Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon Julia » Mo 6. Sep 2010, 11:59

Soja - kein Grund zur Freude?

Die Quelle:
http://www.second-opinions.co.uk/soja-k ... reude.html

Soja verhindert die Gewichtsabnahme
Die meisten Leute beginnen eine Diät, um an Gewicht zu verlieren. Soja hat jedoch stark unterdrückende Wirkungen auf die Schilddrüse und senkt den Grundumsatz. (1)

Schon bei Aufnahme von 45g Isoflavonen wurden bei Frauen vor der Menopause signifikante biologische Wirkungen, darunter eine Reduzierung der für die angemessene Schilddrüsenfunktion erforderlichen Hormone, festgestellt. Diese Wirkung hielt noch drei Monate nach Ende des Sojaverzehrs an. (2)


Das sind Studien (an Menschen), deren Ergebnisse in nachfolgenden Studien nicht bestätigt werden konnte, siehe zum Beispiel:
1. Duncan AM, Underhill KE et al. Modest hormonal effects of soy isoflavones in postmenopausal women. Journal of Clinical Endocrinology and Metabolism 84:3479-84 (1999).
2. Persky VW, Turyk ME et al. Effect of soy protein on endogenous hormones in postmenopausal women. American Journal of Nutrition 75:145-53 (2002).
3. Dillingham BL, McVeigh BL et al. Soy protein isolates of varied isoflavone content do not influence serum thyroid hormones in healthy young men. Thyroid 17:131-7 (2007).

Soja bringt den Hormonhaushalt durcheinander
Studie Nummer 1 (meine Zählung) führt der Autor dann im nächsten Abschnitt auf um zu zeigen, dass Soja "auch die weiblichen Fortpflanzungshormone Östron, LS und FSH" reduziert. Man betrachte schon mal den Titel der Studie: "Modest hormonal effects of soy isoflavones in postmenopausal women."
Der Schluss der Studie ist: "In summary, this study suggests only modest effects of isoflavones on plasma hormones in postmenopausal women, and no significant effects on vaginal cytology or endometrial biopsy results. Thus, effects of isoflavones on plasma hormones per se are not likely to be significant mechanisms by which soy exerts estrogen-like effects in postmenopausal women."
Diese Studie zeigt doch eher das Gegenteil von dem was in diesem Artikel behauptet wird, nämlich, dass die erhoffte Wirkung nicht eintrat.

Soja "verursacht menstruelle Störungen bei Frauen vor den Wechseljahren. (5)"
Hierbei handelt es sich um folgende Studie:
4. Benson JE, et al. Nutritional aspects of amenorrhea in the female athlete. Triad International Journal of Sports Medicine 1996; 134-45.
Den Artikel finde ich leider nicht im Volltext.

Ich habe keinen Ahnung von wann dieser Text ist, aber die Studien, die genannt werden stammen alle aus dem letzten Jahrhundert, eine ist von 1956!
Aber egal, weiter im Text:

Soja hemmt die Eiweißaufnahme
Soja enthält Proteaseinhibitoren, die die Wirkung von Trypsin und weiteren, zur Eiweißverdauung nötigen Enzymen hemmen. Dadurch entstehen schwere Magenreizungen und die eingeschränkte Eiweißverdauung führt zu chronisch mangelhafter Aminosäureaufnahme. Bei Versuchstieren, deren Nahrung einen hohen Gehalt an Trypsinhemmer aufwies, wurden Vergrößerungen und pathologische Veränderungen der Bauchspeicheldrüse, darunter Krebs, beobachtet. (3)

Studien an nichtmenschlichen Tieren sind wertlos, zumal man diesen Tieren rohes Sojamehl in großen Mengen zu essen gegeben hat! Diese Trypsinhemmer werden aber durch Erhitzen denaturiert.

to be contiued.
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon Julia » Mo 6. Sep 2010, 12:55

Fortsetzung...

Soja erhöt das Krebsrisiko
Soja erhöht die Wachstumsgeschwindigkeit von Brustkrebszellen.(10) Soja führt zu gesteigerter Aktivität von Progesteron und erhöht das Brustzellenwachstum bei menstruierenden Frauen. (11).

Die erste vom Autor genannte Studie:
5. Hseih CY, et al. Estrogenic effects of genistein on the growth of estrogen receptor positive human breast cancer (MCF-7) cells in vitro and in vivo. Cancer Research 1998; 58: 3833-8
modelliert den weiblichen Menschen mit "athymic, ovariectomized mice". Also mit Mäusen ohne Immunsystem und ohne eigene Estrogenproduktion.
Mal abgesehen davon, dass das natürlich Bullshit ist, haben neuere Untersuchungen an Mäusen mit intaktem Immunsystem etwas anderes gezeigt:
6. Guo TL, Chi RP, Hernandez DM, et al. Decreased 7,12-dimethylbenz[a]anthracene-induced carcinogenesis coincides with the induction of antitumor immunities in adult female B6C3F1 mice pretreated with genistein. Carcinogenesis. 2007;28:2560–66.

Wie auch immer, diese Meta-Analyse von Studien an Menschen:
7. Trock BJ, Hilakivi-Clarke L, Clarke R. Meta-analysis of soy intake and breast cancer risk. J Natl Cancer Inst. 2006;98(7):459-71.
kommt zu folgendem Schluss: "Soy intake may be associated with a small reduction in breast cancer risk. However, this result should be interpreted with caution due to potential exposure misclassification, confounding, and lack of a dose response. Given these caveats and results of some experimental studies that suggest adverse effects from soy constituents, recommendations for high-dose isoflavone supplementation to prevent breast cancer or prevent its recurrence are premature."

Soja verursacht Darmgeschwüre
Tierversuche, aus der Quellenangabe:
http://www.centralsoya.com "Soya protein content for animal feed".
werde ich nicht schlau. Eventuell haben die auch wieder rohes Soja in Unmengen gekriegt?

Soja erhöht das Risiko von Mangelkrankheiten.
Die Dosis macht das Gift und die Mischung. Phytinsäure hat zum Beispiel auch eine krebsvorbeugende und blutzuckerspiegelsenkende Wirkung...

