Erkenntnistheoretischer Dualismus

Re: Erkenntnistheoretischer Dualismus

Beitragvon Robert » Mo 28. Jan 2008, 20:26

Myron hat geschrieben:"'2 mal 2 ist 4' bleibt wahr, auch wenn infolge darwinscher Entwicklung alle Menschen dahin kämen zu behaupten, 2 mal 2 sei 5. Jede Wahrheit ist ewig und unabhängig davon, ob sie gedacht werde, und von der psychologischen Beschaffenheit dessen, der sie denkt."


:lachtot: :lachtot: :lachtot: :lachtot:

2 mal 2 ist 4, genauso wie 1 + 1 = 2!!

:applaus: :applaus:

Fang lieber nicht mit einem Mathestudium an, denn bereits wir Erstsemestler wissen, dass 1 + 1 = 0 oder = 2 ist, oder dass 2 mal 2 = 1 oder = 0 oder = 4 ist. :mg:
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Re: Erkenntnistheoretischer Dualismus

Beitragvon El Schwalmo » Mo 28. Jan 2008, 21:40

sharif hat geschrieben:Fang lieber nicht mit einem Mathestudium an, denn bereits wir Erstsemestler wissen, dass 1 + 1 = 0 oder = 2 ist, oder dass 2 mal 2 = 1 oder = 0 oder = 4 ist. :mg:

leider bin ich noch nicht dazu gekommen, es ganz zu lesen:

Hühner, G. (1997) '"Zwei mal zwei ist vier?". Mutmaßungen über Selbstverständliches' München, dtv


Hühner hat sich die Mühe gemacht, sehr viel (meist nicht-mathematische) Literatur daraufhin zu untersuchen, wie diese Frage problematisiert wird. Auf dem Cover sind Dick und Doof akademisch aufgemotzt vor einer Tafel abgebildet ;->

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Re: Erkenntnistheoretischer Dualismus

Beitragvon Andreas Müller » Mo 28. Jan 2008, 22:27

Das Problem ist die Problematisierung von Unproblematischem.
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Re: Erkenntnistheoretischer Dualismus

Beitragvon El Schwalmo » Mo 28. Jan 2008, 22:46

Okay, gehen wir von einer Ausnahme aus und sagen, dass eine Kommentierung nicht zweckmäßig wäre.


Oh, sorry, ich habe aus Versehen auf "Ändern" anstatt auf "Zitieren" geklickt. Hoffe, das passiert mir als Moderator nicht öfter, sonst muss ich mein Amt niederlegen...

El Schwalmo hatte in Bezug auf den Satz von Andreas auf die Einzeiler-Regel verwiesen, dann aber zu dessen Gunsten mit obigem Satz geschlossen. Pardon, ostfriese
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Re: Erkenntnistheoretischer Dualismus

Beitragvon ostfriese » Mo 28. Jan 2008, 23:22

El Schwalmo hat geschrieben:Okay, gehen wir von einer Ausnahme aus und sagen, dass eine Kommentierung nicht zweckmäßig wäre.

Dir ist aber schon klar, dass in dem Moment, wo Du die Bemerkung von Andreas unter die Ausnahmen fallen lässt, Deine eigene nicht mehr unter die Ausnahmen fällt? ;D

sharif, dass analytische Wahrheit vom gewählten Axiomensystem abhängt, ändert nichts daran, dass ein hypothtischer Realist davon ausgehen darf, dass reale Systeme eine bestimmte Beschaffenheit aufweisen, die wir mit mehr oder weniger brauchbaren Modellen abzubilden versuchen.

Es ist nicht heute die eine naturwissenschaftliche Theorie wahr und morgen -- je nach Vereinbarung -- eine andere; wenn eine einstmals als wahr akzeptierte Theorie irgendwann empirisch scheitert, dann war sie die ganze Zeit falsch. Ich denke, das hat Myron gemeint; man muss jemanden, der sich ausnahmsweise (!!) etwas zu weit aus dem Fenster gelehnt hat, übrigens nicht notwendig zum Absturz bringen wollen...
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Re: Erkenntnistheoretischer Dualismus

Beitragvon Robert » Mo 28. Jan 2008, 23:40

ostfriese hat geschrieben:sharif, dass analytische Wahrheit vom gewählten Axiomensystem abhängt, ändert nichts daran, dass ein hypothtischer Realist davon ausgehen darf, dass reale Systeme eine bestimmte Beschaffenheit aufweisen, die wir mit mehr oder weniger brauchbaren Modellen abzubilden versuchen.

