Willensfreiheit bei Schmidt-Salomon

Re: Willensfreiheit bei Schmidt-Salomon

Beitragvon ganimed » Mi 28. Jan 2009, 22:52

AgentProvocateur hat geschrieben:Die ursprünglichen Zustände, die mich hervorgebracht haben, sind nur die ursprünglichen Zustände, die mich hervorgebracht haben. Das ist tautologisch wahr. Und auf diese Zustände hatte ich unbestritten keinen Einfluss.

Gut. Bis hierher stimmen wir überein.

AgentProvocateur hat geschrieben:Ich aber bin das Ergebnis dieser Prozesse, (ich bin jedoch auch teilweise das Ergebnis der Prozesse, die ich mir selber zuordne, die ich also bin, ich hatte also in der Vergangenheit durchaus auch Einfluss auf mich selber)

Die Prozesse, die du dir selber zuordnest. Sind die nicht wiederum das Ergebnis von den "ursprünglichen Zuständen"? Du nennst sie jetzt doch nur deshalb "deine", weil die Kausalkette sich inzwischen in deinem Kopf weiterspinnt (mehr oder weniger). Aber der Anfang jeder dieser Kausalketten liegt doch außerhalb, wenn man nur weit genug zurück geht. Wenn du also in der Vergangenheit Einfluss auf dich selber hattest, dann NUR weil vorher die Umwelt Einfluss auf dich hatte. Ich sehe deshalb keine wirkliche "Eigenleistung", keine wirkliche Unabhängigkeit gegenüber dem Außen. Letztendlich hattest du also nicht wirklich einen eigenen, freien Einfluss auf dich, sondern nur immer einen kausal abhängigen von außen.

AgentProvocateur hat geschrieben:ich existiere, ich bin hier, ich kann denken, reflektieren, unterschiedliche Szenarien durchspielen und somit auch meine Zukunft wesentlich durch meine Entscheidungen beeinflussen.

Das trifft auf mich auch alles zu. Auch ich kann meine Entscheidungen beeinflussen. Aber nur so wie ich es auch tue. Die angeblichen Handlungsalternativen sind lediglich Einbildung. Ich bin, ich denke, ich will. Nur eben nicht frei (im Sinne von "unabhängig von außen"). Der Rest stimmt.

AgentProvocateur hat geschrieben:Der Fakt, dass ich meine ferne Vergangenheit nicht beeinflussen kann, ist dabei unwesentlich, bzw., wenn er doch wesentlich sein sollte, dann müsstest Du das mal begründen.

Er ist wesentlich für die Frage, ob dein Wille frei ist oder nicht. Es geht mir nur um das Adjektiv "frei". Den Willen an sich will ich dir nicht nehmen.

AgentProvocateur hat geschrieben:Aber wenn Du nur ein unbeteiligter Zuschauer deiner selbst bist, dann wäre es vielleicht besser, wenn Du Dich einfach treiben lässt und nur abwartest, was passiert. Du kannst es ja eh nicht ändern. Von daher ist es egal, was passieren wird, denn alles wird geschehen, wie es geschehen wird und zwar ohne Dein Zutun. Du bist ein Zuschauer im Film Deines Lebens.

Wenn ich mich plötzlich treiben lasse, dann ändere ich ja was. Und dennoch setzt du hier voraus, dass ich nichts ändern kann? Deine hier noch einmal formulierte Vorstellung von Unfreiheit erscheint mir widersprüchlich. Natürlich ist das weitere Geschehen von meinem Zutun abhängig. Aber mein Zutun ist eben nicht frei sondern auch abhängig, das ist der einzige Knackpunkt.
Ich kann zwart wirklich nichts ändern, richtig, aber ich bin kein unbeteiligter Zuschauer sondern ein Akteur, und ich kann nichts an meinen Aktionen ändern, sie unterlassen auch nicht. Ich bin beteiligt. Meine Neuronen machen die ganze Zeit ihre Arbeit. Es summt und brummt. Nur ist eben keine wirkliche Eigenleistung dabei. Ich summe nur, weil sich das in meinem Oberstübchen nunmal so ergeben hat.
Ich will und kann gar nicht aufhören, genau so zu funktionieren wie du als "freier". Der einzige Unterschied ist wirklich, dass ich mich nicht "frei" nenne und deshalb meine "moralische Verantwortung" neu definiert werden muss. Ich sage nicht, dass wir die Verantwortung komplett über Bord werfen müssen. Aber irgendwas am bisherigen Begriff in seiner Absolutheit und idealisierten Form kann nicht mehr stimmen.

Was würde denn passieren, wenn wir endlich alle zugeben würden, dass wir nichts weiter sind als Bioroboter. Unsere Entscheidungen sind zwar meistens nicht vorher zu berechnen (weil zu komplex) aber sie sind das Ergebnis von "Programmierung + Zustand + Input". Die Frage, die mich beim Thema Willensfreiheit am meisten interessiert, ist, welche Moral- und Wertevorstellungen man einer Gesellschaft aus solchen Biorobotern empfehlen könnte. Was würde bei denen gut und böse bedeuten? Und wieso sollte man einen Bioroboter jemals loben? Für was?
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Re: Willensfreiheit bei Schmidt-Salomon

Beitragvon ganimed » Mi 28. Jan 2009, 23:27

Pia Hut hat geschrieben:Ich hoffe ihr ertragt noch mal den Umfang, es ist vorläufig der letzte von mir (denn meine Zwänge haben mich nun wieder).

Ich finde deine umfänglichen Beiträge immer spannend. Sehr gut zu ertragen.

Pia Hut hat geschrieben:Was mir das sagt, ist, dass wenn ich mir die Frage determiniert oder nicht, frei oder nicht vorlege, dass mir dabei mein Unterscheidungsvermögen abhanden kommt (wo liegt noch mal wichtig und wo unwichtig). Ich sehe ein, dass ich sie nicht beantworten kann, und wenn ich in die Geschichte der Menschheit blicke, konnte das noch niemand und mir erscheint es dann fast vermessen zu meinen, das ich das könnte.

Wie bitte? Die Fragen konnte noch niemand beantworten? Was ist denn zum Beispiel mit Singer? Der gibt doch ständig eine Antwort. Oder meinst du nur, dass noch niemand dich von seiner Antwort überzeugen konnte?

Ich stimme zu bei den Vorurteilen. Gefährlich und unabdingbar sind sie. Am besten man benutzt sie ganz normal und ist sich möglichst oft ihrer Unzulänglichkeit bewusst. Also immer nur unter Vorbehalt. Und genau da sehe ich eine Linie mit der Frage zur Willensfreiheit. Es ist nämlich doch gut und wichtig, wenn wir unser Hirn in Frage stellen, unsere Vorurteile, unsere Schlussfolgerungen und unsere eigene Souveränität. Nur dann kann man erkennen
    -dass es den Vorurteilen an Informationsbasis mangelt
    -dass unsere Schlussfolgerungen möglicherweise nicht so objektiv, rational und durchdacht sind, wie wir immer glauben
    -dass unsere Souveränität Einbildung ist und die wahren Abhängigkeiten eigentlich berücksichtigt werden sollten

Pia Hut hat geschrieben:Ich halte es für eine Denkfalle nach „Letztursachen“, wie z. B. dem Urknall zu suchen, ebenso wie die Fähigkeiten unseres Hirns grundsätzlich zu hinterfragen, da kommt praktisch nur dabei heraus, dass man dem eigenen Denken misstraut.

