Minimaler Naturalismus

Minimaler Naturalismus

Beitragvon Myron » Fr 12. Okt 2007, 15:30

Der (metaphysische/ontologische) Naturalismus besteht in meinen Augen in den folgenden drei Kernthesen:

(1) Die Natur, die natürliche Welt, d.i. die Gesamtheit aller physischen Dinge, Zustände, Vorgänge und von allem, was daraus hervorgeht (d.i. biotische, psychische, soziale Phänomene), ist die ganze konkrete Welt, die vollständige konkrete Wirklichkeit, jenseits deren es keine zweite konkrete Wirklichkeit, keine transphysische "Übernatur" gibt.

(2) Alle Wesen mit geistig-seelischen Eigenschaften besitzen physische Körper.

(3) Alles, was in der Natur geschieht, steht im Einklang mit den physikalischen Gesetzen (Naturgesetzen). (Es geschehen keine physikalisch unmöglichen Dinge, keine Wunder.)


Ein Weltbild ist demnach genau dann naturalistisch bzw. frei von supernaturalistischen Annahmen, wenn es mindestens die drei obigen Annahmen beinhaltet.
Naturalisten mögen in Bezug auf alles Erdenkliche geteilter Meinung sein; doch alle müssen zumindest (1)-(3) bejahen, um überhaupt Naturalisten zu sein.

ad 1) Das heißt, es gibt nur eine einzige allumfassende konkrete Realität, die im Grunde physisch beschaffen ist.

ad 2) Das heißt, es gibt keine rein spirituellen Substanzen, d.h. keine körperlosen Geister oder Seelen. Damit ist insbesondere auch die Existenz von Göttern und anderer Geistwesen wie Engel oder Gespenster ausgeschlossen.

ad 3) Das heißt, in der autonomen Natur herrschen (deterministische oder indeterministische) Gesetzmäßigkeiten, die niemals von irgendjemandem oder irgendetwas willentlich oder unwillentlich außer Kraft gesetzt werden (können).

Man mag diese Auffassung des Naturalismus als physikalistischen Naturalismus bezeichnen.
(Ich weiß allerdings nicht, worin ein nicht physikalistischer Naturalismus bestehen könnte, der den Namen "Naturalismus" verdient.)
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Re: Minimaler Naturalismus

Beitragvon Sisyphos » Sa 13. Okt 2007, 10:24

Myron hat geschrieben:(2) Alle Wesen mit geistig-seelischen Eigenschaften besitzen physische Körper.


Diese Aussage würde es erlauben, sich Götter und Engel vorzustellen, die uns in einem physischen Körper gegenübertreten.

Die Unterhaltungsindustrie produziert solche Vorstellungen. Vor Jahren mal ganz populär: "Ein Engel auf Erden". Oder: In indischen Soaps laufen zuweilen Hindugötter herum und interagieren mit den Menschen. Siehe auch die griechische Myhologie.
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Re: Minimaler Naturalismus

Beitragvon Myron » Sa 13. Okt 2007, 13:03

Sisyphos hat geschrieben:
Myron hat geschrieben:(2) Alle Wesen mit geistig-seelischen Eigenschaften besitzen physische Körper.


Diese Aussage würde es erlauben, sich Götter und Engel vorzustellen, die uns in einem physischen Körper gegenübertreten.


Jesus ist für die Christen ja eine Art Fleisch gewordener Gott.
Die leibliche Erscheinungsform ist für Gott jedoch nicht wesentlich.
Ich kann meine Formulierung verschärfen:

"Einen physischen Körper zu besitzen ist eine essenzielle Eigenschaft aller Wesen mit geistig-seelischen Eigenschaften."

Das bedeutet, dass es für derartige Wesen unmöglich ist, ohne einen physischen Körper zu existieren.
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Re: Minimaler Naturalismus

Beitragvon Sisyphos » Sa 13. Okt 2007, 13:15

:up:
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Re: Minimaler Naturalismus

Beitragvon Myron » Sa 13. Okt 2007, 17:17

Sisyphos hat geschrieben::up:


Kurzum:

Alles, was psychische Eigenschaften hat, ist (notwendigerweise) ein physisches Ding.
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Re: Minimaler Naturalismus

Beitragvon Gast » Mi 24. Okt 2007, 12:19

Myron schrieb:
"Einen physischen Körper zu besitzen ist eine essenzielle Eigenschaft aller Wesen mit geistig-seelischen Eigenschaften."