Über die Vorteile von Soja dürft ihr euch jetzt selbst informieren. Außerdem möchte ich noch darauf hinweisen, dass ich kein Arzt bin und dass ich auch nicht empfehlen würde in Unmengen Soja zu essen, aber dieser Artikel wird mich nicht davon abbringen Sojaprodukte zu essen. ;-)

Das mit den Kindern muss ich noch recherchieren... to be continued
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon Julia » Mo 6. Sep 2010, 13:16

Soja ist schädlich für Kinder
Da sagt diese Studie etwas anderes:
Strom BL, Schinnar R et al. Exposure to soy-based formula in infancy and endocrinological and reproductive outcomes in young adulthood. Journal of the American Medical Association 286:807-14 (2001).
Abstract

CONTEXT: A large body of evidence documents the role of phytoestrogens in influencing hormone-dependent states. Infants fed soy formula receive high levels of phytoestrogens, in the form of soy isoflavones, during a stage of development at which permanent effects are theoretically possible. However, a paucity of data exists on the long-term effects of infant soy formulas.

OBJECTIVE: To examine the association between infant exposure to soy formula and health in young adulthood, with an emphasis on reproductive health.

DESIGN, SETTING, AND PARTICIPANTS: Retrospective cohort study conducted from March to August 1999 among adults aged 20 to 34 years who, as infants, participated during 1965-1978 in controlled feeding studies conducted at the University of Iowa, Iowa City (248 were fed soy formula and 563 were fed cow milk formula during infancy).

MAIN OUTCOME MEASURES: Self-reported pubertal maturation, menstrual and reproductive history, height and usual weight, and current health, compared based on type of formula exposure during infancy.

RESULTS: No statistically significant differences were observed between groups in either women or men for more than 30 outcomes. However, women who had been fed soy formula reported slightly longer duration of menstrual bleeding (adjusted mean difference, 0.37 days; 95% confidence interval [CI], 0.06-0.68), with no difference in severity of menstrual flow. They also reported greater discomfort with menstruation (unadjusted relative risk for extreme discomfort vs no or mild pain, 1.77; 95% CI, 1.04-3.00).

CONCLUSIONS: Exposure to soy formula does not appear to lead to different general health or reproductive outcomes than exposure to cow milk formula. Although the few positive findings should be explored in future studies, our findings are reassuring about the safety of infant soy formula.


Außerdem:
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/1188 ... t=Abstract

Das ist auch interessant:
Setchell KD, Brown NM et al. Evidence for lack of absorption of soy isoflavone glycosides in humans, supporting the crucial role of intestinal metabolism for availability. American Journal of Clinical Nutrition 76:447-53 (2002).
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon Julia » Fr 10. Sep 2010, 17:57

Agent Provocateur hat geschrieben:Stichwort ist hier 'Rechtssystem'. Wenn das Rechtssystem in einem Staat so ausgelegt ist, dass es massive Menschenrechtsverletzungen fördert / zulässt / in Kauf nimmt / wie auch immer, dann kann man sagen, dass in diesem Staat die Menschenrechte nicht / zu wenig gelten. Jedes Recht muss durchgesetzt werden, sonst gibt dieses Recht schlicht nicht.

Da steckt jetzt aber schon implizit deine Auffassung von Menschenrechtsverletzungen drin, nämlich, dass diese auch von Individuen begangen werden können, statt nur von Institutionen.
Ausführlicher schreibt darüber Thomas Pogge in "Human Rights and World Poverty". Wenn ich Zeit habe, lese ich das mal. ;-)

Agent Provocateur hat geschrieben:Und übrigens: nehmen wir einmal ein folgendes Gesetz an: 'jedes Mitglied der Gemeinschaft der Gleichberechtigten hat das Recht, nicht von einem Menschen getötet zu werden'.

Wenn Du da keine Diskrimierung sehen kannst: ich kann sie sehen.

So würde das auch nicht aussehen. Es geht darum die Klassifizierung nichtmenschlicher Lebewesen mit Intentionalität als Besitztümer zu überwinden, weil das eine wesentliche Voraussetzung dafür ist, dass diese zu Unrecht verweigerte Rechte genießen können.
Es gibt übrigens auch kein Gesetzt, das verbietet, dass ein Mensch von einem freien nichtmenschlichen Tier getötet werden darf, so weit ich weiß.

Agent Provocateur hat geschrieben:Und außerdem bedeutet das eine gewaltige Aushöhlung des Rechtes auf Leben.

Es ist ein Minimalgrundlage, die natürlich nicht alle Fragen beantwortet, das steht aber auch explizit in dem Buch.

Agent Provocateur hat geschrieben:Du würdest also die Weiche umstellen, weil Du Dir anmaßt, bestimmen zu dürfen, wer weiterleben soll und wer nicht, weil Du in 'lebenswert' und 'nicht lebenswert' einordnen kannst, richtig?

Ich verstehe wirklich noch nicht einmal im Ansatz, wie man sowas vertreten kann.

Ich finde es schwierig in solchen Konfliktfällen Kantianer zu bleiben. Was machst du denn, wenn du nur mit Menschen in dem Rettungsboot bist? Du bist der einzige, der werfen kann und es sind 100.000 Menschen in dem Boot. Es würde reichen einen ins Wasser zu werfen. Du würdest es dir nicht anmaßen wollen in lebenswert und nicht lebenswert einzuordnen und lieber alle sterben lassen? Kannst du das vertreten?
Jedenfalls ist das nicht mein Punkt. Egal ob man jemanden über Bord werfen würde oder nicht, mir geht es darum, dass Menschen nicht bevorzugt behandelt werden sollten, gegenüber anderen bewussten Lebewesen.
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon Myron » Fr 10. Sep 2010, 18:29

[mod]@alle: Wenn ihr Externes in den beigen Blöcken zitiert, dann ist die jeweilige Quellenangabe innerhalb jedes einzelnen Blocks unten anzufügen![/mod]
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon Julia » Fr 10. Sep 2010, 18:35

Entschuldigung. :hust:
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon AgentProvocateur » Fr 10. Sep 2010, 19:11

Julia hat geschrieben:
Agent Provocateur hat geschrieben:Stichwort ist hier 'Rechtssystem'. Wenn das Rechtssystem in einem Staat so ausgelegt ist, dass es massive Menschenrechtsverletzungen fördert / zulässt / in Kauf nimmt / wie auch immer, dann kann man sagen, dass in diesem Staat die Menschenrechte nicht / zu wenig gelten. Jedes Recht muss durchgesetzt werden, sonst gibt dieses Recht schlicht nicht.

Da steckt jetzt aber schon implizit deine Auffassung von Menschenrechtsverletzungen drin, nämlich, dass diese auch von Individuen begangen werden können, statt nur von Institutionen.

