El Schwalmo hat geschrieben:Myron hat geschrieben:Dass logische Unmöglichkeit ontologische Unmöglichkeit impliziert, d.h. dass aus Unmöglichkeit in jedem Fall Unwirklichkeit folgt, scheint mir unzweifelhaft;
ich hingegen sehe keine Begründung für diese Annahme.
Ontologische Möglichkeit bezieht sich auf die mögliche Wirklichkeit von etwas, d.i. einer Sache oder einem Sachverhalt.
Es dürfte einleuchten, dass alles Wirkliche möglich ist.
Wenn es etwas Unmögliches gäbe, das wirklich ist, dann wäre es sowohl möglich als auch unmöglich, was ein glatter Widerspruch ist. Folglich kann nichts Unmögliches wirklich sein.
Ein unmöglicher Sachverhalt ist ein notwendig unwirklicher Sachverhalt.
Das heißt, es gibt keine mögliche Welt, worin ein unmöglicher Sachverhalt wirklich ist.
El Schwalmo hat geschrieben:Myron hat geschrieben:Soweit ich weiß, unterscheiden aber die allermeisten Philosophen nicht zwischen diesen beiden Möglichkeitsarten, was wohl mit der großen Schwierigkeit zu tun hat, einen ontologischen Möglichkeitsbegriff in Abgrenzung vom logischen zu definieren.
Das ist doch wohl das beste Wasser, das man auf meine Mühlen leiten kann, findest Du nicht auch?
Weiß ich nicht, aber mich kann jene Diskussion nicht erschrecken, da ich noch keine befriedigende Definition von "x is ontologisch möglich/notwendig" gesehen habe, die sich von der Konzeption der logischen Möglichkeit/Notwendigkeit (im weiteren, sowohl formallogische als auch semantische Aspekte einbeziehenden Sinn) wesentlich unterscheidet.
El Schwalmo hat geschrieben:Myron hat geschrieben:Kannst du ein Beispiel für etwas anführen, das logisch möglich, aber realiter unmöglich ist?
Mein Problem war eigentlich gerade umgekehrt ;->
Was meinst du?
Die Frage, ob es etwas gibt, das "real unmöglich", aber logisch möglich ist?
Oder die Frage, ob "reale Möglichkeit" per se logische Möglichkeit voraussetzt?
Antwort: Ja!
Denn logisch Unmögliches, d.i. Widersprüchliches, ist
absolut,
prinzipiell unmöglich, d.h. weder logisch, ontologisch noch nomologisch möglich.
El Schwalmo hat geschrieben:In der Evolutionsbiologie gibt es 'constraints'. Das heißt, wenn sich ein System entwickelt, gibt es immer wieder 'Entscheidungen', die spätere Alternativen unmöglich machen. Wenn im Laufe der Embryonalentwicklung vier Extremitäten angelegt werden, ist es nicht mehr möglich, irgendwann 6 anzulegen, denn das würde Änderungen des gesamten Systems erfordern.
Logisch möglich wäre es sicher, Menschen mit vier Extremitäten und Flügeln zu haben, der Bauplan der Wirbeltiere gibt so etwas aber nicht her.
Du sprichst hier von einer nomischen/nomologischen Unmöglichkeit, die sich auf das Naturnotwendige bzw. -mögliche, d.h. auf das
naturgesetzlich,
physikalisch Mögliche bezieht.
Mit "ontologisch/metaphysisch/real möglich/unmöglich/notwendig" meine ich jedoch einen davon verschiedenen Modalitätstyp, der
zwischen der logischen und der nomologischen/physikalischen Möglichkeit/Unmöglichkeit/Notwendigkeit anzusiedeln ist.
Die Kategorien der logischen und der nomologischen/physikalischen Modalität sind vergleichsweise unproblematisch. Das Problem ist die Frage, ob sich zwischen diese beiden noch eine dritte Kategorie sui generis einfügen lässt, d.h. eine ontologische/metaphysische Modalität, die weder mit der einen noch mit der anderen ineins fällt.
