verhältnis zum konstruktivismus

G. Vollmer - wieviel Metaphysik brauchen wir

Beitragvon Klaus » Mo 18. Dez 2006, 12:56

Der kritische Rationalismus lehnt Metaphysik deshalb nicht völlig ab, hält sie auch nicht für minderwertig, sucht sie aber von der Erfahrungswissenschaft abzugrenzen, etwa über Poppers Falsifizierbarkeitsforderung: "Eine empirisch-wissenschaftliche Theorie muss an der Erfahrung scheitern können." Abgrenzen bedeutet jedenfalls nicht Abschaffen, wie man Popper gelegentlich unterstellt. Wie viel Metaphysik sollen wir dann zulassen? Die naturalistische Antwort ist eindeutig: nur soviel Metaphysik wie nötig – nötig für die Forschung, für den Erkenntnisfortschritt, fürs Leben. Der Naturalist sucht also eine Art Minimalmetaphysik.4 Dazu gehört die Annahme einer bewusstseinsunabhängigen, strukturierten, zusammenhängenden Welt (vgl. b, d, f, g, l) und deren partielle Erkennbarkeit durch Wahrnehmung, Erfahrung und eine intersubjektive Wissenschaft (vgl. c, h, i, k). Diese Auffassung heißt auch "hypothetischer Realismus". Sind solche metaphysischen Voraussetzungen auch nicht empirisch prüfbar (weil man alles Erleben als eine Art Traum deuten kann), so sind sie doch kritisierbar, etwa im Hinblick auf Widerspruchsfreiheit, Erklärungswert, Selbstanwendbarkeit, Willkürfreiheit, Denkökonomie, Fruchtbarkeit.


Das ist die Meinung Vollmers zur Metaphysik. Der ich zustimme. Mystik hat nichts in einer naturalistischen Weltanschauung zu suchen. Der Begriff ist mir zu sehr religiös besetzt.
Benutzeravatar
Klaus
 
Beiträge: 4704
Registriert: Mo 11. Sep 2006, 21:43
Wohnort: get off the Net, I´ll meet you in the Streets

Beitragvon ostfriese » Sa 13. Jan 2007, 01:33

Etwas weiter oben wurde hier darüber gestritten, ob man als Naturalist Determinist sein muss.

Da war von Ursachen und Wirkungen die Rede, von Unschärfe und deterministischem Chaos. Es ging ein bisschen durcheinander. Ob ich zur Ordnung beitragen kann, weiß ich nicht, will es aber versuchen. :wink:

Der klassische Determinismus fordert ja, dass nichts ohne Ursache geschieht und dass gleiche Ursachen gleiche Wirkungen haben (so ist "Ursache" überhaupt definiert).

Die klassische Physik stützt den Determinismus, indem sie für Kausalität ein einfaches Modell bereit hält: regelmäßige zeitliche Abfolgen von Ereignissen, bei denen Energieüberträge stattfinden. Dazu haben wir prototypisch zwei elastisch stoßende Punktmassen vor Augen. Kennen wir Ort und Impuls der beiden Körper, sind Vergangenheit und Zukunft ihrer Bewegungen bestimmt.

Doch so verhalten sich Quantenobjekte nicht. Teilchen(zustände) und Energieüberträge sind weder räumlich noch zeitlich genau lokalisiert, das klassisch-physikalische Kausalitätsmodell versagt. Bedeutet das auch den Abschied vom Determinismus?

Ja, wenn man auf Kausalität und Nichtzufälligkeit als Kennzeichen des Determinismus beharrt. Wer Quantenobjekte als gänzlich indeterminiert ansehen möchte, muss aber eigentlich auch postulieren, dass Teilchen ihre Realität erst durch raumzeitliche Lokalisierung gewinnen (einhergehend mit dem Zusammenbruch der Wellenfunktion). Doch welcher Art war dann die Realität jener Aufenthaltswahrscheinlichkeit, welche sich im Amplitudenquadrat der Wellenfunktion ausdrückte? Begriffe wie die "Tendenz zum Sein" vernebeln, dass es nur eine Realität gibt, die wir mit mathematischen Modellen bestmöglich zu beschreiben versuchen.

Davon gehen hypothetische Realisten jedenfalls aus. Und somit üblicherweise auch Naturalisten.

Normalerweise gilt automatisch als Indeterminist, wer Nichtlokalität und Unbestimmtheit von Quantenobjekten als reale Eigenschaften mikroskopischer Systeme ansieht. Man könnte aber statt von "Unbestimmtheit" auch von "Wahrscheinlichkeitsbestimmtheit" sprechen. Der Zufall ist jedenfalls präzise mathematisch erfassbar, denn (nichtlokalisierte) Quantenobjekte sind durch ihre Wahrscheinlichkeitswelle genau so vollständig beschrieben (freilich nur statistisch) wie die Bewegung von Massepunkten durch die Newtonsche Mechanik.

(Darauf, dass Unberechenbarkeit realer Systeme nicht Indeterminismus bedeutet, hat Der Autor ja bereits hingewiesen. Und ich füge vorsichtshalber noch an, dass die Quantenrealität kein Argument für die Willensfreiheit ist, wie den meisten hier sicher bekannt sein dürfte.)
Benutzeravatar
ostfriese
 
Beiträge: 1479
Registriert: Mi 20. Sep 2006, 22:28
Wohnort: Eisenach

Beitragvon Klaus » Sa 13. Jan 2007, 13:03

Normalerweise gilt automatisch als Indeterminist, wer Nichtlokalität und Unbestimmtheit von Quantenobjekten als reale Eigenschaften mikroskopischer Systeme ansieht. Man könnte aber statt von "Unbestimmtheit" auch von "Wahrscheinlichkeitsbestimmtheit" sprechen. Der Zufall ist jedenfalls präzise mathematisch erfassbar, denn (nichtlokalisierte) Quantenobjekte sind durch ihre Wahrscheinlichkeitswelle genau so vollständig beschrieben (freilich nur statistisch) wie die Bewegung von Massepunkten durch die Newtonsche Mechanik.


Ich würde hier nicht von Unbestimmtheit, sondern von Unschärfe sprechen wollen. Der Zufall ist präzise, mathematisch erfassbar, aber eben nicht präzise zu berechnen. Ich betrachte den Indeterminismus als eine Möglichkeit der Entwicklung von theoretischen Modellen, die dann wiederum determiniert sind.
Die Quantenphysik ist sicherlich ein Grenzgebiet der Physik, noch, und wird mit weiterer Erkenntnis, ihre Unschärfe verlieren, wobei wir nie sicher sein können, dass es so ist, wie die Messergebnisse es darstellen. Wir beeinflussen konkrete physikalische Zustände, und müssen die Ergebnisse auf diese Zustände anwenden.
Benutzeravatar
Klaus
 
Beiträge: 4704
Registriert: Mo 11. Sep 2006, 21:43
Wohnort: get off the Net, I´ll meet you in the Streets

Vorherige

Zurück zu Philosophie

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 11 Gäste