Aber nein, tut es nicht, ich unterscheide das sehr wohl. Wenn Individuen in einem Staat Menschenrechte verletzen, dann ist das erst mal nicht dem Staat anzulasten. Aber nur dann, wenn diese Menschenrechtsverletzungen nicht rechtmäßig sind. Sind sie jedoch rechtmäßig, vom Rechtssystem des Staates gedeckt, dann kann man sehr wohl und berechtigterweise sagen, dass dieser Staat als solcher Menschenrechtsverletzungen explizit zulässt.

Und nochmal, ich wiederhole mich: der Zusammenhang war dieser:

Die Tierrechtsphilosophie nach Paola Cavalieri hat geschrieben:Der Tierrechtsdoktrin, die zumindest allen Wirbeltieren gleiche Grundrechte einräumt, wurde in zweifacher Hinsicht dahingehend kritisiert, dass ihre Konsequenzen absurd wären und zu impraktikablen Gesellschaftsordnungen führen müssten: [..] ii) Rechtssystem. Wenn alle Wirbeltiere grundsätzlich gleichberechtigt sind, müsste das Rechtssystem von Grund auf geändert werden, und das würde die gegenwärtige Gesellschaft in verantwortungsloser Weise destabilisieren. Das Verhältnis zwischen nichtmenschlichen (Wild-)Tieren untereinander müsste gesetzlich geregelt werden, was vollkommen absurd wäre. [...] Aber weiters wurde argumentiert, dass Menschenrechte als Reaktion auf die institutionalisierte Gewalt und Unterdrückung proklamiert wurden. Menschenrechte beziehen sich also nicht auf die Auseinandersetzung zwischen Individuen, sondern auf den Schutz des Individuums vor den Institutionen des Staates. Insofern ist weder das Rechtssystem grundsätzlich zu ändern, noch muss die Beziehung zwischen nicht-menschlichen (Wild-)Tieren auf eine juridische Basis gebracht werden.

Und das ist nun mal schlicht FALSCH! Selbstverständlich muss ein Staat, der grundsätzliche Rechte gewährleisten will, ein Rechtssystem schaffen, das diese gewährleistet. Wenn man nun die Menschenrechte in 'Wirbeltierrechte' ändern will, dann muss das einen rechtlichen Niederschlag finden. Ist mir wirklich völlig unklar, wie man das bestreiten kann.

Und wenn jedes Mitglied der Gemeinschaft ein Recht zum Beispiel auf Leben haben soll, dann muss dieses Recht durchgesetzt werden und zwar nicht nur gegenüber ethischen Subjekten, sondern allgemein. Daraus ergeben sich nun mal automatisch und unausweichlich auch Pflichten für alle. Und diejenigen, die nicht dazu fähig sind, Pflichten zu erfüllen, müssen dazu gezwungen werden. Auch einem Menschen, der geistig so zurückgeblieben ist, dass er nicht weiß, was er tut, der aber die grundlegenden Rechte von anderen bedroht, wird nicht erlaubt werden, zu tun, was immer ihm in den Sinn kommt. Oder aber, wenn es ihm erlaubt wird, dann gelten die grundlegenden Rechte nur noch extrem eingeschränkt. Und das kann man dann natürlich dem Staat aufgrund dessen Rechtssystems anlasten.

Julia hat geschrieben:
Agent Provocateur hat geschrieben:Und übrigens: nehmen wir einmal ein folgendes Gesetz an: 'jedes Mitglied der Gemeinschaft der Gleichberechtigten hat das Recht, nicht von einem Menschen getötet zu werden'.
Wenn Du da keine Diskrimierung sehen kannst: ich kann sie sehen.

So würde das auch nicht aussehen. Es geht darum die Klassifizierung nichtmenschlicher Lebewesen mit Intentionalität als Besitztümer zu überwinden, weil das eine wesentliche Voraussetzung dafür ist, dass diese zu Unrecht verweigerte Rechte genießen können.

Zu 'Unrecht'? Dir ist aber schon klar, dass jegliches Recht eine Kategorie von ethischen Subjekten ist, es kein darüber hinaus gehendes 'Naturrecht' oder dergleichen gibt, nicht?

Der Punkt hier aber ist: alle Tiere, die in die gleichberechtigte Gemeinschaft (bezüglich bestimmter Grundrechte) aufgenommen werden sollen, müssen sich den Regeln dieser Gemeinschaft gleichermaßen unterwerfen, so wie alle anderen auch. Das bedeutet zum Beispiel Einschränkung der Bewegungsfreiheit für gefährliche (die Grundrechte anderer bedrohende) und nicht einsichtige Mitglieder der Gemeinschaft. Oder man misst mit zweierlei Maß. Aber das darf man nicht nach der Argumentation von Paola Cavalieri, die Ablehnung dessen ist ja gerade ihre notwendige und unabdingbare Grundlage.

Julia hat geschrieben:Es gibt übrigens auch kein Gesetzt, das verbietet, dass ein Mensch von einem freien nichtmenschlichen Tier getötet werden darf, so weit ich weiß.

Unsinn, natürlich gibt es diese Gesetze. Als da sind Notwehr, Nothilfe und dergleichen. Ich schätze mal, ich werde auch dafür belangt, (und das mE zu recht), wenn ich einen hungrigen Löwen in einer Fußgängerzone freilasse und der Leute verletzt.

Oder auch wenn jemand Kenntnis davon hat, dass ein gefährliches oder verseuchtes Tier Menschen gefährdet, ist er doch wohl verpflichtet, das zu melden, so dass Gegenmaßnahmen ergriffen werden können. Oder wenn die zuständige Behörde bereits Kenntnis davon hat und nichts unternimmt, dann kann man ihr das vorwerfen. Sie ist dann zum Handeln verpflichtet.

Julia hat geschrieben:
Agent Provocateur hat geschrieben:Und außerdem bedeutet das eine gewaltige Aushöhlung des Rechtes auf Leben.

Es ist ein Minimalgrundlage, die natürlich nicht alle Fragen beantwortet, das steht aber auch explizit in dem Buch.

Diese Minimalgrundlage bedeutet Pflichten für ethische Subjekte und keine Pflichten für ethische Objekte. Das ist eine Ungleichbehandlung, die unausweichlich auf die Aushöhlung von Grundrechten hinausläuft, und zwar für alle, denen diese Grundrechte zugesprochen werden.

Julia hat geschrieben:
Agent Provocateur hat geschrieben:Du würdest also die Weiche umstellen, weil Du Dir anmaßt, bestimmen zu dürfen, wer weiterleben soll und wer nicht, weil Du in 'lebenswert' und 'nicht lebenswert' einordnen kannst, richtig?
Ich verstehe wirklich noch nicht einmal im Ansatz, wie man sowas vertreten kann.

