Was ist "Würde"

Re: Was ist "Würde"

Beitragvon ostfriese » Sa 16. Feb 2008, 01:12

Au ja, wir verfassen eine Online-Version des Grundgesetzes, und jeder frag-würd-ige Begriff wird mit dem Wörterbuch verlinkt:

Die Würde des Menschen ist unantastbar.

Das dürfte endgültig alle Klarheiten restlos beseitigen... :applaus:
Benutzeravatar
ostfriese
 
Beiträge: 1479
Registriert: Mi 20. Sep 2006, 22:28
Wohnort: Eisenach

Re: Was ist "Würde"

Beitragvon folgsam » Sa 16. Feb 2008, 03:15

Wie auch immer man Würde definitert, ich finde es ist unabdingbar das dem Menschen Würde zuerkannt wird. Etwas, das nicht in seinen Handlungen und seiner Stellung wurzelt und nicht an ihr gemessen werden kann.
Eine Würde die jedem Menschen zusteht und unverrückbar und ewig zuerkannt ist kann als einzige vor Missbrauch am menschlichen Geiste schützen. Wo die Grenzlinie zwischen "Tier" und "Mensch" gezogen wird, kann fast beliebig diskutiert werden : Auch kann "Tieren" Würde zuerkannt werden. So sind gewisse Säugetiere, die über dem Zweck des eigenen Überlebens die Verknüpfung in ein soziales, innerartliches Netwerk vorweisen, sicherlich mit mehr Würde anzusehen als Röhrenwürmer.

Ich persönlich tendiere dazu, Menschlichkeit (im Sinn : Was ist ein Mensch?) und Würde im Kontext der ihn umgebenden sozialen Verknüpfungen zu sehen. Ein genetisch der Art Homo Sapiens zugehörige Blastocyste mit wenigen Tagen Lebensalter verfügt über nichts dergleichen, sofern sie nicht zum Zwecke der Austragung geschaffen wurde. Auch ein biologisch ausgewachsener Homo Sapiens mit stark unterentwickelten bis nicht vorhanden bewussten Hirnfunktionen kann, sofern es nicht aus unterschiedlichen Gründen von Verwandten oder anderen Personen als Teil des sozialen Netzwerks gesehen wird, schlecht die Würde eines Menschen zuerkannt werden.

Es gibt keine Würde des Blutes, der Verstand und die (Selbst)erkenntniss eines bewussten Wesens unterscheidet den "Mensch" vom "Tier", und somit die Würde.
Benutzeravatar
folgsam
 
Beiträge: 1307
Registriert: Fr 28. Dez 2007, 16:18

Re: Was ist "Würde"

Beitragvon ostfriese » Sa 16. Feb 2008, 07:55

folgsam, bei Dir ist erneut davon die Rede, dass Würde zuerkannt wird. Offenbar hast Du Kriterien, nach denen Du dem (geistig voll entwickelten) Menschen eine höhere Würde zusprichst als dem Wurm -- auch wenn Du diese Kriterien nicht angibst.

Pip streitet ja gerade ab, dass Würde zuerkannt wird ("eine lächerliche Idee"); stattdessen postuliert er dogmatisch, dass sie dem Menschen innewohne.

Das ist eine rational nicht haltbare Auffassung, denn entweder weiß jeder, was damit gemeint ist (so wie bei der Aussage, jedem Menschen wohne eine Leber inne), oder man muss definieren, woran diese Würde identifizierbar ist. Und dann sind wir wieder beim Zuerkennen aufgrund bestimmter Kriterien.

Fazit: Es ist in einer rationalen Ethik unabdingbar anzugeben, welche Eigenschaften eines Wesens man für moralisch relevant hält und dies zu begründen. Dabei wird man feststellen, dass es sehr plausible Argumente dafür gibt, einer Stammzelle oder einem Wurm nicht die gleichen Rechte zuzugestehen wie einer selbstbewussten Person, während man auf der anderen Seite leicht einsehen wird, dass eine juristische Ungleichbehandlung aufgrund der Hautfarbe nicht vernünftig legitimierbar ist.