Wenn das Denken über jeden Zweifel erhaben wäre, dann wäre ein unberechtigtes Misstrauen sicherlich schlecht. Aber ein gesundes Misstrauen einem höchst labilen und ursächlich eingebundenen Prozess gegenüber halte ich für eine echt gute Sache. Wenn ich mir die Weltgeschichte voll von Tyrannen, selbstherrlichen Prinzipienreitern und eingebildeten Schlaumeiern so anschaue, würde ich wetten, dass wir mit deutlich mehr Selbstzweifeln deutlich besser gefahren wären.

Pia Hut hat geschrieben:Und daher bin ich willens den Willen zu modifizieren, sobald ich rationelle Gründe dafür kenne. Und so kann ich auch wollen, was ich will.

Du modifizierst den Willen aber nur, weil du rationelle Gründe dafür erkennst. Gewollt wäre die Modifikation deines Willens also nur, wenn du das Erkennen von rationellen Gründen steuern könntest. Mir scheint, das kannst du nicht. Du willst, was du willst, ob du nun willst oder nicht.

Pia Hut hat geschrieben:Und weil die Vernunft all zu oft mit dem Verstand gleichgesetzt wird, richtet sich das eigene Gefühl auch gegen diesen. Durch diese Verwechslung kommt es dann zu einer recht merkwürdigen Zweiteilung in uns selbst, wir meinen uns zwischen „Gefühlsmenschen“ und „Verstandesmenschen“ entscheiden zu müssen und dem „einfachen Gemüt“ gilt der Verstandesmensch offenbar auch noch als der besonders Gefährliche.

Bei der vorletzten Präsidentenwahl in USA hörte ich im Fernsehen, wie ein Journalist die Psyche im mittleren Westen abschätzt. Dort kam George W. Bush angeblich auch deshalb so gut an, weil er nicht besonders schlau wirkt. Schlaue Leute, die lange Sätze bilden und vielleicht noch eine Brille tragen, kommen da einfach nicht gut an. Vielleicht misstraut man denen allgemein wirklich mehr als man manchmal denkt. Vielleicht ist auch hier in Deutschland manchmal der mittlere Westen. Und vielleicht kommen deshalb die Politiker gar nicht auf die Idee, in Interviews und Reden ihre unsäglichen Plattitüden zu unterlassen.

Pia Hut hat geschrieben:Es bedarf, als erste Voraussetzung, der Mühsal des Denkens, um „Zwänge“ real überwinden zu können.

Auch hier hilft, dem Verstand im gesunden Maße zu misstrauen. Das bewusste Denken vermag viel weniger als man denkt (wäre jetzt meine Meinung). Hirnforschungsmäßig höre ich jedenfalls, wie viel leistungsfähiger in gewisser Hinsicht das Unterbewusstsein ist. Viel schneller, direkt verdrahtet, keine Übersetzung in abstrakte Begriffe nötig, viel viel mehr Variablen gleichzeitig abwägbar. Trotzdem ist bewusstes Denken natürlich an den entscheidenden Stellen unverzichtbar. Der richtige Mix ist wichtig. Abends nachdenken, dann schlafen und das Unterbewusstsein in Ruhe dran arbeiten lassen und morgens mit gelöstem Problem aufwachen. So oder so ähnlich wird das ja teilweise beschrieben. Gefühl und Verstand, Unter- und Oberbewusstsein, alles ist in unserem Kopf verquirlt wie eine Schüssel Quark mit Erdbeerkompott. Unmöglich nachher einen Löffel zu schöpfen, der nur reinen Quark enthielte. Der Mensch denkt, fühlt, merkt und merkt nicht alles gleichzeitig. Insofern meinen die Begriffe "Gefühlsmensch" und "kopflastig" vermutlich etwas anderes als die Trennung von Emotion und Ratio.
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Re: Willensfreiheit bei Schmidt-Salomon

Beitragvon AgentProvocateur » Mi 28. Jan 2009, 23:58

ganimed hat geschrieben:Die angeblichen Handlungsalternativen sind lediglich Einbildung.

Du realisierst eine davon. Könntest aber auch die andere realisieren, wenn Du das wolltest. Du nennst das nun "Einbildung", aber wann genau wäre Deiner Meinung nach eine gedachte Alternative "real möglich"? Ist es dazu z.B. notwendig, dass man 'A' realisiert und gleichzeitig 'nicht A' realisiert? Wie sollte das aber funktionieren? Eine etwas anspruchsvolle Forderung, findest Du nicht?

ganimed hat geschrieben:Aber mein Zutun ist eben nicht frei sondern auch abhängig, das ist der einzige Knackpunkt.

Ich halte aber nun mal "Abhängigkeit" und "Freiheit" nicht für Widersprüche, im Gegenteil meine ich ja sogar, dass eine von mir unabhängige Entscheidung nicht als meine Entscheidung gelten könnte und somit logischerweise auch nicht als meine freie Entscheidung. Also nur, wenn die Entscheidung von mir abhängig ist, kann ich sie als meine freie Entscheidung ansehen. Das ist eine notwendige Voraussetzung.

ganimed hat geschrieben:Ich will und kann gar nicht aufhören, genau so zu funktionieren wie du als "freier". Der einzige Unterschied ist wirklich, dass ich mich nicht "frei" nenne und deshalb meine "moralische Verantwortung" neu definiert werden muss. Ich sage nicht, dass wir die Verantwortung komplett über Bord werfen müssen. Aber irgendwas am bisherigen Begriff in seiner Absolutheit und idealisierten Form kann nicht mehr stimmen.

Inwiefern meinst Du, dass der Begriff "moralische Verantwortung" absolut und idealisiert gesehen wird? Wo konkret sollte das der Fall sein? Im Recht? Oder wo?

ganimed hat geschrieben:Was würde denn passieren, wenn wir endlich alle zugeben würden, dass wir nichts weiter sind als Bioroboter. Unsere Entscheidungen sind zwar meistens nicht vorher zu berechnen (weil zu komplex) aber sie sind das Ergebnis von "Programmierung + Zustand + Input". Die Frage, die mich beim Thema Willensfreiheit am meisten interessiert, ist, welche Moral- und Wertevorstellungen man einer Gesellschaft aus solchen Biorobotern empfehlen könnte. Was würde bei denen gut und böse bedeuten? Und wieso sollte man einen Bioroboter jemals loben? Für was?

Wenn man Handlungen / Taten nicht mehr einem Individuum zuordnen will, sondern komplett den Umständen, die vor seiner Entstehung statt gefunden haben, dann erscheint es tatsächlich nicht mehr sinnvoll, dieses (dann) Objekt für etwas zu tadeln oder zu loben. Ebensowenig, wie man eine Billardkugel dafür tadelt, dass sie auf den Fuß gefallen ist. Es sei denn, man täte dies aus rein manipulativen Gründen, was aber wohl kaum mehr einen solchen Zweck erfüllen könnte, wenn diese Auffassung eine allgemeingültige wäre. Denn dann würde Lob / Tadel gemeinhin als Manipulation angesehen werden und somit wohl nicht gut ankommen.

