Welt ohne Glaubens-Systeme, Ideologien

Welt ohne Glaubens-Systeme, Ideologien

Beitragvon trazy » Sa 24. Nov 2007, 08:07

Ist eine Welt ohne Glaubens-Systeme denkbar + welche Glaubens-Systeme wollen wir anstelle den vorhandenen? + Man muss manchmal glauben wenn man nicht wissen kann oder soll.

Zu Glaubens-Systemen zähle ich die Religionen, die Sekten, die Ideologiesysteme.
Zu den Ideologiesystemen zählt der Kommunismus, Faschismus, (Neo-)Liberalismus.
Diese Systeme sind alle untereinander in Konkurrenz, was einleuchtend sein sollte.
Verfestigter Glaube nennt sich Fundamentalismus.

Wir sind alle auf Grundannahmen angewiesen, also auf Glauben. Dass der Glaube an Übernatürliches explizit psychotisch ist brauche ich sicher nicht erzählen. ABER: Wir sind immer auf Grundannahmen angewiesen, weil sich uns nicht alles in der Welt erschließt. Sind deshalb Glaubens-Systeme immer vorhanden?

Wenn ja: Welche Glaubens-Systeme sind gut und welche schlecht?
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Re: Welt ohne Glaubens-Systeme, Ideologien

Beitragvon El Schwalmo » Sa 24. Nov 2007, 09:06

trazy hat geschrieben:ABER: Wir sind immer auf Grundannahmen angewiesen, weil sich uns nicht alles in der Welt erschließt. Sind deshalb Glaubens-Systeme immer vorhanden?

ja.

trazy hat geschrieben:Wenn ja: Welche Glaubens-Systeme sind gut und welche schlecht?

Alle sind gut, die Menschen so durchs Leben tragen, dass ein harmonisches Miteinander möglich ist.
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Re: Welt ohne Glaubens-Systeme, Ideologien

Beitragvon trazy » Sa 24. Nov 2007, 10:51

Mir ist noch eine Sache eingefallen:

Glaubens-Systeme haben den Charakter eines Schneeball-Systems, wie auch die ganze Marktwirtschaft in Abstrichen.

Das bedeutet nicht, dass Schneeballsysteme schlecht sind.
Sogar Interessengebiete haben Schneeballsystem-Charakter: die Experten sind die Gewinner. Schneeballsystemcharakter heißt hier nicht gleich Schneeballsystem.
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Re: Welt ohne Glaubens-Systeme, Ideologien

Beitragvon Max » Sa 24. Nov 2007, 12:26

El Schwalmo hat geschrieben:
trazy hat geschrieben:Wenn ja: Welche Glaubens-Systeme sind gut und welche schlecht?

Alle sind gut, die Menschen so durchs Leben tragen, dass ein harmonisches Miteinander möglich ist.
Entweder ist diese Aussage tautologisch oder sie ist falsch. Wie definierst du Harmonie, wenn nicht nach dem System selber? Aber viel schwerwiegender: Unter diese Definition fallen doch auch Glaubenssysteme wie das Islamische Recht. Unlängst wurde dort eine Frau zu 200 Peitschenhieben verurteilt. Grund hierfür war, dass sie bei einem fremden Mann im Auto saß, als sie entführt und von sieben Männern vergewaltigt wurde. Das Islamische Recht schreibt bekanntermaßen für viele Taten, die uns selbstverständlich oder harmlos scheinen die Todesstrafe vor, allerdings verbietet es die Todesstrafe bei Jungfrauen. Wenn in einem islamischen Gottesstaat eine Jungfrau eine Tat begeht, auf der die Todesstrafe steht, hat man hierfür eine faire Lösung gefunden: Der örtliche lässt die Frau erst vergewaltigen, um sie anschließend zum Tode zu veruteilen. Die Menschen dort leben aber auch in Harmonie; sie besitzen sie ein anderes Verständnis von Harmonie. Sie halten es für selbstverständlich, dass dies geschieht und würden nie auf die Idee kommen, dies in Frage zu stellen. Wenn man deiner Definition folgt, müsste man dieses Glaubenssystem als gut befinden.
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Re: Welt ohne Glaubens-Systeme, Ideologien

Beitragvon El Schwalmo » Sa 24. Nov 2007, 14:03

Max hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:
trazy hat geschrieben:Wenn ja: Welche Glaubens-Systeme sind gut und welche schlecht?

Alle sind gut, die Menschen so durchs Leben tragen, dass ein harmonisches Miteinander möglich ist.

