenn ich es richtig sehe, waren Menschen die längste Zeit ihrer Entwicklung auf Fleisch angewiesen, da es viel mehr Enregie hat als die meisten Pflanzen. Wollte man z.B. von Gurken leben, müsste man 20 Kilo am Tag davon verdrücken, um seinen Energiebedarf zu decken. Von Soja oder Haselnüssen wussten sie nichts. Außerdem war Fleisch offenbar im Überfluss vorhanden (wir traten als Aasfresser den Fleischfressern bei). Um sich all die tollen Sachen auszudenken, die wir Menschen drauf haben, kann man nicht den ganzen Tag blätterfressend in den Bäumen hängen, was wegen des geringen Energiegehaltes der Blätter nötig wäre. Die Entwicklung der Intelligenz ist auf den Verzehr von Fleisch zrückzuführen, nicht nur wegen der fürs Gehirn günstigen darin enthaltenen Aufbaustoffe. Das Fehlen von Reißzähnen und Krallen brachte sie auf die Idee Werkzeuge zu gebrauchen. Unsere Vorfahren hatten Zeit genug, Werkzeuge auszuprobieren, später Jagdtechniken zu entwickeln. Das geht alles nur, wenn Zeit- und Energieaufwand (inkl. Scheitern) mit dem Energieerlös zusammenpassen. D.h. es ging nur, weil Fleisch soviel Energie enthält, dass sich der Aufwand lohnte. Und es bedeutet, wir sind Menschen geworden, weil wir Fleisch als Nahrungsquelle entdeckt haben.

Heute sind wir in einer anderen Lage. Wir wissen viel mehr über die Natur und können sie effizenter nutzen, sogar anpassen. Es ist vielleicht sogar möglich, auf Fleischverzehr ganz zu verzichten. Davon, dass das ökologisch/energetisch funktionieren kann, bin ich aber nicht überzeugt. Auf jeden Fall bekommt man es nicht hin, indem man wieder in den Wald zieht.
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