Es ist nicht heute die eine naturwissenschaftliche Theorie wahr und morgen -- je nach Vereinbarung -- eine andere; wenn eine einstmals als wahr akzeptierte Theorie irgendwann empirisch scheitert, dann war sie die ganze Zeit falsch. Ich denke, das hat Myron gemeint; man muss jemanden, der sich ausnahmsweise (!!) etwas zu weit aus dem Fenster gelehnt hat, übrigens nicht notwendig zum Absturz bringen wollen...


1. Welche Wahrheiten gibt es denn noch?
2. Was ist Wahrheit?
3. Reale Systeme mit bestimmten Beschaffenheiten? Woher weiß der dies denn?
4. Eine Aussage ist wahr oder falsch. Wenn eine Aussage wahr ist, dann kann sie unter denselben Annahmen etc. nicht falsch sein. Wenn diese Aussage nun aber durch weitere Annahmen falsch wird, dann ist sie nur bezüglich dieser neuen Annahmensammlung falsch, aber unter der alten Annahmensammlung wiederum wahr.

Aus diesem Grund bleibt eine Aussage wahr, wenn sie wahr ist, und eine Aussage falsch, wenn sie falsch ist. Deshalb ist es in meinen Augen Blödsinn zu sagen, dass sie die ganze Zeit falsch war, obwohl sie wahr war. Neues System, neue Wahrheitswerte.
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Re: Erkenntnistheoretischer Dualismus

Beitragvon ostfriese » Mo 28. Jan 2008, 23:54

sharif hat geschrieben:Neues System, neue Wahrheitswerte.

Da sind wir beim entscheidenden Punkt: Der hypothetische Realist geht davon aus, dass es in der Natur keine "neuen Systeme" gibt. Ein beliebiges System, auf welches sich eine Theorie bezieht, zeichnet sich durch eine bestimmte Beschaffenheit aus. Die Zustandsänderungen sind dabei selbst Teile des Sytems und im Rahmen der naturwissenschaftlichen Theorien beschreibbar. Und der "Wahrheitsgrad" einer solchen Beschreibung ist konstant, auch wenn wir ihn gestern anders einschätzten als heute. Nicht wir legen fest, ob unsere Modelle die Strukturen der Realität isomorph abbilden, sondern die Realität legt dies fest. Wir stellen es allenfalls fest.
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Re: Erkenntnistheoretischer Dualismus

Beitragvon El Schwalmo » Di 29. Jan 2008, 00:21

ostfriese hat geschrieben:
sharif hat geschrieben:Neues System, neue Wahrheitswerte.

Da sind wir beim entscheidenden Punkt: Der hypothetische Realist geht davon aus, dass es in der Natur keine "neuen Systeme" gibt. Ein beliebiges System, auf welches sich eine Theorie bezieht, zeichnet sich durch eine bestimmte Beschaffenheit aus. Die Zustandsänderungen sind dabei selbst Teile des Sytems und im Rahmen der naturwissenschaftlichen Theorien beschreibbar. Und der "Wahrheitsgrad" einer solchen Beschreibung ist konstant, auch wenn wir ihn gestern anders einschätzten als heute. Nicht wir legen fest, ob unsere Modelle die Strukturen der Realität isomorph abbilden, sondern die Realität legt dies fest. Wir stellen es allenfalls fest.

ich sehe hier ein grundsätzliches Problem. Wie wollen wir eigentlich 'feststellen', ob ein Modell Strukturen 'isomorph abbildet' (genauer: strukturell isomorph).

Stegmüller hat dazu sehr treffend bemerkt: 'Erkenntnis' ist eine dreistellige Relation. A erkennt B als C. Der Zusammenhang zwischen B und C ist vollkommen ungeklärt. Wir vergleichen eigentlich nie B mit C, sondern immer nur C mit C'. Das bedeutet, wir formulieren Hypothesen (C) über B, leiten daraus Prüfaussagen ab, die wir an B testen. Dadurch erhalten wir aber nur 'negative' Antworten: wenn wir scheitern, wissen wir, dass C zumindest nicht vollständig korrekt sein kann. Aber dann wissen wir nicht unbedingt mehr über B, sondern müssen ein C' formulieren, das das, was an C scheiterte, nicht mehr enthält. Die Frage ist natürlich, ob es möglich ist, dass ein C so formuliert werden kann, dass es an B nicht scheitert, ohne es korrekt zu modellieren. Ich vermute, dass es gleichwertige Modelle geben kann, die sich aber nicht widersprechen. Das würde aber bedeuten, dass wir dadurch der Erkenntnis von B nicht unbedingt näher gekommen sind.