Das ist unsere gegenwärtige Erfahrung.

Ansich ist die Aussage aber eine Leerformel: Nach unserer Auffassung ist ja alles physisch. Und wenn sich herausstellen würde, dass z. B. die Seele nicht materiell wäre, dann wäre sie immer noch physisch, egal wie sie beschaffen wäre.

Die christliche Kernidee einer nichtmateriellen und vielleicht sogar unphysischen Seele liegt in der behauptenten Unabhängigkeit von den physischen Kausalabläufen.
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Re: Minimaler Naturalismus

Beitragvon Myron » Sa 3. Nov 2007, 00:24

Die Minimalthesen des (physikalistischen/materialistischen) Naturalismus:

Es gibt genau ein autonomes Raumzeitsystem, das alles Wirkliche enthält, das im Wesentlichen aus physischer Materie/Energie und nichts anderem besteht, und worin alles, insbesondere alles Psychische, hinsichtlich seines Seins und Werdens vom Physischen abhängig ist (d.i. darauf "superveniert").


Quine:

"I see nothing sacrosanct about naturalism or physicalism; both are fallible, unless saved by vague edges.
If conclusive evidence of telepathy or even clairvoyance were forthcoming, I envision a scurry to the cyclotron, computers, and drawing boards to invent a new and more adequate theory, which would still be called physics. Even today the elementary particles are particles at all only thanks to a succession of ever more strained analogies. Physics can even be pursued as field theory, free of bodies, and no complaints. The name 'physics' would survive the clairvoyance revolution too.
Continuity of the enterprise is what matters."


(Orenstein, Alex, and Petr Kotatko. Knowledge, Language and Logic: Questions for Quine. Boston Studies in the Philosophy of Science, vol. 210. Dordrecht: Kluwer, 2000. p. 411)

"Ich sehe nichts Sakrosanktes am Naturalismus oder Physikalismus; beide sind fehlbar, es sei denn unscharfe Konturen bewahren sie davor.
Wenn stichhaltige Beweise für Telepathie oder gar fürs Hellsehen verfügbar wären, so sehe ich vor meinem geistigen Auge, wie [die Wissenschaftler] zum Zyklotron, zu den Computern und Zeichenbrettern eilen, um eine neue und angemessenere Theorie zu erfinden, die nach wie vor als Physik bezeichnet würde. Selbst heutzutage sind die Elementarteilchen nur dank einer Reihe von immer weiter hergeholten Analogien überhaupt [noch] Teilchen. Die Physik kann man auch als Feldtheorie betreiben, frei von Körpern, und ohne Klagen. Der Name 'Physik' würde auch die Revolution durch das Hellsehen überleben.
Was zählt, ist die Kontinuität des Unternehmens."
[meine Übers.]
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Re: Minimaler Naturalismus

Beitragvon Myron » Mi 23. Jul 2008, 22:32

Ich versuche, es auf den Punkt zu bringen:

Der (minimale) Naturalismus besteht in der Ansicht, dass die raumzeitliche Welt die ganze Welt ist und keine (unkörperlichen) Seelen oder Geister enthält.
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Re: Minimaler Naturalismus

Beitragvon Jakob » Sa 26. Jul 2008, 00:30

Ich finde diese Definition klasse. Besser kann man ein naturalistisches Weltbild nicht auf den Punkt bringen.

Sisyphos hat geschrieben:
Myron hat geschrieben:(2) Alle Wesen mit geistig-seelischen Eigenschaften besitzen physische Körper.

Diese Aussage würde es erlauben, sich Götter und Engel vorzustellen, die uns in einem physischen Körper gegenübertreten.
Die Unterhaltungsindustrie produziert solche Vorstellungen. Vor Jahren mal ganz populär: "Ein Engel auf Erden". Oder: In indischen Soaps laufen zuweilen Hindugötter herum und interagieren mit den Menschen. Siehe auch die griechische Myhologie.

Solche Wesen würden aber Punkt drei widersprechen.

Myron hat geschrieben:(3) Alles, was in der Natur geschieht, steht im Einklang mit den physikalischen Gesetzen (Naturgesetzen). (Es geschehen keine physikalisch unmöglichen Dinge, keine Wunder.)