Ich finde es schwierig in solchen Konfliktfällen Kantianer zu bleiben. Was machst du denn, wenn du nur mit Menschen in dem Rettungsboot bist? Du bist der einzige, der werfen kann und es sind 100.000 Menschen in dem Boot. Es würde reichen einen ins Wasser zu werfen. Du würdest es dir nicht anmaßen wollen in lebenswert und nicht lebenswert einzuordnen und lieber alle sterben lassen? Kannst du das vertreten?

Selbst wenn man der Meinung ist, dass es zulässig ist, die Anzahl der Überlebenden in bestimmten Konfliktfällen zu berücksichtigen und diese zu maximieren, (dieser Ansicht bin ich, z.B. Triage), bedeutet das noch lange nicht, dass man dann einzelne Menschenleben nach ihrem 'Wert' gegeneinander bewerten und aufwiegen darf, (ich meine: das darf man nichtund erst recht nicht in Deinem Weichenbeispiel, wo ein Wertloser für einen Wertvollen aktiv geopfert wird -> alle gewaltsamen Organentnahmeszenarien wären sofort zulässig, sofern nur der Spender weniger 'wertvoll' ist als der Empfänger).

Julia hat geschrieben:Egal ob man jemanden über Bord werfen würde oder nicht, mir geht es darum, dass Menschen nicht bevorzugt behandelt werden sollten, gegenüber anderen bewussten Lebewesen.

Meiner Anicht nach sollten aber Mitglieder der eigenen Gemeinschaft / Gesellschaft bevorzugt behandelt werden. Ich sehe bisher keinen Grund, wieso man das nicht tun sollte. Die Argumentation von Paola Cavalieri wendet sich auch gar nicht dagegen, sondern sie verlangt, die Gemeinschaft auszuweiten, (auf zumindest alle Wirbeltiere). Aber das geht nun mal nicht ohne wieder bei einer Ungleichbehandlung zu landen, sofern man Zwangsmaßnahmen gegen bestimmte Tiere ablehnt, aber die für ethische Subjekte fordert. Das funktioniert vorne und hinten nicht.

Die Ethik von Paola Cavalieri ist inkonsistent. Sie hat mE einen unbehebbaren Konstruktionsfehler. Gleichzeitig Gleicheit und Ungleicheit zu verlangen geht nun mal nicht.
Zuletzt geändert von AgentProvocateur am Fr 10. Sep 2010, 20:07, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon Bionic » Fr 10. Sep 2010, 20:04

Julia hat geschrieben:dass Menschen nicht bevorzugt behandelt werden sollten, gegenüber anderen bewussten Lebewesen.

Warum?
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon Julia » Fr 10. Sep 2010, 20:21

AgentProvocateur hat geschrieben:Meiner Anicht nach sollten aber Mitglieder der eigenen Gemeinschaft / Gesellschaft bevorzugt behandelt werden.

Und was ist deine Gemeinschaft? Weiße, männliche Mitteleuropäer? Weiße, männliche Mitteleuropäer aus deinem Dorf? Weiße, männliche Mitteleuropäer aus deinem Dorf, die deine Weltsicht teilen?

AgentProvocateur hat geschrieben:Selbst wenn man der Meinung ist, dass es zulässig ist, die Anzahl der Überlebenden in bestimmten Konfliktfällen zu berücksichtigen und diese zu maximieren, (dieser Ansicht bin ich, z.B. Triage), bedeutet das noch lange nicht, dass man dann einzelne Menschenleben nach ihrem 'Wert' gegeneinander bewerten und aufwiegen darf, (ich meine: das darf man nichtund erst recht nicht in Deinem Weichenbeispiel, wo ein Wertloser für einen Wertvollen aktiv geopfert wird -> alle gewaltsamen Organentnahmeszenarien wären sofort zulässig, sofern nur der Spender weniger 'wertvoll' ist als der Empfänger).

Das "aktiv" finde ich hier interessant. Im Grunde opfern wir ständig bewusste Lebewesen, auch Menschen. Wir kaufen uns einen neuen Fernseher, statt mit dem Geld Leben zu retten. So viel zu unseren Prioritäten.

AgentProvocateur hat geschrieben:Diese Minimalgrundlage bedeutet Pflichten für ethische Subjekte und keine Pflichten für ethische Objekte. Das ist eine Ungleichbehandlung, die unausweichlich auf die Aushöhlung von Grundrechten hinausläuft, und zwar für alle, denen diese Grundrechte zugesprochen werden.

Aber hier wird Ungleiches ungleich behandelt, nicht Gleiches. Jemandem Pflichten aufzuerlegen, der diese nicht wahrnehmen kann, ist doch Unsinn, aber so weit waren wir eigentlich schon.

Bionic hat geschrieben:
Julia hat geschrieben:dass Menschen nicht bevorzugt behandelt werden sollten, gegenüber anderen bewussten Lebewesen.

Warum?

Ich lehne Speziesismus ab, aus den gleichen Gründen, aus denen ich Rassismus oder Sexismus ablehne. Warum man Rassismus bzw. Sexismus ablehnen sollte, gehört aber nicht hier hin.

Später kommt noch mehr zu Menschenrechten...
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon Bionic » Fr 10. Sep 2010, 20:41

Damit setzt du Farbige und Frauen auf die gleiche Stufe mit jedem vernuftbegabten Tier.
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon Julia » Fr 10. Sep 2010, 20:46

Nicht nur die.
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon Bionic » Fr 10. Sep 2010, 21:05

Wie meinst du? Du stellst sie mit allen Tieren gleich?
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon Julia » Fr 10. Sep 2010, 21:09

Nein, ich stelle auch weiße Männer auf die gleiche Stufe mit jedem vernunftbegabten Tier. Zoon logon echon ist klassisch aber sowieso der Mensch.
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon Bionic » Fr 10. Sep 2010, 21:36

Mich würde mal interessieren, wie du zu deiner Meinung gekommen bist.
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon AgentProvocateur » Fr 10. Sep 2010, 21:39

Julia hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Meiner Anicht nach sollten aber Mitglieder der eigenen Gemeinschaft / Gesellschaft bevorzugt behandelt werden.

Und was ist deine Gemeinschaft? Weiße, männliche Mitteleuropäer? Weiße, männliche Mitteleuropäer aus deinem Dorf? Weiße, männliche Mitteleuropäer aus deinem Dorf, die deine Weltsicht teilen?