Davon unabhängig ist jedoch mAn die Frage nach den Biorobotern. Und unterscheidet mE nichts von hypothetischen Biorobotern, mit Ausnahme dessen, dass ein Bioroboter von jemandem konstruiert worden wäre. Aber das spielte mMn keine Rolle für die Willensfreiheit; will sagen, auch ein solcher Bioroboter wäre, sofern er unsere Fähigkeiten hätte, meiner Auffassung nach ebenso frei in seinen Entscheidungen wie wir.
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Re: Willensfreiheit bei Schmidt-Salomon

Beitragvon HF******* » Do 29. Jan 2009, 00:16

AgentProvocateur hat geschrieben:Du nennst das nun "Einbildung", aber wann genau wäre Deiner Meinung nach eine gedachte Alternative "real möglich"?

Ich antworte mal für ganimed: Gar nicht. Von Alternativen spricht man eigentlich nur, wenn man nicht vorhersehen kann, welche von mehreren Wegen sich ereignen wird… das hat aber nichts damit zu tun, dass die Kausalkette bereits vorher feststeht. Die Alternativen ergeben sich also aus der subjektiven Unkenntnis, sind aber objektiv (^real) gar nicht vorhanden. Alternativen sind aus deterministischer Sicht immer subjektiv.

Zur Verantwortung:
Verantwortung, Schuld, Rache und so weiter funktionieren auch da, wo man sie nicht rational auseinander nimmt. Tut man dies aber, sieht man deren emotionale und zum großen Teil angeborene Ursachen dieser Denkstrukturen. Die Vorstellung von diesen Begriffen gestaltet sich dann etwas anders, wobei sich im Ergebnis nicht unbedingt etwas ändern muss. Im letzten Punkt bin ich mir mit Ganimed wohl nicht so einig…
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Re: Willensfreiheit bei Schmidt-Salomon

Beitragvon AgentProvocateur » Do 29. Jan 2009, 00:30

HFRudolph hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Du nennst das nun "Einbildung", aber wann genau wäre Deiner Meinung nach eine gedachte Alternative "real möglich"?

Ich antworte mal für ganimed: Gar nicht. Von Alternativen spricht man eigentlich nur, wenn man nicht vorhersehen kann, welche von mehreren Wegen sich ereignen wird… das hat aber nichts damit zu tun, dass die Kausalkette bereits vorher feststeht. Die Alternativen ergeben sich also aus der subjektiven Unkenntnis, sind aber objektiv (^real) gar nicht vorhanden.

Ja, nu, das hat aber nix mit einer Kausalkette und / oder Determinismus zu tun, denn es handelt sich doch hierbei schlicht um die folgende tautologische Aussage: "was passieren wird, wird passieren und was nicht passieren wird, wird nicht passieren und (ich definiere:) was nicht passieren wird, war keine 'echte' Alternative". Und diese Aussage (der Teil vor der Definition) ist in jeder Welt wahr, auch in einer indeterministischen Welt. Der Rest ist eine Definition und zwar mE eine gar merkwürdige Definition, denn sie besagt notwendigerweise, dass es niemals 'echte' (oder 'reale' oder 'objektive') Alternativen in unserer linear wahrgenommenen Welt geben kann (es kann niemals gleichzeitig 'A' und 'nicht A' geschehen). Nur 'unechte' Alternativen kann es also geben. Aber diese Unterscheidung ist dann einfach nur sinnlos, bzw. vermag ich beim besten Willen nicht ihren Sinn zu erkennen.

Die spannende Frage ist aber nun, was man nun aus dieser tautologischen Trivialität zu schließen geneigt ist und wieso eigentlich. Ich meine ja eigentlich nicht, dass sie viel Gehaltvolles hergibt und weitere Schlussfolgerungen erlaubt, aber ich bin mal gespannt, vielleicht irre ich mich ja.
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Re: Willensfreiheit bei Schmidt-Salomon

Beitragvon HF******* » Do 29. Jan 2009, 12:05

HFRudolph hat geschrieben:Die Alternativen ergeben sich also aus der subjektiven Unkenntnis, sind aber objektiv (^real) gar nicht vorhanden.


Pardon, gemeint war: Nach dem Determinismus.
Nach den meisten Formen des Indeterminismus sind Alternativen auch objektiv vorhanden, also unabhängig vom jeweiligen Kenntnisstand.

Soweit ich mich entsinne, ging es um die intuitiv empfundenen Verständnismöglichkeiten von Freiheit und im Ergebnis um Verantwortung und Schuld, Gerechtigkeit. Dieses natürliche, intuitive bzw. angeborene Verständnis ist nach dem Determinismus irreal, Schuld ist nicht im kantschen Sinne ansich vorhanden. Diese Vorstellungen sind nur als angeborene Mechanismen verständlich, die im Ergebnis das bewirken, was nach rationaler Überlegung meistens zur Erreichung bestimmter Ziele (friedliches förderliches Zusammenleben) erforderlich wäre. Grob betrachtet ergibt sich also vom Ergebnis der Betrachtung her kaum Korrekturbedarf.

In manchen Fällen aber doch, weil die angeborene Empfindung an Erfordernissen einzelner Individuen oder bestenfalls kleiner Gruppen orientiert ist - diese Erfordernisse stimmen aber in Teilen nicht mit denen überein, die in einer größeren Gesellschaft vorhanden sind. Nach dem (kantschen) intuitiven Rache- und Gerechtigkeitsempfinden der meisten Menschen muss etwa ein Mörder getötet werden. Nach deterministischem Verständnis ist das "dem Mörder böse sein" nichts anderes als ein angeborener Schutzreflex. Begriffe wie Schuld etwa sind danach gerade nicht im kantschen Sinne per se vorhanden, sondern ein Mechanismus, der einer rationalen Zweckkontrolle bedarf. Bei deterministischer Betrachtung ist das ein Selbstgänger. Die angeborene Betrachtung beruht aber gerade auf dem Verständnis, dass man unabhängig von Ursachen auch anders könnte.

Ich möchte behaupten, dass einem Menschen, der das so sieht, der Umgang und die Reflexion eigener und fremder Schuld- oder Rachegefühle ganz anders möglich ist, er ist viel weniger der Getriebene der im Unterbewusstsein verankerten Ursachen, als der Indeterminist es je sein könnte.
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Re: Willensfreiheit bei Schmidt-Salomon

Beitragvon Pfeifer » Do 29. Jan 2009, 13:09

AgentProvocateur hat geschrieben:
Pfeifer hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Inwiefern sind "frei" und "determiniert" sich ausschließende Gegensätze?

Sind sie ja nicht, aber das wird von Philosophen offenbar so gesehen.

Wo, von wem und warum?

Pfeifer hat geschrieben:Determiniert sind Triebe, vererbte Verhaltensweisen oder auch andere auf die jeweilige Handlung Einfluss nehmende Faktoren und andere Dinge, die ich sprachlich nicht benennen kann, die aber zum Verständnis auch nicht sonderlich beitragen.

