Lumen hat geschrieben:Die Evolution ist für Biologen die Entstehung der Arten durch natürliche Auslese, oder im fachchinesisch die Veränderung der Alellefrequenzen im Genpool. Damit ist weder Kultur, noch Technologie, noch Wissen, noch Verbesserung von Werkzeugen, noch irgendetwas anderes gemeint. Und wenn doch, dann nur weil die Idee von Evolution im übertragenen SInne gebraucht wurde.
Okay. Damit hättest Du die Fragen danach, was Evolution ist klar auf die biologische Evolution, abzüglich Kultur und Technik, begrenzt und damit auch den Zuständigkeitsbereich der Evolutionsbiologie. Ich bin mit der Definition einverstanden, nur sehen das weder Darth noch Dawkins so wie Du.
Lumen hat geschrieben:Anschließend ist Vollbreit's Fragestellung offenbar die altbekannte "Nature vs Nurture" Debatte. Hier gehen Wissenschaftler heute davon aus, dass es ein kompliziertes Geflecht ist, dass sich gegenseitig bedingt.
Ich auch, wie ich mehrfach schrieb, zuletzt im Beitrag gestern. Dieses komplizierte Geflecht , was Du nun selbst anführst, kommentierst Du dann gerne als Vernebelungstaktik, wollt ich nur mal erwähnen, Du hast von dem komplizierten Geflecht aber sicher sehr präzise Vorstellungen.
Da wird hier aber einer Meinung sind, wäre Dein Ansprechpartner also nun z.B. Darth, der alles als auf Triebe reduzierbar ansieht, eine Auffassung die ich nicht teile.
Lumen hat geschrieben:Vollbreit hat geschrieben:Aber und das ist mein Kritikpunkt: Warum sollte die evolutionsbiologische Bedeutung von Nutzen vorrangig sein?
Wenn der Kontext klar erkennbar der ist, dass es um Evolutionsbiologie gehen soll, z.B. wie hat sein ein Organsystem entwickelt, welche Strategien bei der Fortpflanzung gibt es, dann braucht man nicht lange zu überlegen. Stellt man aber eine andere Frage, z.B. warum Menschen kooperatives Verhalten zeigen, dann ist keineswegs klar, dass die Evolutionsbiologie, etwa in Form der Soziobiologie, eine Vorrangstellung genießt, obwohl sie in einigen Bereichen eine beachtenswerte, in anderen eine vernachlässigbare Rolle spielt. Hier geht es um eine von Fall zu Fall Abwägung und nicht jeder der meint, dass er dominant zuständig sei, ist es auch.
Was soll das bedeuten: eine Vorrangstellung?
Das geht aus dem Text eigentlich hervor.
Du hattest oben geschrieben, mit Evolution sei einzig und allein die biologischen Evolution gemeint, nicht Kultur, nicht Technik.
Geht es nun um die Frage, warum Menschen bspw. kooperatives Verhalten zeigen, so könnte man aus Sicht der Evolutionsbiologen, Abteilung Soziobiologie sagen, dies sei nun ihr Zuständigkeitsbereich, da der Mensch ein biologisches Wesen sei, Gene habe, die „egoistisch“ seien und a) demzufolge egoistisches Verhalten präsidponierten und b) auf diesem Egoismus beruhend vier Arten von kooperativem Verhalten aufwiesen.
Das ist interessant und für einen Diskurs über kooperatives Verhalten des Menschen geeignet.
Demgegenüber gibt es weitere Theorien darüber warum der Mensch sich kooperativ verhält, aus verschiedenen Disziplinen, die mitunter andere Motive angeben, als die evolutionsbiologischen. Man könnte Kohlbergs moralischen Stufen nehmen, einfach aus Gewohnheit, weil ich die bereits öfter erwähnte.
Wie auch immer man im Einzelfall zu den Theorien steht, Deine Frage war die, was Vorrangstellung bedeuten soll: Sie bedeutet von vorn herein und ohne dies zu belegen davon auszugehen, dass eine der Theorien gilt und die andere nicht oder eine prinzipiell höherwertig ist, als die andere.
Im begründeten Einzelfall ist das durchaus mal so, aber dass und warum es sich im Einzelfall so und nicht anders verhält, muss erwiesen werden.
Eine prinzipielle Vorrangstellung in diesem Sinn kommt der Evolutionsbiologie m.E. nicht zu.