[ ... ]
Wenn man deiner Definition folgt, müsste man dieses Glaubenssystem als gut befinden.

hast Du schon mal darüber nachgedacht, was 'durchs Leben tragen' bedeuten könnte? Oder 'harmonisches Miteinander'?

Oder wärst Du glücklicher damit, wenn ich sagte, ein atheistisch geführter GULAG ist das Paradies auf Erden, solange dort Gott keine Rolle spielt?
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Re: Welt ohne Glaubens-Systeme, Ideologien

Beitragvon Max » Sa 24. Nov 2007, 14:09

Wie definierst du denn Harmonie, wenn nicht durch das ethische System selbst?
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Re: Welt ohne Glaubens-Systeme, Ideologien

Beitragvon ostfriese » Sa 24. Nov 2007, 16:45

Ich weiß schon: Vollkommene Harmonie herrscht, wenn alle Leute nur "zeitkernig diskursiv einlösbare" Ansichten vertreten.

Wenn also alle nur noch für Werder Bremen sind und keiner mehr für Borussia oder Bayern oder Mohammed.

Wenn niemand mehr Bohlen hört oder liest.

Die Aussichten sind offenbar zappenduster.

Also müssen wir ziemlich viele einander widersprechende Bekenntnisse gleichzeitig zulassen, dürfen und müssen aber gerade diejenigen bekämpfen, die auf ihrer Alternativlosigkeit und ewigen Gültigkeit beharren oder die so vage formuliert sind, dass sie sich jeglicher Kritik entziehen.
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Re: Welt ohne Glaubens-Systeme, Ideologien

Beitragvon El Schwalmo » Sa 24. Nov 2007, 17:57

ostfriese hat geschrieben:Ich weiß schon: Vollkommene Harmonie herrscht, wenn alle Leute nur "zeitkernig diskursiv einlösbare" Ansichten vertreten.

selbstverständlich. Und zwar in den rationalen Diskursen, die geführt werden, wenn es darum geht, Entscheidungen zu treffen, die alle Menschen betreffen.

Das Leben ist aber bunter. Und in diesem Bereichen kann jeder dem Fussballverein zujubeln, den er sich ausgesucht hat, oder auch den Gott (nicht) anbeten, wie ihm gerade danach ist. Er wird dadurch kein besserer oder schlechterer Mensch.

In diesem Beich macht auch Kritik keinen Sinn. Muss ich Rotwein zu Wild trinken, wenn ich lieber Weißwein hätte?
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Re: Welt ohne Glaubens-Systeme, Ideologien

Beitragvon El Schwalmo » Sa 24. Nov 2007, 18:01

Max hat geschrieben:Wie definierst du denn Harmonie, wenn nicht durch das ethische System selbst?

was hat ein ethisches System mit 'Harmonie' zu tun? Harmonie stellt sich ein, wenn man so lebt, dass man zufrieden ist.

Die einen mit Göttern, die anderen ohne. Jeder, der seine Lebensweise anderen aufzwingen möchte, zerstört deren Harmonie. Sei es, indem man ihm seine Gottheiten aufzwingt, sei es, indem man von ihm Begründungen einfordert, wo es nichts zu begründen gibt.

Aber das ist der 'private' Aspekt. Ethische Systeme kommen erst ins Spiel, wenn es darum geht, ein Miteinander zu organisieren.
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Re: Welt ohne Glaubens-Systeme, Ideologien

Beitragvon Max » Sa 24. Nov 2007, 18:13

Man diskutiert über ethische Regeln und Normen, wenn man darüber diskutiert, wie jemand privat leben sollte. Die Frage, wie jemand im Privaten zu leben hat, in ohne Zweifel eine ethische. Angenommen, es wäre falsch, vor der Ehe oder außerhalb einer Ehe Sex zu haben: Wenn dies so wäre, wäre es keine private Angelegenheit, sondern Aufgabe des Staates vorehelichen Sex einzuschrenken. Die Diskussion darüber, ob dies der Fall ist, oder ob es keine absoluten Regeln gibt und man Handlungen nur nach Konsequenzen bemessen kann, ist eine ethische. Wenn wir darüber reden, was jemand im Privaten machen darf, ist dies eindeutig eine ethische Diskussion.

Auch beginnt die Ethik nicht erst dann, "wenn es darum geht, ein Miteinander zu organisieren" (El Schwalmo). Die Ethik beschäftigt sich nur mit dem Umgang unter Menschen, sondern auch mit dem Umgang mit Tieren, der Umwelt, neuen Technologien, etc. Wenn man deiner Auffassung folgt, dürfte man mit Tieren machen, was man will.
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