Wenn ich mich richtig erinnere, hat selbst Popper das eingesehen, der sein Konzept der Annäherung an die Wahrheit aufgab. Vollmer sieht das IIRC etwas anders, ich erinnere mich an eine Graphik mit den Werten für das thermische Äquivalent (müsste jetzt nachlesen, kann sein, dass ich was verwechsle), der sich im Lauf der Zeit nach und nach auf einen bestimmten Wert 'einpendelte'.

Das bedeutet aber nur, dass wir in dem Theorierahmen, der zurzeit gilt, bei Messungen nach bestimmten Regeln einen konstanten Wert erhalten. Wie 'gut' diese Modellierung ist, ist die eigentliche 'philsophische' Frage. Kann man aus derartigen Befunden ableiten, dass B durch C 'strukturell isomorph' modelliert wurde (in Vollmers Terminologie wäre das 'Stimmen'), oder haben wir 'nur' eine Modellierung gefunden, die hinreichend genau ist, um beispielsweise Technik zu betreiben (das wäre dann 'Passen').

Vermutlich scheiden sich an derartigen Fragen die Geister. Eher 'praktisch' veranlagte Menschen werden sagen, dass das Hose wie Jacke sei, solange wir damit durch's Leben kommen. Eher 'philosophisch' veranlagte Menschen sehen hier ein Problem, über das man zumindest nachdenken kann.
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Re: Erkenntnistheoretischer Dualismus

Beitragvon ostfriese » Di 29. Jan 2008, 00:33

Ja, wir können die Übereinstimmung zwischen Modell und Wirklichkeit nicht direkt feststellen, sondern nur über die "pragmatische" Rückkopplung innerhalb eines virtuosen Zirkels. Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie gilt u.a. deshalb gegenüber Newtons Mechanik als zutreffender, weil er die Periheldrehung des Planeten Merkur erklären kann. Ob wir die Daten, die uns über die Periheldrehung des Merkur informierten, richtig interpretieren, ist eine ganz andere Frage, unsere Deutung empirischer Befunde ist ihrerseits wieder theorienhaltig.

Die Katze wird sich immer in den Schwanz beißen, das können wir nicht verhindern. Aber das ist kein Argument gegen eine bestimmte Beschaffenheit der Welt, sondern lediglich eine philosophische Mahnung zur Vorsicht. Es wird immer problematisch bleiben, synthetischen Urteilen Wahrheitswerte zuzuweisen. Pragmatisch, ich wiederhole mich: Wahr sind Aussagen über die Wirklichkeit, die man nie wieder ändern muss. Ob wir sie nie wieder ändern müssen, können wir zu keinem Zeitpunkt sicher wissen. Obwohl wir tagtäglich so leben, als ob wir diese Gewissheit hätten; Passung deutet immerhin auf Übereinstimmung, denn sie wäre andernfalls viel schwieriger (weniger plausibel, weniger elegant, dafür unter Inkaufnahme umso erklärungsbedürftigerer Ad-hoc-Annahmen) zu erklären.
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Re: Erkenntnistheoretischer Dualismus

Beitragvon El Schwalmo » Mi 30. Jan 2008, 21:10

ostfriese hat geschrieben:Ja, wir können die Übereinstimmung zwischen Modell und Wirklichkeit nicht direkt feststellen, sondern nur über die "pragmatische" Rückkopplung innerhalb eines virtuosen Zirkels.

genauer: wir können diese Übereinstimmung nicht feststellen, oder sehe ich das falsch?

[ ... ]

ostfriese hat geschrieben:Die Katze wird sich immer in den Schwanz beißen, das können wir nicht verhindern. Aber das ist kein Argument gegen eine bestimmte Beschaffenheit der Welt, sondern lediglich eine philosophische Mahnung zur Vorsicht.