Deine anscheinend hier vorgenommene Gleichung "determiniert = äußere Gegebenheiten, die wir nicht beeinflussen können" ist falsch, jedenfalls dann, wenn Du damit im Umkehrschluss implizieren willst: Sachverhalte, die wir beeinflussen können, dürfen nicht determiniert sein.


Die erste Frage bezieht sich auf mein philosophisches Wissen. Das ist zugegebenermaßen nicht all zu reich. Daher kann ich deine Fragen auch nicht aus dem Kopf, sondern höchstens nach eindringlicher Recherche in Metzlers Lexikon der Philosophie (das ich als Einziges vorliegen habe) beantworten. Darum ging es aber wohl auch nicht.

Was die Determinierung angeht. Nach meinem Empfinden ist es nur ein Terminus, der der Realität nicht nahe kommt. Alles ist im Wandel. Versteht man Determinierung als für alle Zeiten fest- und aufergelegt, ist das so dann sicher falsch. Letztlich ist mein Verhalten nicht festgelegt, aber es verändert sich in eine für mich und meine Persönlichkeit typische Weise. Man sollte sich nicht einen einzelnen Begriff rausnehmen mit der Vorgabe, damit alles erklären zu können. Alles ist ein Teil in einem großen wunderbaren Mosaik.
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Re: Willensfreiheit bei Schmidt-Salomon

Beitragvon AgentProvocateur » Do 29. Jan 2009, 21:05

HFRudolph hat geschrieben:
HFRudolph hat geschrieben:Die Alternativen ergeben sich also aus der subjektiven Unkenntnis, sind aber objektiv (^real) gar nicht vorhanden.

Pardon, gemeint war: Nach dem Determinismus.
Nach den meisten Formen des Indeterminismus sind Alternativen auch objektiv vorhanden, also unabhängig vom jeweiligen Kenntnisstand.

Was soll den nun "objektiv vorhanden" genau bedeuten? Darunter kann ich mir nichts vorstellen.

Nehmen wir einmal an, vor mir lägen zwei Kugeln, eine schwarz und eine weiß. Ich nehme die schwarze, aber ich hätte auch, wenn ich das gewollt hätte, die weiße nehmen können. Daher hatte ich dann meiner Auffassung nach (mindestens) zwei Alternativen. Ich hatte aber nicht die Alternative, eine grüne Kugel zu nehmen, denn da war keine grüne Kugel.

Das ist mein Begriff von "Alternativen".

Du scheinst aber eine andere Auffassung davon zu haben, was "Alternativen" sind. Ist mir aber unklar. Wie würde die oben beschriebene Situation mit den beiden Kugeln konkret in einem Indeterminismus aussehen, so dass Du von "echten" Alternativen sprechen würdest?

Und wie genau unterscheidet man Deiner Auffassung nach eigentlich "echte" Alternativen von "unechten" Alternativen? Wie könnte ein wissenschaftlicher Versuchsaufbau dazu aussehen?
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Re: Willensfreiheit bei Schmidt-Salomon

Beitragvon HF******* » Fr 30. Jan 2009, 11:06

AgentProvocateur hat geschrieben:Nehmen wir einmal an, vor mir lägen zwei Kugeln, eine schwarz und eine weiß. Ich nehme die schwarze, aber ich hätte auch, wenn ich das gewollt hätte, die weiße nehmen können. Daher hatte ich dann meiner Auffassung nach (mindestens) zwei Alternativen.

Subjektiv empfunden gab es diese Alternative, tatsächlich musstest Du die Schwarze nehmen. Für Deine Willensentscheidung gab es Ursachen, vor allem die Zustände Deines Gehirns. Auch wenn Du die Ursachen Deiner Willensentscheidung nicht intuitiv empfindest, gab es sie doch. Die Ursachen bzw. die Ursachenkette hierzu lag zeitlich vor Deiner Entscheidung. Es stand bereits vor Deiner Entscheidung fest, dass Du die schwarze Kugel nehmen musstest. Du hast es also als Alternative empfunden, obwohl es keine Alternative zur schwarzen Kugel gab.

AgentProvocateur hat geschrieben:Wie würde die oben beschriebene Situation mit den beiden Kugeln konkret in einem Indeterminismus aussehen, so dass Du von "echten" Alternativen sprechen würdest?

Das hängt davon ab, um welche Form des Indeterminismus es geht. Nehmen wir an, die Willensentscheidungen wären akausal, dann würde im Zeitpunkt der Entscheidung das Gehirn wie ein echter Zufallsgenerator auswählen (den kann es natürlich aus deterministischer Sicht nie geben). Es hätten also vor der Entscheidung noch mehrere Möglichkeiten bestanden, wie ausgewählt wird, schwarz, weiß, gar nicht gewählt, beides u. s. w. In dem Fall wäre es nicht nur subjektiv, sondern auch objektiv eine wählende Entscheidung zwischen Alternativen gewesen.

AgentProvocateur hat geschrieben:Und wie genau unterscheidet man Deiner Auffassung nach eigentlich "echte" Alternativen von "unechten" Alternativen? Wie könnte ein wissenschaftlicher Versuchsaufbau dazu aussehen?

Um zu untersuchen, ob es echte Alternativen gibt?
Das wäre ein Versuchsaufbau zum Kausalgesetz ansich. Ich würde dazu möglichst viele möglichst unterschiedliche Sachverhalte betrachten: Also zum Beispiel alle in der Wissenschaft je vorgenommenen Untersuchungen.

@Pfeifer: Du beurteilst die physikalische Realität nach Deinem Empfinden...!?
Dann ist die Relativitätstheorie also falsch - nur um ein Beispiel zu nehmen....!?
Ich nehme an, Du würdest die Ziehung der Lottozahlen für ein echt akausales Ereignis halten, weil Du die Ursache nicht empfindest...?
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Re: Willensfreiheit bei Schmidt-Salomon

Beitragvon AgentProvocateur » Fr 30. Jan 2009, 13:53

HFRudolph hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Nehmen wir einmal an, vor mir lägen zwei Kugeln, eine schwarz und eine weiß. Ich nehme die schwarze, aber ich hätte auch, wenn ich das gewollt hätte, die weiße nehmen können. Daher hatte ich dann meiner Auffassung nach (mindestens) zwei Alternativen.

Subjektiv empfunden gab es diese Alternative, tatsächlich musstest Du die Schwarze nehmen.

Ich wollte sie nehmen und deswegen habe ich sie genommen. Das ist der entscheidende Punkt.

In einer Welt, in der es mir nur möglich ist, das zu tun, für das ich mich entscheide und in der es mir unmöglich ist, das zu tun, für das ich mich nicht entscheide, würde ich mich in keinster Weise eingeschränkt fühlen. D.h., es macht mE keinen Sinn, zu sagen: ich muss das tun, was ich tun will. Oder auch: ich muss das wollen, was ich will.

HFRudolph hat geschrieben:Es stand bereits vor Deiner Entscheidung fest, dass Du die schwarze Kugel nehmen musstest. Du hast es also als Alternative empfunden, obwohl es keine Alternative zur schwarzen Kugel gab.