Lumen hat geschrieben:Auch hier geht es um Tendenzen. Gesundheit und Fruchtbarkeit gilt als attraktiv. Eine Frau neigt zu anderen Männertypen zu unterschiedlichen Zeiten ihres Zyklus und so weiter und so fort. Das diese Dinge auch kulturell formbar sind, bestreitet wohl keiner und wenn doch -> die Leute selbst ansprechen.
Damit wären wir an diesem Punkt einig, tatsächlich sind die kulturellen Faktoren bei der Partnerwahl nämlich dominierend.
Was ich hier kritisiere ist die Behauptung, eine Sinfonie zu schreiben sei im Grunde auch nichts anderes, als sich auf die Brust zu schlagen, beides Imponiergehabe um die Weibchen zu beeindrucken. Ich kritisiere das auch an den entsprechenden Stellen, wie Du weißt.
Lumen hat geschrieben:Vollbreit hat geschrieben:Doch darum soll es in diesen Threads gar nicht gehen.
Hier geht es wirklich darum zu untersuchen, was Evolution denn nun eigentlich ist. Beschränkt sich Evolution einzig und allein auch die biologische Evolution und wo wird dies Grenze dann gezogen und warum da.
Ich verstehe nicht, was du mit Evolution hier willst. Solange keine Selektion bestimmter Individuen anhand vererbbarer Merkmale stattfindet, hat Evolution da nichts verloren. Eine dickere Brieftasche ist nicht genetisch vererbbar, auch nicht Rockstar sein.
Du engst die Evolution hier ein, was man machen kann, aber nicht muss.
Dawkins bspw. tut das nicht, er geht davon aus, dass Evolution durchaus auch in den kulturellen Bereich hineinragt, wenn die Meme vererben, was auch auf kulturellem Weg geht.
Auch der Begriff Leben wird ja von Dawkins breiter verstanden, wir können gerne darüber reden, denn Du bist hier so merkwürdig zurückhaltend mit dem Begriff der Evolution.
Lumen hat geschrieben:Es ist völlig egal ob Rockstars mit ihren vielen Groupies mehr Kinder zeugen, weil sich ihr Rockstar-Dasein nicht in der DNA widerfindet und somit auch nicht in den Nachkommen. Bestenfalls vielleicht Musikalität.
Was willst Du denn damit sagen? Für oder gegen was soll das ein Argument sein?
Lumen hat geschrieben:Man kann denselben Sachverhalt auf viele Weise beschreiben und interpretieren.
Ja.
Lumen hat geschrieben:Ich glaube die gängige Ansicht ist die, dass Kultur und menschliche Entwicklung sich gegenseitig bedingten, wichtiges Element zum Beispiel die Jagd und das Zusammenleben als Gruppe. Auch die Entwicklung der Intelligenz hängt eng damit zusammen. Dir würde ich dazu Steven Pinkers exzellentes "How the Mind Works" (dt. Wie das Denken im Kopf entsteht) empfehlen, was unter anderem diese Entwicklung nachzeichnet.
Danke für den Tipp, ich muss allerdings von dem, was ich selbst annehme nicht mehr überzeugt werden.
Lumen hat geschrieben:Vollbreit (Nummerierung von mir) hat geschrieben:- Ist Evolution nun einfach Veränderung, ohne Sinn und Ziel?
- Oder hat Evolution eine Richtung, kann man objektiv von Verbesserungen sprechen und sind das wirklich welche?
- Wir halten heute Nutztiere sicher effektiver als vor 200 Jahren, aber ist eine Zunahme von Effektivität automatisch besser?
Aber was ist überhaupt besser und wo fallen besser und nützlicher zusammen, wo evtl. nicht mehr?
1)Sinn und Ziel werden von Menschen gesetzt. Du verwirrst dich damit nur selber. Gravitation hat auch kein Sinn und Ziel oder gar Zweck. Das sind Dinge, die
sind.
Warum verwirre ich mich damit selbst? Ich gehe, wie Du offenbar auch, davon aus, dass Sinn und Ziel von Menschen gesetzt werden.
Die Frage ist: War das schon alles?
Du scheinst die Ideen der Leute die Du so eifrig meinst gegen mich in Schutz nehmen zu müssen, allerdings nicht sonderlich gut zu kennen.
Dennett ist es, der zwischen physikalischen und intentionalen Systemen unterscheidet. Keine Ahnung wie Du „intentional“ übersetzt, aber dem was „absichtsvoll“ ist, kann man sicher auch eine Zielgerichtetheit unterstellen, Dennett tut es zumindest. Auch Tiere haben Ziele, wie Beute oder Fortpflanzung.