Mein Argument richtete sich nie gegen eine bestimmte Beschaffenheit der Welt, sondern dagegen, dass wir wissen können, ob wir sie erkannt haben, sollte es sie geben.

ostfriese hat geschrieben:Es wird immer problematisch bleiben, synthetischen Urteilen Wahrheitswerte zuzuweisen. Pragmatisch, ich wiederhole mich: Wahr sind Aussagen über die Wirklichkeit, die man nie wieder ändern muss.

Wenn ich mich richtig erinnere, habe ich mich vor vielen Jahren im UseNet mit einem Diskussionspartner auf diese 'Definition' geeinigt. Ich müsste jetzt nachschauen, ob er oder ich diese 'Definition' vorgeschlagen hat. Ich finde sie aber immer noch gut. In diesem Kontext kam ich auch auf die Formulierung 'zeitkernig gültig'.

ostfriese hat geschrieben:Ob wir sie nie wieder ändern müssen, können wir zu keinem Zeitpunkt sicher wissen.

Exakt das war mein Punkt. Das bedeutet, dass 'pragmatisch' in diesem Kontext ähnlich bedeutsam ist wie 'wahr': nicht einlösbar.

ostfriese hat geschrieben:Obwohl wir tagtäglich so leben, als ob wir diese Gewissheit hätten; Passung deutet immerhin auf Übereinstimmung, denn sie wäre andernfalls viel schwieriger (weniger plausibel, weniger elegant, dafür unter Inkaufnahme umso erklärungsbedürftigerer Ad-hoc-Annahmen) zu erklären.

'Deuten' erfreut das Agnostiker-Herz ;->

In meinem Weltbild ist 'erklären' unnötig, man kann auch hypothetisch hinnehmen. Denn 'weniger plausibel, weniger elegant' ist durchaus subjektiv und kein Wahrheitskriterium.
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Re: Erkenntnistheoretischer Dualismus

Beitragvon ostfriese » Do 31. Jan 2008, 00:00

El Schwalmo hat geschrieben:wir können diese Übereinstimmung nicht feststellen, oder sehe ich das falsch?

Das siehst Du richtig.

El Schwalmo hat geschrieben:'Deuten' erfreut das Agnostiker-Herz ;->

In meinem Weltbild ist 'erklären' unnötig, man kann auch hypothetisch hinnehmen. Denn 'weniger plausibel, weniger elegant' ist durchaus subjektiv und kein Wahrheitskriterium.

Statt "deutet auf" hätte ich auch schreiben können: "ist ein überzeugungsmächtig starker Hinweis auf". ;D

Wir verhalten uns nicht wie Hypothesenjongleure, sondern vertrauen mit höchster gefühlter Sicherheit darauf, dass viele unserer mentalen Rekonstruktionen der Wirklichkeit entsprechen (Wer bezahlt schon den Touri-Flug nach New York, wenn er befürchten muss, dass von einem Tag zum anderen ganze Wolkenkratzer unerklärlicherweise verschwinden? Da sind wir doch froh, wenn wir im Falle eines Falles wenigstens eine Erklärung haben^^...). Woher kommt diese Sicherheit? Letztlich aus der gleichen zirkulären Konsistenz (aufgehängt an der unbewussten Hypothese, dass "Passung" durch "Übereinstimmung" kommt), aus der wir auch unsere Zuversicht hinsichtlich der "Wahrheit" unserer Theorien gewinnen. Warum sollte ich mich Zweifler nennen, wo ich derzeit keine Gründe zum Zweifeln sehe?
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Re: Erkenntnistheoretischer Dualismus

Beitragvon El Schwalmo » Do 31. Jan 2008, 06:20

ostfriese hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:wir können diese Übereinstimmung nicht feststellen, oder sehe ich das falsch?

Das siehst Du richtig.

dann solltest Du Dir Deine Argumente, die Du aus der Physik hinsichtlich der Gottesfrage abgeleitet hast, noch einmal durch den Kopf gehen lassen.

ostfriese hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:'Deuten' erfreut das Agnostiker-Herz ;->

In meinem Weltbild ist 'erklären' unnötig, man kann auch hypothetisch hinnehmen. Denn 'weniger plausibel, weniger elegant' ist durchaus subjektiv und kein Wahrheitskriterium.