Doch, die gab es (in meinem Sinne) durchaus. Durch meine Entscheidung habe ich mich jedoch auf eine davon festgelegt und ab dem Zeitpunkt, zu dem ich die Alternative realisiert habe, gab es natürlich keine andere Alternative mehr. Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, ob man im Nachhinein theoretisch eine Kausalkette konstruieren kann oder ob man das nicht kann. Ich meine auch, dass dies das übliche Verständnis von Alternativen ist und nicht Deine Auffassung. Der Punkt hierbei ist auch, dass es mir prinzipiell unmöglich ist, diese eventuelle Kausalkette im Vorneherein zu berechnen und dann irgendwie an diese Berechnung gebunden wäre. (Wenn dem nicht so wäre, dann wäre ich objektiv unfrei).

HFRudolph hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Wie würde die oben beschriebene Situation mit den beiden Kugeln konkret in einem Indeterminismus aussehen, so dass Du von "echten" Alternativen sprechen würdest?

Das hängt davon ab, um welche Form des Indeterminismus es geht. Nehmen wir an, die Willensentscheidungen wären akausal, dann würde im Zeitpunkt der Entscheidung das Gehirn wie ein echter Zufallsgenerator auswählen (den kann es natürlich aus deterministischer Sicht nie geben). Es hätten also vor der Entscheidung noch mehrere Möglichkeiten bestanden, wie ausgewählt wird, schwarz, weiß, gar nicht gewählt, beides u. s. w. In dem Fall wäre es nicht nur subjektiv, sondern auch objektiv eine wählende Entscheidung zwischen Alternativen gewesen.

Eine Person, die ihre Entscheidungen von einem (indeterminierten) Quantenwürfel abhängig machen würde, wäre ja wohl deswegen kaum freier als eine Person, die ihre Entscheidungen mit einem normalen (determinierten) Würfel auswürfelt, oder etwa doch?

Ich halte dieses Konzept der "objektiven" Alternativen, gebunden an echten Zufall, für unsinnig. Das Nichtvorhandensein dieser "objektiven" Alternativen hat mE keinen Einfluss auf unsere Konzepte von Freiheit und Verantwortung.

Im Gegenteil sogar: eine Zufallsentscheidung wäre keine Entscheidung der Person und für ein Handeln, das die Person nicht kontrollieren kann, weil es einfach zufällig geschieht, könnte sie nicht zur Verantwortung gezogen werden.

Alles wird so passieren, wie es passieren wird. Egal, ob determiniert oder indeterminiert. Das spielt dabei überhaupt keine Rolle. Die Frage kann hier mE also nur lauten, inwieweit eine Person selbstbestimmt und inwieweit sie fremdbestimmt ist, inwieweit man also ihre Überlegungen und ihre Handlungen ihr zuordnen kann und inwieweit nicht.

Euer Argument ist nun wohl, die Person sei (komplett!) fremdbestimmt durch ihre Vergangenheit. Das Transferprinzip der Freiheit also. Aber ist das tatsächlich plausibel? Ich meine nicht, siehe dazu noch mal meinen Link weiter oben.

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Was anderes noch: dass es keine "objektiven Alternativen" in Deinem Sinne geben kann, hat übrigens nicht unbedingt etwas mit Determinismus zu tun. Denken wir uns mal ein allwissendes Wesen in einer indeterminierten Welt, das einfach so genau weiß, wie die Zukunft verlaufen wird (aber dieses Wissen für sich behält). Nach Deiner Argumentation, wenn ich das richtig verstehe, müsste man dann annehmen, dass Menschen nicht frei sein könnten (weil sie keine "objektiven" Alternativen hätten). Und zwar nur aufgrund dessen, dass dieses Wesen die Zukunft kennt! Und wenn das Wesen plötzlich aufhörte zu existieren, dann könnten Menschen frei sein. Was sich doch irgendwie merkwürdig anhört, findest Du nicht?
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Re: Willensfreiheit bei Schmidt-Salomon

Beitragvon HF******* » Fr 30. Jan 2009, 16:05

Also eigentlich ist es mir egal, was jemand zu dem Thema vertritt, man kann sich auch nicht in dem Sinne darum streiten, ob einer sagt, die Welt ist determiniert und der andere sagt nein, ist sie nicht, doch, nein, doch, nein - so enden diese Art von Diskussionen.

AgentProvocateur hat geschrieben:Eine Person, die ihre Entscheidungen von einem (indeterminierten) Quantenwürfel abhängig machen würde, wäre ja wohl deswegen kaum freier als eine Person, die ihre Entscheidungen mit einem normalen (determinierten) Würfel auswürfelt, oder etwa doch?

Genau, wenn eine Person ihre Entscheidungen von einem Würfel abhängig machen könnte und würde, dann wäre diese Person unfrei in unserem Sinne, unabhängig von der Frage, um was für einen Würfel es sich handelt (wobei ein von einer korrekten Maschine geworfener Würfel möglicherweise immer gleich fallen würde, davon einmal abgesehen).

Zudem wäre eine Person geisteskrank, die quasi einen (echten) Zufallsgenerator im Kopf hätte, der an ihren Entscheidungen mitwirkt, jedenfalls aber nicht selbstbestimmt und frei im eigentlichen Sinne, sondern bestimmt von etwas, das jenseits des eigenen Selbst steht.

Das Wort "Quanten" hat mit der Fragestellung des Indeterminismus nichts zu tun, das nur am Rande...

AgentProvocateur hat geschrieben:Das Nichtvorhandensein dieser "objektiven" Alternativen hat mE keinen Einfluss auf unsere Konzepte von Freiheit und Verantwortung.

Es ist meistens genau umgekehrt, wie die Indeterministen denken: Ein akausal denkender Mensch wäre verantwortungslos im wahrsten Sinne des Wortes, eine Strafe sinnlos.

Das klassische (angeborene) Verständnis von Schuld, Sühne, Verantwortung pp. führt zu einer Verselbständigung der Begriffe. Nach Kants Meinung etwa hätte selbst der letzte Mensch auf Erden noch hingerichtet werden müssen, wenn er ein Mörder wäre - also völlig unabhängig von der Frage, ob eine Racheemotion bzw. das Empfinden von Verantwortung überhaupt noch ihren Zweck erfüllen können. Genau darum geht es im Ergebnis, dass dieses kantsche Verständnis falsch ist. Wenn man einen Straftäter wie in Clockwork Orange tatsächlich so behandeln könnte, dass er ungefährlich wäre und er das auch wollen würde, dann gäbe es keinen Zweck mehr, irgendwelche Rachegelüste in Form einer als gerecht empfundenen Strafe umzusetzen. In dem Sinne ist das kantsche Verständnis von Schuld, Sühne, Gerechtigkeit falsch - ich würde sagen es ist in der kantschen Reinform objektiv böse. Das kantsche Verständnis geht über die Zuordnung von Verantwortung zu Präventionszwecken weit hinaus. Bei Fehlen objektiver Alternativen verlieren diese Begrifflichkeiten ihren eigentlichen Sinn, bei indeterministischer Sicht passt es auch nicht, wobei das meist übersehen wird. Insofern hat das etwas mit dem Kausalgesetz zu tun.