Man könnte eine solche Ungleichbehandlung allenfalls dadurch rechtfertigen, dass man dogmatisch behauptete, Menschen der einen Hautfarbe wohne eine höhere Würde inne. Damit verließe man den Bereich der (rationalen) Ethik. Hieran wird nochmals deutlich, wie problematisch und ethisch unhaltbar Pips Würde-Postulat ist.
Benutzeravatar
ostfriese
 
Beiträge: 1479
Registriert: Mi 20. Sep 2006, 22:28
Wohnort: Eisenach

Re: Was ist "Würde"

Beitragvon AAy » Sa 16. Feb 2008, 19:48

ostfriese hat geschrieben:Wenn der Artikel über die Unantastbarkeit der Menschenwürde nicht mehr bedeutet, als dass die Menschenrechte unveräußerlich sind, dann ist er überflüssig, denn dann leisten jene Artikel, in denen es um eben diese Menschenrechte geht, in ihrer Gesamtheit nicht weniger als bei Hinzunahme des Artikels 1.


Juristisch ja. Rhetorisch nein. Die Verfassung richtet sich ja nicht nur an hochintelligente Intellektuelle, die alles begriffsanalytisch auseinandernehmen können, sondern auch an Leute, die gerade mal so ihren Hauptschulabschluß geschafft haben. Wenn man denen erzählt, jeder Mensch hat eine unverletztliche Würde, so ist das wirkungsvoller, als kompliziertes Blabla.

Ich sehe daher nicht, an welcher Stelle Du mir widersprochen hättest. Eine rationale Ethik kann (und sollte!) auf den Begriff "Würde" vollständig verzichten.


Gibt es rationale Ethiker, die den Begriff benutzen? Ich kenne keinen,

Viele Grüße

AAy
AAy
 
Beiträge: 104
Registriert: Fr 1. Feb 2008, 00:51

Re: Was ist "Würde"

Beitragvon ostfriese » Sa 16. Feb 2008, 20:17

AAy hat geschrieben:Wenn man denen erzählt, jeder Mensch hat eine unverletztliche Würde, so ist das wirkungsvoller, als kompliziertes Blabla.

Kompliziertes Blabla? Körperliche Unversehrtheit, Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Unverletzlichkeit der Wohnung, Postgeheimnis usw. finde ich eigentlich sehr unkompliziert und allemal leichter begreifbar als die schwammige "Menschenwürde".

AAy hat geschrieben:Gibt es rationale Ethiker, die den Begriff benutzen? Ich kenne keinen

Eine Ethik, die den Begriff "Würde" benutzt, ohne ihn auf Kriterien zu beziehen, nach denen sie zuerkannt wird, ist eben nicht rational. ;-)
Benutzeravatar
ostfriese
 
Beiträge: 1479
Registriert: Mi 20. Sep 2006, 22:28
Wohnort: Eisenach

Re: Was ist "Würde"

Beitragvon Myron » So 17. Feb 2008, 00:50

ostfriese hat geschrieben:Pip streitet ja gerade ab, dass Würde zuerkannt wird ("eine lächerliche Idee"); stattdessen postuliert er dogmatisch, dass sie dem Menschen innewohne.


Seine Würde wohnt dem Menschen nicht so inne wie seine Masse. Sie ist keine natürliche Eigenschaft.