Statt "deutet auf" hätte ich auch schreiben können: "ist ein überzeugungsmächtig starker Hinweis auf". ;D

Dann hätte ich ein noch stärkeres Argument für den subjektiven Charakter Deiner Überzeugung gehabt.

ostfriese hat geschrieben:Wir verhalten uns nicht wie Hypothesenjongleure, sondern vertrauen mit höchster gefühlter Sicherheit darauf, dass viele unserer mentalen Rekonstruktionen der Wirklichkeit entsprechen

Darunter könnte man fast 'Amen' schreiben.

ostfriese hat geschrieben:(Wer bezahlt schon den Touri-Flug nach New York, wenn er befürchten muss, dass von einem Tag zum anderen ganze Wolkenkratzer unerklärlicherweise verschwinden? Da sind wir doch froh, wenn wir im Falle eines Falles wenigstens eine Erklärung haben^^...).

Warum? Ich kann problemlos damit leben, dass wir das nicht wissen.

ostfriese hat geschrieben:Woher kommt diese Sicherheit? Letztlich aus der gleichen zirkulären Konsistenz (aufgehängt an der unbewussten Hypothese, dass "Passung" durch "Übereinstimmung" kommt), aus der wir auch unsere Zuversicht hinsichtlich der "Wahrheit" unserer Theorien gewinnen. Warum sollte ich mich Zweifler nennen, wo ich derzeit keine Gründe zum Zweifeln sehe?

Tja, das ist halt der Unterschied zwischen Pragmatik und Episteme. Meinst Du, dass ein Mensch, der in der Zeitung gelesen hat 'Die Wissenschaft hat bewiesen: die Erde dreht sich um die Sonne!' und aus dem Fenster blickt, irgendetwas merken würde? Warum sollte er zweifeln?

Mit der 'Hypothese vom anscheinend Wahren' (IIRC Konrad Lorenz) kommt man wunderbar zweifelsfrei durchs Leben. Man sollte nur vermeiden, nachzudenken.
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Re: Erkenntnistheoretischer Dualismus

Beitragvon ostfriese » Do 31. Jan 2008, 09:07

El Schwalmo hat geschrieben:dann solltest Du Dir Deine Argumente, die Du aus der Physik hinsichtlich der Gottesfrage abgeleitet hast, noch einmal durch den Kopf gehen lassen.

Nein, denn es besteht gerade nach intensivem Nachdenken kein ernst zu nehmender Zweifelsanlass mehr. Wer bzgl. der Gottesfrage noch zweifelt, hat also noch nicht gründlich genug nachgedacht.

El Schwalmo hat geschrieben:
ostfriese hat geschrieben:Statt "deutet auf" hätte ich auch schreiben können: "ist ein überzeugungsmächtig starker Hinweis auf". ;D

Dann hätte ich ein noch stärkeres Argument für den subjektiven Charakter Deiner Überzeugung gehabt.

Nö. Auf diese Position kann ich mich intersubjektiv mit sehr vielen sehr klugen Köpfen einigen.

El Schwalmo hat geschrieben:
ostfriese hat geschrieben:Wir verhalten uns nicht wie Hypothesenjongleure, sondern vertrauen mit höchster gefühlter Sicherheit darauf, dass viele unserer mentalen Rekonstruktionen der Wirklichkeit entsprechen

Darunter könnte man fast 'Amen' schreiben.

Das ist jetzt unfair aus dem Zusammenhang gerissen. Es ging um die Frage, warum wir mit diesem Vertrauen so überaus erfolgreich sind. Dieser Erfolg wäre ohne die Wahrheit unserer Annahmen nur äußerst schwierig zu erklären. Und ich gehe eigentlich davon aus, dass nachdenkende Menschen sich von blind gläubigen gerade dadurch unterscheiden, dass sie auf plausible Erklärungen eben nicht so leichtherzig verzichten.

El Schwalmo hat geschrieben:
ostfriese hat geschrieben:Woher kommt diese Sicherheit? Letztlich aus der gleichen zirkulären Konsistenz (aufgehängt an der unbewussten Hypothese, dass "Passung" durch "Übereinstimmung" kommt), aus der wir auch unsere Zuversicht hinsichtlich der "Wahrheit" unserer Theorien gewinnen. Warum sollte ich mich Zweifler nennen, wo ich derzeit keine Gründe zum Zweifeln sehe?