Die Bestrafung eines Menschen mit teils akausalen Gedanken wäre allenfalls insoweit sinnvoll, als dieser Mensch die Möglichkeiten einschränken könnte, in Zukunft seinen Zufallsgenerator mit Fragestellung auf die Willensentscheidung bezüglich einer Straftat anzuwerfen. Wenn er das nicht könnte, hätte die Bestrafung eines solchen Menschen in keinerlei Hinsicht einen Sinn, aus Präventionsgründen nicht, weil der Zufallsgenerator immer wieder so entscheiden kann, und aus dem kantschen Schuldverständnis nicht, weil es in jeder Hinsicht Unfug ist. Ich fürchte allerdings, dass so weit die wenigsten Indeterministen mitgehen würden, sondern dass der Normalindeterminist am angeborenen Schuldverständnis festhält - denn dann dürfte der Indeterminist genaugenommen keine Indeterministen mehr sein:

Es ist ja tatsächlich gerade nicht so, dass man sich nur oft genug eine Pistole an den Kopf halten muss, um irgendwann auch zufällig abzudrücken.

Schmidt-Salomon etwa macht es genau umgekehrt, er geht von bestimmten Determinanten aus, nimmt aber den Willen als wesentlich akausal an. Aufgrund der wesentlichen Determinanten hält er den Menschen dann für weniger verantwortlich bzw. strafwürdig, nicht aufgrund der Annahme von Akausalität. Genau umgekehrt wäre es richtig: Aufgrund der Determiniertheit hat Strafe überhaupt nur einen Präventionszweck für die Zukunft. Wenn echte Akausalität im Spiel wäre, könnte durch eine Strafe keine Prävention erreicht werden, es sei denn die, dass sich die Person nicht in Situationen begibt, in der sie die Tat begangen hat: Dafür wird sie aber nicht bestraft, sondern für die Tat selbst. Sie kann sich - so oft sie will - wieder in diese Situationen begeben, bis der Zufallsgenerator in Richtung Straftat auslöst und dafür wird die Person dann bestraft: Das kommt nach Schmidt-Salomonschem Verständnis heraus (ich hoffe, ich tue ihm jetzt nicht Unrecht)...

Der Mensch kann nur in einem vollständig determinierten System subjektiv frei sein (objektiv nie). In einem indeterminierten System wäre er - je nach Ausprägung - Opfer echten Zufalls, getrieben vom echten Zufall, der immer jenseits der eigenen Persönlichkeit liegt - das wäre mal ein echter Grund für Fatalismus, den Schmidt-Salomon ja gerade dem Determinismus zuschreibt...
Zuletzt geändert von HF******* am Fr 30. Jan 2009, 16:47, insgesamt 4-mal geändert.
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Re: Willensfreiheit bei Schmidt-Salomon

Beitragvon HF******* » Fr 30. Jan 2009, 16:30

AgentProvocateur hat geschrieben:Denken wir uns mal ein allwissendes Wesen in einer indeterminierten Welt, das einfach so genau weiß, wie die Zukunft verlaufen wird.

Die Annahme ist paradox und widerspricht sich selbst: Wenn ein allwissendes Wesen die Zukunft kennt, dann muss sie dazu feststehen. Sonst bezieht sich die Vorstellung auf etwas, was dann vielleicht (echt) zufällig die Zukunft wird - das könnte man aber nicht als Kenntnis bezeichnen.

AgentProvocateur hat geschrieben:Was anderes noch: dass es keine "objektiven Alternativen" in Deinem Sinne geben kann, hat übrigens nicht unbedingt etwas mit Determinismus zu tun. Denken wir uns mal ein allwissendes Wesen in einer indeterminierten Welt, das einfach so genau weiß, wie die Zukunft verlaufen wird (aber dieses Wissen für sich behält). Nach Deiner Argumentation, wenn ich das richtig verstehe, müsste man dann annehmen, dass Menschen nicht frei sein könnten (weil sie keine "objektiven" Alternativen hätten).


Das hängt vom Grad des angenommenen Indeterminismus ab. Grundsätzlich gäbe es in einer indeterminierten Welt gerade doch objektive Alternativen - in einer determinierten Welt gäbe es sie nicht. Trotzdem könnten Menschen in einer indeterminierten Welt nicht frei sein, wenn sich der Indeterminismus auch noch in einer echten Zufälligkeit der Willensentscheidungen auswirken würde, weil sie Opfer des Zufalls und nicht Herr ihrer selbst wären.

AgentProvocateur hat geschrieben:Und zwar nur aufgrund dessen, dass dieses Wesen die Zukunft kennt!

:lachtot: Da hast Du eindeutig irgendetwas falsch verstanden. Das hat nichts mit der Kenntnis irgendeines Wesens zu tun.
Der Laplacesche Dämon wird nur zur Veranschaulichung des Determinismus herangezogen.
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Re: Willensfreiheit bei Schmidt-Salomon

Beitragvon AgentProvocateur » Fr 30. Jan 2009, 18:45

HFRudolph hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Eine Person, die ihre Entscheidungen von einem (indeterminierten) Quantenwürfel abhängig machen würde, wäre ja wohl deswegen kaum freier als eine Person, die ihre Entscheidungen mit einem normalen (determinierten) Würfel auswürfelt, oder etwa doch?

Genau, wenn eine Person ihre Entscheidungen von einem Würfel abhängig machen könnte und würde, dann wäre diese Person unfrei in unserem Sinne, unabhängig von der Frage, um was für einen Würfel es sich handelt [...].

Fein.

Fragen wir doch nun einfach mal weiter, ob wir eine Person, die eine Entscheidung aus eigenem Wissen und Gewissen trifft, als freier / selbstbestimmter / autonomer ansehen würden, als eine solche Person, die keinen Einfluss auf ihre Handlungen hat (weil diese rein zufällig / unabhängig von ihr sind). Ich meine, das ist so, das tun wir. Ist das nun tatsächlich so unberechtigt und falsch, wie hier behauptet wird?

Das wäre mE z.B. dann der Fall, wenn man die Konzepte "Freiheit" / "Selbstbestimmung" / "Autonomie" nur in Extremen / binär denken könnte (entweder ist jemand vollkommen frei oder er ist überhaupt nicht frei - eine andere Möglichkeit gibt es nicht). Aber warum sollte man das wohl tun? Wäre mE arg begründungsbedürtig, denn das leuchtet mir einfach so per se nicht ein.

Deine restlichen Ausführungen beschäftigen sich mit den Fragen: was sollen wir tun, was ist richtig, was ist wahr? Diese Fragen ergeben mE nur dann einen Sinn, wenn man in Möglichkeiten / Alternativen denkt und von einer eigenen Steuerungsfähigkeit / Möglichkeit zur Beeinflussung der Zukunft ausgeht, mit anderen Worten, wenn man sich selber als handelndes und verantwortliches Subjekt ansieht. Was dann aber Freiheit impliziert, (so wie ich sie verstehe). Oder aber man empfindet seine Gedanken, Überlegungen und Äußerungen nicht als seine eigenen, sondern als die von jemand Fremden. Aber das liegt etwas außerhalb meiner Vorstellungskraft, ich hielte das für schizophren.

HFRudolph hat geschrieben:
Denken wir uns mal ein allwissendes Wesen in einer indeterminierten Welt, das einfach so genau weiß, wie die Zukunft verlaufen wird.

Die Annahme ist paradox und widerspricht sich selbst: Wenn ein allwissendes Wesen die Zukunft kennt, dann muss sie dazu feststehen.