Die diesbezüglichen Aussichten sind meines Erachtens düster.
El Schwalmo hat geschrieben:Mein Punkt ist: Logik ist etwas, das im Denken angesiedelt ist.
Spätestens seit Frege steht fest, dass die Logik keine Teildisziplin der Psychologie ist.
Sie beschäftigt sich nämlich nicht mit Gedanken als subjektiven Denkvorgängen, sondern als objektiven, nichtmentalen Gebilden.
"Es ist das Psychologische von dem Logischen, das Subjektive von dem Objektiven scharf zu trennen."(Gottlob Frege, "Die Grundlagen der Arithmetik", 1884, Einl.)
El Schwalmo hat geschrieben:Das heißt, wir modellieren 'die Welt' im Kopf, genauer, wir schaffen uns dort eine Welt. Nun kann man sich zwar überlegen, woher diese Denke kommt, und man kann das irgendwie mit Passungen im Mesokosmos als a posteriori der Evolution deuten. Dann würde das aber bestenfalls das modellieren, was dem Erkenntnisapparat unserer tierlichen Vorfahren zugänglich war.
Mit Frege würde ich auch sagen:
"Es ist das Evolutionspsychologische von dem Logischen scharf zu trennen."
Die Gültigkeit der logischen Gesetze ist nicht von der evolutionären Entwicklung des menschlichen Gehirns bzw. Denkens abhängig.
El Schwalmo hat geschrieben:Warum eine Logik, die sich in so einem Gehirn ausgebildet hat, die gesamte Natur abdecken soll, scheint mir eine nicht gelöste Frage zu sein. Daher halte ich es für extrem unwahrscheinlich, aus der Logik ontische Aussagen ableiten zu können.
Ich habe nicht von
positiven Existenzaussagen über die konkrete Wirklichkeit gesprochen, sondern von
negativen, deren Wahrheit sich allein mit den Mitteln der Logik, d.h. mithilfe des Nichtwiderspruchsgesetzes, objektiv feststellen lässt.
"[D]ie Kontradiktion erfüllt den ganzen logischen Raum und lässt der Wirklichkeit keinen Punkt."(Wittgenstein, "Tractatus", §4.463)
El Schwalmo hat geschrieben:Jemand hat mal gesagt, dass 'die Evolution' immer einen Tick intelligenter ist als die Menschen, die sie erforschen. Ich vermute, dass das auch für das 'Sein' allgemein gilt.
Die Evolution bzw. Mutter Natur kann so intelligent sein, wie sie will; sie wird auf jeden Fall niemals einen logisch unmöglichen Sachverhalt verwirklichen können.
Es mag allerdings durchaus andere Welten geben, für die sich Mutter Natur eine Menge von Naturgesetzen "ausgedacht" hat, die sich von den in unserer Welt herrschenden unterscheiden.
El Schwalmo hat geschrieben:Letztendlich entscheidet die Empirie. Und die bedingt, dass sich alles ändern kann.
"Wir können uns, in gewissem Sinne, nicht in der Logik irren." (Wittgenstein, "Tractatus", §5.4731)
Die Logik ist keine empirische Disziplin.
El Schwalmo hat geschrieben:Selbstverständlich ist die Logik die Grundlage unseres Denkens, vor allem Argumentierens. Aber solange keine synthetischen Urteile a priori möglich sind, sehe ich nicht, dass die das leisten kann, was Du angedeutet hast.
Logische Wahrheiten sind wohl eher analytischer und gewiss apriorischer Natur, d.h. erfahrungsunabhängig.
Ich wüsste beim besten Willen nicht, was es bedeuten sollte, wenn ein Naturwissenschaftler eines Tages ausriefe: "Das Nichtwiderspruchsgesetz ist empirisch widerlegt!"