Die Würde eines Menschen besteht darin, dass ihn seine Mitmenschen allein aufgrund seines Menschseins stets als einen "Wertgegenstand" zu betrachten und zu behandeln haben.
Benutzeravatar
Myron
Mitglied des Forenteams
Mitglied des Forenteams
 
Beiträge: 4808
Registriert: So 1. Jul 2007, 17:04

Re: Was ist "Würde"

Beitragvon ostfriese » So 17. Feb 2008, 10:57

Dann erkläre mir, was Menschsein bedeutet. Wenn damit allein die Artzugehörigkeit gemeint ist, dann haben wir erstens das Tötungsverbot für befruchtete Eizellen und zweitens blanken Speziezismus. Das wäre nicht legitimierbar, und in dem Fall wäre Artikel 1 nicht inhaltsleer, sondern unethisch.

Wenn es andere Kriterien für das Menschsein gibt (üblicherweise personales Bewusstsein), dann sind wir wieder bei meiner Position, dass die Menschenwürde aufgrund eben dieser Kriterien zuerkannt wird.
Benutzeravatar
ostfriese
 
Beiträge: 1479
Registriert: Mi 20. Sep 2006, 22:28
Wohnort: Eisenach

Re: Was ist "Würde"

Beitragvon stine » So 17. Feb 2008, 12:05

ostfriese hat geschrieben:Wenn es andere Kriterien für das Menschsein gibt (üblicherweise personales Bewusstsein), dann sind wir wieder bei meiner Position, dass die Menschenwürde aufgrund eben dieser Kriterien zuerkannt wird.

So ist es. Die Menschenwürde wird uns Menschen zuerkannt, weil wir offensichtlich ein bewußtes Sein haben, welches wir dem Schlickerwurm absprechen.
An dieser Stelle, was die Besonderheit des Menschen angeht, scheint das Grundgesetz mit den Kreationisten einer Meinung. Das dürfte einem Bright nicht gefallen.

LG stine
Benutzeravatar
stine
 
Beiträge: 8022
Registriert: Do 27. Sep 2007, 08:47

Re: Was ist "Würde"

Beitragvon Peter Janotta » So 17. Feb 2008, 12:26

stine hat geschrieben:Die Menschenwürde wird uns Menschen zuerkannt, weil wir offensichtlich ein bewußtes Sein haben

Nur hat das nicht nur der Mensch. Beispielsweise wurde durch den Lippenstifft-Test, das Bewusstsein bei Affen nachgewiesen. Was den Menschen aber wirklich von den Affen unterscheidet ist anscheinend (nach einer Doku, die ich mal gesehen habe) die Kultur. In dem Sinne, dass der Mensch Erkenntnisse und Praktiken von anderen Artgenossen übernimmt und nicht immer wieder bei null anfängt und alles wieder für sich selbst entdecken muss. Ich denke, dass das Bewusstsein auch bei anderen Tieren nachgewiesen werden kann. Mir sind zwar nur Studien zum Affen bekannt, allerdings habe ich mich auch noch nicht mit dem Thema intensiver beschäfftigt.

Aber das wäre wohl ein anderes Thema. Jedenfalls müsste, wenn dass Bewusstsein ausschlaggebend für die Anerkennung von Würde ist, zumindest die Affen diese Würde auch anerkannt bekommen.
Benutzeravatar
Peter Janotta
 
Beiträge: 1492
Registriert: Mo 26. Mär 2007, 10:53
Wohnort: Würzburg

Re: Was ist "Würde"

Beitragvon 1von6,5Milliarden » So 17. Feb 2008, 12:33

Auch verschiedene Affen haben eineArt Kultur die sie weitergeben, nur eine sehr "leichte".
Affen (wie viele Tiere übrigens) sprechen einen Gruppendialekt und Affen (wie einige Tiere) geben erlernten Nutzung bestimmter Werkzeuge oder bestimmte Problemlösungen weiter.
Benutzeravatar
1von6,5Milliarden
Mitglied des Forenteams
Mitglied des Forenteams
 
Beiträge: 5236
Registriert: Sa 25. Nov 2006, 15:47
Wohnort: Paranoia

Re: Was ist "Würde"