Menschen. Die einzige Spezies auf diesem Planeten, die moralisch ansprechbar ist, die ethische Subjekte hervorbringt. Würde eine Spezies von einem anderen Planeten hier landen, die gleichfalls ethische Subjekte wären, (und nicht feindlich gesinnt), dann wären die ohne Frage einzubinden. Ich fröne also mitnichten einem Speziesismus.

Was ist Deine Gemeinschaft? Wirbeltiere?

Julia hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Selbst wenn man der Meinung ist, dass es zulässig ist, die Anzahl der Überlebenden in bestimmten Konfliktfällen zu berücksichtigen und diese zu maximieren, (dieser Ansicht bin ich, z.B. Triage), bedeutet das noch lange nicht, dass man dann einzelne Menschenleben nach ihrem 'Wert' gegeneinander bewerten und aufwiegen darf, (ich meine: das darf man nichtund erst recht nicht in Deinem Weichenbeispiel, wo ein Wertloser für einen Wertvollen aktiv geopfert wird -> alle gewaltsamen Organentnahmeszenarien wären sofort zulässig, sofern nur der Spender weniger 'wertvoll' ist als der Empfänger).

Das "aktiv" finde ich hier interessant. Im Grunde opfern wir ständig bewusste Lebewesen, auch Menschen. Wir kaufen uns einen neuen Fernseher, statt mit dem Geld Leben zu retten. So viel zu unseren Prioritäten.

'Opfern' ist eine aktive Tätigkeit. Zum Beispiel in Deinem Weichenbeispiel. Den einen Menschen für den anderen opfern aufgrund seiner angeblich im Vergleich zum anderen minderwertigen Existenz. Es gibt eine moralische Pflicht, das nicht zu tun, zumindest meiner Ansicht nach, denn Grundlage der Menschenrechte ist das gleiche Recht für alle Menschen. Es gibt aber keine moralische Pflicht für ein Individuum, alle Lebewesen (auch nicht Menschen) auf diesem Planeten zu retten. Weil das aufgrund der Gegebenheiten schlicht nicht möglich ist. Niemand ist ein Superheld mit Superkräften, ganz einfach, (und das ist übrigens mAn auch gut so). Gäbe es aber eine (zum Tötungsverbot identische) Pflicht, seine Existenz für andere zu opfern, dann gäbe es letztlich keine Pflicht. Das ist so ähnlich, als wie wenn jeder für alle und jedes gleichermaßen, ohne Unterschied verantwortlich wäre. Derjenige wäre dann genau genommen für gar nichts verantwortlich. Es ist nicht alles gleich und dasselbe, auch wenn Du das hier dogmatisch einfach so voraussetzt. Fernseher kaufen ist mE moralisch anders zu bewerten als eine Weiche umzustellen, um einen Wertvolleren zu retten, indem man einen abgeblich Wertloseren für ihn opfert. Letzteres ist wie gesagt gleich zu bewerten wie jemanden zu töten und seine Organe zu entnehmen, um einen vermeintlich Wertvolleren zu retten.

Julia hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Diese Minimalgrundlage bedeutet Pflichten für ethische Subjekte und keine Pflichten für ethische Objekte. Das ist eine Ungleichbehandlung, die unausweichlich auf die Aushöhlung von Grundrechten hinausläuft, und zwar für alle, denen diese Grundrechte zugesprochen werden.

Aber hier wird Ungleiches ungleich behandelt, nicht Gleiches. Jemandem Pflichten aufzuerlegen, der diese nicht wahrnehmen kann, ist doch Unsinn, aber so weit waren wir eigentlich schon.

Nein, das ist weder Unsinn, noch waren wir soweit schon. Auch jeder geistig noch so zurückgebliebene Mensch wird in diese Pflicht genommen. Du weichst aus, das ist alles, Du willst Dich der falschen Prämisse von Paola Cavalieri und den unausweichlichen Konsequenzen daraus nicht stellen.

Um Rechte zu gewährleisten, muss man sie durchsetzen und daher muss man Zwang anwenden gegenüber denjenigen, die diese Rechte nicht akzeptieren / diesen widerhandeln. Das ist doch einfach nur selbstverständlich, darüber kann es gar keine Diskussion geben. Falls man denn überhaupt grundlegende Rechte für richtig hält. Falls nicht, dann hat sich die Diskussion auf andere Weise erledigt. Denn dann ist es intellektuell schlicht retardiert, von jemand anderem Pflichten, insofern, als er Rechte von anderen respektieren soll, zu fordern. Diese moralische Forderung ist dann automatisch ungültig, einfach aufgrund der Prämisse, dass man Rechte für falsch hält.
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon Julia » Fr 10. Sep 2010, 22:55

AgentProvocateur hat geschrieben:Menschen.

Wieso?

AgentProvocateur hat geschrieben:Was ist Deine Gemeinschaft? Wirbeltiere?

Die Rechtsgemeinschaft, die mir im vorschwebt wird diese enthalten, muss aber unter Umständen erweitert werden. Frag mich das noch mal nach einem Biologiestudium. ;-)

AgentProvocateur hat geschrieben:Es gibt aber keine moralische Pflicht, alle Lebewesen (auch nicht Menschen) auf diesem Planeten zu retten. Weil das aufgrund der Gegebenheiten schlicht nicht möglich ist.

Aber eventuell gibt es eine moralische Pflicht so viele Menschen (oder nichtmenschliche Tiere) wie möglich zu retten? Du kannst doch nicht sagen, dass es in Ordnung ist nichts zu tun, nur weil man nicht alle retten kann?

Ich sehe mich jedenfalls moralisch verpflichtet gegen den Speziesismus zu kämpfen. Dazu vielleicht der schöne Schlusssatz von Paola Cavalieri: "Und zwar, weil die institutionelle Verweigerung fundamentaler Rechte für Wesen, die einen Anspruch auf sie haben, sich nicht darauf beschränkt, die Opfer dieser Rechte zu berauben, sondern einen direkten Angriff auf die Rechte selbst darstellt. Diese Verweigerung schadt nicht einfach nur dem, was recht ist, sondern der Idee der Gerechtigkeit selbst."

AgentProvocateur hat geschrieben:Um Rechte zu gewährleisten, muss man sie durchzusetzen, und daher muss man Zwang anwenden gegenüber denjenigen, die diese Rechte nicht akzeptieren / diesen widerhandeln / diese bedrohen. Das ist doch einfach nur selbstverständlich, darüber kann es gar keine Diskussion geben.

