Minimaler Naturalismus

Re: Minimaler Naturalismus

Beitragvon gerhard » Mi 12. Nov 2008, 09:09

Warum kann der hier beschriebene "minimale" - also der entgeisterte, entzauberte, entspiritualisierte - Naturalismus nicht mehr sein?

Ich denke, die hier geführte Diskussion hat ähnlich bereits zur Zeitenwende stattgefunden. Was im griechischen Monismus aus logischer Ableitung (Sokrates) Glaubensaufklärung bewirken und jenseits alter Mythen und Vorstellungen eine Ethik begründen sollte, die über die reine Naturlehre/-philosophie hinausging, ohne deren Boden zu verlassen, mündete nicht in Sophismus, sondern in eine Reform des jüdischen Monotheismus, die wir leider heute nicht mehr haben, wieder viel von einem Gott selbst reden (egal ob agnostisch, abergläubig oder ablehnend atheistisch):

Nach dieser erweiterten Glaubensaufklärung gab es über den altbekannten Schöpfergott nichts mehr Vor-gesetztes, Spirituelles, Übernatürliches, Jenseitiges... zu sagen, wissen, sehen. (Markion, der darum ein "Neues Testament" begründete, dem die Kirche den Kanon entgegensetzte, lehnte beispielsweise gar den alten Gottes-Schöpferbegriff völlig ab. Und auch der Papst, der sich aus dem Griechentum begründet, nach rationalem Verständnis ruft, sagt "Dominus Jesus": weist heute hierin eine "universelle Vernunft" als biblisches Wesen und geschichtlich wirksam nach. Auch wenn er diese heute wie einen Ersatzgott hinstellt, noch nicht in dort sehen kann, wohin der Buchstabenglaube den Naturalismus verworfen hat. Wo jetzt nur atheisitsch die Welt beschrieben wird. Denn nachdem er seine seine "universale Vernunft" weiter in alter Glaubensmetaphysik-Dogmatik begründet, kann das Weltbild nicht auf einen Nenner gebracht werden, der wie wir heute wissen, vor 2000 Jahren war.) Damals galt nur noch das, was z.B. die griechisch Gebildeten - über die jüdische Tradition allegorisch denkende Philosophen Alexandriens - in den Naturprinzipien (in antiker natürlicher Wissenschaft dargelegter Metaphysik, die hier als "minimal" bezeichnet wird) als "Sohn" irdische Vermittlung sahen, lebendiges "Wort" verstanden. Auf diese rationale reale Vernünftigkeit allen natürlichen Werdens gründete ein völlig neues Verständnis, eine rationale Be-stimm-ung der Welt, die im Christentum ihre bildliche, allgemeinverständliche Umsetzung fand.

Weihnachten heute wäre danach so etwas, wie wenn das, was hier als "minimale" Natürlichkeit beschrieben wird unvoreingenommen (jungfräulich, ohne modernen Schriftgelehrtenstreit, Wortglauberei zwischen Naturalismus, Supernaturalismus, Spiritualismus... ganz zu schweigen von buchstabenkreationistischer ID und Dogmatik, nur von realer, ganz natürlicher Kreativität=Schöpfung ausgehend) wieder zeitgemäß verständlich als höhere Bestimmung zum Ausdruck kommt. Aber erst kommt noch Advent, müssen auch die ganz natürlichen Lichter aufgehen.
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Re: Minimaler Naturalismus

Beitragvon ganimed » Mi 12. Nov 2008, 19:13

gerhard hat geschrieben:Warum kann der hier beschriebene "minimale" - also der entgeisterte, entzauberte, entspiritualisierte - Naturalismus nicht mehr sein?

Wegen seiner Definition. Da kann man nunmal nix machen.

So und nun lasst uns ein wenig Genmaximieren! Was immer das heißt.
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Re: Minimaler Naturalismus

Beitragvon Myron » Mi 12. Nov 2008, 19:59

gerhard hat geschrieben:Warum kann der hier beschriebene "minimale" - also der entgeisterte, entzauberte, entspiritualisierte - Naturalismus nicht mehr sein?


Er kann durchaus mehr sein, denn ich habe ja nicht vom "maximalen Naturalismus" gesprochen, sondern nur davon, was jemand mindestens vertreten muss, um überhaupt als Naturalist zu gelten.

gerhard hat geschrieben:Ich denke, die hier geführte Diskussion hat ähnlich bereits zur Zeitenwende stattgefunden.


Der Naturalismus bzw. Materialismus wurzelt in der Tat in der altgriechischen Philosophie.
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Re: Minimaler Naturalismus

Beitragvon gerhard » Do 13. Nov 2008, 14:10

Myron hat geschrieben:Er kann durchaus mehr sein, denn ich habe ja nicht vom "maximalen Naturalismus" gesprochen, sondern nur davon, was jemand mindestens vertreten muss, um überhaupt als Naturalist zu gelten.
Der Naturalismus bzw. Materialismus wurzelt in der Tat in der altgriechischen Philosophie.


