Evolution ist stetige Verbesserung

Re: Evolution ist stetige Verbesserung

Beitragvon Lumen » Do 27. Mär 2014, 21:11

Ich glaube jeder weiß was mit "Schimmel" gemeint ist. Das ist einmal das Zeug, dass in feuchten Kelleräumen gedeiht und einmal ein weißes Pferd. Nur würde niemand behaupten, weiße Pferde gedeihten in feuchten Kellerräumen. So ist es auch bei Evolution. Die Evolution ist für Biologen die Entstehung der Arten durch natürliche Auslese, oder im fachchinesisch die Veränderung der Alellefrequenzen im Genpool. Damit ist weder Kultur, noch Technologie, noch Wissen, noch Verbesserung von Werkzeugen, noch irgendetwas anderes gemeint. Und wenn doch, dann nur weil die Idee von Evolution im übertragenen SInne gebraucht wurde. So wie auch der weiß-fleckige Flaum des Fells offenbar Namensgeber war, ohne das auf dem Pferd wirklich Schimmel wächst.

Anschließend ist Vollbreit's Fragestellung offenbar die altbekannte "Nature vs Nurture" Debatte. Hier gehen Wissenschaftler heute davon aus, dass es ein kompliziertes Geflecht ist, dass sich gegenseitig bedingt. Beispielsweise können Substanzen, die aus kulturellen Gründen genommen werden, epigenetische Effekte auslösen, und umgekehrt haben genetische Faktoren einen EInfluss auf die Kultur. Ein plakatives Beispiel wäre z.B. die Milch und Käse (Kultur), die die Fähigkeit vorraussetzt, Milchzucker verdauen zu können. Ohne Milchtrinker und Käsesser, keine entsprechende Kultur. Man geht davon aus, dass diese Mutation recht jung ist. In der Mittelsteinzeit war die Fähigkeit noch selten, und erst danach wurde sie dank evolutionärer Prozesse häufiger (wer in nördlichen Breiten Milch verdauen konnte hatte offenbar mehr Nachkommen). Deswegen sind Nordeuropäer meistens Laktosetolerant, während Laktoseintoleranz in der Südhalbkugel und in Asien recht häufig ist.

Ein Beispiel für Nature vs Nature wurde in der Hungersnot in den Niederlanden zur Zeit des zweiten Weltkrieg dokumentiert und ist ein Paradebeispiel der Epigenetik. Epigenetik ist nicht Evolution, aber der Mechanismus ist natürlich eng mit der Genetik verknüpft. Hier mal ein Artiel auf Deutsch dazu:

Epigenetik – Der Code hinter dem Code hat geschrieben:http://www.daserste.de/information/wissen-kultur/w-wie-wissen/sendung/2009/epigenetik-der-code-hinter-dem-code-100.html

In den Unterlagen aus dem Winter 1944 fiand sie die entscheidenden Hinweise. Damals herrschte Krieg, und in den Niederlanden wurde gehungert. [...] Fast 20.000 Menschen überlebten den letzten Kriegswinter nicht. Frauen, die während dieser Zeit schwanger waren, brachten untergewichtige Kinder zur Welt. Das kennt man auch aus anderen Krisengebieten. Das Überraschende jedoch: Die Folgen sind bis heute zu spüren. [...] Das erstaunlichste Ergebnis jedoch: Die Frauen, die damals mit geringem Geburtsgewicht zur Welt kamen, brachten später selbst besonders kleine Kinder zur Welt – obwohl es natürlich längst wieder genug zu essen gab. Und auch diese Kinder, also die Enkel der Kriegsgeneration, litten noch unter einem höheren Krankheitsrisiko. [...] Fest steht jedoch, dass die Hungersnot keine Auswirkungen auf den Buchstabencode der DNA hatte. "Die Hungersnot hat vermutlich bei einigen Genen den Schalter umgelegt", sagt Tessa Roseboom. Extreme Ereignisse seien in der Lage, wichtige Gene an- oder auszuschalten. Die Gene sind nur der Text im Buch des Lebens. Entscheidend ist jedoch, was damit gemacht wird. Kleine Schalter – sogenannte Methylgruppen –können sich an die DNA heften und so einzelne Gene an- oder ausschalten. Ein sensibler Schaltplan, der offenbar durch äußere Faktoren wie eine Hungernsnot beeinflusst wird. [...] Die Forscher entdecken gerade ein ganz neues Feld – die Epigenetik. Noch steht die Forschung ganz am Anfang, doch sie hat enorme Konsequenzen: Denn ob wir schlemmen oder hungern, rauchen oder trinken – all das hat nicht nur Folgen für unsere eigene Gesundheit. Es beeinflusst auch die Gene unserer Kinder und Kindeskinder.
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Re: Evolution ist stetige Verbesserung

Beitragvon Lumen » Do 27. Mär 2014, 21:38

Vollbreit hat geschrieben:Aber und das ist mein Kritikpunkt: Warum sollte die evolutionsbiologische Bedeutung von Nutzen vorrangig sein?
Wenn der Kontext klar erkennbar der ist, dass es um Evolutionsbiologie gehen soll, z.B. wie hat sein ein Organsystem entwickelt, welche Strategien bei der Fortpflanzung gibt es, dann braucht man nicht lange zu überlegen. Stellt man aber eine andere Frage, z.B. warum Menschen kooperatives Verhalten zeigen, dann ist keineswegs klar, dass die Evolutionsbiologie, etwa in Form der Soziobiologie, eine Vorrangstellung genießt, obwohl sie in einigen Bereichen eine beachtenswerte, in anderen eine vernachlässigbare Rolle spielt. Hier geht es um eine von Fall zu Fall Abwägung und nicht jeder der meint, dass er dominant zuständig sei, ist es auch.


Was soll das bedeuten: eine Vorrangstellung? Wenn du dich an bestimmten Ideologien abarbeiten willst, musst du das mit den Leuten machen, die das vertreten. Ich kann nicht erahnen, was diese Leute meinen und noch weniger wissen, ob du deren Sichtweise verstanden hast.

Vollbreit hat geschrieben:Und das sieht man auch ganz empirisch, weil man nicht sagen kann, dass im Zweifel immer das Männchen mit den dickeren Armen gewinnt, manchmal gewinnt das mit den dickeren Brieftasche und meistens sind es ungleich mehr Faktoren, teils biologisch, teils sozial, teils psychologisch. Soweit dieser Punkt, den ich weiter ausführen könnte, aber ich lasse es mal dabei, weil ich erst mal Deine Antwort abwarten möchte.


Anekdoten und Einzelfälle sind unwichtig für z.B. sexuelle Selektion. Auch hier geht es um Tendenzen. Gesundheit und Fruchtbarkeit gilt als attraktiv. Eine Frau neigt zu anderen Männertypen zu unterschiedlichen Zeiten ihres Zyklus und so weiter und so fort. Das diese Dinge auch kulturell formbar sind, bestreitet wohl keiner und wenn doch -> die Leute selbst ansprechen.

Vollbreit hat geschrieben:Doch darum soll es in diesen Threads gar nicht gehen.
Hier geht es wirklich darum zu untersuchen, was Evolution denn nun eigentlich ist. Beschränkt sich Evolution einzig und allein auch die biologische Evolution und wo wird dies Grenze dann gezogen und warum da.


Ich verstehe nicht, was du mit Evolution hier willst. Solange keine Selektion bestimmter Individuen anhand vererbbarer Merkmale stattfindet, hat Evolution da nichts verloren. Eine dickere Brieftasche ist nicht genetisch vererbbar, auch nicht Rockstar sein. Es ist völlig egal ob Rockstars mit ihren vielen Groupies mehr Kinder zeugen, weil sich ihr Rockstar-Dasein nicht in der DNA widerfindet und somit auch nicht in den Nachkommen. Bestenfalls vielleicht Musikalität.

Vollbreit hat geschrieben:Hier gibt es nicht nur im Forum, sondern allgemein nicht ganz so viel Einigkeit.
Darth sagt, grob, Kultur ist die Fortsetzung der Natur mit anderen Mitteln.
Andere sagen, Kultur sei prinzipiell anders und überformt die dortigen biologischen Aspekte.
(Im Grunde ist das aber auch ein Spiegel von oben: Wer ist wofür zuständig, und warum?)


Ich habe meine Schwierigkeiten mit der Verwechselung von Sachverhalten, Worten und Beschreibungen. Man kann denselben Sachverhalt auf viele Weise beschreiben und interpretieren. Ich glaube die gängige Ansicht ist die, dass Kultur und menschliche Entwicklung sich gegenseitig bedingten, wichtiges Element zum Beispiel die Jagd und das Zusammenleben als Gruppe. Auch die Entwicklung der Intelligenz hängt eng damit zusammen. Dir würde ich dazu Steven Pinkers exzellentes "How the Mind Works" (dt. Wie das Denken im Kopf entsteht) empfehlen, was unter anderem diese Entwicklung nachzeichnet. Auch ein Pflichtbuch für Xander.

Vollbreit (Nummerierung von mir) hat geschrieben:
  1. Ist Evolution nun einfach Veränderung, ohne Sinn und Ziel?
  2. Oder hat Evolution eine Richtung, kann man objektiv von Verbesserungen sprechen und sind das wirklich welche?
  3. Wir halten heute Nutztiere sicher effektiver als vor 200 Jahren, aber ist eine Zunahme von Effektivität automatisch besser?

Aber was ist überhaupt besser und wo fallen besser und nützlicher zusammen, wo evtl. nicht mehr?


1)Sinn und Ziel werden von Menschen gesetzt. Du verwirrst dich damit nur selber. Gravitation hat auch kein Sinn und Ziel oder gar Zweck. Das sind Dinge, die sind.

2) Das wurde oben bereits beantwortet. Die Mutation ist zufallig, die Selektion hingegen ist es nicht. Nein, es gibt keine objektiven Verbesserungen. Sie sind immer von Anforderungen abhängig, die niemand in Gänze erfassen kann. Hier geht es um statistische Größen. Von all den Fröschen, die alle irgendwie mehr oder weniger gleich aussehen, haben trotzdem ein paar mehr erfolgreiche Nachkommen und manche weniger. Andere Fälle sind relativ einfach: das gängige Beispiel vom Birkenspanner (ein Schmetterling) etwa, der in einer weiß-gefleckten bis schwarzen Variante vorkommt. Die weißen dominierten zuvor. Als zur Zeit der Industriellen Revolution die Birkenstämme vom Ruß schwarz waren, hatten die schwarzen gegenüber den weißen einen Überlebensvorteil und wurden häufiger, siehe auch Industriemelanismus

3) die Fragestellung hat rein garnichts mit Evolution zu tun.
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Re: Evolution ist stetige Verbesserung

Beitragvon Vollbreit » Fr 28. Mär 2014, 10:28

Lumen hat geschrieben:Die Evolution ist für Biologen die Entstehung der Arten durch natürliche Auslese, oder im fachchinesisch die Veränderung der Alellefrequenzen im Genpool. Damit ist weder Kultur, noch Technologie, noch Wissen, noch Verbesserung von Werkzeugen, noch irgendetwas anderes gemeint. Und wenn doch, dann nur weil die Idee von Evolution im übertragenen SInne gebraucht wurde.

Okay. Damit hättest Du die Fragen danach, was Evolution ist klar auf die biologische Evolution, abzüglich Kultur und Technik, begrenzt und damit auch den Zuständigkeitsbereich der Evolutionsbiologie. Ich bin mit der Definition einverstanden, nur sehen das weder Darth noch Dawkins so wie Du.

Lumen hat geschrieben:Anschließend ist Vollbreit's Fragestellung offenbar die altbekannte "Nature vs Nurture" Debatte. Hier gehen Wissenschaftler heute davon aus, dass es ein kompliziertes Geflecht ist, dass sich gegenseitig bedingt.
Ich auch, wie ich mehrfach schrieb, zuletzt im Beitrag gestern. Dieses komplizierte Geflecht , was Du nun selbst anführst, kommentierst Du dann gerne als Vernebelungstaktik, wollt ich nur mal erwähnen, Du hast von dem komplizierten Geflecht aber sicher sehr präzise Vorstellungen.
Da wird hier aber einer Meinung sind, wäre Dein Ansprechpartner also nun z.B. Darth, der alles als auf Triebe reduzierbar ansieht, eine Auffassung die ich nicht teile.


Lumen hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Aber und das ist mein Kritikpunkt: Warum sollte die evolutionsbiologische Bedeutung von Nutzen vorrangig sein?
Wenn der Kontext klar erkennbar der ist, dass es um Evolutionsbiologie gehen soll, z.B. wie hat sein ein Organsystem entwickelt, welche Strategien bei der Fortpflanzung gibt es, dann braucht man nicht lange zu überlegen. Stellt man aber eine andere Frage, z.B. warum Menschen kooperatives Verhalten zeigen, dann ist keineswegs klar, dass die Evolutionsbiologie, etwa in Form der Soziobiologie, eine Vorrangstellung genießt, obwohl sie in einigen Bereichen eine beachtenswerte, in anderen eine vernachlässigbare Rolle spielt. Hier geht es um eine von Fall zu Fall Abwägung und nicht jeder der meint, dass er dominant zuständig sei, ist es auch.

Was soll das bedeuten: eine Vorrangstellung?
Das geht aus dem Text eigentlich hervor.
Du hattest oben geschrieben, mit Evolution sei einzig und allein die biologischen Evolution gemeint, nicht Kultur, nicht Technik.
Geht es nun um die Frage, warum Menschen bspw. kooperatives Verhalten zeigen, so könnte man aus Sicht der Evolutionsbiologen, Abteilung Soziobiologie sagen, dies sei nun ihr Zuständigkeitsbereich, da der Mensch ein biologisches Wesen sei, Gene habe, die „egoistisch“ seien und a) demzufolge egoistisches Verhalten präsidponierten und b) auf diesem Egoismus beruhend vier Arten von kooperativem Verhalten aufwiesen.
Das ist interessant und für einen Diskurs über kooperatives Verhalten des Menschen geeignet.