Ja, aber das ändert nichts daran, dass es Rechte gibt, die das Verhältnis zwischen Staat und Individuum betreffen (wir nennen sie an dieser Stelle mal Menschenrechte) und Rechte, die das Verhältnis der Individuen untereinander betreffen. Wenn ich zum Beispiel sage, dass ein Mensch das Recht auf ein Existenzminimum hat, also dass er nicht hungern muss und so weiter, besage ich damit im Grunde, dass die Gesellschaft, in der er lebt, so umgestaltet werden muss, dass das gewährleistet ist, insbesondere dass es ihm von offizieller Seite nicht vorenthalten wird (negatives Recht), ich sage aber nicht, dass jeder einzelne Mensch verpflichtet ist dafür zu sorgen, dass dieser Mensch nicht hungert und friert. Wenn ich jemandem jetzt sein Essen klaue ist das Diebstahl und keine Menschenrechtsverletzung, auch wenn der Mensch dann hungert, anders sieht es aus, wenn der Staat zum Beispiel seinen Gefangenen den Zugang zu Nahrung verweigert. Das Verhältnis der Individuen (hier Menschen) untereinander wird gesondert geregelt.

Ich geht jetzt noch schnell Biologie und Politik studieren.
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon AgentProvocateur » Sa 11. Sep 2010, 00:24

Julia hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Menschen.

Wieso?

Habe ich doch oben schon gesagt.

Menschen sind ethische Subjekte, Ansprechpartner für Rechte und Pflichten. Eine Grenze zwischen solchen Menschen, die nicht hinreichend fähig dazu sind und das niemals waren und niemals dazu fähig sein werden, kann man mE nicht ziehen.

Ich kann mich dabei (bezüglich der Grenze) aber irren, vielleicht hast Du gute, nachvollziehbare Kriterien für eine solche Grenze, also für Menschen, die man aus der Gemeinschaft ausschließen soll, denen man auch die grundlegenden Rechte entziehen soll. Wenn ja: dann her damit.

Julia hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Was ist Deine Gemeinschaft? Wirbeltiere?

Die Rechtsgemeinschaft, die mir im vorschwebt wird diese enthalten, muss aber unter Umständen erweitert werden. Frag mich das noch mal nach einem Biologiestudium. ;-)

Okay. Mir kommt es aber eigentlich auch gar nicht darauf an, wo genau Du diese Grenze ziehen willst. Mein Punkt ist nur, dass Du sie ziehen musst, so wie jeder, (auch der härteste Hardcore-Veganer, dem es sicher völlig gleichgültig ist, ob ein einzelnes Darmbakterium sein Leben aushaucht). Ganz egal, wo. Ob bei bestimmten Spezies, (also allgemein, so wie ich bei Menschen), oder bei einzelnen Individuen. Wobei Letzteres mE völlig unmöglich ist. Weil dann nämlich Rechte automatisch nicht grundlegend wären, sondern von subjektiven Einschätzungen abhängig, entziehbar, nach Gusto, (heute hopp, morgen flopp). Was mE schlicht wenig wünschenswert wäre, bzw. genauer gesagt gäbe es dann schlicht keine grundlegenden Rechte mehr.

Julia hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Es gibt aber keine moralische Pflicht, alle Lebewesen (auch nicht Menschen) auf diesem Planeten zu retten. Weil das aufgrund der Gegebenheiten schlicht nicht möglich ist.

Aber eventuell gibt es eine moralische Pflicht so viele Menschen (oder nichtmenschliche Tiere) wie möglich zu retten? Du kannst doch nicht sagen, dass es in Ordnung ist nichts zu tun, nur weil man nicht alle retten kann?

Es gibt Grenzen, auch in der persönlichen Verantwortung. Und diese gibt es, wie schon gesagt, notwendigerweise. Wäre nämlich Verantwortung grenzenlos, dann existierte sie schlicht nicht.

Julia hat geschrieben:Ich sehe mich jedenfalls moralisch verpflichtet gegen den Speziesismus zu kämpfen. Dazu vielleicht der schöne Schlusssatz von Paola Cavalieri: "Und zwar, weil die institutionelle Verweigerung fundamentaler Rechte für Wesen, die einen Anspruch auf sie haben, sich nicht darauf beschränkt, die Opfer dieser Rechte zu berauben, sondern einen direkten Angriff auf die Rechte selbst darstellt. Diese Verweigerung schadt nicht einfach nur dem, was recht ist, sondern der Idee der Gerechtigkeit selbst."

Das ist aber einfach nur kompletter Unsinn. Es gibt keine 'Rechte für sich'. Und auch keine 'Gerechtigkeit für sich'. So als ob das irgendwas wäre, was im Raume herumschwebt. So ist das aber nicht. Rechte bedeuten immer Pflichten für ethische Subjekte. Es gibt kein einziges Recht für jemanden oder etwas, das nicht eine solche Pflicht bedeuten würde. Recht ist immer eine Kategorie von ethischen Subjekten. Ohne ethische Subjekte kein Recht. Es gibt kein Naturrecht, einfach so, per se. Und daraus folgt nun mal, dass alle diejenigen, die einen Anspruch auf Rechte haben, diesen von ethischen Subjekten zugesprochen werden müssen.

Nun meine ich zwar, dass allen leidensfähige Lebewesen ein Anspruch auf Leidvermeidung zugesprochen werden sollte, (also insofern bin ich für eine Pflicht für ethische Subjekte auf den Verzicht von Leidzufügung gegenüber leidensfähigen Organismen), aber ein Recht auf Leben und 'Freiheit', (was auch immer man darunter für Tiere verstehen will), folgt daraus nun mal nicht.

Ach, und naja, die Kategorie 'Speziesmus' halte ich für Unsinn. Ist nicht vergleichbar mit Sexismus und Rassismus. Denn die von den beiden letzteren Betroffenen brauchen keine Stellvertreter, sie können selber für ihre Rechte einstehen. Man kann sie fragen, was sie wollen. Und alleine deswegen ist das etwas anderes, nicht gleich zu setzen.

Julia hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Um Rechte zu gewährleisten, muss man sie durchzusetzen, und daher muss man Zwang anwenden gegenüber denjenigen, die diese Rechte nicht akzeptieren / diesen widerhandeln / diese bedrohen. Das ist doch einfach nur selbstverständlich, darüber kann es gar keine Diskussion geben.