Genau darum geht es mir, gleichwohl im alten Glaubensparadigma immer wieder vermutet wird, ich würde doch nur einen Designer... oder einen übernatürlichen Geist bzw. einen dogmatischen Vernunftbegriff nachweisen wollen.

Wenn es stimmt, dass der griechische Monismus, die logische Weiterfürhung der Naturphilosophie in der Monotheismusreform, die in das Christentum mündete, erst zur Wirkung gebracht werden konnte, wie der Papst ständig betont. Und wenn es beim biblischen-geschichtlichen Wesen des christlichen Glaubens um die griechisch nachgewiesene Vernünftigkeit aller kosmischen Ordnung als lebendiges "Wort" geht - kein verherrlichter Heilsprediger die Offenbarung war (wie vereinzelt selbst bei Neutestamentlern zu lesen ist, die das Jesusbuch des Papstes deuten, dabei aber weiter nur einen menschlichen Helden oder einen dogmatischen Junggott vor Augen haben, Benedikt XVI. dann nicht verstehen können) dann wäre der Chefwissenschaftler der katholischen Kirche von Naturalisten beim "lebendigen Wort" zu nehmen. Sich nur über Auswüchse des alten Gesetzesglaube aufzuregen oder lustig zu machen, bringt nicht weiter.

Ich gebe die Hoffnung nicht auf: Aus dem, was einen "minimalen Naturalisten" auszeichnet, könnte in neuer Ein-sicht eine natürlich sinngebene Lebensmaxime werden, die mehr ist, als pures naturalistisches Nachbeten bzw. -eifern des bei einzelnen Arten anzutreffenden Genegoismus, wie es derzeit nicht nur im Geldmarkt praktiziert wird, zum Missefolg der Gesamtheit führt.
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Re: Minimaler Naturalismus

Beitragvon ganimed » Fr 14. Nov 2008, 01:12

gerhard hat geschrieben:eine natürlich sinngebene Lebensmaxime werden, die mehr ist, als pures naturalistisches Nachbeten bzw. -eifern des bei einzelnen Arten anzutreffenden Genegoismus, wie es derzeit nicht nur im Geldmarkt praktiziert wird, zum Missefolg der Gesamtheit führt.

Ich entnehme diesen Worten, dass du einen Erfolg der Gesamtheit möchtest. Aber selbst Altruismus ist ja letztendlich Egoismus. Du willst den Erfolg, genau wie der Broker am Geldmarkt ihn für seine Firma will. Wenn mit diesem Erfolg die Mehrung der Menschheit, oder auch nur ihr langfristiges Überleben gemeint sein sollte, dann sind im Bereich der Medizin sicher auch genetische Verfahren unabdingbar. Wo also ziehst du eigentlich die Grenze zwischen Genmaximierung und den von dir propagierten sinngebenden Lebensmaximen?

An deinen Beiträgen vermisse ich ein wenig die Klarheit, was hinter den von dir benutzten Worthülsen eigentlich genau steckt. Und wenn dann mal etwas halbwegs konkretes erwähnt wird, so wie diesmal, dann vermisse ich da ein wenig die Widerspruchsfreiheit. Erfolg der Gesamtheit ohne Genmaximierung? Wie soll das gehen? Wenn uns die Evolution eines lehrt, dann doch, dass es ohne Gene nicht geht.
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Re: Minimaler Naturalismus

Beitragvon gerhard » Fr 14. Nov 2008, 02:30

Die menschliche Vernunft wird in Gesamt-/Genisverant-wort-ung mündig denken, entscheiden und handeln.

(Leztlich genau wie Sokrates, von einer kreativen=schöpferischen Logik logisch ableiten.)

Das Nachdenken, unvoreingeommenen logischen Beurteilen allen vorhandenen Wissens, was wirklich im Sinne der Gesamtheit ist, Zukunft schafft, was dem wahren Wohl der Genesis dient und nicht dem kurzfristigen Eigennutz, was kreative Weitentwicklung einer menschlich-sozialen freien Gemeinschaft wäre, die nicht einfach Naturprinzipien übertragen kann... nimmt uns weder ein Doktor, noch alte Dogmen ab. Ich denke, vieles von dem, was vernünftig wäre, wissen wir, wollen es auch. Rufen es uns zumindest gegenseitig zu, wenn z.B. nach der Banken- und somit Weltwirtschaftskrise in angeblich "Neuer Weltordnung" Gesamtverantwortung... gefordert wird. Mein Hauptfrage ist daher weniger was, sonder wie erreichen wir es, tun es auch.

