ujmp hat geschrieben:Hi Darth Nefarius, ich teile ja deine Ansicht, dass sich diese Verhaltensweisen, die wir "Fairness, Verantwortung und Dankbarkeit" nennen mit Mechanismen erklären lassen, die letztlich dem egoistischen Interesse des Organismus entspringen. Das ist aber offensichtlich Egoismus der genau so unbewusst ist wie z.B. bestimmte Stoffwechselvorgänge. Und das kann uns die Zuversicht vermitteln, dass wir auch ohne religiösen erhobenen Zeigefinger friedlich miteinander leben können.
Ah, ein unerwarteter Fürsprecher. Ja, mir ist auch bewusst, dass nicht jede Motivation bewusst sein kann.
ujmp hat geschrieben:Die Forscher Interpretieren überhaupt nichts, sie beobachten erstmal nur ein Handeln.
Das ist ein Ideal, jeder ernsthafte Wissenschaftler hat einen Plan, seine Beobachtungen sind nicht willkürlich, sondern sollen eine Vermutung beweisen oder widerlegen. Ich wüsste gern, woher du dieses Wissen nehmen willst. Zumindest habe ich eine andere Erfahrung gemacht und ich habe schon öfters im Labor gearbeitet. natürlich müssen dann Ergebnisse ausgewertet werden. Was meinst du ist wohl das gewollte Ergebnis bei einer Untersuchung eines Stoffes, wenn man herausfinden will, ob er krebserregend ist? Es ist völlig unspektakulär und unbedeutend die Harmlosigkeit eines Stoffes zu bestätigen. Die meisten Stoffe werden auf einen Verdacht hin untersucht. Natürlich können es manche übertreiben und stellen fest, dass sogar Wasser krebserregend ist.
ujmp hat geschrieben: Es ist doch gleichgültig, warum Menschen so oder so handeln, erstmal ist interessant, wie sie handeln.
Das sehe ich anders. Wenn man die nötige Erfahrung hat, wird man wissen wie die Menschen handeln, aber um besser antizipieren zu können, wie sie handeln
werden, ist das Wissen ums
warum wichtig. Nicht die Erkenntnis, dass ein Apfel von einem Baum fällt war bedeutsam, sondern die Erkenntnis, warum dies geschieht.
ujmp hat geschrieben:Und da gibt es Unterschiede. Und wenn Menschen nur deshalb nicht morden, weil sie Strafe fürchten, was ist dein Problem damit?
Ich habe nicht mit dem Ergebnis ein Problem, sondern mit der vorigen Interpretation, dass diese Zurückhaltung selbstlos sei.
ujmp hat geschrieben:Die Gefahr geht von Menschen aus, die morden weil sie keine Strafe fürchten, und solche Irre gibt es glücklicherweise nur wenige.
Ja, das stimmt.
ujmp hat geschrieben:Was ich (und ich glaube auch Lumen) damit sagen möchte ist: Ich habe kein Problem damit, dass der Mensch biologisch gesehen ein egoistischer Organismus ist.
Ich denke, dass Lumen das wirklich anders sieht. Ich habe sehr lange mit ihm diskutiert und er meint, egoistische Gene und ein dazugehörendes altruistischesTier würden einander bedingen.
ujmp hat geschrieben: Menschen unterscheiden sich aber objektiv in ihrem Verhalten und die meisten Menschen zeigen sozusagen ein gesellschaftsfähiges Verhalten. Wir nennen im sozialen Kontext ein Verhalten homonym "egoistisch" um ein davon objektiv abweichendes Verhalten zu bezeichnen (was ich oben mit Gruppe A und B beschrieben habe). Das hat nur entfernt etwas mit dem biologischen Egosimus zu tun.