Menschen sind sich im Allgemeinen bewusster über ihre Ziele als Tiere und ihrem Leben einen Sinn zuzuschreiben, tun vermutlich ausschließlich Menschen. (Allgemein wären aber vernunftbegabte Wesen wie höhere Säugetiere, potentielle Aliens oder Roboter kommender Generationen dazu in der Lage, bleiben wir, wie Du vorschlägst, beim Menschen, dem Du diesen Sonderstatus zuschreibst.)
Nun kann Sache mit dem Sinn sehr unterschiedlich ausfallen. Menschen können es als Sinn ihres Lebens empfinden, als Eremit Gott zu suchen oder Mathematik zu betreiben, eine dickes Auto zu fahren oder Extremkletterer zu werden, 1000e Musikstücke zu komponieren oder alles klar, sauber und ordentlich zu haben. Die Feste zu feiern, wie sie fallen oder sparsam und effizient zu leben, Kinder in die Welt zu setzen, oder dies bloß nicht zu tun und so weiter. Dass dies sehr unterschiedlich und konträr ausfällt, davon sollte man sich nicht irritieren lassen, denn was evolutionär als Nutzen durchgeht, ist nicht weniger bunt: Scharfe Kralle, schnelle Beine, maximal viele Eier ablegen, gezielte Einzelbrutpflege, buntes Gefieder, beste Tarnung, Monogamie und Polygamie und so weiter.
Dennoch würden sich viele dazu hinreißen lassen zu behaupten, dass es so etwas wie Sinn doch gar nicht gibt, dies sei eine Erfindung oder Zuschreibung von Menschen.
Nutzen hingegen, da würden sie ganz objektive Kriterien finden, auch wenn das, was heute nützlich ist, schon morgen nutzlos bis gefährlich sein kann.
Man kann die Frage ob 33cm lange leuchtend gelbe Federn nützlicher sind als 22 cm lange graue Federn so nicht beantworten. Kommt drauf an, auf die Gesamtsituation. Oder würdest Du die Frage eindeutig beantworten können?
Einige Biologen versuchen das gerne aufzulösen, indem sie sagen, dass es den Sinn zwar irgendwie nicht gibt, aber die Sinnzuschreibung einen biologischen Nutzen haben muss. Und in der Tat, wer seinem Leben eine Sinn zuschreiben kann, der ist in vielerlei Hinsicht besser dran. Gefühle der Sinnlosigkeit werden nicht zu unrecht in die Nähe von Depressionen gerückt, recht virtuos und erwachsen bekommen das meist nur reife Existentialisten hin, dem Leben eine generelle Sinnlosigkeit zu unterstellen und jeden Tag mit einem entschiedenen „Dennoch“ anzugehen. Alle anderen suchen nach dem Sinn, bevorzugt junge Männer in ihren 20ern ringen lange damit. Viktor Frankl schreibt der Sinnfindung eine zentrale Rolle zu.
Aber ist das überhaupt noch ein biologisches Unternehmen, die Sinnsuche? Kann ja sein, dass jemand seinen Lebenssinn gefunden hat, erfüllt und zufrieden lebt, aber keine Nachkommen in die Welt setzt. Sein glückliches Leben wäre sinnerfüllt, aber biologisch nutzlos. Der eingesperrte Zuchtbulle, der mehrfach angezapft wird und so 1000e Nachkommen zeugt könnte sehr unglücklich sein, aber eine biologisch sehr nützliches Leben führen. Das Leben eines Sektenführers, der die Frauen seiner Sekte schwängert wäre weiteaus nützlicher, als Dein Leben, das dem Kampf gegen Sektenführer gewidmet ist und Dir offenbar sinnvoll erscheint, aber hast Du schon 40 Kinder in die Welt gesetzt?
Du suchst Deine Nische ja eher auf der memetischen Ebene.
Der These, dass alles was zählt die Produktion von Nachkommen ist, würdest du vermutlich gar nicht zustimmen. Ansonsten möchte ich von Dir erklärt haben, warum das Leben eines Sektenführers, Serienvergewaltigers oder Samenspenders nützlicher ist, als das anderer Menschen, die Tiere schützen, alten Menschen helfen oder einfach im Schaukelstuhl sitzen und Bücher lesen, ohne Kinder zu zeugen. Denn biologisch gesehen wäre der Soldat der bei Massenvergewaltigungen mitmacht eine nützliche Existenz, der Hausarzt der sich 40 Jahre für seine Patienten aufopfert und dabei kein Kind zeugt wäre eine nutzlose Existenz.
