ostfriese hat geschrieben:sharif hat geschrieben:Neues System, neue Wahrheitswerte.
Da sind wir beim entscheidenden Punkt: Der hypothetische Realist geht davon aus, dass es in der Natur keine "neuen Systeme" gibt. Ein beliebiges System, auf welches sich eine Theorie bezieht, zeichnet sich durch eine bestimmte Beschaffenheit aus. Die Zustandsänderungen sind dabei selbst Teile des Sytems und im Rahmen der naturwissenschaftlichen Theorien beschreibbar. Und der "Wahrheitsgrad" einer solchen Beschreibung ist konstant, auch wenn wir ihn gestern anders einschätzten als heute. Nicht
wir legen fest, ob unsere Modelle die Strukturen der Realität isomorph abbilden, sondern
die Realität legt dies fest. Wir
stellen es allenfalls fest.
ich sehe hier ein grundsätzliches Problem. Wie wollen wir eigentlich 'feststellen', ob ein Modell Strukturen 'isomorph abbildet' (genauer: strukturell isomorph).
Stegmüller hat dazu sehr treffend bemerkt: 'Erkenntnis' ist eine dreistellige Relation. A erkennt B als C. Der Zusammenhang zwischen B und C ist vollkommen ungeklärt. Wir vergleichen eigentlich nie B mit C, sondern immer nur C mit C'. Das bedeutet, wir formulieren Hypothesen (C) über B, leiten daraus Prüfaussagen ab, die wir an B testen. Dadurch erhalten wir aber nur 'negative' Antworten: wenn wir scheitern, wissen wir, dass C zumindest nicht vollständig korrekt sein kann. Aber dann wissen wir nicht unbedingt mehr über B, sondern müssen ein C' formulieren, das das, was an C scheiterte, nicht mehr enthält. Die Frage ist natürlich, ob es möglich ist, dass ein C so formuliert werden kann, dass es an B nicht scheitert, ohne es korrekt zu modellieren. Ich vermute, dass es gleichwertige Modelle geben kann, die sich aber nicht widersprechen. Das würde aber bedeuten, dass wir dadurch der Erkenntnis von B nicht unbedingt näher gekommen sind.
Wenn ich mich richtig erinnere, hat selbst Popper das eingesehen, der sein Konzept der Annäherung an die Wahrheit aufgab. Vollmer sieht das IIRC etwas anders, ich erinnere mich an eine Graphik mit den Werten für das thermische Äquivalent (müsste jetzt nachlesen, kann sein, dass ich was verwechsle), der sich im Lauf der Zeit nach und nach auf einen bestimmten Wert 'einpendelte'.
Das bedeutet aber nur, dass wir in dem Theorierahmen, der zurzeit gilt, bei Messungen nach bestimmten Regeln einen konstanten Wert erhalten. Wie 'gut' diese Modellierung ist, ist die eigentliche 'philsophische' Frage. Kann man aus derartigen Befunden ableiten, dass B durch C 'strukturell isomorph' modelliert wurde (in Vollmers Terminologie wäre das 'Stimmen'), oder haben wir 'nur' eine Modellierung gefunden, die hinreichend genau ist, um beispielsweise Technik zu betreiben (das wäre dann 'Passen').
Vermutlich scheiden sich an derartigen Fragen die Geister. Eher 'praktisch' veranlagte Menschen werden sagen, dass das Hose wie Jacke sei, solange wir damit durch's Leben kommen. Eher 'philosophisch' veranlagte Menschen sehen hier ein Problem, über das man zumindest nachdenken kann.