Tja, das ist halt der Unterschied zwischen Pragmatik und Episteme. Meinst Du, dass ein Mensch, der in der Zeitung gelesen hat 'Die Wissenschaft hat bewiesen: die Erde dreht sich um die Sonne!' und aus dem Fenster blickt, irgendetwas merken würde? Warum sollte er zweifeln?

Hier versuchst Du leider wieder, mich für dumm zu verkaufen. Ich muss Dir doch nicht erzählen, dass die Fortschritte in den Naturwissenschaften uns in die Lage versetzen, viele Irrtümer unseres Erfahrungswissens als solche zu entlarven. Der Grund dafür, warum wir in physikalische Weltbeschreibungen mehr Vertrauen setzen als in die Rekonstruktionen unserer Anschauung, liegt wiederum in ihrer höheren Erklärungsmacht. Zweifelsanlässe haben wir gerade dann, wenn wir auf Phänomene stoßen, die wir mit den gängigen Theorien nicht erklären können.

El Schwalmo hat geschrieben:Man sollte nur vermeiden, nachzudenken.

Nein, das sollte man nicht tun. (Kleine Rache fürs Aus-dem-Zusammenhang-Reißen, s.o.)
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Re: Erkenntnistheoretischer Dualismus

Beitragvon El Schwalmo » Do 31. Jan 2008, 09:31

ostfriese hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:dann solltest Du Dir Deine Argumente, die Du aus der Physik hinsichtlich der Gottesfrage abgeleitet hast, noch einmal durch den Kopf gehen lassen.

Nein, denn es besteht gerade nach intensivem Nachdenken kein ernst zu nehmender Zweifelsanlass mehr. Wer bzgl. der Gottesfrage noch zweifelt, hat also noch nicht gründlich genug nachgedacht.

ganz ehrlich, das ist nur noch beleidigend.

Du räumst ein, dass Du nicht erkennen kannst, ob Deine Modellierung (die ja methodisch ohne Gott erfolgen muss, solange Du im Rahmen der Naturwissenschaften verbleibst) das 'Sein des Seienden' korrekt modelliert. Du hast keinen Gott in den Prämissen, also ist es trivial, dass er in den Konklusionen nicht vorkommt. Über die Frage nach einem Designer folgt daher aus dem kompletten Gedankengebäude nichts.

Also ist die Gottesfrage offen.

Nun zu sagen, dass man, wenn man das leugnet, nicht genug nachgedacht habe, kann ich nur noch als mich für dumm zu verkaufen werten.

Bestenfalls kann ich noch sehen, dass für Dich 'Gottesfrage' meint, dass es um den 'Gott der Bibel' geht, während für mich darunter der 'Gott der Philosophen' gemeint ist. Wer aber in einem Diskurs auf der Ebene, den wir führen, unter 'Gott' den 'Daddy vom herzallerliebsten Jesulein' versteht, macht etwas falsch.

Wir können uns darauf einigen, dass man bestimmte Vorstellungen oder Gottesbilder als 'mit den zeitkernigen Gültigkeiten nicht kompatibel' aus dem rationalen Diskurs ausschließen kann. Dann sind wir wieder an dem Punkt, wo ich hier im Forum eingestiegen bin: es geht um pragmatische, nicht um ontische Fragen.
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Re: Erkenntnistheoretischer Dualismus

Beitragvon ostfriese » Do 31. Jan 2008, 09:41

El Schwalmo, Du misst gerade mit zweierlei Maß. Das "Nicht-(genügend-)Nachdenken" hab ich nur reflektiert, und wenn das eine Beleidigung ist, hast Du sie zuerst an mich gerichtet.

Die andere Diskussion roll ich jetzt nicht von vorn auf, nur so viel: Wenn wir über das Sein überhaupt etwas aussagen können, dann aufgrund des pragmatischen Erfolgs unserer Theorien. Also verlassen wir uns entweder vernünftigerweise darauf, dass dieser pragmatische Erfolg auf Wahrheit(snähe) beruht, oder wir verzichten darauf, überhaupt irgendwelchen Aussagen über die Wirklichkeit begründetermaßen Vorzug einzuräumen vor anderen.