Demgegenüber gibt es weitere Theorien darüber warum der Mensch sich kooperativ verhält, aus verschiedenen Disziplinen, die mitunter andere Motive angeben, als die evolutionsbiologischen. Man könnte Kohlbergs moralischen Stufen nehmen, einfach aus Gewohnheit, weil ich die bereits öfter erwähnte.
Wie auch immer man im Einzelfall zu den Theorien steht, Deine Frage war die, was Vorrangstellung bedeuten soll: Sie bedeutet von vorn herein und ohne dies zu belegen davon auszugehen, dass eine der Theorien gilt und die andere nicht oder eine prinzipiell höherwertig ist, als die andere.
Im begründeten Einzelfall ist das durchaus mal so, aber dass und warum es sich im Einzelfall so und nicht anders verhält, muss erwiesen werden.
Eine prinzipielle Vorrangstellung in diesem Sinn kommt der Evolutionsbiologie m.E. nicht zu.

Lumen hat geschrieben:Auch hier geht es um Tendenzen. Gesundheit und Fruchtbarkeit gilt als attraktiv. Eine Frau neigt zu anderen Männertypen zu unterschiedlichen Zeiten ihres Zyklus und so weiter und so fort. Das diese Dinge auch kulturell formbar sind, bestreitet wohl keiner und wenn doch -> die Leute selbst ansprechen.
Damit wären wir an diesem Punkt einig, tatsächlich sind die kulturellen Faktoren bei der Partnerwahl nämlich dominierend.
Was ich hier kritisiere ist die Behauptung, eine Sinfonie zu schreiben sei im Grunde auch nichts anderes, als sich auf die Brust zu schlagen, beides Imponiergehabe um die Weibchen zu beeindrucken. Ich kritisiere das auch an den entsprechenden Stellen, wie Du weißt.

Lumen hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Doch darum soll es in diesen Threads gar nicht gehen.
Hier geht es wirklich darum zu untersuchen, was Evolution denn nun eigentlich ist. Beschränkt sich Evolution einzig und allein auch die biologische Evolution und wo wird dies Grenze dann gezogen und warum da.

Ich verstehe nicht, was du mit Evolution hier willst. Solange keine Selektion bestimmter Individuen anhand vererbbarer Merkmale stattfindet, hat Evolution da nichts verloren. Eine dickere Brieftasche ist nicht genetisch vererbbar, auch nicht Rockstar sein.
Du engst die Evolution hier ein, was man machen kann, aber nicht muss.
Dawkins bspw. tut das nicht, er geht davon aus, dass Evolution durchaus auch in den kulturellen Bereich hineinragt, wenn die Meme vererben, was auch auf kulturellem Weg geht.
Auch der Begriff Leben wird ja von Dawkins breiter verstanden, wir können gerne darüber reden, denn Du bist hier so merkwürdig zurückhaltend mit dem Begriff der Evolution.

Lumen hat geschrieben:Es ist völlig egal ob Rockstars mit ihren vielen Groupies mehr Kinder zeugen, weil sich ihr Rockstar-Dasein nicht in der DNA widerfindet und somit auch nicht in den Nachkommen. Bestenfalls vielleicht Musikalität.
Was willst Du denn damit sagen? Für oder gegen was soll das ein Argument sein?


Lumen hat geschrieben:Man kann denselben Sachverhalt auf viele Weise beschreiben und interpretieren.
Ja.

Lumen hat geschrieben:Ich glaube die gängige Ansicht ist die, dass Kultur und menschliche Entwicklung sich gegenseitig bedingten, wichtiges Element zum Beispiel die Jagd und das Zusammenleben als Gruppe. Auch die Entwicklung der Intelligenz hängt eng damit zusammen. Dir würde ich dazu Steven Pinkers exzellentes "How the Mind Works" (dt. Wie das Denken im Kopf entsteht) empfehlen, was unter anderem diese Entwicklung nachzeichnet.
Danke für den Tipp, ich muss allerdings von dem, was ich selbst annehme nicht mehr überzeugt werden.

Lumen hat geschrieben:
Vollbreit (Nummerierung von mir) hat geschrieben:
  1. Ist Evolution nun einfach Veränderung, ohne Sinn und Ziel?
  2. Oder hat Evolution eine Richtung, kann man objektiv von Verbesserungen sprechen und sind das wirklich welche?
  3. Wir halten heute Nutztiere sicher effektiver als vor 200 Jahren, aber ist eine Zunahme von Effektivität automatisch besser?

Aber was ist überhaupt besser und wo fallen besser und nützlicher zusammen, wo evtl. nicht mehr?


1)Sinn und Ziel werden von Menschen gesetzt. Du verwirrst dich damit nur selber. Gravitation hat auch kein Sinn und Ziel oder gar Zweck. Das sind Dinge, die sind.

Warum verwirre ich mich damit selbst? Ich gehe, wie Du offenbar auch, davon aus, dass Sinn und Ziel von Menschen gesetzt werden.
Die Frage ist: War das schon alles?
Du scheinst die Ideen der Leute die Du so eifrig meinst gegen mich in Schutz nehmen zu müssen, allerdings nicht sonderlich gut zu kennen.
Dennett ist es, der zwischen physikalischen und intentionalen Systemen unterscheidet. Keine Ahnung wie Du „intentional“ übersetzt, aber dem was „absichtsvoll“ ist, kann man sicher auch eine Zielgerichtetheit unterstellen, Dennett tut es zumindest. Auch Tiere haben Ziele, wie Beute oder Fortpflanzung.
Menschen sind sich im Allgemeinen bewusster über ihre Ziele als Tiere und ihrem Leben einen Sinn zuzuschreiben, tun vermutlich ausschließlich Menschen. (Allgemein wären aber vernunftbegabte Wesen wie höhere Säugetiere, potentielle Aliens oder Roboter kommender Generationen dazu in der Lage, bleiben wir, wie Du vorschlägst, beim Menschen, dem Du diesen Sonderstatus zuschreibst.)

Nun kann Sache mit dem Sinn sehr unterschiedlich ausfallen. Menschen können es als Sinn ihres Lebens empfinden, als Eremit Gott zu suchen oder Mathematik zu betreiben, eine dickes Auto zu fahren oder Extremkletterer zu werden, 1000e Musikstücke zu komponieren oder alles klar, sauber und ordentlich zu haben. Die Feste zu feiern, wie sie fallen oder sparsam und effizient zu leben, Kinder in die Welt zu setzen, oder dies bloß nicht zu tun und so weiter. Dass dies sehr unterschiedlich und konträr ausfällt, davon sollte man sich nicht irritieren lassen, denn was evolutionär als Nutzen durchgeht, ist nicht weniger bunt: Scharfe Kralle, schnelle Beine, maximal viele Eier ablegen, gezielte Einzelbrutpflege, buntes Gefieder, beste Tarnung, Monogamie und Polygamie und so weiter.
Dennoch würden sich viele dazu hinreißen lassen zu behaupten, dass es so etwas wie Sinn doch gar nicht gibt, dies sei eine Erfindung oder Zuschreibung von Menschen.
Nutzen hingegen, da würden sie ganz objektive Kriterien finden, auch wenn das, was heute nützlich ist, schon morgen nutzlos bis gefährlich sein kann.
Man kann die Frage ob 33cm lange leuchtend gelbe Federn nützlicher sind als 22 cm lange graue Federn so nicht beantworten. Kommt drauf an, auf die Gesamtsituation. Oder würdest Du die Frage eindeutig beantworten können?

Einige Biologen versuchen das gerne aufzulösen, indem sie sagen, dass es den Sinn zwar irgendwie nicht gibt, aber die Sinnzuschreibung einen biologischen Nutzen haben muss. Und in der Tat, wer seinem Leben eine Sinn zuschreiben kann, der ist in vielerlei Hinsicht besser dran. Gefühle der Sinnlosigkeit werden nicht zu unrecht in die Nähe von Depressionen gerückt, recht virtuos und erwachsen bekommen das meist nur reife Existentialisten hin, dem Leben eine generelle Sinnlosigkeit zu unterstellen und jeden Tag mit einem entschiedenen „Dennoch“ anzugehen. Alle anderen suchen nach dem Sinn, bevorzugt junge Männer in ihren 20ern ringen lange damit. Viktor Frankl schreibt der Sinnfindung eine zentrale Rolle zu.
Aber ist das überhaupt noch ein biologisches Unternehmen, die Sinnsuche? Kann ja sein, dass jemand seinen Lebenssinn gefunden hat, erfüllt und zufrieden lebt, aber keine Nachkommen in die Welt setzt. Sein glückliches Leben wäre sinnerfüllt, aber biologisch nutzlos. Der eingesperrte Zuchtbulle, der mehrfach angezapft wird und so 1000e Nachkommen zeugt könnte sehr unglücklich sein, aber eine biologisch sehr nützliches Leben führen. Das Leben eines Sektenführers, der die Frauen seiner Sekte schwängert wäre weiteaus nützlicher, als Dein Leben, das dem Kampf gegen Sektenführer gewidmet ist und Dir offenbar sinnvoll erscheint, aber hast Du schon 40 Kinder in die Welt gesetzt?
Du suchst Deine Nische ja eher auf der memetischen Ebene.

Der These, dass alles was zählt die Produktion von Nachkommen ist, würdest du vermutlich gar nicht zustimmen. Ansonsten möchte ich von Dir erklärt haben, warum das Leben eines Sektenführers, Serienvergewaltigers oder Samenspenders nützlicher ist, als das anderer Menschen, die Tiere schützen, alten Menschen helfen oder einfach im Schaukelstuhl sitzen und Bücher lesen, ohne Kinder zu zeugen. Denn biologisch gesehen wäre der Soldat der bei Massenvergewaltigungen mitmacht eine nützliche Existenz, der Hausarzt der sich 40 Jahre für seine Patienten aufopfert und dabei kein Kind zeugt wäre eine nutzlose Existenz.

Und wenn die Sinnfindung so wichtig ist, ist sie dann ein biologischer Faktor? Denn der depressive Zustand sein Leben sinnlos zu finden und der heldenhafte Versuch irgendwie die zähe, graue nächste Viertelstunde zu überleben ist schwer mit dem Konzept der biologischen Fitness in Einklang zu bringen, aber Vitalitäts- und Libidoverlust sind für depressive Sinnloszustände definierend.

Lumen hat geschrieben:2) Das wurde oben bereits beantwortet. Die Mutation ist zufallig, die Selektion hingegen ist es nicht. Nein, es gibt keine objektiven Verbesserungen.
Das ist doch immerhin eine klare Aussage, danke dafür.
Ich weiß es nicht, aber ich glaube, die meisten würden Dir nicht zustimmen. Kommt eben drauf an, wie eng oder weit man den Begriff der Evolution fasst.
Wenn man es ernst nimmt, dass alles nur Veränderung ist, die Evolution keinerlei Richtung hat und im Grunde alles nur Ausdifferenzierungen sind und es insofern egal ist, was man so macht und besser/schlechter nur willkürliche, menschengemachte Kriterien sind, die evolutionsbiologisch völlig bedeutungslos sind, wieso dann Dein Einsatz für den Antitheismus?
Biologisch kannst Du das doch gar nicht rechtfertigen. Das wäre dann eher ein gesellschaftspolitischer Kampf, in dem Du dann aber ganz anders argumentieren müsstest.
Der Evolution wäre es nämlich auch egal, ob die meisten Menschen an Gott glauben würden oder sogar religiöse Fundamentalisten wären, es schert sie nicht, sie verändert sich einfach weiter. Und selbst wenn religiöse Extremisten an Atomwaffen kommen und die schöne Erde in Schutt und Asche legen würden... es wäre doch der Evolution egal. Die Natur überlebt immer, die Evolution wird geeignete Bedingungen vorausgesetzt immer weiter gehen und bis die Sonne ein roter Riese wird, braucht man sich diesbezüglich keine größere Sorgen zu machen.

Nichts gegen gesellschaftliches Engagement, aber bei dem kannst Du nicht evolutionsbiologisch und nicht einmal szientistisch argumentieren, denn auch die Wissenschaft ist idealtypischerweise wertfrei, kann uns demnach gar nicht sagen, wie wir leben sollen.
Dass Du sehr große Lust daran hast es dennoch zu erklären, ist also weder evolutionsbiologisch noch wissenschaftlich zu begründen.
Denn dort spielen andere, normative Fragen eine Rolle, jene nach Ziel und Sinn, die Du zwar eifrig bedienst, aber im szientistischen Selbstwiderspruch gefangen gleichzeitig entwerten möchtest. Dabei könnte man das spielend unter einen Hut kriegen, wenn Du die Ebenen trennst, statt dauernd zu vermischen. Du könntest sagen, dass 1) Evolution für Dich biologische Evolution ist, die Kultur und Technik ausschließt, für Letztere könnte man den Begriff Entwicklung definitorisch festlegen. Das Recht hättest Du, müsstest aber die sich auf der Festlegung sich logisch ergeben Fragen beantworten. 2) Du kannst auch der Meinung sein, dass die Wissenschaft das ist, was uns erkenntismäßig am weitesten nach vorne bringt und wenn Wissenschaft sich für Dich vor allem dadurch auszeichnet deskriptiv und objektiv zu sein, geht aus dieser Festlegung hervor, dass man aus ihr keine Normen ableiten kann. Auch das zu behaupten und zu dem Implikationen Stellung zu bezihen wäre gleichermaßen Dein Recht wie Deine Pflicht. 3) kannst Du dennoch auf einer gesellschaftspolitischen Ebene Antitheist sein, aber auf diesen Ebenen sind dann genau jene Fragen relevant, die in Deiner Version von Wissenschaft irrelevant sind: Wie wollen oder sollen wir leben? Was ist gut und richtig, was sollte verstärkt, was eingedämmt werden?