Beitragvon Klaus » So 17. Feb 2008, 15:58

In Österreich läuft sein Monaten ein Verfahren vor Gericht, welches Affen die juristische Natürlichkeit zursprechen könnte. Mit anderen Worten, bekommen die beiden Affen dort Recht, können sie sogar erben und Menschen verklagen.
b2t, ich würde mich der Argumentation anschließend von 1v6,?Mrd., es gibt genug Tiere mit Kultur. Und wir als Tiere haben ja schließlich auch eine Kultur, die Tiere unseres Stammes ja auch nicht immer verstehen. Ich möchte nicht wissen, wieviele Menschen den Lippenstifttest nicht bestehen würden. :lachtot:
Elefanten Delphine und vam. haben das Vermögen der Selbstreflexion.
Benutzeravatar
Klaus
 
Beiträge: 4704
Registriert: Mo 11. Sep 2006, 21:43
Wohnort: get off the Net, I´ll meet you in the Streets

Re: Was ist "Würde"

Beitragvon ostfriese » So 17. Feb 2008, 16:44

stine hat geschrieben:Die Menschenwürde wird uns Menschen zuerkannt, weil wir offensichtlich ein bewußtes Sein haben, welches wir dem Schlickerwurm absprechen.
An dieser Stelle, was die Besonderheit des Menschen angeht, scheint das Grundgesetz mit den Kreationisten einer Meinung. Das dürfte einem Bright nicht gefallen.

stine, da hast Du etwas missverstanden. Wenn das GG die Menschenwürde aufgrund der von mir genannten Kriterien zuerkennte, hätte nicht ich, sondern hätten die Kreationisten und katholischen Dogmatiker ein Problem damit. Denn dann wäre die Forschung mit embryonalen Stammzellen eben weit weniger bedenklich als das Braten von Spiegeleiern. Leider aber bezieht sich das GG nicht auf das Kriterium des personalen Bewusstseins, denn sonst müssten z.B. mindestens die Rechte auf körperliche Unversehrtheit sowie auf Freizügigkeit auch Menschenaffen und Delfinen explizit zugesprochen werden.

Artikel 1 in seiner jetzigen Formulierung kann nicht aus einer rationalen Ethik gewonnen werden, und genau das kritisiere ich.
Benutzeravatar
ostfriese
 
Beiträge: 1479
Registriert: Mi 20. Sep 2006, 22:28
Wohnort: Eisenach

Re: Was ist "Würde"

Beitragvon AAy » So 17. Feb 2008, 18:50

ostfriese hat geschrieben:
AAy hat geschrieben:Wenn man denen erzählt, jeder Mensch hat eine unverletztliche Würde, so ist das wirkungsvoller, als kompliziertes Blabla.

Kompliziertes Blabla? Körperliche Unversehrtheit, Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Unverletzlichkeit der Wohnung, Postgeheimnis usw. finde ich eigentlich sehr unkompliziert und allemal leichter begreifbar als die schwammige "Menschenwürde".


Das gilt nur für dich und ein paar Intellektuelle. Die meisten Menschen sind aber eher geistig minderbemittelt.

AAy hat geschrieben:Gibt es rationale Ethiker, die den Begriff benutzen? Ich kenne keinen

Eine Ethik, die den Begriff "Würde" benutzt, ohne ihn auf Kriterien zu beziehen, nach denen sie zuerkannt wird, ist eben nicht rational. ;-)


Wer macht das?

Viele Grüße

AAy
AAy
 
Beiträge: 104
Registriert: Fr 1. Feb 2008, 00:51

Re: Was ist "Würde"

Beitragvon AAy » So 17. Feb 2008, 18:54

ostfriese hat geschrieben:Dann erkläre mir, was Menschsein bedeutet. Wenn damit allein die Artzugehörigkeit gemeint ist, dann haben wir erstens das Tötungsverbot für befruchtete Eizellen und zweitens blanken Speziezismus. Das wäre nicht legitimierbar, und in dem Fall wäre Artikel 1 nicht inhaltsleer, sondern unethisch.


