LinuxBug hat geschrieben:ich [gehe] nicht davon aus, dass es "böse" Triebe gibt
Als hätte Nietzsche das getan! Den Trieb, den natürlichen Hang als "schlecht" oder "böse" auslegen war ihm Gleichbedeutend mit dem Nihilismus, der nicht so gemeint ist, wie man ihn mit Nietzsche in Bezug setzt (dieser Auslegung des Begriffes nach, wären auch Kopernikus und Freud und alle die "Großen Kränkungen der Menschheit" nihilstisch gewesen, weil sie die bisher als "wahr" angenommene Vorstellung der Welt zerschlugen.)
Aber wir wollen ja nicht über Nietzsche Diskurs führen, sondern über das Leben für höhere Ziele.
LinuxBug hat geschrieben:Was heißt es unmoralisch zu handeln? Und was wäre unethisch (benutzen wir das Wort unethisch überhaupt, oder sagen wir etwas anderes?) Wenn ersteres heißt, gegen Werte zu verstoßen und zweiteres, seine Handlungen nicht rechtfertigen zu können, wobei sich das eine und das andere nicht ausschließen (ich kann auch ohne ausformulierter Ethik, moralisch Gutes und mit eigentlich jeder Ethik moralisch Undenkbares tun.
Ich gehe davon aus, dass du dich unserer Annahme angeschlossen hast, dass theoretische Moralen unveränderlichen, geschlossenen Systemen gleichen, wohingegen die "praktischen" Moralen, d.i. die tatsächlich gelebten, veränderlichen und offenen Systemen gleichen. Vorgelebte Sitte ohne konkret formulierte Vorschrift kann zu einer allgemeinverbindlichen Ethik gemacht werden (so wie Buddha es tat und neben ihm noch viele weitere, wie ich vermute.)
"Unmoralisch handeln" würde einerseits bedeuten, e i n e r bestimmten Moral zuwider zu handeln; andererseits könnte man aber auch eine neue Bedeutung dem beilegen, welcher nach eine Handlung keinen moralischen Hintergrund mehr hat."Der Essenz geht die Existenz voraus." (Essensen går forut eksistensen.) Existenzialistisch betrachtet ist eine solche Handlung nicht möglich, da in dem Augenblick, da man eine Handlung tut, dieselbe gut heißt (ergo: Reue ist dumm) und man indem man sie tut, schließt, dass jeder Mensch in dieser Situation in gleicher Weise handeln müsse; demnach also der erste kat. Imp. keine moralische Vorgabe, sondern ein Wesensteil der Handlung als solche ist; indem man so schließt, bildet man sich also die Vorstellung einer guten Tat, eines guten Verhaltens, eines guten Menschen und folglich auch die einer guten Menschheit und Welt, folglich - eine Moral, deren existentielle Essenz die Ethik ist.
Auch das Denken ist eine Handlung.
Aus der Aussage, dass weder Moral noch Ethik einem das Vorhalten vorschrieben und nur die jeweilige Einstellung zu diesen diese Aufgabe erfüllten, muss man dir einfach einen Strick drehen, weil eine Einstellung zu Abstracta als solche meist schwerlich nur möglich ist. Herausfinden kannst du, indem du sagst "zu einer bestimmten Moral und Ethik", so erst bekommen die Begriffe einen eindeutigen Inhalt, auch wenn mir klar ist, dass die Allermeisten mit "Moral" zumeist "das vorherrschende, herkömmliche Urteil über den Wert der Dinge" meinen. ("Jedes Urteil ist ein Vorurteil".)
Die herkömmliche Bedeutung dieser Worte kann als Beispiel für Wasauchimmer benutzt werden, spielt bei einer solchen Diskussion aber keine Rolle (sonst darf man auch demnächst dem SPIEGEL beitreten, auch bekannt als "Verein für moralische Monstren".)
Demnach erübrigt sich folgender Satz:
LB hat geschrieben:Eine mögliche Konsequenz aus dieser Problematik ist in meinen Augen also, dass Kritik an Moral alleine, keine Veränderung im Geiste ermöglicht. Um glaubhaft zu sein, muss sich eigentlich jede Moral verabsolutieren und ihren Anspruch als ewig gültig hinstellen.
Allerdings kann man Moral mit Sitte ersetzen und erhält einen einigermaßen richtigen Satz. Eine Kritik der Moral ist keine Kritik e i n e r Moral und auch nicht a l l e r Moralen.
LinuxBug hat geschrieben:Mit einem näher einschränkenden Eigenschaftswort, kann man Grundwerte auch als Werte, die einer Gruppierung angeblich zugrunde liegen, ansehen, wobei es aber auch fast immer zu einem Unterschied zwischen dem in der Theorie Gepredigten und dem in der Praxis gelebten kommen kann.
So wie "westlich-Kant'sche Grundwerte".
Nebenbei: Ich glaube dir nicht darin, du seiest Amoralist.
Moralische Werte hängen in erster Linie von einem Einzelnen ab, der sie schuf, und erst später von der Gesellschaft, die zwar weiter an ihnen arbeitet, dennoch aber vorrangig unter der Machtwirkung des Schaffenden steht. Moral ist relativ und besteht nur für den Einzelnen, wenngleich die äußere Missbilligung und der damit verbundene Schmerz (früher gab es noch mehr Prügel, heute gibt es mehr langsame, von mir getaufte "Giftpilz-Rache") dazu beitragen kann, dass man sich doch lieber an die Sitte hält. Die Geschichte der Sitte, verbunden mit dem Strafen, ist die der Mnemotechnik. (Siehe zw. Abh. "zur Genealogie der Moral").
LinuxBug hat geschrieben:Moralisieren, als das Pochen auf gewisse Wertvorstellungen
Die größte Macht, die ein Mensch innehaben kann.
LinuxBug hat geschrieben:Problematisch wird das ganze für mich dadurch, dass eine Kritik von Werten an sich, meist selbst eine Wertung darstellt bzw. moralisch be- und verurteilbar ist
Tja, da muss wohl der Geschmack entscheiden. "Entweder ihr schafft eure Verehrungen ab oder - e u c h s e l b s t !" (Unser Fragezeichen, la gaya scienza)