Im Rahmen einer solchen Frage, ist es nicht nur legitim, sondern längst und überall gängige Praxis, auf externen Sachverstand, je nach dem worum es geht, zurückzugreifen. Je umfassender das ist, womit man sich beschäftigt, umso mehr gegensätzliche Interessen hat man abzuwägen. Da ist das dann, als Politiker, gar nicht so leicht, wenn man Projekte wie die Energiewende und die Frage wie man energieintensive Betriebe, die vielleicht 10.000 unmittel- und mittelbare Arbeitsplätze in einer Region sichern, unter einen Hut bringen will, möglichst ohne auf halbem Wege wieder abgewählt zu werden.
Aber so kompliziert das sein mag, die Keimzelle all dieser Überlegungen ist die kleinste gemeinsame Einheit der vernünftigen Übereinkunft, die Evidenz. Eine normative Setzung aus sich selbst heraus, die behauptet, jedes vernunftbegabte Wesen müsse diesen Punkt unmittelbar einsehen, dahinter gäbe es kein zurück. Damit aber auch eine Wertung, denn wer das nicht einsieht, was evident ist, dem wird abgesprochen vernunftbegabt zu sein.

Doch auch der Begriffe dessen, was evident ist, zerfällt und die philosophischen Ableitung ist eine etwas andere als die naturwissenschaftliche. Der naturwissenschaftlichen von vorn herein den Vorrang zu geben hieße Szientist zu sein. Evidenzen auf Fakten zu reduzieren, ist ein beliebter Sport, aber die beste Kritik kommt aus dem Lager der Naturalisten, von Sellars. Für eine weitere knappe Kritik an zu simplizistischen Versionen von Evidenz siehe hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Evidenz#Kritik

Wie in der Politik praktisch, wird es hier schon mal theoretisch kompliziert und da wirkt es befreiend, wenn man irgendwann sagt: Ach was, alles ganz einfach und aus dem bunten Strauß möglicher Betrachtungen sein Lieblingsblume herauszieht und sagt, diese sei die allerschönster Blume und das hätten alle anderen jetzt auch zu meinen.

Lumen hat geschrieben:Sie sind immer von Anforderungen abhängig, die niemand in Gänze erfassen kann. Hier geht es um statistische Größen. Von all den Fröschen, die alle irgendwie mehr oder weniger gleich aussehen, haben trotzdem ein paar mehr erfolgreiche Nachkommen und manche weniger.
Was alles kein Problem ist, wenn man neutral darauf hinweist, dass in der Biologie evolutionärer Erfolgt bedeutet Nachkommen in die Welt zu setzen, die alt genug werden um ihrerseits Nachkommen in die Welt zu setzen. Das ist vollkommen okay, im Rahmen evolutionsbiologischer Forschung. Es wird zum Biologismus, wenn die evolutionsbiologischen Mechanismen mal eben ohne zu fragen, in welchem Umfang das bei welcher Fragestellung legitim ist, auf Bereich des Sozialen übertragen werden. Dagegen richtet sich meine Kritik, nicht wie Du fälschlicherweise annimmst, gegen die Evolutionstheorie.

Lumen hat geschrieben:Andere Fälle sind relativ einfach: das gängige Beispiel vom Birkenspanner (ein Schmetterling) etwa, der in einer weiß-gefleckten bis schwarzen Variante vorkommt. Die weißen dominierten zuvor. Als zur Zeit der Industriellen Revolution die Birkenstämme vom Ruß schwarz waren, hatten die schwarzen gegenüber den weißen einen Überlebensvorteil und wurden häufiger, siehe auch Industriemelanismus

Ja, wie jeder Mensch in unserem Alter, habe auch ich mich im Biologieunterricht am Birkenspanner erfreut und kenne das Beispiel.

Lumen hat geschrieben:3) die Fragestellung hat rein garnichts mit Evolution zu tun.
Du ziehst da eine Grenze, die andere, z.B. Darth nicht ziehen. Darths Argument geht ungefähr so:
Jedes Lebewesen strebt egoistisch nach seinem Vorteil (dem maximalen Nutzen für das Einzelindividuum, das nur dann kooperiert, wenn der individuelle Ertrag am Ende größer ist, als die Investition), das Rindvieh hat dem Menschen außer lecker Fleisch nichts zu bieten, also wird es gefressen. Würden Rinden Fleisch fressen und wären sie geschickter als wir, würden das Spiel andersrum laufen, aber es ist nun mal nicht anders herum gelaufen, fertig. Das moralisch zu beurteilen ist nicht im Sinne der Evolution. Alles eine Ableitung des grundlegenden Egoismus und im Interpretationsrahmen des Konzeptes der selfish genes, denn auch Dawkins ist nicht der Meinung, dass man menschliches Verhalten nicht durch Biologie erklären kann, er meint, dies ginge sogar ganz ausgezeichnet, inklusive moralischer Einstellungen.
Man würde vom Rindverzehr ablassen wenn die Anerkennung des Nichtrinderessens größer wäre, als der Nutzen des billig zu habenden, schmackhaften Fleisches. Da dies bei uns nicht der Fall ist, ist die Sache klar.
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Re: Evolution ist stetige Verbesserung

Beitragvon Lumen » Fr 28. Mär 2014, 12:47

Ich fasse mal zusammen, denn das ist sonst unlesbar und würde auch dich bitten, mal etwas zu strukturieren. Deine Behauptungen sind folgende, ich hoffe, das ist richtig getroffen. Falls irgendeine Nuance fehlt, brauchst du dich nicht wundern, das geht hier Kreuz und Quer. Du behauptest:

  1. Es gäbe eine engere Definition von Evolution als Entstehung der Arten und eine unbestimmte weitergefasste.
  2. Dawkins und manch andere Leute (Foren-User Darth Nefarious) würden die weitergefasste bevorzugen und das sei im Widerspruch zu dem, was ich behaupte. Ich würde die Definition auf das Kerngebiet „einengen“, dem du aber zustimmst. Impliziert: „du (Lumen) stimmst denen doch zu, warum widersprichst du jetzt“.
  3. Du meinst auch, dass Nature vs. Nurture (Natur gegen Kultur) sei ein kompliziertes Geflecht, aber du wunderst dich, dass ich das schreibe, weil du meinst, ich würde dir das sonst als Vernebelungstaktik vorwerfen. Gleiche Implikation wie davor.
  4. Die unbestimmte, aber weitergefasste Sichtweise von Evolution beinhalte Kooperation und Altruismus. Diese Sichtweise ist nicht „besser“ oder „prinzipiell höherwertig“ als z.B. Kohlbergs moralische Stufen.
  5. Es folgt eine Diskussion des Konzeptes des „Nutzens“, wo du behauptest, Dennett und andere hätten da andere Ansichten als ich, wiederholendes Grundthema: „du (Lumen) stimmst denen doch zu, warum widerspreche du jetzt“. Es wird das Konzept der Intentionalität angeführt. Es wird impliziert dass Dawkins und Dennett et al bei Evolution in Kategorien wie Nutzen und Intentionen denken.
  6. Dann folgt noch Kritik am Szientismus und was Fakten sind.
  7. Zusätzlich gibt es noch sehr kryptische Passagen, z.B.
    Vollbreit hat geschrieben:Wenn man es ernst nimmt, dass alles nur Veränderung ist, die Evolution keinerlei Richtung hat und im Grunde alles nur Ausdifferenzierungen sind und es insofern egal ist, was man so macht und besser/schlechter nur willkürliche, menschengemachte Kriterien sind, die evolutionsbiologisch völlig bedeutungslos sind, wieso dann Dein Einsatz für den Antitheismus? Biologisch kannst Du das doch gar nicht rechtfertigen. Das wäre dann eher ein gesellschaftspolitischer Kampf, in dem Du dann aber ganz anders argumentieren müsstest.

Das ist ein klarer Fall wo Wolgang Paulis Spruch perfekt passt.

Wolfgang Pauli hat geschrieben:Das ist nicht nur nicht richtig, es ist nicht einmal falsch!


Leider stellst du immer falsch dar, was andere Leute meinen und kaum war das deutlicher als hier. Exemplarisch einmal Dawkins' Diskussion vom Purpose of Purpose, der absolut in seinen Kanon passt, deinen Angaben aber vollkommen widerspricht. Auch benutzt du auch Dennett's Intentionalitätsbegriff völlig falsch.

SEP hat geschrieben:http://plato.stanford.edu/entries/intentionality/#1
Why is intentionality so-called? For reasons soon to be explained, in its philosophical usage, the meaning of the word ‘intentionality’ should not be confused with the ordinary meaning of the word ‘intention.’



(am anfang geht es um Kreationismus, es geht los um genau 8:44. Oder hier klicken)

Ich hoffe dir ist klar, dass Dawkins und Dennett genau das Gegenteil sagen, als was du ihnen unterstellst. Damit löst sich auch der vermeindliche Widerspruch auf, den du bezüglich meiner Ansichten entdeckt haben willst.

Von da fällt deine ganze Argumentation in sich zusammen. Dawkins hat bekanntlich sowohl vom selfish Gene geschrieben, als auch vom Extended Phenotype, der ja scheinbar deine Befürchtungen bestätigt, dass Evolution auf alles andere ausgedehnt wird. Nur ist das falsch. Dawkins befasst sich mit der Evolution und führt bei Memen aus, dass das Prinzip , dass Informationseinheiten konkurrieren und selektiert werden, sich hypothetisch übertragen ließe. Genauer gesagt argumentiert er umgekehrt, dass das Prinzip von konkurrierende Informationseinheiten, die selektierbar sind, universaler ist. Das führt darauf hinaus, dass Lebensformen auf anderen Planeten (potentiell gibt es Milliarden davon, 1800 wurden entdeckt) nicht mit DNA oder Basenpaaren arbeiten müssen, oder dass man die Informationsbewahrung und Veränderung auch mit farbigen Bierflaschen nachstellen kann (wobei dann logischerweise der natürliche Mechanismus fehlt, daraus auch etwas zu bauen).

Weiterhin lässt sich Altruismus, oder bekanntlich die Kin Selection ("Verwandtenselektion") durch evolutionäre Mechanismen erklären, aber ist selbst nicht Evolution. Eine Minderheit der Biologen hingegen glaubt, dass E.O. Wilson's Idee von der Group Selection ("Gruppenselektion") sei besser. Kin-Selection erscheint auch mir weit plausibler. Deine Ausführung dazu sind zu ungenau. Offenkundig ist dein Kohlberg-Beispiel in diesem Kontext nicht zu gebrauchen, schließlich haben Vampirfledermäuse mit Sicherheit keine Ahnung von Kohlbergs moralischen Stufen, verhalten sich aber reziprok altruistisch.

Ich habe noch die leise Hoffnung, dass irgendwann der Groschen fällt und es ein Aaaaahhhh! macht, was wir alle eines Tages so laut hören werden, dass auch die Tageeschau berichtet.
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Re: Evolution ist stetige Verbesserung

Beitragvon Vollbreit » Sa 29. Mär 2014, 09:54

Lumen hat geschrieben:Ich fasse mal zusammen, denn das ist sonst unlesbar und würde auch dich bitten, mal etwas zu strukturieren. Deine Behauptungen sind folgende, ich hoffe, das ist richtig getroffen. Falls irgendeine Nuance fehlt, brauchst du dich nicht wundern, das geht hier Kreuz und Quer. Du behauptest:

  1. Es gäbe eine engere Definition von Evolution als Entstehung der Arten und eine unbestimmte weitergefasste.

Nein.
Evolution als Entstehung der Arten ist klar, die Frage ist, wie weit diese Evolution reicht und ob das, was darüber hinausgeht auch Evolution genannt werden kann und soll.
Vorschlag: Es gibt eine biologische Evolution, der Entstehung der Arten.
Es gibt andere evolutionäre Prozesse, nicht oder nicht allein mit der biologischen Evolution (der Entstehung der Arten) zusammenhängen.

Lumen hat geschrieben:
  • Dawkins und manch andere Leute (Foren-User Darth Nefarious) würden die weitergefasste bevorzugen und das sei im Widerspruch zu dem, was ich behaupte. Ich würde die Definition auf das Kerngebiet „einengen“, dem du aber zustimmst. Impliziert: „du (Lumen) stimmst denen doch zu, warum widersprichst du jetzt“.

  • Ja, bis auf die Implikation, die ist nicht zwingend.
    Wichtig ist mir nicht wer mal was vertreten hat, sondern was logisch folgt wenn man eine enge oder weitere Definition von Evolution (eng = nur Biologie; weit = andere Prozessen wie memetische Evolution, Evolution der Theorien, Evolution der Psyche usw.) verwendet.

    Lumen hat geschrieben:
  • Du meinst auch, dass Nature vs. Nurture (Natur gegen Kultur) sei ein kompliziertes Geflecht, aber du wunderst dich, dass ich das schreibe, weil du meinst, ich würde dir das sonst als Vernebelungstaktik vorwerfen. Gleiche Implikation wie davor.
  • Ja, allerdings weiter ohne die Implikation.