Nein, es handelt sich nur um eine andere ethische Meinung.
Abgesehen davon ist das Tötungsverbot für befruchtete Eizellen rational, da es keine klare Abgrenzung gibt zwischen Menschen mit und ohne Ich-Bewußtsein.

Viele Grüße

AAy
AAy
 
Beiträge: 104
Registriert: Fr 1. Feb 2008, 00:51

Re: Was ist "Würde"

Beitragvon AAy » So 17. Feb 2008, 19:01

Peter Janotta hat geschrieben:
stine hat geschrieben:Die Menschenwürde wird uns Menschen zuerkannt, weil wir offensichtlich ein bewußtes Sein haben

Nur hat das nicht nur der Mensch. Beispielsweise wurde durch den Lippenstifft-Test, das Bewusstsein bei Affen nachgewiesen. Was den Menschen aber wirklich von den Affen unterscheidet ist anscheinend (nach einer Doku, die ich mal gesehen habe) die Kultur. In dem Sinne, dass der Mensch Erkenntnisse und Praktiken von anderen Artgenossen übernimmt und nicht immer wieder bei null anfängt und alles wieder für sich selbst entdecken muss.


Das machen andere Tierarten auch. Was Menschen von anderen Tieren unterscheidet ist, daß Menschen sich zusammenfinden, Institutionen und Organisationen bilden und darüber diskutieren, was Menschen von anderen Tieren unterscheidet und wie das ethisch zugewichten sei. Ich habe jedenfalls noch keinen Affen in einem Philosophie-Seminar gesehen, und mit einem Wortschatz von nur 1.000 Begriffen dürften die da auch kaum auf dem menschenüblichen Abstraktionsniveau mithalten können. Was Menschen von anderen Tieren unterscheidet, ist also der Entwicklungsgrad der Kultur.

Aber das wäre wohl ein anderes Thema. Jedenfalls müsste, wenn dass Bewusstsein ausschlaggebend für die Anerkennung von Würde ist, zumindest die Affen diese Würde auch anerkannt bekommen.


Das ist ja nichts neues. http://www.greatapeproject.org/

Viele Grüße

AA
AAy
 
Beiträge: 104
Registriert: Fr 1. Feb 2008, 00:51

Re: Was ist "Würde"

Beitragvon AAy » So 17. Feb 2008, 19:10

ostfriese hat geschrieben:mindestens die Rechte auf körperliche Unversehrtheit sowie auf Freizügigkeit auch Menschenaffen und Delfinen explizit zugesprochen werden.


Da fehlt mir aber die Reziprokität. Wenn ich einem 300 kg schweren Silberrücken begegne und ihm erkläre: "Ich habe ein Recht auf körperliche Unversehrtheit, weil ich mindestens so gut abstrakt denken kann wie du!", was macht der dann?

Viele Grüße

AAy
AAy
 
Beiträge: 104
Registriert: Fr 1. Feb 2008, 00:51

Re: Was ist "Würde"

Beitragvon 1von6,5Milliarden » So 17. Feb 2008, 19:13

Ist es des Gorillas Problem, wenn du nicht fähig bist mit ihm für ihn verständlich zu kommunizieren? :mg:

Schließt du einem Menschen mit einem Wortschatz von 500 Wörtern von der Menschenwürde aus?
Benutzeravatar
1von6,5Milliarden
Mitglied des Forenteams
Mitglied des Forenteams
 
Beiträge: 5236
Registriert: Sa 25. Nov 2006, 15:47
Wohnort: Paranoia

Re: Was ist "Würde"

Beitragvon ostfriese » So 17. Feb 2008, 23:40

AAy hat geschrieben:
ostfriese hat geschrieben:Dann erkläre mir, was Menschsein bedeutet. Wenn damit allein die Artzugehörigkeit gemeint ist, dann haben wir erstens das Tötungsverbot für befruchtete Eizellen und zweitens blanken Speziezismus. Das wäre nicht legitimierbar, und in dem Fall wäre Artikel 1 nicht inhaltsleer, sondern unethisch.