Wer an solche körperliche Götter glaubt, wäre also schon deswegen kein Naturalist.
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Re: Minimaler Naturalismus

Beitragvon Qubit » Sa 26. Jul 2008, 11:23

Myron hat geschrieben:Ich versuche, es auf den Punkt zu bringen:

Der (minimale) Naturalismus besteht in der Ansicht, dass die raumzeitliche Welt die ganze Welt ist und keine (unkörperlichen) Seelen oder Geister enthält.


Mit dieser "Minimaldefinition" habe ich Probleme.

(i) Interpretationen physikalischer Erkenntnisse sprechen gerade eher dafür, dass die "ganze Welt" mehr umfasst als die "raumzeitliche Welt".
D.h. Beschreibungselemente notwendig sind, die "hinter" der RaumZeit liegen.

(ii) "Seele" lässt sich mE. nicht klar objektivieren. Der Begriff scheint mithin überflüssig.
Was "Geist" _ist_, ist unklar, wie wissen es nicht. Vielleicht ist er wie "Musik"? ;-)
"Musik" lässt sich auf verschiedensten medialen Trägern in verschiedensten Formaten speichern und wiedergeben. Ob sie nun vom Tonband oder DVD oder Klavier abgespielt wird, ist unerheblich für ihre Wesenhaftigkeit, wenngleich sie solcher "Medien" "zur Existenz" bedarf.
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Re: Minimaler Naturalismus

Beitragvon Myron » Sa 26. Jul 2008, 13:17

Qubit hat geschrieben:Mit dieser "Minimaldefinition" habe ich Probleme.

(i) Interpretationen physikalischer Erkenntnisse sprechen gerade eher dafür, dass die "ganze Welt" mehr umfasst als die "raumzeitliche Welt".
D.h. Beschreibungselemente notwendig sind, die "hinter" der RaumZeit liegen.


Worauf spielst du an?
Wenn ich von der raumzeitlichen Welt spreche, dann ist damit über das Wesen der Raumzeit selbst noch nichts ausgesagt.
Beziehst du dich auf sogenannte hintergrundunabhängige Theorien wie die der "loop quantum gravity", der zufolge Raum und Zeit ebenso atomarer Natur sind wie die Materie?
(Siehe: http://www.einstein-online.info/de/vert ... index.html)
Ich kann allerdings nicht erkennen, dass solche neuartigen Theorien gegen die Annahme sprechen, dass die raumzeitliche Welt die ganze Welt ist. (Ich könnte höchstens noch im Hinblick auf die Viele-Welten-Theorie hinzufügen: "die raumzeitliche Welt bzw. die Gruppe der raumzeitlichen Welten")

Qubit hat geschrieben:(ii) "Seele" lässt sich mE. nicht klar objektivieren. Der Begriff scheint mithin überflüssig.
Was "Geist" _ist_, ist unklar, wie wissen es nicht.


Mit den Begriffen "Seele" und "Geist", die ich hier praktisch synonym gebrauche, meine ich individuelle psychische Substanzen (im metaphysischen, nicht im chemischen Sinn) und nicht bloß die (nichtsubstanzielle) Gesamtheit aller psychischen Zustände und Vorgänge in einem Lebewesen.
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Re: Minimaler Naturalismus

Beitragvon Qubit » So 27. Jul 2008, 17:59

Myron hat geschrieben:Worauf spielst du an?
Wenn ich von der raumzeitlichen Welt spreche, dann ist damit über das Wesen der Raumzeit selbst noch nichts ausgesagt.


Soll die (formale) "Identität" von "ganzer Welt" und "raumzeitlicher Welt" nicht inhaltsleer und (nur) in einer Unbestimmtheit der "raumzeitlichen Welt" verbleiben, so sollten zumindestens essentielle Merkmale der "raumzeitlichen Welt" festgelegt werden. "RaumZeit" bedeutet für mich diesbezüglich zumindestens eine (pseudo-riemannsche) "Metrik" und "Einstein-Kausalität".
Quantenphysikalische Phänomene und Theorien zeigen aber "Kausalitäten", die "hinter" dieser Wesenbestimmung der "RaumZeit" liegen.
Dennoch bin auch ich der Meinung, dass nichts "ausserhalb" der RaumZeit wirkt und somit als einziger, einheitlicher Wirkzusammenhang _allen_ Wirkungen zugrundeliegt:
"RaumZeit ist insofern der Schauplatz der Natur."

Myron hat geschrieben:Mit den Begriffen "Seele" und "Geist", die ich hier praktisch synonym gebrauche, meine ich individuelle psychische Substanzen (im metaphysischen, nicht im chemischen Sinn) und nicht bloß die (nichtsubstanzielle) Gesamtheit aller psychischen Zustände und Vorgänge in einem Lebewesen.