    Lumen hat geschrieben:
  • Die unbestimmte, aber weitergefasste Sichtweise von Evolution beinhalte Kooperation und Altruismus. Diese Sichtweise ist nicht „besser“ oder „prinzipiell höherwertig“ als z.B. Kohlbergs moralische Stufen.
  • Das ist deutlich zu unscharf, hier müsstest Du bitte noch mal erklären, was Du meinst.
    Unter Vorbehalt, soweit ist Dich meine verstanden zu haben, trifft das nicht meine Einstellung.
    Meine Meinung dazu ist folgende:

    A) Aus der Darstellung von Dawkins, die sich hier aus der engen, rein biologischen Version von Evolution ableitet, folgt sehr wohl kooperatives und (ansatzweise) altruistisches Verhalten.
    Es gibt ja gerade aus dieser Ecke den Versuch Moral auf diese Prinzipien der Verhaltensevolution zurückzuführen.
    Grob gesagt: Jedes Lebewesen ist geleitet von seinen egoistischen Genen. Diese egoistischen Gene verursachen wesentlich: 1) egoistisches oder Kokurrenzverhalten und 2) unter bestimmten Aspekten „altruistisches“ oder kooperatives Verhalten, auf der Ebene, a) Verwandtschaft wird bevorzugt, b) Kooperation findet statt, wenn sich das Individuum später größeren Lohn erhofft, als die Investition für es bedeutet c) wenn das Individuum als Gönner (und eine vierte Gruppe, die c) ähnelt).

    B) Soweit habe ich daran nichts auszusetzen, bis auf die Tatsache, dass es die höheren Entwicklungsstufen des menschlichen Verhaltens nicht mehr erklärt, weder moralisch, noch bei anderen Verhaltensaspekten, wie Partnerwahl. Was ich hier mit höher meine, ist bezogen auf die psychologische und soziale Entwicklung ein mittlerer Bereich, vermutlich erklären die Bausteine die erste der konventionellen Stufen der Moral noch, die zweite schon weitgehend nicht mehr, postkonventionelle Moral m.E. überhaupt nicht mehr.
    Postkonventionelle Moral ist aber auch keine Zauberei, sondern bedeutet in etwa, ein reifes und aufgeklärtes Individuum zu sein, das seine eigenen Ansichten und Absichten folgt, bei Bedarf kann ich das ausführen.

    Ich selbst sehe hier, oder auch bei anderen Aspekten wie der Ichentstehung ein fließendes Kontinuum. Meine Einstellung dazu ist einfach die, dass ich glaube, dass die Prinzipien des evolutionären Egoismus das Verhalten von Tieren gut erklärt, bis in die Bereiche der prärationalen Stufen der Moralentwicklung, vielleicht noch bis zur ersten Stufe der konvenitonellen Moralentwicklung. Ab da nicht mehr. Warum das ggf. so ist, können wir diskutieren. Hier wird einfach der Staffelstab von der Biologie an andere Disziplinen weitergereicht, ohne dass die Biologie ganz aus dem Spiel ist, ihre erklärende Kraft nimmt auf diesen Stufen nur immer mehr ab.

    Lumen hat geschrieben:
  • Es folgt eine Diskussion des Konzeptes des „Nutzens“, wo du behauptest, Dennett und andere hätten da andere Ansichten als ich, wiederholendes Grundthema: „du (Lumen) stimmst denen doch zu, warum widerspreche du jetzt“. Es wird das Konzept der Intentionalität angeführt. Es wird impliziert dass Dawkins und Dennett et al bei Evolution in Kategorien wie Nutzen und Intentionen denken.
  • Du bist hier zu fixiert auf Deine Person.
    Mit Deinen Kränkungssgefühlen musst Du selbst klarkommen, ich erwarte von einem Gesprächspartner, der ernst genommen werden will, einfach, dass er fähig ist, bei der Sache, also dem inhaltlichen Thema zu bleiben.

    Lumen hat geschrieben:
  • Dann folgt noch Kritik am Szientismus und was Fakten sind.
  • Die Darstellung ist so grob und oberflächlich, dass es nicht lohnt, darauf einzugehen, wenn es Dich interessiert, versuch es genauer darzustellen, wenn nicht, lass es weg.

    Lumen hat geschrieben:
  • Zusätzlich gibt es noch sehr kryptische Passagen, z.B.
    Vollbreit hat geschrieben:Wenn man es ernst nimmt, dass alles nur Veränderung ist, die Evolution keinerlei Richtung hat und im Grunde alles nur Ausdifferenzierungen sind und es insofern egal ist, was man so macht und besser/schlechter nur willkürliche, menschengemachte Kriterien sind, die evolutionsbiologisch völlig bedeutungslos sind, wieso dann Dein Einsatz für den Antitheismus? Biologisch kannst Du das doch gar nicht rechtfertigen. Das wäre dann eher ein gesellschaftspolitischer Kampf, in dem Du dann aber ganz anders argumentieren müsstest.

  • Das ist ein klarer Fall wo Wolgang Paulis Spruch perfekt passt.

    Wolfgang Pauli hat geschrieben:Das ist nicht nur nicht richtig, es ist nicht einmal falsch!


    Leider stellst du immer falsch dar, was andere Leute meinen und kaum war das deutlicher als hier. Exemplarisch einmal Dawkins' Diskussion vom Purpose of Purpose, der absolut in seinen Kanon passt, deinen Angaben aber vollkommen widerspricht. Auch benutzt du auch Dennett's Intentionalitätsbegriff völlig falsch.

    SEP hat geschrieben:http://plato.stanford.edu/entries/intentionality/#1
    Why is intentionality so-called? For reasons soon to be explained, in its philosophical usage, the meaning of the word ‘intentionality’ should not be confused with the ordinary meaning of the word ‘intention.’
    Jo, der übliche Lumenbonus, um ordentlich Gift und Galle in den Thread zu pumpen, den ich jetzt nicht weiter kommentiere, Du schaffst es halt noch nicht ohne.

    Lumen hat geschrieben:Ich hoffe dir ist klar, dass Dawkins und Dennett genau das Gegenteil sagen, als was du ihnen unterstellst. Damit löst sich auch der vermeindliche Widerspruch auf, den du bezüglich meiner Ansichten entdeckt haben willst.

    Bitte schreibe mal in eigenen Worten auf, wie Deiner Meinung nach Dawkins oder Dennetts Intentionalitätsbegriff definiert ist, danke.
    Du kannst auch hinschreiben, was Du darunter verstehst, denn ich spreche ja mit Dir und nicht mit Dawkins oder Dennett.

    Lumen hat geschrieben:Von da fällt deine ganze Argumentation in sich zusammen. Dawkins hat bekanntlich sowohl vom selfish Gene geschrieben, als auch vom Extended Phenotype, der ja scheinbar deine Befürchtungen bestätigt, dass Evolution auf alles andere ausgedehnt wird.
    Der Schlussteil, Lumen erklärt, wie die Welt funktioniert misslingt schon im Ansatz wieder. Ich habe überhaupt keine „Befürchtungen“ diesbezüglich und ob meine Argumentation zusammenbricht, wie Du suggerieren möchtest, darfst Du an den mündigen Leser delegieren, zum anderen kannst Du es gar nicht beurteilen können, weil Du meinen Standpunkt in wesentlichen Punkten gar nicht erfasst hast.

    Lumen hat geschrieben:Nur ist das falsch. Dawkins befasst sich mit der Evolution und führt bei Memen aus, dass das Prinzip , dass Informationseinheiten konkurrieren und selektiert werden, sich hypothetisch übertragen ließe.
    Ja, das ist mir bekannt.
    Memetische Evolution folgte den Prinzipien der biologischen Evolution.

    Lumen hat geschrieben:Genauer gesagt argumentiert er umgekehrt, dass das Prinzip von konkurrierende Informationseinheiten, die selektierbar sind, universaler ist.
    Mit anderen Worten: Evolution ist nicht nur biologische Evolution.
    Das war's was ich oben sagte: Dawkins fasst den Evolutionsbegriff weit, so wie Du ihn gerade selbst ausgeführt hast, Du fasst ihn aktuell eng, rein bezogen auf die biologische Evolution (der Entstehung der Arten). Damit ist Dein aktuell favorisierter Evolutionsbegriff enger, als der von Dawkins, mehr wollte ich nicht sagen.

    Lumen hat geschrieben:Das führt darauf hinaus, dass Lebensformen auf anderen Planeten (potentiell gibt es Milliarden davon, 1800 wurden entdeckt) nicht mit DNA oder Basenpaaren arbeiten müssen, oder dass man die Informationsbewahrung und Veränderung auch mit farbigen Bierflaschen nachstellen kann (wobei dann logischerweise der natürliche Mechanismus fehlt, daraus auch etwas zu bauen).
    Ist mir klar, kein Dissens, es geht um den Transfer von Informationen.

    Lumen hat geschrieben:Weiterhin lässt sich Altruismus, oder bekanntlich die Kin Selection ("Verwandtenselektion") durch evolutionäre Mechanismen erklären, aber ist selbst nicht Evolution.
    Diese Gleichsetzung ist schon zweifelhaft bis falsch.
    Verwandtenselektion ist schon nach Dawkins nur ein Aspekt des Altruismus.

    Lumen hat geschrieben:Eine Minderheit der Biologen hingegen glaubt, dass E.O. Wilson's Idee von der Group Selection ("Gruppenselektion") sei besser. Kin-Selection erscheint auch mir weit plausibler. Deine Ausführung dazu sind zu ungenau. Offenkundig ist dein Kohlberg-Beispiel in diesem Kontext nicht zu gebrauchen, schließlich haben Vampirfledermäuse mit Sicherheit keine Ahnung von Kohlbergs moralischen Stufen, verhalten sich aber reziprok altruistisch.
    Natürlich sind Kohlbergs Stufen der Moralentwicklung für das was Du eben geschrieben hast, nicht zu gebrauchen, weil sie einen vollkommen anderen Sachverhalt berühren.
    Du beschreibst einen innerbiologischen Streit zwischen, den es z.B. zwischen Dawkins und E. O. Wilson gibt, eine andere Kritik, dass altruistisches Verhalten viel fundamentaler ist, kommt beispielsweise aus der Ecke Frans de Waal, in gewisser Weise auch aus der Ecke von Sarah Blaffer-Hrdy, die in Mutter Natur die kooperative und fürsorgliche Seite der Natur beschreibt und sagt, es sei in der Evolution stets beides vorhanden gewesen, nur sie die Geschichte der Evolution primär von Männern erzählt worden und die hätten primär die aggressiven und konkurrierenden Aspekte herausgearbeitet. Es gibt Kritik aus dem Lager Lorenz/Eibl-Eibesfeldt, das vor allem Fragwürdigkeit mathematischer (spieltheoretischer) Modelle betont, die mit der emprischen = von Ethologen beobachteten Realität, nicht viel gemein hätte. Zudem bezweifelt auch er, ob damit wirklich Individualselektion bevorzugt wird, vor allem beim Menschen, auch noch beim wildlebenden = naturnahen, die Eibl-Eibesfeldt ausführlich beobachtet hat.

    Aber mit all, was allerdings Du jetzt ins Spiel brachtest, hat Kohlberg nichts zu tun, denn dort geht es nicht um einen Streit um die richtige Deutung innerhalb der Biologenfraktionen, sondern um die Frage nach der Zuständigkeit biologischer Deutungen, bezogen auf den Bereich des menschlichen Verhaltens, hier konkret, Moralverhaltens und moralischer Einstellungen. Kann ja sein, dass Deine Kritik in die Richtung gehen soll, Dawkins sähe die Biologie hier gar nicht als zuständig an. Dann wäre meine Kritik in der Tat gegenstandslos, ich glaube allerdings, dass diese Kritik an meiner Kritik nicht haltbar ist, denn Dawkins argumentiert an mehreren Stellen widersprüchlich, wie wir gerne vertiefen können.

    Meine Behauptung bezüglich Dawkins Argumentation ist, dass die unklar und widersprüchlich ist und zwar in mehreren Büchern. Unklar besonders im Bezug auf die Rolle der Biologie (der egoistischen Gene) für unsere Psyche. Weiter geht meine Kritik in die Richtung, dass dort, wo Dawkins richtig liegt, er altbekannte Banalitäten ausspricht, dass es „zwei Seelen, ach in meiner Brust“ gibt und wir unserer „Natur“ nicht ungehemmt freien Lauf lassen sollten. Lustigerweise das Dauerthema ungefähr aller Religion was Dawkins hier aufgreift.
    Wo er – durchaus flatterhaft und inkonsistent - keine Banalität wiederholt, irrt er, indem selbstwidersprüchlich argumentiert. Denn, wenn unsere egoistischen Gene uns soweit im Griff haben, dass wir ihnen ohnehin blind folgen müssen (diese unheilige Allianz aus Gendeterminismus und Neurodeterminismus, den auch Harris vertritt) dann ist ein Argument gerichtet an Individuen die per def gar nicht anders können unnütz und überflüssig. Man redet auch nicht auf einen Colaautomaten ein, er möge doch auch mal Kaffee kochen. Das ist alles.

    Aber mir ist Dawkins gar nicht wichtig, mir geht es über ihn hinaus um eine Kritik an der gesamten biologisierenden Ausdeutung, die ich hier nicht zu wiederholen brauche, dafür gibt es einen eigenen Thread.