Und wenn die Sinnfindung so wichtig ist, ist sie dann ein biologischer Faktor? Denn der depressive Zustand sein Leben sinnlos zu finden und der heldenhafte Versuch irgendwie die zähe, graue nächste Viertelstunde zu überleben ist schwer mit dem Konzept der biologischen Fitness in Einklang zu bringen, aber Vitalitäts- und Libidoverlust sind für depressive Sinnloszustände definierend.
Lumen hat geschrieben:2) Das wurde oben bereits beantwortet. Die Mutation ist zufallig, die Selektion hingegen ist es nicht. Nein, es gibt keine objektiven Verbesserungen.
Das ist doch immerhin eine klare Aussage, danke dafür.
Ich weiß es nicht, aber ich glaube, die meisten würden Dir nicht zustimmen. Kommt eben drauf an, wie eng oder weit man den Begriff der Evolution fasst.
Wenn man es ernst nimmt, dass alles nur Veränderung ist, die Evolution keinerlei Richtung hat und im Grunde alles nur Ausdifferenzierungen sind und es insofern egal ist, was man so macht und besser/schlechter nur willkürliche, menschengemachte Kriterien sind, die evolutionsbiologisch völlig bedeutungslos sind, wieso dann Dein Einsatz für den Antitheismus?
Biologisch kannst Du das doch gar nicht rechtfertigen. Das wäre dann eher ein gesellschaftspolitischer Kampf, in dem Du dann aber ganz anders argumentieren müsstest.
Der Evolution wäre es nämlich auch egal, ob die meisten Menschen an Gott glauben würden oder sogar religiöse Fundamentalisten wären, es schert sie nicht, sie verändert sich einfach weiter. Und selbst wenn religiöse Extremisten an Atomwaffen kommen und die schöne Erde in Schutt und Asche legen würden... es wäre doch der Evolution egal. Die Natur überlebt immer, die Evolution wird geeignete Bedingungen vorausgesetzt immer weiter gehen und bis die Sonne ein roter Riese wird, braucht man sich diesbezüglich keine größere Sorgen zu machen.
Nichts gegen gesellschaftliches Engagement, aber bei dem kannst Du nicht evolutionsbiologisch und nicht einmal szientistisch argumentieren, denn auch die Wissenschaft ist idealtypischerweise wertfrei,
kann uns demnach gar nicht sagen, wie wir leben sollen.
Dass Du sehr große Lust daran hast es dennoch zu erklären, ist also weder evolutionsbiologisch noch wissenschaftlich zu begründen.
Denn dort spielen andere, normative Fragen eine Rolle, jene nach Ziel und Sinn, die Du zwar eifrig bedienst, aber im szientistischen Selbstwiderspruch gefangen gleichzeitig entwerten möchtest. Dabei könnte man das spielend unter einen Hut kriegen, wenn Du die Ebenen trennst, statt dauernd zu vermischen. Du könntest sagen, dass 1) Evolution für Dich biologische Evolution ist, die Kultur und Technik ausschließt, für Letztere könnte man den Begriff Entwicklung definitorisch festlegen. Das Recht hättest Du, müsstest aber die sich auf der Festlegung sich logisch ergeben Fragen beantworten. 2) Du kannst auch der Meinung sein, dass die Wissenschaft das ist, was uns erkenntismäßig am weitesten nach vorne bringt und wenn Wissenschaft sich für Dich vor allem dadurch auszeichnet deskriptiv und objektiv zu sein, geht aus dieser Festlegung hervor, dass man aus ihr keine Normen ableiten kann. Auch das zu behaupten und zu dem Implikationen Stellung zu bezihen wäre gleichermaßen Dein Recht wie Deine Pflicht. 3) kannst Du dennoch auf einer gesellschaftspolitischen Ebene Antitheist sein, aber auf diesen Ebenen sind dann genau jene Fragen relevant, die in Deiner Version von Wissenschaft irrelevant sind: Wie wollen oder sollen wir leben? Was ist gut und richtig, was sollte verstärkt, was eingedämmt werden?
Im Rahmen einer solchen Frage, ist es nicht nur legitim, sondern längst und überall gängige Praxis, auf externen Sachverstand, je nach dem worum es geht, zurückzugreifen. Je umfassender das ist, womit man sich beschäftigt, umso mehr gegensätzliche Interessen hat man abzuwägen. Da ist das dann, als Politiker, gar nicht so leicht, wenn man Projekte wie die Energiewende und die Frage wie man energieintensive Betriebe, die vielleicht 10.000 unmittel- und mittelbare Arbeitsplätze in einer Region sichern, unter einen Hut bringen will, möglichst ohne auf halbem Wege wieder abgewählt zu werden.