Nein, es handelt sich nur um eine andere ethische Meinung.
Abgesehen davon ist das Tötungsverbot für befruchtete Eizellen rational, da es keine klare Abgrenzung gibt zwischen Menschen mit und ohne Ich-Bewußtsein.

Das personale Bewusstsein ist eine emergente Eigenschaft eines hinreichend komplexen kognitiven Systems. Die Grenze auf den Tag der Geburt zu legen, ist allemal hinreichend, Neugeborene verfügen mit Sicherheit noch nicht über den Intellekt erwachsener Schimpansen. Das Dammbruch-Argument zieht also nicht als Legitimierung eines Abtreibungsverbots. Es gibt hierfür keine rationale Rechtfertigung als die, dass dem Fötus unnötige Schmerzen erspart werden sollten. Wer Thunfisch aus Schleppnetzfischerei isst und sich mitschuldig macht am qualvollen Verrecken von Delfinen, handelt allemal verwerflicher als eine Frau, die ein Kind abtreibt. Dass uns solche Konsequenzen paradox erscheinen, liegt einzig und allein daran, dass wir's nicht gewohnt sind, in ethischen Fragen Vernunft walten zu lassen.

AAy hat geschrieben:Da fehlt mir aber die Reziprokität. Wenn ich einem 300 kg schweren Silberrücken begegne und ihm erkläre: "Ich habe ein Recht auf körperliche Unversehrtheit, weil ich mindestens so gut abstrakt denken kann wie du!", was macht der dann?

Was er macht, ist für eine ethische Beurteilung dessen, was er tun sollte oder Dir zumuten dürfte, ohne Belang -- Du begehst den Naturalistischen Fehlschluss. Nur, wenn man Gorillas moralisches Urteilen beibringen könnte, müssten sie auch die Kosten für ihr Verhalten tragen und dies entsprechend berücksichtigen. Da dies jedoch nicht der Fall ist, haben Gorillas keine moralischen Pflichten, im Gegensatz zu Menschen. Denen natürlich auch mehr Rechte zukommen: Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Unverletzlichkeit der Wohnung, Postgeheimnis usw. sind für Gorillas unnötig, da sie keine Bedürfnisse haben, die durch solche Rechte geschützt werden müssten.
Benutzeravatar
ostfriese
 
Beiträge: 1479
Registriert: Mi 20. Sep 2006, 22:28
Wohnort: Eisenach

Re: Was ist "Würde"

Beitragvon Myron » So 17. Feb 2008, 23:49

Peter Janotta hat geschrieben:Beispielsweise wurde durch den Lippenstifft-Test, das Bewusstsein bei Affen nachgewiesen.
(...)
Aber das wäre wohl ein anderes Thema. Jedenfalls müsste, wenn dass Bewusstsein ausschlaggebend für die Anerkennung von Würde ist, zumindest die Affen diese Würde auch anerkannt bekommen.


Es geht hierbei ums Selbstbewusstsein, d.h. um eine höhere Form von Bewusstsein, und nicht nur ums elementare Bewusstsein.
Benutzeravatar
Myron
Mitglied des Forenteams
Mitglied des Forenteams
 
Beiträge: 4808
Registriert: So 1. Jul 2007, 17:04

Re: Was ist "Würde"

Beitragvon ostfriese » So 17. Feb 2008, 23:52

Ich denke, das ist Peter klar, denn er bezog sich ja auf das personale Bewusstsein.
Benutzeravatar
ostfriese
 
Beiträge: 1479
Registriert: Mi 20. Sep 2006, 22:28
Wohnort: Eisenach

VorherigeNächste

Zurück zu Philosophie

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 4 Gäste

cron