Nein, die Annahme ist nicht paradox. Es ist ein philosophisches Gedankenexperiment. Paradox erscheint Dir das nur deswegen, weil Du wohl einige unausgesprochene Zusatzannahmen über diese Welt triffst, die ich nicht treffe. Keine Ahnung übrigens, wie Du darauf kommst, dieses gedachte Wesen hätte etwas mit dem Laplace'schen Dämon zu tun. Ist doch wohl offensichtlich nicht der Fall.

Wenn das Wesen die Zukunft kennt, dann kann man wohl mit einiger Berechtigung sagen, dass diese feststeht. Die eigentliche Frage ist doch hierbei die: Du scheinst zu meinen, weil die Zukunft feststeht, kann es keine Freiheit geben. Aber, zum wiederholten Male: das ist nicht so selbstverständlich, wie Du zu glauben scheinst, das bedarf einer Begründung. Ich meine nämlich nicht, dass alleine dieses Wissen des Wesens meine Freiheit in irgend einer Weise einschränken würde (sofern das Wesen sein Wissen für sich behält).

Oder behauptest Du: weil man theoretisch die Zukunft aus der Vergangenheit genau ermitteln könnte, ist sie nicht frei?

Ach nein, das kannst Du ja nicht behaupten, denn man kann ja prinzipiell nicht seine eigene Zukunft vorher berechnen.

Oder behauptest Du schlicht folgendes: weil sich ein Mensch nicht selber aus dem Nichts erschaffen kann, kann er nicht frei sein, weil Freiheit absolut sein muss? (Binäres Denken also?) Wenn ja: wieso?

Oder behauptest Du dies: Freiheit bedeutet Freiheit von Kausalität und Freiheit von Kausalität bedeutet Unfreiheit? Klänge aber ein bisschen unlogisch, findest Du nicht?

HFRudolph hat geschrieben:Grundsätzlich gäbe es in einer indeterminierten Welt gerade doch objektive Alternativen - in einer determinierten Welt gäbe es sie nicht.

Wofür sind objektive Alternativen nochmal wichtig und was folgt daraus, dass es logischerweise keine objektiven Alternativen in Deinem Sinne geben kann und wieso folgt das daraus?
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Re: Willensfreiheit bei Schmidt-Salomon

Beitragvon Pia Hut » So 1. Feb 2009, 16:25

nur kurz zu ganimed: Zu meiner Behauptung, dass die Menschheit zur Frage determiniert oder nicht, noch nie eine Antwort wusste - will sagen, der Streit wurde nie entschieden. Wer käme denn schon auf die Idee zu behaupten, es habe keine individuellen Antworten gegeben. Diese gab es immer: entweder „ja“ oder „nein“ und diese Antworten hatten in der Geschichte auch unterschiedliche Hochkonjunkturen. Die Frage trat auch in unterschiedlichen Spielarten auf - ich zumindest sehe sehr deutliche Parallelen zur Frage Umwelt oder Genetik (determiniert).
Das Falsche daran mE: v.a. die entweder-oder Fragestellung

Zu deterministischen Hirnforschern noch eine letzte Frage: Kennt irgendjemand einen anderen Beweis, der für das „Ja-determiniert“ angeführt wird, außer der eigenen Denkvoraussetzung? Diese lautet: man muss in Kausalitäten denken, es gilt nur Ursache und Wirkung, die Wechselwirkung gibt es nicht. (von ihrem „Ursprungsbeweis“ dem Libet-Experiment haben sie ja selbst schnell Abstand genommen)
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Re: Willensfreiheit bei Schmidt-Salomon

Beitragvon HF******* » Mo 2. Feb 2009, 17:06

@PiatHut: Die Naturwissenschaft insgesamt ist der Beleg des Determinismus.
(Die nichtfunktionierenden Religionen sind der Gegenbeweis...?)

AgentProvocateur hat geschrieben:Wenn das Wesen die Zukunft kennt, dann kann man wohl mit einiger Berechtigung sagen, dass diese feststeht.

Sag ich doch. Dann widersprechen sich die Annahme eines Wesens, dass die Zukunft kennt und eine indeterministische Welt.

AgentProvocateur hat geschrieben:Die eigentliche Frage ist doch hierbei die: Du scheinst zu meinen, weil die Zukunft feststeht, kann es keine Freiheit geben.

Das war Ganimed, nicht ich. Wenn ich das geschrieben habe, müsste man fragen, welcherlei Art Freiheit gemeint war.
Mehr als subjektive Freiheit kann man nicht erwarten.

AgentProvocateur hat geschrieben:Ach nein, das kannst Du ja nicht behaupten, denn man kann ja prinzipiell nicht seine eigene Zukunft vorher berechnen.

Verstehe ich nicht: Was meinst Du mit „prinzipiell“? Man kann es nicht praktisch, theoretisch schon.
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Re: Willensfreiheit bei Schmidt-Salomon

Beitragvon ganimed » Mo 2. Feb 2009, 22:01

Pia Hut hat geschrieben:Zu meiner Behauptung, dass die Menschheit zur Frage determiniert oder nicht, noch nie eine Antwort wusste - will sagen, der Streit wurde nie entschieden. ... Das Falsche daran mE: v.a. die entweder-oder Fragestellung

Ja, die Fragestellung ist offenbar der heikle Punkte.

Ich glaube, dass dem Singer eigentlich kaum jemand widerspräche, wenn er seine Aussage neutral hielte und keine Schlussfolgerung einbaute. Also einfach nur das mit den Neuronen anführen und vielleicht noch folgern, dass menschliche Entscheidungen nur von biochemischen und letztlich äußeren Ursachen abhängen. Diese Frage ist, glaube ich, in der Fachwelt auch nicht mehr umstritten.

Strittig wird es erst, wenn man den heiklen Begriff der "Willensfreiheit" dazu gibt und dann gleich mit philosophischen, moralischen und gesellschaftlichen Konsequenzen daher kommt. Das, nehme ich an, ist die eigentliche "Provokation" der Hirnforscher.
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Re: Willensfreiheit bei Schmidt-Salomon

Beitragvon Pia Hut » Mi 4. Feb 2009, 15:30

Ja, ganimed dem kann ich zustimmen und würde noch einen Schritt weitergehen. Wir werden uns vermutlich auch darin einig der Naturwissenschaft größere Objektivität zuzubilligen. Aber in der Erklärung (woran das liegt?), trennen wir uns.

Du tendierst offenbar dazu, es an dem Kriterium „Messbarkeit“ festmachen zu wollen. Mir sind allerdings einige plausible Einwände dagegen bekannt (unter dem Stichwort Empirismus, auch Szientismus und Intellektualismus zu finden).

Auch Kausalitätsketten scheinen mir nicht das entscheidende Kriterium zu sein. Aus diesen kommt man zwar notwendig zum Determinismus, aber ich meine, dass sich auch die Naturwissenschaft in ihren einzelnen Sparten, immer wieder von dieser Denkhilfe trennen musste, will sie nicht in Tautologien bzw. Paradoxien (Was war zuerst? Henne oder Ei) landen. Habe leider zu wenig Zeit, um geeignte Bsp. rauszusuchen.