Und ich denke, darin liegt auch Lumens Problem. Er assoziiert Eigennpützigkeit/Egoismus mit Sadismus gegenüber anderen. Ich sehe darin ein Problem und die Ursache des Konflikts. Letztlich ein Missverständnis, das auf Ressentiments gegenüber einer logisch und nicht emotional entlehnten Haltung betrifft.
ujmp hat geschrieben:Wenn du so willst, dann ist meintewegen Altruismus nur eine spezielle Unterform des Egosimus. Er bezeichnet aber - ich betone es nochmal - ein objektiv eigenständiges Verhalten, dessen Eigenstädigkeit man nicht einfach ignorieren kann. D.h. jedes Verhalten mag egoistisch sein, aber nicht jedes Verhalten ist altruistisch. Man muss Altrusimus also nicht als Gegenteil von Egoismus konstruieren.
Ich würde dem eher zustimmen, wenn du "reziproker Altruismus" geschrieben hättest. Ich habe selbst geschrieben, dass ich und viele andere, die sich damit auskennen, den reziproken Altruismus als Kosmetik für die Gesellschaft betrachten, damit kein Hass und keine Furcht gegenüber der Biologenfraktion entflammt. Reziproker Altruismus soll nur Egoismus bedeuten, der kooperativ und sozial ist. Altruismus im allgemeinen widerspricht in seiner tatsächlichen Bedeutung aber dem Egoismus.
ujmp hat geschrieben:Das Problem an deiner Sichweise ist nicht, dass sie sachlich falsch ist, sondern dass sie so undifferenziert ist. Sie läuft auf Gleichmacherei heraus. Sie setzt das Verhalten von sich aufopfernden Menschen mit dem von brutalen Killern gleich - und das ist absurd.
Inwiefern tue ich das? Wer hat das bitte behauptet? Ich setze es wenn überhaupt nur in dem Maße gleich, wie sie zur selben Spezies gehören. Das ist nicht falsch und auch nicht undifferenziert, sondern soll die Sichtweise eher erweitern. Diese Typen sind nunmal gleichermaßen Menschen wie sie Egoisten sind, sich gegen diese Erkenntnis zu stämmen bedeutet nicht differenziertes Denken, sondern Sturheit, Ignoranz. Gerade aus dieser Erkenntnis kann erst eine differenzierte und sachliche Untersuchung der Unterschiede resultieren. Dadurch kommen völlig unterschiedliche Ergebnisse raus: Während der lokale Pfarrer den Killer als "gottlos, egoistisch" oder sonstwas bezeichnen würde, hätte ein Biologe ihn "übermäßig triebgesteuert/aggressiv" bezeichnet. meinst du nicht, dass da Unterschiede sind? Was meinst du ist differenzierter?
Lumen hat geschrieben:Man kann die Bedingungen, was altruistisches Verhalten ist, sehr hoch legen, wie es Vollbreit mit dem Beispiel des Unbewussten getan. Damit wird Altruismus letzlich als Begriff eleminiert und selbst Philantropen, die Millionensummen spenden, fallen unter ein egoistisches Etikett, denn sie machen das ja "nur" weil sie irgendwo anders profitieren.
Das wäre eine differenzierte und nicht beschönigende Feststellung, deswegen ist sie dir nicht eigen.
Lumen hat geschrieben:Damit wird auch deutlich, wie schnell die Begriffe mit moralischen Zuschreibungen beladen werden.
Gerade durch die Legitimation durch das Etikett "Altruismus" schreibst du bestimmten Verhaltensweisen Moral zu und anderen nicht. DAS ist verkürzt.
Lumen hat geschrieben:Ist zum Beispiel etwas essen per se egoistisch zu nennen, vielmehr, ist das sinnvoll?
Wenn man vor die Wahl gestellt wird zwischen egoistisch und altruistisch dann ja. Du hast natürlich recht, wenn du meinst, dass man nicht alles in diese zwei Schubladen sortieren muss (das habe ich auch nie behauptet), allerdings ist die Erkenntnis, dass bewusstes wie unbewusstes Verhalten den eigenen Vorteil im Sinn hat, eine nötige, um differenzierter über die Bedeutung von Moral, von Trieben und von Kompromissfähigkeit zu sprechen. Banalisierungen wie "gottlos" oder "egoistisch" als Beschimpfung oder noch schlimmer als Grund für aggressive Reaktionen zu benutzen, halte ich für falsch. Diese Handlungen werden seltener, wenn eine Akzeptanz eintritt.