Ja, aber das ändert nichts daran, dass es Rechte gibt, die das Verhältnis zwischen Staat und Individuum betreffen (wir nennen sie an dieser Stelle mal Menschenrechte) und Rechte, die das Verhältnis der Individuen untereinander betreffen. Wenn ich zum Beispiel sage, dass ein Mensch das Recht auf ein Existenzminimum hat, also dass er nicht hungern muss und so weiter, besage ich damit im Grunde, dass die Gesellschaft, in der er lebt, so umgestaltet werden muss, dass das gewährleistet ist, insbesondere dass es ihm von offizieller Seite nicht vorenthalten wird (negatives Recht), ich sage aber nicht, dass jeder einzelne Mensch verpflichtet ist dafür zu sorgen, dass dieser Mensch nicht hungert und friert. Wenn ich jemandem jetzt sein Essen klaue ist das Diebstahl und keine Menschenrechtsverletzung, auch wenn der Mensch dann hungert, anders sieht es aus, wenn der Staat zum Beispiel seinen Gefangenen den Zugang zu Nahrung verweigert. Das Verhältnis der Individuen (hier Menschen) untereinander wird gesondert geregelt.

Hm, Du hast überhaupt nicht verstanden, was ich bisher gesagt habe und wie ich argumentiere. Und Du snippst auch ganz gewaltig.

Also, nochmal, ganz von vorne.

Ein Staat hat ein Rechtssystem. In diesem Rechtssystem werden Rechte (und somit automatisch auch Pflichten) für die Mitglieder der Gesellschaft (die Einwohner des jeweiligen Staates) festgelegt. Es gibt nun grundlegende und erweiterte Rechte. Grundlegende Rechte sind ausnahmslos zu schützen. Erweiterte Rechte können ggf. eingeschränkt werden. Wenn zum Beispiel jemand die verbrieften Rechte anderer verletzt, dann ist es legitim, die Rechte des Jemands insoweit zu beschränken, als er nicht mehr dazu fähig ist, weiterhin seine Rechtsverletzung auszuführen. Denn der Sinn des Rechtssystemes ist es, die Rechte aller zu schützen. Eine Rechtsverletzung kann daher nicht hingenommen werden, wird sie es doch und zwar generell, dann existiert das jeweilige Recht schlicht nicht.

Das Rechtssystem muss daher notwendigerweise auch das Verhältnis aller seiner Mitglieder untereinander regeln. Wenn Du mich töten darfst und das nach dem Rechtssystem legal ist, dann habe ich schlicht kein Recht auf Leben innerhalb dieses Rechtssystemes. Und jeder darf dann jederzeit jeden töten. Oder nehmen wir an, Du wärest ein Tier oder ein geistig absolut zurückgebliebener Mensch: auch dann dürftest Du mich nicht töten. Ich verstehe nicht, wieso Du das nicht verstehen kannst. Ist mir ein absolutes Rätsel. Du bist bisher noch nicht einmal darauf eingegangen. Du willst Dich vor eine Antwort drücken, anders kann ich mir das nicht erklären.

Nehmen wir nun an, wir nehmen in die Rechtsgemeinschaft nun auch alle Wirbeltiere, (und auch alle Weichtiere, Insekten, wie auch immer, das ist völlig egal, spielt keine Rolle), auf. Sprechen wir all diesen zuerst einmal ein Recht auf Leben zu, lassen wir 'Freiheit', was immer das auch in diesem Zusammenhang bedeuten soll, erst mal außen vor.

Nun gibt es zwei Möglichkeiten:

1. Wir verhindern (indem wir es mit Sanktionen belegen, z.B. In-Gewahrsam-Nehmen) jede Tötung der Mitglieder der Rechtsgemeinschaft untereinander

2. Wir verbieten Tötung anderer Mitglieder der Gemeinschaft nur denjenigen, die ein Verbot verstehen und umsetzen können

Für welche Option bist Du?
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon Julia » Sa 11. Sep 2010, 01:27

AgentProvocateur hat geschrieben:Menschen sind ethische Subjekte, Ansprechpartner für Rechte und Pflichten. Eine Grenze zwischen solchen Menschen, die nicht hinreichend fähig dazu sind und das niemals waren und niemals dazu fähig sein werden, kann man mE nicht ziehen.

Da sind wir wieder bei dem Punkt, dass die Tatsache, dass man eine Grenze nicht exakt ziehen kann, nicht bedeutet, dass man gar keine ziehen sollte oder eine vollkommen willkürliche. Es gibt Fälle, die sicher sehr eindeutig sind. Ein Neugeborenes, dass keine 5 Tage alt ist ist sicher kein Ansprechpartner für Pflichten. In welchem Alter dann entsprechende Entwicklungsschritte gemacht werden ist der Wissenschaft prinzipiell zugänglich. Dann noch einen gewissen Sicherheitsabstand zu diesem Alter und fertig, das wäre doch praktikabel.

AgentProvocateur hat geschrieben:Mein Punkt ist nur, dass Du sie ziehen musst

Aber du erkennst hoffentlich den Unterschied zwischen einer willkürlichen Grenze, welche sich auf ein nicht wesentliches aber leicht zu erkennendes Merkmal bezieht und einer Grenze, welches sich auf die für die Fragestellung wesentlichen, wenn auch nicht ganz so leicht detektierbaren Eigenschaften bezieht? Letztere mag schwer zu ziehen sein, aber erstere ist vollkommen indiskutabel.

AgentProvocateur hat geschrieben:Es gibt Grenzen, auch in der persönlichen Verantwortung. Und diese gibt es, wie schon gesagt, notwendigerweise. Wäre nämlich Verantwortung grenzenlos, dann existierte sie schlicht nicht.

Nach Pogge hättest du die Verantwortung ein System zu schaffen, in dem die Rechte anderer nicht mit Füßen getreten werden.

AgentProvocateur hat geschrieben:Und daraus folgt nun mal, dass alle diejenigen, die einen Anspruch auf Rechte haben, diesen von ethischen Subjekten zugesprochen werden müssen.

Es wurde aber eben dahingehend argumentiert, dass sie diesen Anspruch auch nach herrschenden Moralvorstellungen haben sollten.

AgentProvocateur hat geschrieben:Ach, und naja, die Kategorie 'Speziesmus' halte ich für Unsinn. Ist nicht vergleichbar mit Sexismus und Rassismus. Denn die von den beiden letzteren Betroffenen brauchen keine Stellvertreter, sie können selber für ihre Rechte einstehen. Man kann sie fragen, was sie wollen. Und alleine deswegen ist das etwas anderes, nicht gleich zu setzen.