Sagen wir es so:
"Geist" und "Materie" stehen in einem Zusammenhang. Wie genau und was insbesondere das Wesen des "Geistes" ausmacht ist (zumindestens mir) unklar..
Das "Geist" Software und "Gehirn" Hardware, welche die Software speichert und ausführt, sind, ist verlockend, scheint mir aber etwas zu simpel ;-)
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Re: Minimaler Naturalismus

Beitragvon Myron » Mo 28. Jul 2008, 00:19

Qubit hat geschrieben:Soll die (formale) "Identität" von "ganzer Welt" und "raumzeitlicher Welt" nicht inhaltsleer und (nur) in einer Unbestimmtheit der "raumzeitlichen Welt" verbleiben, so sollten zumindestens essentielle Merkmale der "raumzeitlichen Welt" festgelegt werden. "RaumZeit" bedeutet für mich diesbezüglich zumindestens eine (pseudo-riemannsche) "Metrik" und "Einstein-Kausalität".


Es ist nicht die Aufgabe des Naturalismus als eines philosophischen Standpunktes, den physikalischen Theorien Konkurrenz zu machen. Er steckt lediglich das Gesamtgebiet des Wirklichen ab.

Qubit hat geschrieben:Dennoch bin auch ich der Meinung, dass nichts "ausserhalb" der RaumZeit wirkt und somit als einziger, einheitlicher Wirkzusammenhang _allen_ Wirkungen zugrundeliegt:
"RaumZeit ist insofern der Schauplatz der Natur."


Und für einen Naturalisten ist die Natur bekanntlich die gesamte Wirklichkeit, die ganze Welt.
Meine allgemeine Charakterisierung des Naturalismus sollte also für dich akzeptabel sein, zumal es sich dabei ja nur um eine minimalistische Charakterisierung handelt. Diesem Skelett fehlt sicherlich noch einiges Fleisch, aber es ist mir hier eben nur darum gegangen festzustellen, was jeder Naturalist mindestens glauben muss, um überhaupt einer zu sein.

Qubit hat geschrieben:Sagen wir es so:
"Geist" und "Materie" stehen in einem Zusammenhang. Wie genau und was insbesondere das Wesen des "Geistes" ausmacht ist (zumindestens mir) unklar.


Der Geist ist das höchste evolutionäre Produkt der Materie.
(Das soll nicht heißen, dass der menschliche Geist die Krone der kosmischen Evolution ist.)
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Re: Minimaler Naturalismus

Beitragvon Klaus » Mo 28. Jul 2008, 07:19

Myron hat geschrieben:Der Geist ist das höchste evolutionäre Produkt der Materie.

Könnte man das nicht etwas anders formulieren. Zum Beispiel, "mit unserem gegenwärtigen Erkenntnisstand können wir davon ausgehen, dass der menschliche Geist, eines der höchst entwickelten evolutionären Produkte der Materie darstellt". :^^:
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Re: Minimaler Naturalismus

Beitragvon folgsam » Di 29. Jul 2008, 18:54

"Geist", also menschliche Inteligenz und Bewusstsein ist erstmal nur eine recht erfolgreiche Adaption an die Umwelt.
Die spezifischen Adaptionen gewisser Fadenwürmer und Insekten erscheinen jedoch wesentlich Nachhaltiger als die jedes Tetrapoden (Säugetiere, Amphibien, Reptilien, Vögel).

Es sieht so aus als wären die Phänomene des menschlichen Gehirns die komplexesten bekannten im Universum, doch wie sehen die Objektiven Kriterien aus um das festzustellen?
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Re: Minimaler Naturalismus

Beitragvon Myron » So 14. Sep 2008, 20:22

Der Naturalismus als Antisupernaturalismus besteht in der Ablehnung des Glaubens an (konkrete) nichtphysische Substanzen (1, nichtphysische Kräfte oder nichtphysische Arten von Energie (2.