    Ohne Kritik, sondern einfach nur interessant finde ich die Threadfrage, ob denn nun die Evolution ein einziges Prinzip ist, wie Dawkins das anregt – sozusagen Vererbung von Informationen, egal durch welches Medium – ob wir also in allen Prozessen von der Sternentstehung bis zur Computerentwicklung von den Amöben bis zu komplexen sozialen Interaktionen nur ein Prinzip am Werk sehen und die Frage, ob Evolution eine Richtung kennt, hin zu immer mehr Komplexität, Qualität, Differenziertheit oder ob das nur Eindrücke sind, die Entstehen, weil wir unseren Blick zeitlich verengen.
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    Re: Evolution ist stetige Verbesserung

    Beitragvon Nanna » Sa 29. Mär 2014, 10:35

    @Lumen:
    Was ist in deinen Augen der Unterschied zwischen "lässt sich durch evolutionäre Mechanismen erklären" und "ist Evolution"? Meines Erachtens ist das eine reine Umformulierung.
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    Re: Evolution ist stetige Verbesserung

    Beitragvon Lumen » Sa 29. Mär 2014, 14:15

    ich weiß nicht wo, aber auf den ersten Blick bezieht sich das auf den Trugschluss der Komposition.
    http://de.wikipedia.org/wiki/Trugschlus ... omposition
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    Re: Evolution ist stetige Verbesserung

    Beitragvon ujmp » Sa 29. Mär 2014, 16:39

    Bild

    Eure Diskussionen um Definitionen sind leider ziemlich wertlos, weil sie zu nichts anderem führen als zu Streit um Wörter. Man kann Evolution eigentlich ziemlich leicht auf den Punkt bringen, was hier auch schon oft gemacht wurde. Nur hat leider die Wichtigtuerei gewisser Leute gar kein Interesse etwas auf den Punkt zu bringen. Ganz im Gegenteil es gibt in diesem Forum eine ganz unglaubliche destruktive Tendenz, hin zur Vernebelung, zur Verunklärung, zur Zerlaberung. Es hat natürlich auch nichts mit kritischem Denken zu tun, wenn permanent Rote Heringe ausgelegt werden. Ich verstehe auch nicht, wieso Leute, die sich das Brights-Logo als Avatar nehmen, Leuten wie Lumen nicht erst mal recht geben, der ja weitestgehend recht hat - und behalten wird! - sondern stattdessen lieber Katholiken und Esoterikern (damit meine ich diesen freudschen Kaffeesatzleser) zur Seite springen. "Nutzen" in dieser Diskussion als "ja bloß kulturell konstruiert" hinzustellen - das hatte schon fast etwas Demagogisches. Ein Grund für das Scheitern der Brights ist vermutlich, dass sie den Sülzköppen Einfluss gewährt haben.
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    Re: Evolution ist stetige Verbesserung

    Beitragvon Darth Nefarius » Sa 29. Mär 2014, 16:43

    :applaus: :applaus: :applaus:
    (ich würd aber aufpassen - habe schon für weniger Verwarnungen bekommen.)
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    Re: Evolution ist stetige Verbesserung

    Beitragvon Nanna » Sa 29. Mär 2014, 23:30

    ujmp hat geschrieben:Eure Diskussionen um Definitionen sind leider ziemlich wertlos, weil sie zu nichts anderem führen als zu Streit um Wörter.

    Worum sollen wir sonst streiten? Um Linseneintopf?
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    Re: Evolution ist stetige Verbesserung

    Beitragvon ujmp » So 30. Mär 2014, 07:31

    Streiten muss man überhaupt nicht. Evolution lässt sich heut zu Tage simpel und überzeugend beschreiben. Wenn die Wörter dazu nicht deutlich genug sind, dann nimm halt andere. Und wenn dir keine besseren einfallen - dann kannst du es eben nicht, also überlass es anderen! Wenn du dir nicht sicher bist, was "mehr" und "weniger" bedeutet, dann stimmt etwas mit deinem Kopf nicht. "Mehr" und "weniger" sind nicht "kulturell konstruiert" - so ein Blödsinn! "Bist du dir sicher was 'Nutzen' ist?" - sorry, aber das geht schon in Richtung Gehirnwäsche!

    Es stimmt schon, dass die Bedeutung von Begriffen kulturabhängig sind, aber Kultur ist keine willkürliche Konstruktion (so willkürlich etwa wie das Design eines Autorücklichts.) Letztlich beruht eine Kultur auf Kernkonstrukten. Auch das menschliche Denken beruht auf präverbalen Kernkonstrukten, für einen Teil davon erfindet die Sprache später nur noch die Wörter. Wir könnten uns z.B. über Farben überhaupt nicht verständigen, wenn wir sie nicht von vornherein gleich wahrnehmen würden. Du kannst dich mit jedem Menschen jeglicher Kultur auf der Welt über "Nutzen" verständigen - es sei denn er ist krank oder ein Gaukler. Es lässt sich zwar auch nicht leugnen, dass eine Kultur in der Lage ist, jede Menge Blödsinn zu konstruieren. Dass aber eine "kulturellen Konstruktion" ein Wahrheitskriterium sei, ist schließlich auch nicht meine Meinung.

    Abgesehen davon, handelt es sich in diesen Diskussionen hier weniger um Konstruktion, als mehr um Demontage:
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    Re: Evolution ist stetige Verbesserung

    Beitragvon Nanna » Mo 31. Mär 2014, 12:32

    ujmp hat geschrieben:Streiten muss man überhaupt nicht.

    Diskussion sollte ein konstruktiver Streit sein, ein Streitgespräch eben. Dafür, dass "man" nicht streiten muss, klingst du übrigens ziemlich gereizt.

    ujmp hat geschrieben:Wenn die Wörter dazu nicht deutlich genug sind, dann nimm halt andere.

    Wir hatten doch jetzt schon oft genug darüber gesprochen, dass Begriffe keinen essentiellen, sondern nur einen definitorischen Gehalt haben. Es ist insofern bei egal welchen Begriffen unabdingbar, zu klären, was jemand meint, und ob das damit kontruierte System widerspruchsfrei ist.

    ujmp hat geschrieben:Und wenn dir keine besseren einfallen - dann kannst du es eben nicht, also überlass es anderen! Wenn du dir nicht sicher bist, was "mehr" und "weniger" bedeutet, dann stimmt etwas mit deinem Kopf nicht. "Mehr" und "weniger" sind nicht "kulturell konstruiert" - so ein Blödsinn! "Bist du dir sicher was 'Nutzen' ist?" - sorry, aber das geht schon in Richtung Gehirnwäsche!

    *schmunzel*

    ujmp hat geschrieben:Es stimmt schon, dass die Bedeutung von Begriffen kulturabhängig sind, aber Kultur ist keine willkürliche Konstruktion (so willkürlich etwa wie das Design eines Autorücklichts.)

    Kulturen sind kontingent, aber nicht willkürlich, ja. Hat aber auch keiner behauptet.

    ujmp hat geschrieben:Du kannst dich mit jedem Menschen jeglicher Kultur auf der Welt über "Nutzen" verständigen - es sei denn er ist krank oder ein Gaukler.

    Die Mathematiker beweisen, dass 1+1=2 gültig ist, obwohl das jedes Kind in jeder Kultur versteht. Und ich bezweifle, dass die Mathematik da wäre, wo sie heute ist, wenn jeder Logikinteressierte sich damit zufrieden gegeben hätte, dass er mit Händen und Füßen notfalls auch auf einem chinesischen oder afrikanischen Markt, wo er Sprache und Kultur nicht kennt, einen Preis hätte aushandeln können. Sei doch nicht so selbstzufrieden.

    ujmp hat geschrieben:Abgesehen davon, handelt es sich in diesen Diskussionen hier weniger um Konstruktion, als mehr um Demontage:

    Dekonstruktion von Weltbildern ist ein ganz wichtiger Bestandteil philosphischer Diskussionen. Und wenn du Konstruktivität als Streitverhalten und kulturelle Konstrukte als Einheiten des gesellschaftlichen Diskurses allen Ernstes als Teil desselben Breis begreifst, musst du in dem Punkt eh nochmal nachsitzen.
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    Re: Evolution ist stetige Verbesserung

    Beitragvon ujmp » Mo 31. Mär 2014, 20:00

    Nanna hat geschrieben:Wir hatten doch jetzt schon oft genug darüber gesprochen, dass Begriffe keinen essentiellen, sondern nur einen definitorischen Gehalt haben. Es ist insofern bei egal welchen Begriffen unabdingbar, zu klären, was jemand meint, und ob das damit konstruierte System widerspruchsfrei ist.

    Gesprochen schon, aber verstanden hast du es nicht. Es gibt Begriffe, die wir hier nicht mehr klären müssen, über die wir uns schon als Kind klar geworden sein sollten, weil sonst überhaupt keine Verständigung möglich wäre. Mit Hilfe dieser Begriffe kann man auch Evolution erklären. Die Mathematik kommt dieser Elementarsprache übrigens am nächsten, weil es da nur um "mehr" oder "weniger" oder um "Gleichheit" und "Verhältnismäßigkeit" geht. Wenn du unsicher bist, was unter "Gleichheit" oder "Stabilität" usw. zu verstehen ist, das bist du krank im Kopf. Ich meine nicht, dass man nicht weiß, welches Wort die anderen dafür benutzen, das mag kulturell abhängig sein. In deiner eigenen Muttersprache bzw. Kultur sind diese Wörter aber bekannt und exakt definiert. Auch Leute mit einem IQ von unter 75 wissen was "mehr" und "weniger" und "gleich" und "ungleich" bedeutet. Das liegt daran, das diese Begriffe angeboren sind und von der Sprache nur in Wörter gefasst werden. Die Kultur muss sich nach diesen Begriffen richten und nicht umgedreht.

    Evolution geht etwa so (ist natürlich nicht vollständig):

    Bei der Vererbung werden Eigenschaften kopiert. Eigenschaften die dieses Kopieren verhindern, können sich nicht so gut durchsetzen, Eigenschaften die dieses Kopieren begünstigen können sich besser durchsetzen. Wenn beim Kopieren Ungenauigkeiten auftreten, entstehen neue Eigenschaften. Diese können für das weitere Kopieren vorteilhaft oder nachteilhaft sein oder auch neutral. Die Ungenauigkeiten sind notwendig, damit neue Eigenschaften entstehen können.

    Das ist kein einziger Begriff dabei, den nicht ein Schuljunge verstehen könnte, wenn auch das Verständnis des Ganzen etwas mehr Hirn benötigt. Und es ist halt eine Beschreibung und keine Definition. Sie beschreibt unmissverständlich etwas, was man beobachten kann - nennen kannst du es wie du willst. Ich hab es vielleicht nicht gut beschrieben- vielleicht bekommst du es besser hin? Das würde ich jedenfalls unter einer Diskussion verstehen.
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    Re: Evolution ist stetige Verbesserung

    Beitragvon ujmp » Mo 31. Mär 2014, 22:11

    Nanna hat geschrieben:
    ujmp hat geschrieben:Du kannst dich mit jedem Menschen jeglicher Kultur auf der Welt über "Nutzen" verständigen - es sei denn er ist krank oder ein Gaukler.

    Die Mathematiker beweisen, dass 1+1=2 gültig ist, obwohl das jedes Kind in jeder Kultur versteht. Und ich bezweifle, dass die Mathematik da wäre, wo sie heute ist, wenn jeder Logikinteressierte sich damit zufrieden gegeben hätte, dass er mit Händen und Füßen notfalls auch auf einem chinesischen oder afrikanischen Markt, wo er Sprache und Kultur nicht kennt, einen Preis hätte aushandeln können. Sei doch nicht so selbstzufrieden.

    Das Problem auf dem Markt ist - prima Beispiel!- dass es beim Preisaushandeln in erster Linie darum geht, sich gegenseitig zu bescheißen. Da passiert genau das Gegenteil von Kommunikation. Jeder Definiert den Wert von dem was er kaufen oder verkaufen will, wie es für ihn günstig erscheint. Das sind keine versehentlichen Kommunikationsfehler, das ist absichtliches Verunklären. Dasselbe läuft in Politik und Religion. In der Wissenschaft gibt es das auch, weil es dort ums Rechtbehalten und um Ansehen geht. Der Punkt ist, dass es nicht immer, wenn Leute miteinander reden, es um Kommunikation geht, um Erörterung und Klärung - es kann das komplette Gegenteil der Fall sein.
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    Re: Evolution ist stetige Verbesserung

    Beitragvon Lumen » Di 1. Apr 2014, 18:30

    Nanna hat geschrieben:Wir hatten doch jetzt schon oft genug darüber gesprochen, dass Begriffe keinen essentiellen, sondern nur einen definitorischen Gehalt haben. Es ist insofern bei egal welchen Begriffen unabdingbar, zu klären, was jemand meint, und ob das damit kontruierte System widerspruchsfrei ist.