Mein Verdacht geht dahin, dass es das Bemühen um „Wertfreiheit“ ist, durch das die Naturwissenschaft zur Objektivität gelangt.
Wenn wir von „Willen“ oder „bewusstem Willen“ gesprochen hätten, wäre wahrscheinlich niemand auf die Idee gekommen die Existenz dieses Phänomens zu leugnen. In Schwierigkeiten bringt uns der Begriff „frei“, weil wir mit ihm eine „Wertedebatte“ unterschwellig mitführen. Frei von Atemluft zu sein ist sicher nicht positiv zu sehen, aber so verwendet diesen Begriff auch niemand, ihm hängt schon immer ein +Zeichen an. (Habe übrigens noch etwas bei Sartre rumgelesen und fürchte bei ihm bekommt der Begriff auch eine all zu hohe Weihe. Das endet nach meinem Eindruck damit, dass er Menschen in absoluten Zwangslagen für besonders frei hält - neben dem Kriegsbeispiel, hält er das z.B. auch für die Widerstandskämpfer im Nationalsozialismus für zutreffend. das stellt die Situation doch irgendwie auf den Kopf).

Auch einige Philosophen haben schon um diese Objektivität gerungen. Einer der ersten war wohl Hegel. Falls dich ein kleiner Einblick in die Debatte interessiert, könnte evtl. dieser Artikel von Hans Albert http://www.gkpn.de/fossati.pdf dienen, wobei ich mich (aber nur sehr bedingt) im kritischen Rationalismus wiederfinde.
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Re: Willensfreiheit bei Schmidt-Salomon

Beitragvon Peter Janotta » Mi 4. Feb 2009, 21:50

Hmm, zu der von dir angesprochenen Thematik möchte ich die Unart begehen meinen eigenen Post in einem anderen Thema zu zitieren, weil ich mich darin genau mit der Objektivität in der Wissenschaft befasse:

Peter Janotta hat geschrieben:Forschungsergebnisse erheben den Anspruch von jedem nachvollzogen werden zu können. Beim gleichen Versuchsaufbau sollten immer wieder die gleichen Ergebnisse auftreten. Darüber hinaus führen auch völlig unterschiedliche Experimente, die aber die selben Größen untersuchen, zu den gleichen Ergebnissen. Ist das nicht der Fall und das abweichende Ergebnis auch nicht durch Fehler erklärbar, muss die zugehörige wissenschaftliche Theorie verworfen werden.

http://www.forum.brights-deutschland.de/viewtopic.php?f=3&t=2729#p47351
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Re: Willensfreiheit bei Schmidt-Salomon

Beitragvon AgentProvocateur » So 8. Feb 2009, 15:34

HFRudolph hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Wenn das Wesen die Zukunft kennt, dann kann man wohl mit einiger Berechtigung sagen, dass diese feststeht.

Sag ich doch. Dann widersprechen sich die Annahme eines Wesens, dass die Zukunft kennt und eine indeterministische Welt.

Nein, nur dann, wenn Du "feststehende Zukunft" mit "determinierter Zukunft" gleich setzen willst. Dazu gibt es aber keinen Grund. Man kann sich ein Wesen vorstellen, dass die Zukunft einfach so kennt.

HFRudolph hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Die eigentliche Frage ist doch hierbei die: Du scheinst zu meinen, weil die Zukunft feststeht, kann es keine Freiheit geben.

Das war Ganimed, nicht ich. Wenn ich das geschrieben habe, müsste man fragen, welcherlei Art Freiheit gemeint war.
Mehr als subjektive Freiheit kann man nicht erwarten.

Freiheit ist mE eine soziale Kategorie, keine naturwissenschaftliche. Es ist einfach der Grundfehler der Hirnforscher, solches anzunehmen, bzw. zu behaupten, zum Beispiel unser Recht oder unser Menschenbild hinge von einem solchen (in sich unmöglichen) "objektiven" Verständnis von Freiheit ab.

Man unterscheidet im Alltagsleben und auch im Recht zwischen Handlungen, die unter Kontrolle des Handelnden lagen und solchen, die es nicht waren. Man sagt nicht, so dürfe man nicht unterscheiden, weil alles auf den Urknall zurückzuführen sei, daher alles dieselbe Ursache hätte und die Unterscheidung also falsch wäre. Das führt zu nichts.

HFRudolph hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Ach nein, das kannst Du ja nicht behaupten, denn man kann ja prinzipiell nicht seine eigene Zukunft vorher berechnen.

Verstehe ich nicht: Was meinst Du mit „prinzipiell“? Man kann es nicht praktisch, theoretisch schon.

Wenn Du berechnest, was Du morgen tun wirst, dann erlangst Du durch die Berechnung neues Wissen, das dann in eine neue Berechnung einfließen muss, deren Ergebnis wieder in eine neue Berechnung einfließen muss, usw. ad infinitum.

Einfaches Beispiel: vor mir liegen zwei Kugeln, eine schwarz, eine weiß. Du sollst für mich die Berechnung ausführen und mir mitteilen, welche Kugel ich morgen um 12 Uhr nehmen werde. Ich gebe Dir die Information, dass ich nicht diejenige Kugel nehmen werde, die Du mir ausrechnest, sondern die andere. Dann ist diese Berechnung für Dich prinzipiell unmöglich.
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Re: Willensfreiheit bei Schmidt-Salomon

Beitragvon Pia Hut » Do 19. Feb 2009, 15:07

zu Peter Janotta: Ja das Experiment ist auch ein wichtiges Instrument der Naturwissenschaft um Theorien, die sie aus Naturanschauungen entwickelt hat zu überprüfen und gegebenenfalls zu verwerfen. Aber die Mathematik z.B., die mitunter als eine Art „Königswissenschaft“ betrachtet wird und der mancher die größte Objektivität zuschreibt, bedarf dieses Instrumentes kaum. Des weiteren bleibt immer noch die Frage die mich bewegte: wenn man sich Themenfeldern wie "Menschennatur" und Gesellschaft annimmt, also originären Feldern der Geisteswissenschaften, muss man da von jeglicher Objektivität Abstand nehmen. Deine Antwort interpretiere ich mal so, dass man nur ordentlich experimentieren müsste? (Ich denke nicht dass du das meinst, eher das dir meine Frage nicht klar ist) Denn da muss ich gar nicht erst an die Ärzte in KZ´s denken, dass mir bei dem Gedanken mulmig wird. Ich finde schon Hirnforscher unredlich, die ihre Versuchspersonen nicht genau über den Versuch informieren. Also ich käme mir dabei ziemlich verarscht vor und empfinde das eher als eine Art „Wissenschaftsautoritätshuberei“ es anders zu sehen. Na gut wenn die Wissenschaftler den Placedoeffekt studieren wollten, lasse ich es mir gerade noch einleuchten, das mir bei dem Versuch wichtige Infos vorenthalten werden, dennoch ist es eher unwahrscheinlich, dass ich mich zu einem solchen Versuch überreden lassen würde. Und da ich als Individuum um meine Eingebundenheit in Gesellschaft+ihrer gültigen Regeln und Angewiesenheit auf andere Mitglieder meiner Gattung weiß, stört es mich auch, wenn man andere als „Versuchskaninchen“ behandelt.
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