Ich maße mir hier als Laie nicht an, z.B. über Gentechnologie ein Urteil abgeben zu wollen. Doch ich glaube, dass Menschen mit mehr Wissen und Weitblick als ich, die von einer ganz natürlich-schöpferischen Bestimmung ausgehen (einem erweiterten minimalem Naturalismus), daher versuchen ihre Vorurteile oder Eigeninteressen bestmöglichst aufzugeben, unter Abwägung aller Vor- und Nachteile besser beurteilen können, was für die Zukunft, Gesamtheit... menschlich vernünftig wäre, als es derzeit geschieht. Und wo sich selbst dann nicht an eine Vernünftigkeit gehalten wird, wenn sie, wie in der Ökologie, bewusst ist.

Da ich die kreative=schöpferische Vernunft bereits als Anfang des Monotheismus (Moses) sehe, war sie das Wort, das einer menschlichen Gemeinschaft Grundregeln des Lebens vermittelt hat, die wir als Gebote lesen: Es war eine Lebenslogik, die nicht vom sinnlosen Selbst oder damaligem Humanismus diktiert wurde, sondern schöpferischer Verantwortung. Damit will ich mich nicht auf alte Gesetze berufen (auch wenn die Gebote wahrscheinlich nach wie vor für soziale Wesen vernünftig wären) sondern nur deutlich machen, was und wie auch heute in mündiger Verant-wort-ung nachzudenken wäre. Allein Altruismus als Selbstaufgabe, wie oft gepredigt, kann sicher nicht im Sinne einer kreativen Vernünftigkeit, gemeinsamen Weiterentwicklung, sinnvollen Verwertung des geistigen und materiellen Vermögens sein. Das ist m.E. ein Missverständnis frommer Gesetzlichkeit.
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Re: Minimaler Naturalismus

Beitragvon ganimed » Fr 14. Nov 2008, 19:15

gerhard hat geschrieben:Doch ich glaube, dass Menschen mit mehr Wissen und Weitblick als ich, die von einer ganz natürlich-schöpferischen Bestimmung ausgehen (einem erweiterten minimalem Naturalismus), daher versuchen ihre Vorurteile oder Eigeninteressen bestmöglichst aufzugeben, unter Abwägung aller Vor- und Nachteile besser beurteilen können, was für die Zukunft, Gesamtheit... menschlich vernünftig wäre, als es derzeit geschieht.

Du hast also keine eigenen Antworten? Denkst aber, dass schlauere als du einen Weg wissen, der sich aber zufälligerweise an deine Vorgaben hält? Sehr widersprüchlich, finde ich.

Wenn du die Antworten auf die Sinnfragen nicht konkret hast, woher weißt du dann, dass es irgendwas mit Aufgabe von Eigeninteressen zu tun hat? Woher weißt du, dass es etwas Vernünftigeres gibt, als das was derzeit geschieht? Ich finde das völlig unlogisch. Vielleicht gebietet die angebliche schöpferische Vernunft ja eben doch, einfach nur den Eigeninteressen zu folgen und alles andere findet sich dann?

Viel wahrscheinlicher scheint mir zu sein, dass du, wie jeder andere auch, in Wirklichkeit eben doch aus dem Bauch heraus und für dich selbst entscheidest, was du als sinnvoll ansiehst. Das finde ich auch völlig legitim. Mich stört nur dein dogmatischer Überbau von Schöpfung und einem Jahrtausende alten vernünftigem Wort, der dir bei allem Brimborium bei der eigentlichen Sinnfrage ganz offensichtlich nicht weiter hilft.
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Re: Minimaler Naturalismus

Beitragvon gerhard » Sa 15. Nov 2008, 08:05

Meine Aussage war nur, dass sich die Antworten auf das, was gut und richtig wäre, in einem Weltbild, das alles kreative evolutionäre Werden als "schöpferische Be-stimm-ung" (=Wort ) versteht, nicht mehr vor-gesetzt sind oder vom Ego aus gegeben werden, sondern objektiv und möglichst unvoreingenommen darüber nachgedacht wird, was der Gesamtheit dient, der Weiterentwicklung, dem gesunden Wachstum der Welt.

Und dazu hab ich durchaus Antworten. Auch wenn ich mir nicht anmaße, alles zu Wissen: Weil in diesem Weltbild nicht meine Meinung zählt, sondern was echt für die Gesamtheit, Zukunft von Vorteil wäre.
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Re: Minimaler Naturalismus

Beitragvon Myron » Sa 15. Nov 2008, 15:30

Da ich nicht den Eindruck habe, dass hier noch über das eigentliche Thema diskutiert wird, sondern "über Gott und die Welt" (was vor allem Gerhards Verdienst ist), werde ich diesen Thread schließen.
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