Dann Frag mal die Frauen was sie wollen, ich glaube du wirst sehr unterschiedliche Antworten bekommen. Aber egal, dass Lebewesen ein Interesse an bestimmten Rechten haben, lässt sich auch erkennen, ohne dass diese von den Betroffenen in unserer Sprache artikuliert werden müssen, siehe auch Gewirths Begründung der Menschenrechte. Wo wir auch wieder bei den Kinderrechten wären, die von Erwachsenen artikuliert werden.

AgentProvocateur hat geschrieben:Hm, Du hast überhaupt nicht verstanden, was ich bisher gesagt habe und wie ich argumentiere.

Den Eindruck habe ich umgekehrt auch. Du verstehst unter dem Menschenrecht auf Leben, dass ein Mensch nicht getötet werden darf und wenn ein Mensch getötet wird, ist das eine Menschenrechtsverletzung und Aufgabe des Staates ist es solche zu unterbinden? Und das gleiche gilt auch für andere Tiere, falls sie mit aufgenommen werden in die Rechtsgemeinschaft und somit gibt es einen Konflikt, weil bestimmte Tiere andere Tiere töten und der Staat das nun verhindern müsste, richtig?
Ich werde es morgen noch mal probieren den anderen Standpunkt zu erörtern.
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon AgentProvocateur » Sa 11. Sep 2010, 17:14

Julia hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Menschen sind ethische Subjekte, Ansprechpartner für Rechte und Pflichten. Eine Grenze zwischen solchen Menschen, die nicht hinreichend fähig dazu sind und das niemals waren und niemals dazu fähig sein werden, kann man mE nicht ziehen.

Da sind wir wieder bei dem Punkt, dass die Tatsache, dass man eine Grenze nicht exakt ziehen kann, nicht bedeutet, dass man gar keine ziehen sollte oder eine vollkommen willkürliche. Es gibt Fälle, die sicher sehr eindeutig sind. Ein Neugeborenes, dass keine 5 Tage alt ist ist sicher kein Ansprechpartner für Pflichten. In welchem Alter dann entsprechende Entwicklungsschritte gemacht werden ist der Wissenschaft prinzipiell zugänglich. Dann noch einen gewissen Sicherheitsabstand zu diesem Alter und fertig, das wäre doch praktikabel.

Natürlich muss man Grenzen ziehen. Praktikabler ist die jetzige Grenze: der Zeitpunkt der Geburt.

Julia hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Mein Punkt ist nur, dass Du sie ziehen musst

Aber du erkennst hoffentlich den Unterschied zwischen einer willkürlichen Grenze, welche sich auf ein nicht wesentliches aber leicht zu erkennendes Merkmal bezieht und einer Grenze, welches sich auf die für die Fragestellung wesentlichen, wenn auch nicht ganz so leicht detektierbaren Eigenschaften bezieht? Letztere mag schwer zu ziehen sein, aber erstere ist vollkommen indiskutabel.

Klar erkenne ich den Unterschied. Ein leicht zu erkennendes Merkmal ist pragmatisch gesehen von großem Vorteil. Du vergisst hier außerdem die Interessen der Eltern. Ein allgemeines Tötungsverbot ab der Geburt ist in deren Interesse.

Wieso sollte die Grenze der Geburt, ab der die vollen Menschenrechte gelten, 'vollkommen indiskutabel' sein? Da steckt mE eine bisher unbenannte Prämisse drin, aufgrund der Du zu dieser Behauptung kommst. Ich schätze mal, die Prämisse ist folgende: jedes Lebewesen und dessen Rechte sind nur und ausschließlich aufgrund seiner momentanen Fähigkeiten und Eigenschaften zu beurteilen. Diese Prämisse teile ich aber nicht.

Julia hat geschrieben:Du verstehst unter dem Menschenrecht auf Leben, dass ein Mensch nicht getötet werden darf und wenn ein Mensch getötet wird, ist das eine Menschenrechtsverletzung und Aufgabe des Staates ist es solche zu unterbinden? Und das gleiche gilt auch für andere Tiere, falls sie mit aufgenommen werden in die Rechtsgemeinschaft und somit gibt es einen Konflikt, weil bestimmte Tiere andere Tiere töten und der Staat das nun verhindern müsste, richtig?

Ja, wie oben mehrfach erläutert. Siehe dazu nochmal das Zitat von Paola Cavalieri in meinem ersten Beitrag oben auf dieser Seite. Ihre Behauptung, das Rechssystem müsse nicht geändert werden, falls Tiere in die Rechtsgemeinschaft aufgenommen würden, ist selbstwidersprüchlich.
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon Julia » Sa 11. Sep 2010, 18:59

AgentProvocateur hat geschrieben:Natürlich muss man Grenzen ziehen. Praktikabler ist die jetzige Grenze: der Zeitpunkt der Geburt.

So weit ich weiß darfst du ein Kind kurz vor der Geburt auch nicht ohne weiteres essen.

AgentProvocateur hat geschrieben:Ein allgemeines Tötungsverbot ab der Geburt ist in deren Interesse.

Nicht wenn sie selbst es gerne los werden würden. Und was ist mit Waisenkindern?
Und wieso sollte es relevant sein, wenn das in ihrem Interesse ist? Haben sie etwa ein Menschenrecht darauf, dass man ihre Kinder nicht isst?

AgentProvocateur hat geschrieben:Ein leicht zu erkennendes Merkmal ist pragmatisch gesehen von großem Vorteil.

Die Hautfarbe ist auch leicht zu erkennen.

AgentProvocateur hat geschrieben:jedes Lebewesen und dessen Rechte sind nur und ausschließlich aufgrund seiner momentanen Fähigkeiten und Eigenschaften zu beurteilen. Diese Prämisse teile ich aber nicht.

Ja, du beurteils Lebewesen nach der Zugehörigkeit zu einer Gruppe, welche im Durchschnitt mehr oder weniger über bestimmte Eigenschaften verfügt, welche das Lebewesen aber gar nicht besitzen muss. Das wäre als würde ich einem qualifizierten Mann einen Job nicht geben, weil Frauen im Durschnitt eher dafür qualifiziert sind, aus welchem Grund auch immer und dann argumentieren, dass die Grenze zwischen qualifiziert und unqualifiziert ja schwer zu ziehen wäre und man aber leicht erkennen könne, ob jemand ein Mann oder eine Frau ist.
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