    So wie Evolution, etwa? :o0:

    Mein Problem ist nicht, dass ich keine Lust hätte, bestimmte Aspekte zu diskutieren, vor allem was sie bedeuten oder zu bewerten sind, sondern ich finde manche Argumentation einfach zu undurchsichtig. Ich sehe dass viel Staub aufgewirbelt wird, Themen querfeld geöffnet werden, Definitionen in Frage gestellt werden und nie klar ist, was der Zweck sein soll. Das heißt: was ist eigentlich das Argument? Was ist die These, oder Gegenthese? Durch was wird diese gestützt? Es wird auch nichts wieder geschlossen, sodass man auf irgendein Fundament aufbauen könnte. Alle Staubteile werden fortwährend in der Luft gehalten, und es kommen ständig neue hinzu. Man kann Rorschach-Test mäßig irgendwas darin erkennen und dann dazu versuchen was zu schreiben, aber die Antwort ist vorhersehbar immer, vor allem wenn es argumentativ eng wird, das was völlig anderes gemeint war. Was "eigentlich" gemeint war scheint nur niemand zu erkennen, wenn man sich die Threadverläufe mal anschaut. Da ist einfach kein roter Faden (Thread) erkennbar. Alles zusammen erweckt das doch einen anti-wissenschaftlichen, anti-intellektuellen Eindruck.
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    Re: Evolution ist stetige Verbesserung

    Beitragvon Vollbreit » Mi 2. Apr 2014, 07:58

    Lumen, dass Du intellektuell unterfordert wärst, kann ich leider nicht erkennen, denn Du hast ja bis zum heutigen Tage nicht begriffen, dass meine Kritik nicht der Evolutionstheorie gilt.
    Wo sie m.E. über den Bereich der ihr zukommt (wo genau diese Grenze verläuft, ist eine Absprache innerhalb der Sprachgemeinschaft) hinausgeht und von der Biologie in den Biologismus erweitert wird, da setzt meine Kritik an.
    Du siehst den Wald vor Bäumen nicht, weil Du Dich in Deinem „alles Kreationisten“ Urwald verlaufen hast, den ich leider nicht bedienen kann.

    Als guter Wissenschaftler (wenn Du auch formal keiner bist, so könntest Du doch den Geist der Wissenschaft begriffen haben) würdest Du Kritik übrigens suchen und prüfen, nicht aggressiv wegbeißen und mit ad hominems reagieren. Dass Du hier nun kneifst, nehme ich zur Kenntnis.
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    Re: Evolution ist stetige Verbesserung

    Beitragvon Lumen » Mi 2. Apr 2014, 17:38

    ???

    Schau dir deinen Eingangs-Text doch einmal selbst an, und überzeuge dich selbst. Nun sind ein paar Tage verstrichen und vielleicht hast du nun etwas Distanz dazu. Du behauptest, es gäbe zwei Auffassungen von Evolution. Eine sei die Aufassung, dass alles immer Komplexer würde, und zwar bei Gasen angefangen. Deine Worte. Mir fällt kein ernstzunehmender Wissenschaftler ein, der behauptet, Evolution fange bei Gasen an. Die andere Auffassung sei, dass es Stagnation oder zumindest richtungslose Veränderung sei. Das schlägt sich auch in zwei Themen wieder, die du eröffnet hast. Bilde ich mir das jetzt nur ein, oder stimmt das etwa nicht? Darauf folgen jeweils freie, assoziative Gedankengängen zu verschiedenen Stichpunkten.

    Bei dem einen Thema (diesem hier) ist der erste Kommentar dann schon direkt bei Massentier- und Sklavenhaltung. Sicherlich kann man irgendwie auch evolutionsbiologisch versuchen Gründe zu finden, warum Menschen Tiere halten, aber was hat das genau damit zu tun? Da würde ich eine saubere Argumentation erst einmal erwarten, die skizziert, wie du dir den Zusammenhang vorstellst. Das Thema scheint dann sowas zu sein wie "Der Mensch das Monster" oder sowas. Der andere Thread versumpft in Semantik. Oder etwa nicht?

    Jetzt kommt deine Chance: Was habe ich übersehen?
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    Re: Evolution ist stetige Verbesserung

    Beitragvon Vollbreit » Mi 2. Apr 2014, 21:11

    Lumen hat geschrieben:Du behauptest, es gäbe zwei Auffassungen von Evolution. Eine sei die Aufassung, dass alles immer Komplexer würde, und zwar bei Gasen angefangen. Deine Worte.
    Ja.
    Und dann erläuterte ich, dass man unter Evolution in einer engen Form die rein biologische Evolution verstehen kann, dies aber nicht tun muss.
    Der Prozess, der dann letzten Endes in die biologischen Evolution mündet ist ja bereits (nach heutiger Ansicht) einer der Selbstorganisation und einer zunehmenden Komplexität.
    Plasma, Wasserstoff und dann geht es los, hin zu den komplexeren Elementen. Ein eindeutiger Zuwachs an Komplexität.

    Lumen hat geschrieben:Mir fällt kein ernstzunehmender Wissenschaftler ein, der behauptet, Evolution fange bei Gasen an.
    Wie würdest Du das nennen, was bis 1 Sekunde vor dem Beginn der biologischen Evolution stattfand?

    Lumen hat geschrieben:Die andere Auffassung sei, dass es Stagnation oder zumindest richtungslose Veränderung sei. Das schlägt sich auch in zwei Themen wieder, die du eröffnet hast. Bilde ich mir das jetzt nur ein, oder stimmt das etwa nicht?
    Das kann ja jeder lesen, was ist jetzt der Punkt hierbei?

    Lumen hat geschrieben:Bei dem einen Thema (diesem hier) ist der erste Kommentar dann schon direkt bei Massentier- und Sklavenhaltung. Sicherlich kann man irgendwie auch evolutionsbiologisch versuchen Gründe zu finden, warum Menschen Tiere halten, aber was hat das genau damit zu tun?

    Das Argument ist eigentlich nicht so schwer zu verstehen, es lautet, dass es gemäß der Evolutionstheorie ein Kriterium für biologischen Erfolg gibt, das lautet Nachkommen in die Welt zu setzen, die alt genug werden um Nachkommen in die Welt zu setzen. Da dies Hühnern und Rindern in beispielloser Weise gelungen ist, sind sie aus dieser Sicht evolutionär maximal erfolgreich. Denn nirgends steht geschrieben, wie sich diese Wesen vermehren, es geht darum, dass sich bestimmte Gene durchsetzen.

    Nun liegt der Einwand auf der Hand, der besagt, dies sei eben keinesfalls Evolution, da Evolution irgendwie „natürliche“ Auslese zu sein habe.
    Zucht und Domestizierung sind demnach keine Evolution, oder doch? Was meinst Du?
    Harari, den ich zitierte, argumentiert so: Das Rind. Evolutionär der Renner, aber dennoch unglücklich, was wiederum die Evolution nicht juckt.
    Aber wenn Glück nicht zählt, wie sieht es aus mit der Fitness? Evolutionstheoretisch hängt das hübsch zusammen. Größte Fitness = beste Fortpflanzungsrate. Darf man die Gleichung umdrehen? Beste Fortpflanzungsrate = größte Fitness? Ja oder nein, und warum?

    Aber wenn der Mensch in die Evolution anderer Arten eingreift, ist das dann wirklich keine Evolution mehr?
    Lässt denn die zunehmende Population von irgendwas, einer Art, eines Merkmals nicht immer einen gewissen Selektionsdruck entstehen, für andere Arten oder Mitglieder der Population?
    Was Du hier aufmachen willst ist die rigide Trennung von sagen wir mal präbiologischer Entwicklung, biologischer Evolution und Kultur. Das kann man machen, kommt dann aber mit der Soziobiologie ins Gehege, wenn man argumentieren will, der Mensch sei doch im Wesentlichen ein Naturwesen und von daher sei sein Verhalten soziobiologisch zu deuten. Dawkins lässt wenig Zweifel daran, dass er das so sieht, wie Du im Gotteswahn im Kapitel „Eine Fallstudie über die Wurzeln der Moral“ nachlesen kannst.
    Und, wie gesagt, für Darth ist Kultur die Fortsetzung der Biologie (namentlich der Triebe), mit anderen Mitteln. Für mich nicht. Wie siehst Du das denn?

    Ich behandle, ich dachte es sei erkennbar, in beiden Threads einen weiten Begriff von Evolution. Weit = nicht beschränkt auf die biologische Evolution, diese aber beinhaltend.
    Dawkins behandelt das Thema Evolution tendenziell weit. Er sagt, wir könnten von unseren egoistischen Gene keine Unterstützung erwarten, bei dem Projekt, aber Evolution selbst sieht er breiter, lies mal nach, was er zu Memen und Memplexen (im „Gotteswahn“) schreibt. Im „blinden Uhrmacher“ und den „Selfish Genes“ fasst er den Begriff „ Leben“ breit als Weitergabe von Information und der Evolutionsprozess ist diese erfolgreiche Weitergabe ob über Meme, Gene oder Computer.

    Lumen hat geschrieben:Da würde ich eine saubere Argumentation erst einmal erwarten, die skizziert, wie du dir den Zusammenhang vorstellst. Das Thema scheint dann sowas zu sein wie "Der Mensch das Monster" oder sowas. Der andere Thread versumpft in Semantik. Oder etwa nicht?

    Nein, ich sehe den Menschen nicht als Monster. Wieso hast Du diesen Eindruck?
    Je freier die Individuen, umso mehr nutzen sie ihre Willensfreiheit zu konstruktiven oder zerstörerischen Werken, das beginnt bereits im Tierreich.
    Deshalb bin ich ja, wie man bestimmt ein Dutzend mal bei mir lesen kann, der Meinung, dass, wann immer man sich auf die gute, heile, reibungslose Natur beruft einen Irrtum unterliegt, zum einen philosophisch, der bekannte naturalistische Fehlschluss, zum anderen empirisch, weil all die spinnerten Konzepte eines famosen Damals einer nähren Betrachtung in sich zusammenfallen, Schimpansen morden, ebenso die netten Steinzeitmenschen und so geht es weiter und so ist es bis heute, im Grunde immer besser geworden. Auch das eine Fragen von Evolution (im breiten Sinne)? Sowas hätte der Thread werden können.

    Lumen hat geschrieben:Jetzt kommt deine Chance: Was habe ich übersehen?
    Ich weiß nicht, ob Du was übersehen hast. Du bist halt immer etwas angespannt, weil Du auf den Moment wartest, an dem ich den Wachturm verteile oder den Herrn preise. Dem möchtest Du vorbeugen und witterst die ätzende Kritik an der Evolution. So mach ich das immer, nehme 2000 Beiträge lang Anlauf um dann zum großen Hallelujah anzustimmen. Hochökonomisch. ;-)
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    Re: Evolution ist stetige Verbesserung

    Beitragvon Lumen » Mi 2. Apr 2014, 23:27

    Vollbreit hat geschrieben:
    Lumen hat geschrieben:Du behauptest, es gäbe zwei Auffassungen von Evolution. Eine sei die Aufassung, dass alles immer Komplexer würde, und zwar bei Gasen angefangen. Deine Worte.
    Ja.
    Und dann erläuterte ich, dass man unter Evolution in einer engen Form die rein biologische Evolution verstehen kann, dies aber nicht tun muss.
    Der Prozess, der dann letzten Endes in die biologischen Evolution mündet ist ja bereits (nach heutiger Ansicht) einer der Selbstorganisation und einer zunehmenden Komplexität. Plasma, Wasserstoff und dann geht es los, hin zu den komplexeren Elementen. Ein eindeutiger Zuwachs an Komplexität.


    Da bist du jetzt bei Murray Gell-Mann, das Quark und der Jaguar. Das ist aber nicht Evolution. Nein, auch Dawkins findet nicht, dass das Evolution ist. Evolution beginnt nach der Abiogenese, und beschreibt dann die Entstehung der Arten. Ich frage mich, worauf willst du hinaus? Wir nennen das auch Emergenz.

    Vollbreit hat geschrieben:
    Lumen hat geschrieben:Mir fällt kein ernstzunehmender Wissenschaftler ein, der behauptet, Evolution fange bei Gasen an.
    Wie würdest Du das nennen, was bis 1 Sekunde vor dem Beginn der biologischen Evolution stattfand?

    Lumen hat geschrieben:Die andere Auffassung sei, dass es Stagnation oder zumindest richtungslose Veränderung sei. Das schlägt sich auch in zwei Themen wieder, die du eröffnet hast. Bilde ich mir das jetzt nur ein, oder stimmt das etwa nicht?
    Das kann ja jeder lesen, was ist jetzt der Punkt hierbei?


    Der Punkt war dabei, was das mit deiner Biologismus These zu tun hat. Du stellst den Sachverhalt schon höchst ungenau dar, der dann wiederum nichts mit dem zu tun hat, was die Leute sagen, die du dann namentlich nennst, z.B. Dawkins. Du hast eine sehr, sehr, sehr verbogene Ansicht von dem, was auch Dawkins schreibt.

    Vollbreit hat geschrieben:
    Lumen hat geschrieben:Bei dem einen Thema (diesem hier) ist der erste Kommentar dann schon direkt bei Massentier- und Sklavenhaltung. Sicherlich kann man irgendwie auch evolutionsbiologisch versuchen Gründe zu finden, warum Menschen Tiere halten, aber was hat das genau damit zu tun?

    Das Argument ist eigentlich nicht so schwer zu verstehen, es lautet, dass es gemäß der Evolutionstheorie ein Kriterium für biologischen Erfolg gibt, das lautet Nachkommen in die Welt zu setzen, die alt genug werden um Nachkommen in die Welt zu setzen. Da dies Hühnern und Rindern in beispielloser Weise gelungen ist, sind sie aus dieser Sicht evolutionär maximal erfolgreich. Denn nirgends steht geschrieben, wie sich diese Wesen vermehren, es geht darum, dass sich bestimmte Gene durchsetzen.

    Nun liegt der Einwand auf der Hand, der besagt, dies sei eben keinesfalls Evolution, da Evolution irgendwie „natürliche“ Auslese zu sein habe. Zucht und Domestizierung sind demnach keine Evolution, oder doch? Was meinst Du? Harari, den ich zitierte, argumentiert so: Das Rind. Evolutionär der Renner, aber dennoch unglücklich, was wiederum die Evolution nicht juckt.Aber wenn Glück nicht zählt, wie sieht es aus mit der Fitness? Evolutionstheoretisch hängt das hübsch zusammen. Größte Fitness = beste Fortpflanzungsrate. Darf man die Gleichung umdrehen? Beste Fortpflanzungsrate = größte Fitness? Ja oder nein, und warum?