Darauf möchte und kann aber wohl niemand verzichten, also ist es vernünftig, nur bei begründeten Zweifeln skeptisch zu sein. Agnostizismus dagegen ist unvernünftig.
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Re: Erkenntnistheoretischer Dualismus

Beitragvon Peter Janotta » Do 31. Jan 2008, 10:50

es geht um pragmatische, nicht um ontische Fragen.

Für mich geht es sowieso immer um Pragmatik. Wobei ich den Begriff Pragmatik sehr weit fasse. Über alles andere kann man meiner Meinung nach keine sicheren Ausagen machen, was damit der Beliebigkeit zum Opfer fällt. Die Sache ist nur die, dass nur das was irgendwie von mir oder vielen anderen wahrgenommen werden kann, irgendeine Bedeutung für unser Leben haben kann. Damit sehe ich es als nicht Zweckmäßig an sich über solche Dinge Gedanken zumachen, insofern nicht die Möglichkeit gegeben ist zu entscheiden was das Ausgedachte mit der Realität zu tun hat. Ist diese Möglichkeit gegeben wäre es wohl wieder dem Pragmatischen zuzuordnen.
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Re: Erkenntnistheoretischer Dualismus

Beitragvon El Schwalmo » Do 31. Jan 2008, 11:17

ostfriese hat geschrieben:Die andere Diskussion roll ich jetzt nicht von vorn auf, nur so viel: Wenn wir über das Sein überhaupt etwas aussagen können, dann aufgrund des pragmatischen Erfolgs unserer Theorien.

ACK, offene Scheunentore, Pragmatik.

ostfriese hat geschrieben:Also verlassen wir uns entweder vernünftigerweise darauf, dass dieser pragmatische Erfolg auf Wahrheit(snähe) beruht, oder wir verzichten darauf, überhaupt irgendwelchen Aussagen über die Wirklichkeit begründetermaßen Vorzug einzuräumen vor anderen.

Das ist ein klassisches non sequitur. Es ändert sich rein gar nichts, wenn Du 'Wahrheitsnähe' durch 'als im rationalen Diskurs zeitkernig als gültig befunden' ersetzt. Solange die Maschine läuft, das Weltbild nicht scheitert, ist es Hose wie Jacke, ob es 'wahr' ist. 'Hinreichend passend konstruiert' ist vollkommen ausreichend.

ostfriese hat geschrieben:Darauf möchte und kann aber wohl niemand verzichten, also ist es vernünftig, nur bei begründeten Zweifeln skeptisch zu sein. Agnostizismus dagegen ist unvernünftig.

Und dass der Zweifel, ob wir gültige Aussagen über die Existenz eines Gottes machen können, vernünftig ist, hast Du schon eingeräumt. Ich sehe nicht, dass Agnostizismus als epistemische Position, denn nur darum geht es in diesem Kontext, unvernünftig ist.

Vergiss nicht, der Diskurs handelt nicht von Pragmatik.
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Re: Erkenntnistheoretischer Dualismus

Beitragvon El Schwalmo » Do 31. Jan 2008, 11:24

Peter Janotta hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:es geht um pragmatische, nicht um ontische Fragen.

Für mich geht es sowieso immer um Pragmatik. Wobei ich den Begriff Pragmatik sehr weit fasse. Über alles andere kann man meiner Meinung nach keine sicheren Ausagen machen, was damit der Beliebigkeit zum Opfer fällt.

unbestritten.

Die spannende Frage ist nur, was daraus folgt. Darauf habe ich ab den ersten Postings, die ich überhaupt hier einstellte, hingewiesen und dabei sauber die Ebenen, um die es mir geht, auseinandergehalten.

Peter Janotta hat geschrieben:Die Sache ist nur die, dass nur das was irgendwie von mir oder vielen anderen wahrgenommen werden kann, irgendeine Bedeutung für unser Leben haben kann.

Nein. Für Dein Leben hat auch das eine gewaltige Bedeutung, was andere meinen, wahrgenommen zu haben. Beispielsweise, wenn ein religiöser Fanatiker Dir etwas antut.

Mein Punkt ist, dass man, wenn man gegen Religion ingesamt vorgehen möchte, das auf einem sehr hohen Niveau machen muss, und dabei genau das bedenken sollte, was ich hier die ganze Zeit 'predige'. Denn dieser Diskurs wird nicht mit den Fanatikern, sondern mit Philosophen (bzw. Theologen, die sich in Philosophie durchaus auskennen) geführt.