Aber so kompliziert das sein mag, die Keimzelle all dieser Überlegungen ist die kleinste gemeinsame Einheit der vernünftigen Übereinkunft, die Evidenz. Eine normative Setzung aus sich selbst heraus, die behauptet, jedes vernunftbegabte Wesen müsse diesen Punkt unmittelbar einsehen, dahinter gäbe es kein zurück. Damit aber auch eine Wertung, denn wer das nicht einsieht, was evident ist, dem wird abgesprochen vernunftbegabt zu sein.
Doch auch der Begriffe dessen, was evident ist, zerfällt und die philosophischen Ableitung ist eine etwas andere als die naturwissenschaftliche. Der naturwissenschaftlichen von vorn herein den Vorrang zu geben hieße Szientist zu sein. Evidenzen auf Fakten zu reduzieren, ist ein beliebter Sport, aber die beste Kritik kommt aus dem Lager der Naturalisten, von Sellars. Für eine weitere knappe Kritik an zu simplizistischen Versionen von Evidenz siehe hier:
https://de.wikipedia.org/wiki/Evidenz#KritikWie in der Politik praktisch, wird es hier schon mal theoretisch kompliziert und da wirkt es befreiend, wenn man irgendwann sagt: Ach was, alles ganz einfach und aus dem bunten Strauß möglicher Betrachtungen sein Lieblingsblume herauszieht und sagt, diese sei die allerschönster Blume und das hätten alle anderen jetzt auch zu meinen.
Lumen hat geschrieben:Sie sind immer von Anforderungen abhängig, die niemand in Gänze erfassen kann. Hier geht es um statistische Größen. Von all den Fröschen, die alle irgendwie mehr oder weniger gleich aussehen, haben trotzdem ein paar mehr erfolgreiche Nachkommen und manche weniger.
Was alles kein Problem ist, wenn man neutral darauf hinweist, dass in der Biologie evolutionärer Erfolgt bedeutet Nachkommen in die Welt zu setzen, die alt genug werden um ihrerseits Nachkommen in die Welt zu setzen. Das ist vollkommen okay, im Rahmen evolutionsbiologischer Forschung. Es wird zum Biologismus, wenn die evolutionsbiologischen Mechanismen mal eben ohne zu fragen, in welchem Umfang das bei welcher Fragestellung legitim ist, auf Bereich des Sozialen übertragen werden. Dagegen richtet sich meine Kritik, nicht wie Du fälschlicherweise annimmst, gegen die Evolutionstheorie.
Lumen hat geschrieben:Andere Fälle sind relativ einfach: das gängige Beispiel vom
Birkenspanner (ein Schmetterling) etwa, der in einer weiß-gefleckten bis schwarzen Variante vorkommt. Die weißen dominierten zuvor. Als zur Zeit der Industriellen Revolution die Birkenstämme vom Ruß schwarz waren, hatten die schwarzen gegenüber den weißen einen Überlebensvorteil und wurden häufiger, siehe auch
Industriemelanismus
Ja, wie jeder Mensch in unserem Alter, habe auch ich mich im Biologieunterricht am Birkenspanner erfreut und kenne das Beispiel.
Lumen hat geschrieben:3) die Fragestellung hat rein garnichts mit Evolution zu tun.
Du ziehst da eine Grenze, die andere, z.B. Darth nicht ziehen. Darths Argument geht ungefähr so:
Jedes Lebewesen strebt egoistisch nach seinem Vorteil (dem maximalen Nutzen für das Einzelindividuum, das nur dann kooperiert, wenn der individuelle Ertrag am Ende größer ist, als die Investition), das Rindvieh hat dem Menschen außer lecker Fleisch nichts zu bieten, also wird es gefressen. Würden Rinden Fleisch fressen und wären sie geschickter als wir, würden das Spiel andersrum laufen, aber es ist nun mal nicht anders herum gelaufen, fertig. Das moralisch zu beurteilen ist nicht im Sinne der Evolution. Alles eine Ableitung des grundlegenden Egoismus und im Interpretationsrahmen des Konzeptes der selfish genes, denn auch Dawkins ist nicht der Meinung, dass man menschliches Verhalten nicht durch Biologie erklären kann, er meint, dies ginge sogar ganz ausgezeichnet, inklusive moralischer Einstellungen.
Man würde vom Rindverzehr ablassen wenn die Anerkennung des Nichtrinderessens größer wäre, als der Nutzen des billig zu habenden, schmackhaften Fleisches. Da dies bei uns nicht der Fall ist, ist die Sache klar.