    Du hast dich hier total vertüddelt. Für Gene ist es uninteressant, ob sie gezüchtet werden, oder ob sie Eigenschaften bewirken, die in die nächte Generation getragen werden. Es steckt kein Lenker und kein Denker dahinter. Was nicht überlebt, verschwindet aus dem Genpool. Würden Menschen, sagen wir, ein Gen isolieren und es in großen Silos vermehren, und es zum häufigsten Gen der Welt machen, dann wäre auch das dem Gen vollkommen egal. Es ist bloß eine Aminosäuren-Kette. Man kann auch Raketen zum Mond schießen und die Schwerkraft zuckt nur mit den Achseln.

    Ich habe die Vermutung, dass du zwar eine grobe Idee von der Evolutionstheorie hast, aber du sie intuitiv nicht fassen kannst, sie nicht begreifen kannst. Für dich sind Begriffe wie Fitness wichtig, oder Nutzen und andere Sachen, aber du verwechselt deine Karte mit dem Gebiet. Nach wie vor. Dabei weiß ich nicht, worauf du damit hinaus möchtest.

    Ich könnte bisher immer schreiben: Okay, na und?

    Vollbreit hat geschrieben:Aber wenn der Mensch in die Evolution anderer Arten eingreift, ist das dann wirklich keine Evolution mehr? Lässt denn die zunehmende Population von irgendwas, einer Art, eines Merkmals nicht immer einen gewissen Selektionsdruck entstehen, für andere Arten oder Mitglieder der Population? Was Du hier aufmachen willst ist die rigide Trennung von sagen wir mal präbiologischer Entwicklung, biologischer Evolution und Kultur. Das kann man machen, kommt dann aber mit der Soziobiologie ins Gehege, wenn man argumentieren will, der Mensch sei doch im Wesentlichen ein Naturwesen und von daher sei sein Verhalten soziobiologisch zu deuten. Dawkins lässt wenig Zweifel daran, dass er das so sieht, wie Du im Gotteswahn im Kapitel „Eine Fallstudie über die Wurzeln der Moral“ nachlesen kannst.
    Und, wie gesagt, für Darth ist Kultur die Fortsetzung der Biologie (namentlich der Triebe), mit anderen Mitteln. Für mich nicht. Wie siehst Du das denn?


    Auch das ist höchst ungenau. Menschen verändern die Natur oder stellen selbst eine Umwelt dar, an die sich Lebewesen anpassen (können). Ein Beispiel dafür wären Füchse, die mitlerweile ganz gut in Städten klarkommen. Oder nehmen wir Ratten und Mäuse, die seit Anbeginn der Zivilisation von den Kornkammern und Krümeln der Menschheit leben. Wahrscheinlich ist der Zeitraum zu kurz um hier wirklich von sichtbarer Evolution zu sprechen, aber mit Sicherheit haben sich Ratten und Mäuse auch genetisch angepasst und Artgenossen im Dunkel der Zeiten hinter sich gelassen, die vielleicht Menschen- und Zivilisationscheu waren (das ist ein plakatives Beispiel). Gerade im Umfeld der Menschen leben oft Arten die auch ohne Menschen recht flexibel und Anpassungsfähig sind, und dadurch recht gut mit den Veränderungen klar kamen (das ist immerhin eine große Nische, reich an Nahrungsquellen).

    Vollbreit hat geschrieben:Ich behandle, ich dachte es sei erkennbar, in beiden Threads einen weiten Begriff von Evolution. Weit = nicht beschränkt auf die biologische Evolution, diese aber beinhaltend. Dawkins behandelt das Thema Evolution tendenziell weit. Er sagt, wir könnten von unseren egoistischen Gene keine Unterstützung erwarten, bei dem Projekt, aber Evolution selbst sieht er breiter, lies mal nach, was er zu Memen und Memplexen (im „Gotteswahn“) schreibt. Im „blinden Uhrmacher“ und den „Selfish Genes“ fasst er den Begriff „ Leben“ breit als Weitergabe von Information und der Evolutionsprozess ist diese erfolgreiche Weitergabe ob über Meme, Gene oder Computer.


    Ja, wobei er Meme selbst kritisch und hypothetisch sieht. Es gibt zwei Bereiche, wo Evolution das Kerngebiet überschreitet.

    Einmal das Prinzip der Selektion und Weitergabe von Mustern, womit auch Evolution auf anderen Planeten denkbar wäre, mit anderen Informationsträgern als DNA. Das ist zwar eine Ausweitung, aber auch eine sehr spezielle und vollkommen logische und konsistente. Es ist letztlich unerheblich, ob genau jene Moleküle kopiert werden, wie auf der Erde, oder ein anderes Molekül, dass z.B. ein Silizium-Lebewesen erzeugt. Auch digital können wir Evolution nachbauen. Das Prinzip läuft dann digital ab, so wie wir auch Physik im Rechner laufen lassen können. Dann kann man zusammenprallenden Objekte oder Flüssigkeitsverhalten simulieren.

    Die andere Baustelle, wo Evolution die Grenze überschreitet ist beim Menschen selbst. Die Logik dahinter ist die, dass wir evolutionär entstanden sind und somit unsere Wahrnehmung, unser Denken, unser Körperbau und all die Wechselwirkungen durch evolutionäre Prozesse geformt wurden. Das heißt dann konkret, dass wir auch Bereiche im Gehirn haben, die entwicklungsgeschichtlich Millionen Jahre alt sind, und damit viel älter als unsere Spezies selbst. Das wird dann, z.B. salopp Reptiliongehirn genannt. Wissenschaftler gehen davon aus, dass wir mit diesem Wissen ein besseres Verständnis über unser Verhalten, unsere Kultur und so fort erlangen können. Warum ekeln wir uns? Warum haben wir vor manchen Dingen Angst? Wir bekommen z.B. Gänsehaut, so wie sich bei anderen Säugetieren die Fellhaare aufstellen, wenn ihnen kalt ist oder sie erschreckt werden. Letzteres eine Anpassung an "Denkmuster" von anderen Säugetieren, die ein größeres Tier eher in Ruhe lassen. Zwar wird vieles in der evolutionären Psychologie z.B. auch von Vertretern bemängelt -- auch das habe ich schonmal aufgeschrieben irgendwo -- aber insgesamt ist dieser Ansatz ein sinnvoller. Da passt dann Altruismus und solche Sachen auch rein.

    Da gibt es auch Unsinn, das bestreitet niemand auch im Feld selbst. Aber worauf willst du hinaus? Dir scheint das ganze Ding ein Dorn im Auge zu sein.

    Vollbreit hat geschrieben:
    Lumen hat geschrieben:Da würde ich eine saubere Argumentation erst einmal erwarten, die skizziert, wie du dir den Zusammenhang vorstellst. Das Thema scheint dann sowas zu sein wie "Der Mensch das Monster" oder sowas. Der andere Thread versumpft in Semantik. Oder etwa nicht?

    Nein, ich sehe den Menschen nicht als Monster. Wieso hast Du diesen Eindruck? Je freier die Individuen, umso mehr nutzen sie ihre Willensfreiheit zu konstruktiven oder zerstörerischen Werken, das beginnt bereits im Tierreich.

    Deshalb bin ich ja, wie man bestimmt ein Dutzend mal bei mir lesen kann, der Meinung, dass, wann immer man sich auf die gute, heile, reibungslose Natur beruft einen Irrtum unterliegt, zum einen philosophisch, der bekannte naturalistische Fehlschluss, zum anderen empirisch, weil all die spinnerten Konzepte eines famosen Damals einer nähren Betrachtung in sich zusammenfallen, Schimpansen morden, ebenso die netten Steinzeitmenschen und so geht es weiter und so ist es bis heute, im Grunde immer besser geworden. Auch das eine Fragen von Evolution (im breiten Sinne)? Sowas hätte der Thread werden können.


    Wie gesagt, wenn du dich an wem abarbeiten willst, musst du das mit den Leuten ausmachen. Steven Pinker, der ja in dein kritisiertes Feld fallen dürfte, als Tausendassa zwischen Linguistik, experimental und evolutionärer Psychologie, hat einen großen Schinken geschrieben, wo eben genau der umgekehrte Trend attestiert wird. Früher war schlechter, und nicht nur auf Jahrzehnte bezogen, auch auf auf die Jahrhunderte und Jahrtausende hin gerechnet.

    Vollbreit hat geschrieben:
    Lumen hat geschrieben:Jetzt kommt deine Chance: Was habe ich übersehen?
    Ich weiß nicht, ob Du was übersehen hast. Du bist halt immer etwas angespannt, weil Du auf den Moment wartest, an dem ich den Wachturm verteile oder den Herrn preise. Dem möchtest Du vorbeugen und witterst die ätzende Kritik an der Evolution. So mach ich das immer, nehme 2000 Beiträge lang Anlauf um dann zum großen Hallelujah anzustimmen. Hochökonomisch. ;-)


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    Re: Evolution ist stetige Verbesserung

    Beitragvon Vollbreit » Do 3. Apr 2014, 08:58

    Lumen hat geschrieben:Da bist du jetzt bei Murray Gell-Mann, das Quark und der Jaguar. Das ist aber nicht Evolution.
    Warum?
    Ich sagte ja nun mehrfach und im Grunde von Anfang an, dass es einen engen und weiten Begriff von Evolution gibt. Man kann beide verwenden, aber wenn man die enge Variante (Evolution = einzig und allein biologische Evolution) verwendet, legt man sich damit logisch fest und darf im Verlauf der weiteren Argumentation nicht mehr zur breiten Auffassung des Begriffs (Evolution = Entwicklung oder Veränderung des unbelebten, belebten, technischen, theoretischen oder memtischen Kosmos) wechseln, ohne dies explizit zu kennzeichnen, vor allem nicht hin oder her springen.

    Lumen hat geschrieben:Nein, auch Dawkins findet nicht, dass das Evolution ist.
    Und das leitest Du woraus ab? Hast Du ihn angerufen? Ich habe die Quellen genannt, wie lauten Deine?

    Lumen hat geschrieben:Evolution beginnt nach der Abiogenese, und beschreibt dann die Entstehung der Arten.
    Ja, die biologische Evolution beginnt beim Sprung vom Toten zum Lebendigen, aber das ist ja nun mehrfach und hinreichend geklärt.
    Ist Dir nicht klar, das Begriffe nicht definitorisch festgelegt sind und man lediglich angeben muss, was man darunter versteht? Auch Sprache unterliegt einem Evolutionsprozess.
    Und wo endet Evolution, das ist eine der entscheidenden Fragen.

    Lumen hat geschrieben:Ich frage mich, worauf willst du hinaus? Wir nennen das auch Emergenz.
    Ihr? Wer ist das?
    Der Emergenzbegriff ist mir überbekannt er beschreibt Qualitätssprünge oder wenn Dir das Wort zu heikel ist:
    „„Emergent“ nennen wir dann Eigenschaften, die aus neuen Konstellationen entstehen, die vor ihrer ersten Exemplifizierung nicht vorausgesagt werden konnten.“ (J. Habermas in Kritik der Vernunft, Suhrkamp 2009, S.314)
    Emergenzsprünge umfassen das Reich des Physikalischen, Biologischen und Kognitiven.

    Lumen hat geschrieben:
    Vollbreit hat geschrieben:
    Lumen hat geschrieben:Mir fällt kein ernstzunehmender Wissenschaftler ein, der behauptet, Evolution fange bei Gasen an.
    Wie würdest Du das nennen, was bis 1 Sekunde vor dem Beginn der biologischen Evolution stattfand?

    Lumen hat geschrieben:Die andere Auffassung sei, dass es Stagnation oder zumindest richtungslose Veränderung sei. Das schlägt sich auch in zwei Themen wieder, die du eröffnet hast. Bilde ich mir das jetzt nur ein, oder stimmt das etwa nicht?
    Das kann ja jeder lesen, was ist jetzt der Punkt hierbei?


    Der Punkt war dabei, was das mit deiner Biologismus These zu tun hat. Du stellst den Sachverhalt schon höchst ungenau dar, der dann wiederum nichts mit dem zu tun hat, was die Leute sagen, die du dann namentlich nennst, z.B. Dawkins. Du hast eine sehr, sehr, sehr verbogene Ansicht von dem, was auch Dawkins schreibt.
    Nö, ich kritisiere seine Schwachstellen und das passt Dir nicht, weil Du Dir nicht vorstellen kannst, dass jemand wie Dawkins mitunter erhebliche Schwachstellen hat und Du ihn verehrst. Die Wahrheit ist aber, dass Dawkins erhebliche Schwachstellen hat, was seinen Rang als Biologe nicht mindern muss. Auch seine Religionskritik ist berechtigt, wenngleich fürchterlich überzogen und so einseitig, dass ihn hier niemand mehr ernst nimmt. Zurecht.
    Der Biologismus ist die Ausweitung von Erkenntnissen der Biologie (die dort richtig sein mögen), über das Gebiet der Biologie hinaus, ohne eine Begründung dafür zu geben, warum die biologische Betrachtung hier Vorrang haben soll. Dass biologische Erkenntnisse mitbetrachtet werden ist kein Frage, es geht um die Beanspruchung einer Diskurshoheit auf verschiedenen Gebieten, die ja durchaus mal gerechtfertigt sein kann, sie muss nur begründet werden.
    Die „Moral Landscape“ ist in dem Moment kein Biologismus, indem sie schlüssig beweisen kann, dass unsere moralischen Urteile aus basalen Trieben abgeleitet werden können. Zu versuchen dies zu tun, ist ein honoriges Unterfangen, zu behaupten, dies sei längst gelungen, aber nicht sagen zu können, was die objektive Ethik, die daraus entstehen soll nun ausmacht (und das hat mir bisher niemand sagen können, Du kannst da gerne aushelfen), ist dann irgendwann nicht mehr der Rede Wert und das ist Harris von A bis Z misslungen.
    Eine objektive Ethik nicht skizuzieren zu können, aber weiterhin einen besonderen Anspruch zu behaupten, ist erstens unüberzeugend und zweitens biologistisch, Biologie wird dann zum Weltbild, zum Vollbild ausgeprägt findest Du das bei Darth, aber nicht nur bei ihm.