(1 d.i. dingliche Seelen, Geister wie Götter, Engel, Dämonen, Gespenster aller Art)
(2 z.B. eine Lebenskraft/-energie sui generis wie Qi)

[Anmerkung:
a) der Begriff "Substanz" wird hier im metaphysischen, nicht im chemischen Sinne gebraucht und bedeutet allgemein "(relativ) selbstständige, beständige Wesenheit".
Grimmsches Wörterbuch: "im philosophischen sinne, der dem ursprunge des wortes und begriffes gemäsz auch im dt. am ältesten und am breitesten entwickelt ist, bedeutet substanz das den wechselnden phänomenen 'unterliegende', das als beharrlich, zugleich meist als träger der eigenschaften, als selbständig für sich seiendes gedacht wird"
b) Ein Naturalist als Antisupernaturalist lehnt auf jeden Fall den Glauben an konkrete immaterielle/nichtphysische Dinge ab, aber nicht unbedingt auch den Glauben an abstrakte immaterielle/nichtphysische Dinge wie Zahlen, Mengen, Propositionen oder Zeichentypen. Unter den Naturalisten dürften allerdings die meisten in Bezug auf abstrakte Objekte Nominalisten, d.i. Antirealisten sein.]
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Re: Minimaler Naturalismus

Beitragvon Myron » Fr 19. Sep 2008, 20:02

Der Antisupernaturalismus besteht in der Ablehnung des Geister- oder Gespensterglaubens, d.h. in der Verneinung des Vorhandenseins eines hyperphysischen Reiches, das von mit Geisterkräften ausgestatteten Geister- oder Seelenwesen bevölkert wird.

Der Antisupernaturalismus ist also praktisch ein Antianimismus.
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Re: Minimaler Naturalismus

Beitragvon HF******* » Mi 24. Sep 2008, 17:17

Geht der Antisupernaturalismus dann über den bloßen Naturalismus hinaus,
so wie der Antitheismus über den Bloßen Unglauben hinaus geht?

El Schwalmo könnte man dann nicht als konsequenten Antisupernaturalisten bezeichnen !?
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Re: Minimaler Naturalismus

Beitragvon El Schwalmo » Mi 24. Sep 2008, 17:27

HFRudolph hat geschrieben:El Schwalmo könnte man dann nicht als konsequenten Antisupernaturalisten bezeichnen !?

ist 'konsequenter Antisupernaturalist' für Dich pejorativ konnotiert?
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Re: Minimaler Naturalismus

Beitragvon Myron » Di 11. Nov 2008, 05:47

Der minimale (metaphysische/ontologische) Naturalismus besteht in der Ansicht, dass es keine spirituellen Prinzipien, keine spirituellen Substanzen und keine spirituellen Formen von Energie gibt.
Anders gesagt, der minimale Naturalismus besteht in der Ansicht, dass alle (ontischen) Prinzipien, alle Substanzen und alle Formen von Energie materieller/physischer Natur sind.

Der minimale Naturalismus ist also als Antisupernaturalismus ein Antispiritualismus und damit ein basaler Materialismus/Physikalismus (der die ganz und gar natürliche, evolutionär produzierte Realität psychischer Eigenschaften, die von bestimmten Arten von physischen Dingen besessen werden, keineswegs reduktionistisch leugnen muss!).


Auf den Punkt gebracht:

Der Gott der Supernaturalisten, insbesondere der Theisten, ist der ewige Geist, und der Gott, besser "Gott", der Naturalisten ist der ewige Kraftstoff, auch "Mutter Natur" genannt. Aus naturalistischer Sicht ist der selbstbewegte Urkraftstoff die "Gebärmutter" aller Erscheinungen in Raum und Zeit, und jenseits von Raum und Zeit gibt es nichts.
Den Theisten nach ist der Urgrund des Seins immer schon wirklichster Geist, wirklichstes (Selbst-)Bewusstsein, wohingegen er den Atheisten nach ursprünglich nur möglicher Geist, mögliches (Selbst-)Bewusstsein ist, das etliche Milliarden Jahre benötigte, um sich in einigen Arten von Lebewesen, sprich Tieren und Menschen, Schritt für Schritt zu verwirklichen.

"L’univers, ce vaste assemblage de tout ce qui existe, ne nous offre partout que de la matière et du mouvement: son ensemble ne nous montre qu’une chaîne immense et non interrompue de causes et d’effets."

"Das Universum, diese gewaltige Zusammenfügung alles Existierenden, bietet uns allenthalben nur Materie und Bewegung dar: seine Gesamtheit zeigt uns nur eine unermessliche und ununterbrochene Kette von Ursachen und Wirkungen."


(Paul-Henri Thiry (Baron) d'Holbach: Système de la Nature, chap. I, 1770)
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