Gegen religiöse Fanatiker reicht Pragmatik, denn die können derartigen Gedanken nicht folgen. Aber diese würden es auch bemerken, wenn jemand von uns sich zu weit aus dem Fenster lehnt und das gezeigt bekommt.

Peter Janotta hat geschrieben:Damit sehe ich es als nicht Zweckmäßig an sich über solche Dinge Gedanken zumachen, insofern nicht die Möglichkeit gegeben ist zu entscheiden was das Ausgedachte mit der Realität zu tun hat. Ist diese Möglichkeit gegeben wäre es wohl wieder dem Pragmatischen zuzuordnen.

Oder man muss einsehen, dass unsere Erkenntnismöglichkeiten nicht hinreichen, derartige Fragen zu entscheiden. Dann sind wir auch wieder bei der Pragmatik, aber auf der Ebene, die Sinn macht: dem rationalen Diskurs und dessen Regeln. Den braucht man nicht mit Wahrheitsansprüchen belasten, die man nicht einlösen kann.
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Re: Erkenntnistheoretischer Dualismus

Beitragvon ostfriese » Do 31. Jan 2008, 15:05

El Schwalmo hat geschrieben:
ostfriese hat geschrieben:Also verlassen wir uns entweder vernünftigerweise darauf, dass dieser pragmatische Erfolg auf Wahrheit(snähe) beruht, oder wir verzichten darauf, überhaupt irgendwelchen Aussagen über die Wirklichkeit begründetermaßen Vorzug einzuräumen vor anderen.

Das ist ein klassisches non sequitur. Es ändert sich rein gar nichts, wenn Du 'Wahrheitsnähe' durch 'als im rationalen Diskurs zeitkernig als gültig befunden' ersetzt. Solange die Maschine läuft, das Weltbild nicht scheitert, ist es Hose wie Jacke, ob es 'wahr' ist. 'Hinreichend passend konstruiert' ist vollkommen ausreichend.

Nein, das ist kein "non sequitur", Du hast das sehr entscheidende Wörtchen "begründetermaßen" überlesen.

Unsere Rekonstruktionen sind Folgen von Versuch und Irrtumsbeseitigung. Aber was ist überhaupt ein Irrtum, wie könnte es Fortschritt in der Wissenschaft geben, wenn Erfolg und Scheitern gar nicht erkennbar wären? Und wenn sie erkennbar sind, woran liegt es dann? Du müsstest auf eine Menge plausibler Erklärungen verzichten, wenn Du unterstelltest, die pragmatische "zeitkernige Gültigkeit" hätte nichts mit Annäherung an ontisch wahre Aussagen zu tun. Die Frage wäre dann auch, in welcher Hinsicht eine solche Konvention vernünftig sein soll, wenn sie nicht begründen kann, wie es zu Passungen und dem Erkennen dieser Passungen kommt; denn wenn wir hiervon keine Theorie haben, dann spricht doch wenig dagegen, dass wir völlig irrtümlich eine Passung zu erkennen glauben, wo gar keine ist. Die Passungserkennung stünde dann genauso zur Disposition wie die Wahrheitserkennung.

El Schwalmo hat geschrieben:Und dass der Zweifel, ob wir gültige Aussagen über die Existenz eines Gottes machen können, vernünftig ist, hast Du schon eingeräumt.

Nein, das hab ich ganz sicher nicht, sondern ich habe dies sehr klar und wohlbegründet verneint. Die Unmöglichkeit eines letztgültigen Beweises für eine synthetische Aussage (also des definitiven Erkennens ihrer Wahrheit) ist kein Anlass, an jeder beliebigen Behauptung zu zweifeln.

El Schwalmo hat geschrieben:Vergiss nicht, der Diskurs handelt nicht von Pragmatik.

Vergiss nicht, jenseits der Pragmatik können wir uns jede Diskussion schenken.
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Re: Erkenntnistheoretischer Dualismus

Beitragvon El Schwalmo » Do 31. Jan 2008, 15:39

ostfriese hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Vergiss nicht, der Diskurs handelt nicht von Pragmatik.

Vergiss nicht, jenseits der Pragmatik können wir uns jede Diskussion schenken.

okay.

Dann entscheiden die bessere Propaganda und die Machtmittel.
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