    Lumen hat geschrieben:Du hast dich hier total vertüddelt. Für Gene ist es uninteressant, ob sie gezüchtet werden, oder ob sie Eigenschaften bewirken, die in die nächte Generation getragen werden.
    Genau das sagte ich, mit Harari. Ist das also nun biologische Evolution, oder nicht? Sieht sehr so aus, als sei das Deiner Auffassung nach auch so.

    Lumen hat geschrieben:Es steckt kein Lenker und kein Denker dahinter.
    Wer hatte das noch mal behauptet? Ach ja, niemand.

    Lumen hat geschrieben:Was nicht überlebt, verschwindet aus dem Genpool. Würden Menschen, sagen wir, ein Gen isolieren und es in großen Silos vermehren, und es zum häufigsten Gen der Welt machen, dann wäre auch das dem Gen vollkommen egal. Es ist bloß eine Aminosäuren-Kette. Man kann auch Raketen zum Mond schießen und die Schwerkraft zuckt nur mit den Achseln.
    Du lenkst ab und weichst auch Allgemeinplätze aus, kneifst also wieder. Ist Zucht biologische Evolution, oder nicht? Wenn sie es nicht ist, was ist sie dann?

    Lumen hat geschrieben:Ich habe die Vermutung, dass du zwar eine grobe Idee von der Evolutionstheorie hast, aber du sie intuitiv nicht fassen kannst, sie nicht begreifen kannst. Für dich sind Begriffe wie Fitness wichtig, oder Nutzen und andere Sachen, aber du verwechselt deine Karte mit dem Gebiet. Nach wie vor. Dabei weiß ich nicht, worauf du damit hinaus möchtest.

    Ich könnte bisher immer schreiben: Okay, na und?
    Nun ich glaube, dass das nicht so ist, klären wir es doch.
    Ich vermute, dass Du meinen Kritikpunkt nicht erfasst hast, kannst Du ihn mal eben mit eigenen Worten schildern?
    Was habe ich Deiner Meinung nach an der biologischen Evolution nicht verstanden, so dass Du es von mir erläutert haben möchtest, damit Du mehr Gewissheit hast?

    Lumen hat geschrieben:Auch das ist höchst ungenau. Menschen verändern die Natur oder stellen selbst eine Umwelt dar, an die sich Lebewesen anpassen (können). Ein Beispiel dafür wären Füchse, die mitlerweile ganz gut in Städten klarkommen. Oder nehmen wir Ratten und Mäuse, die seit Anbeginn der Zivilisation von den Kornkammern und Krümeln der Menschheit leben.
    Und Du meinst, dass mir das nicht bekannt war?

    Lumen hat geschrieben:Wahrscheinlich ist der Zeitraum zu kurz um hier wirklich von sichtbarer Evolution zu sprechen, aber mit Sicherheit haben sich Ratten und Mäuse auch genetisch angepasst und Artgenossen im Dunkel der Zeiten hinter sich gelassen, die vielleicht Menschen- und Zivilisationscheu waren (das ist ein plakatives Beispiel). Gerade im Umfeld der Menschen leben oft Arten die auch ohne Menschen recht flexibel und Anpassungsfähig sind, und dadurch recht gut mit den Veränderungen klar kamen (das ist immerhin eine große Nische, reich an Nahrungsquellen).
    Punkt erneut verfehlt, die Frage war die, nach der prinzipiellen Andersartigkeit der durch Menschen induzierten Bedingungen, im Vergleich zu der von anderen Lebewesen oder Umwelteinflüssen induzierten Bedingungen. Jetzt klar?

    Der Gedankengang: Wenn der Mensch und die von ihm induzierten Veränderungen als prinzipiell anders angesehen werden, so anders, dass sie aus dem was biologische Evolution (die von der Evolutionstheorie beschrieben wird) genannt wird herausfällt und besser unter dem Begriff „Kultur“ zusammengefasst werden kann, dann ist das ein Standpunkt, den man einnehmen kann und den sehr viele einnehmen. Wenn man diesen Standpunkt einnimmt, dann kommt man z.B. zu der Auffassung, dass eine Reduktion auf das Biologische (und das Physikalische) uns heute und in der Zukunft keinerlei Aufschluss darüber geben wird, warum der Roman als literarischen Gattung entstand. Man kann den Menschen also als das ganz andere Kulturwesen betrachten und es gibt gute Gründe dafür, dass man ihn weit überwiegend so betrachtet.
    Doch einsichtigerweise wird der Mensch (wie wir ihn heute kennen) seine „Natur“ nie los und seine Affekte sind, als die Bausteine von Trieben, sein „inneres“ biologisches Erbe, ebenso wie der Körper sein „äußeres“. Er ist also auch ein Naturwesen.

    Die durchaus spannende Frage, die u.a. bei der Moralentwicklung, der Willensfreiheit und anderen Fragen immer wieder auftaucht, ist einfach, inwieweit der Mensch als „Naturprodukt“ oder „Kulturprodukt“ zu betrachten und zu behandeln ist. Ist der Mensch das von der Natur ganz (oder überwiegend) verschiedene, muss er primär mit den Augen der Kultur betrachtet werden und die Biologie hilft uns nicht sehr viel weiter. Das ist die Einstellung, die ich vertrete. Für die untere Stufen okay, für die oberen Stufen der Entwicklung (falls man der Auffassung zustimmen kann, dass es Stufen der Entwicklung gibt, ich schließe mich dem an) nicht brauchbar.
    Darth ist bspw. der Auffassung, dass Triebe alles erklären und mit alles ist gemeint, alles Leben und das ganze Spektrum des menschlichen Entwicklung. Vor allem der Urtrieb Egoismus, von dem viele Biologen ausgehen soll alles erklären. Dass Problem ist, dass eine Theorie die alles erklärt, nach Popper unwissenschaftlich ist (wie Dir Dein kongenialer Claqueur vermutlich erklären könnte, ansonsten, wiki: https://de.wikipedia.org/wiki/Falsifikationismus ), doch auch, wenn einem Wissenschaftstheorie zu anstrengend ist, sollte man erkennen, dass eine Theorie (wie: alles Egoismus) aus der man ein Verhalten ableiten kann und für den gleichen Fall im Zweifel auch das konträre Verhalten ableiten könnte, keinerlei Trennschärfe und erklärende Kraft mehr hat. Wenn mein Nachbar an der Tür schellt, mich um einen Mixer bittet, ich ihm den a) gerne gebe und b) ihn mit den Worten „Verpiss dich, du dumme Sau, sonst hau ich dir eine rein“, abfertige so ist das beides locker aus dem Egoismus abzuleiten, wie übrigens jedes beliebige andere Verhalten auch noch. Eine solche Theorie ist (in dem Bereich) nichts wert, denn: „Ein empirisch-wissenschaftliches System muss an der Erfahrung scheitern können.“ (Popper, Logik der Forschung, kurz LdF, 17).
    Und wenn etwas alles erklärt, dann gibt es keine einzige Erfahrung an der es scheitern kann.

    Nun erklären eingebaute Hilfksonstruktionen wie der reziproke Altruismus die tierischen Verhaltensweisen m.E. sogar ganz gut und wie erwähnt, auch die unteren Stufen der Entwicklung der Moral und des Sozialverhaltens usw. ebenfalls, irgendwann verlieren sie sich in Beliebigkeit. Das ist meine Kritik an der Geschichte, mehr nicht, aber diese Kritik ist gravierend genug um eine Biologismus als nicht zuständig für weite Bereich des Menschlichen zurückzuweisen.
    Mit Sozialdarwinismus, wie Darth fabuliert, hat das nichts zu tun, mit Wiedergeburt und Kreationismus, hat das leider (für Dich) auch nichts zu tun, aber den Argumenten zu folgen misslingt Dir, weil Du immer wieder den Trick des Kreationisten oder Esoterikers oder katholischen Apologeten oder Evangelikalen oder Freikirchlers … suchst. Aber hier klappt das insgesamt schon besser.

    Lumen hat geschrieben:
    Vollbreit hat geschrieben:Ich behandle, ich dachte es sei erkennbar, in beiden Threads einen weiten Begriff von Evolution. Weit = nicht beschränkt auf die biologische Evolution, diese aber beinhaltend. Dawkins behandelt das Thema Evolution tendenziell weit. Er sagt, wir könnten von unseren egoistischen Gene keine Unterstützung erwarten, bei dem Projekt, aber Evolution selbst sieht er breiter, lies mal nach, was er zu Memen und Memplexen (im „Gotteswahn“) schreibt. Im „blinden Uhrmacher“ und den „Selfish Genes“ fasst er den Begriff „ Leben“ breit als Weitergabe von Information und der Evolutionsprozess ist diese erfolgreiche Weitergabe ob über Meme, Gene oder Computer.


    Ja, wobei er Meme selbst kritisch und hypothetisch sieht. Es gibt zwei Bereiche, wo Evolution das Kerngebiet überschreitet.
    Aha.
    Dann habe ich wohl doch nicht so falsch gelegen.

    Lumen hat geschrieben:Einmal das Prinzip der Selektion und Weitergabe von Mustern, womit auch Evolution auf anderen Planeten denkbar wäre, mit anderen Informationsträgern als DNA. Das ist zwar eine Ausweitung, aber auch eine sehr spezielle und vollkommen logische und konsistente. Es ist letztlich unerheblich, ob genau jene Moleküle kopiert werden, wie auf der Erde, oder ein anderes Molekül, dass z.B. ein Silizium-Lebewesen erzeugt. Auch digital können wir Evolution nachbauen. Das Prinzip läuft dann digital ab, so wie wir auch Physik im Rechner laufen lassen können. Dann kann man zusammenprallenden Objekte oder Flüssigkeitsverhalten simulieren.
    Du brauchst das für mich nicht zu erläutern, ich weiß das, denn ich schreibe es ja die ganze Zeit.

    Lumen hat geschrieben:Die andere Baustelle, wo Evolution die Grenze überschreitet ist beim Menschen selbst.
    Das war der andere Punkt den ich bereits seit zahlreichen Beiträgen beschrieben habe.

    Lumen hat geschrieben:Zwar wird vieles in der evolutionären Psychologie z.B. auch von Vertretern bemängelt -- auch das habe ich schonmal aufgeschrieben irgendwo -- aber insgesamt ist dieser Ansatz ein sinnvoller. Da passt dann Altruismus und solche Sachen auch rein.

    Da gibt es auch Unsinn, das bestreitet niemand auch im Feld selbst. Aber worauf willst du hinaus? Dir scheint das ganze Ding ein Dorn im Auge zu sein.
    Nein, Du hast Dich im Dickicht Deiner Vorurteile verlaufen, mir war das nie ein Dorn im Auge, Du möchtest nur mit aller Gewalt in mir eine Kreationisten sehen. Ich erkenne aber und rechne Dir das an, dass Du ehrlich bist.
    Und Altruismus passt da nur in Ansätzen rein oder genauer gesagt eigentlich gar nicht, denn der aus dem reziproken Egoismus abgeleitete Altruismus ist keiner, wie Dir wiederum Darth bestätigen wird. Es kommt auf die Definition an. Ich würde etwas, was offen oder indirekt primär mir und meinen Bedürfnissen dient und dienen soll nicht Altruismus nennen (sondern einfach Egoismus), sondern als Altruismus in Anlehnung an den von Agent zitierten Batson die Intention, dem anderen zu nutzen beschreiben. Ich weiß aber nicht wie Du das siehst.
    Ein reziproker Egoismus ist damit nicht minderwertig oder schlecht, er ist nur im Kern egoistisch motiviert und dass alles Verhalten (des Menschen) im Kern egoistisch motiviert ist, glaube ich nicht, es ist logisch widersprüchlich und von Batson empirisch widerlegt.

    Lumen hat geschrieben:Wie gesagt, wenn du dich an wem abarbeiten willst, musst du das mit den Leuten ausmachen. Steven Pinker, der ja in dein kritisiertes Feld fallen dürfte, als Tausendassa zwischen Linguistik, experimental und evolutionärer Psychologie, hat einen großen Schinken geschrieben, wo eben genau der umgekehrte Trend attestiert wird. Früher war schlechter, und nicht nur auf Jahrzehnte bezogen, auch auf auf die Jahrhunderte und Jahrtausende hin gerechnet.
    Ich arbeite mich ja an den Gemeinten ab, das sind Dawkins, Darth und immer wieder Du. Darth ist, weil er theoretisch hier nicht folgen kann, uninteressant. Du widersprichst aber vermutlich nicht, weil Du Dawkins wirklich in allen Punkten blind folgst – Pinker ist da sicher schon die bessere Adresse – sondern aus Angst vorm Dammbruch. Hier hast Du die Schleuse mal ein Spalt breit geöffnet und wie Du (hoffentlich) siehst, kommt gar Kreationistenschlamm durch.

    Lumen hat geschrieben:Der einzige, der hier angespannt ist und ab und zu mal histrionische Episoden hat, bist du.
    Ich weiß. ;-)
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