Thema Altruismus mal wieder

Re: Thema Altruismus mal wieder

Beitragvon ganimed » Sa 7. Aug 2010, 01:12

Ich würde die Formulierung meiner Behauptung lieber doch nochmal korrigieren wollen, nämlich dort wo das "egoistisch" begründet wird:
    Weil alles der Befriedigung von Bedürfnissen und Trieben dient ... und die größte Befriedigung von Bedürfnissen und Trieben sich immer durchsetzt, kann man nie etwas tun, was nicht maximal belohnt wird. Und weil es die eigenen Bedürfnisse und Triebe sind, die da befriedigt werden, und weil es deshalb egoistisch ist, folgt, dass alles, was man tut, egoistisch ist.

Bei der Definition von Egoismus und Altruismus kann ich nach ein wenig überlegen auch nicht mehr recht zustimmen. Ich meine, die bisherige Definition enthält die Wirkung einer Handlung (und damit das Problem, dass man die bei der Entscheidung zur Handlung noch nicht kennt). Bei Egoismus und Altruismus geht es meinem Sprachgefühl zufolge aber eher um die Absicht. Ich schlage deshalb vor, dass die bisherige Definition mit der Wirkung nur den Erfolg/Miserfolg einer Handlung definiert.

    Erfolgreich ist eine Handlung dann, wenn sie mehr Vorteile als Nachteile für den Handelnden bringt. Erfolglos (dumm oder verunglückt) ist eine Handlung dann, wenn sie mehr Nachteile als Vorteile für den Handelnden bringt.
Bei der Definition der Begriffe Egoismus und Altruismus würde ich mich auf die Absicht des Handelnden beschränken.

    Egoistisch ist eine Handlung dann, wenn ihre (Haupt-)Absicht war, die Bedürfnisse des Handelnden zu befriedigen. Altruistisch ist eine Handlung dann, wenn ihre (Haupt-)Absicht war, die Bedürfnisse anderer zu befriedigen.

AgentProvocateur hat geschrieben:Nehmen wir nochmal den Judenverstecker. ... Und ich behaupte auch nicht, dass er sich nicht für das entschieden hatte, was er in der Situation letztlich für das Beste hielt.

Der Judenverstecker definiert also ein "Bestes" und will dies dann erreichen. Was macht das "Beste" zum Besten? Das wäre hier die Frage. Ist dieses "Beste" deshalb das Optimum für den Judenverstecker, weil er damit seine Bedürfnisse am besten befriedigen kann? Ich meine ja.

AgentProvocateur hat geschrieben:Warum sollte es prinzipiell nicht möglich sein, dass jemand in seiner Abwägung die Interessen von anderen höher gewichtet als seine eigenen und daraufhin seine Interessen zurücksteckt und das dann für das Beste hält?

Wenn ich dein Interesse B höher wichte als mein eigenes Interesse A, dann ist das nichts anderes, als dass ich an B mehr interessiert bin als an A. Ich nenne B vielleicht weiterhin "dein Interesse", um nicht durcheinander zu kommen, aber das ist nur ein Name. Wenn ich B höher wichte, dann bin ich mehr an B interessiert als an A. B ist also faktisch dann "mein Interesse" geworden. Es ist daher nicht möglich, fremde Interessen höher zu wichten ohne sie damit zu eigenen Interessen zu machen. Ergo ist es letztlich nicht möglich, fremde Interessen höher zu wichten.

AgentProvocateur hat geschrieben:Und noch folgende Frage auf Deinen Beitrag weiter oben in diesem Thread bezogen: wenn Du zwischen 'großzügiger' und 'weniger großzügig' unterscheidest, nach welchen Kriterien tust Du das? Ist das etwa nicht die Abwägung zwischen den persönlichen Vor- und Nachteilen für den Geber? Wenn nicht: was sonst?

Ich würde sagen: "Großzügig" bezeichnet die Stärke beim stärker Wichten von fremden Interessen.

Das fremde Geldinteresse des Bettlers sei B. Mein Interesse, mein Geld zu behalten, sei A.

Bin ich "wenig großzügig", dann wichte ich B zwar höher als A, aber die Wichtung schlägt dabei nicht sonderlich stark aus. B gewinnt bei mir nur knapp und ich rücke nur einen kleinen Geldbetrag heraus. Bin ich dagegen "großzügig", dann wichte ich B nicht nur etwas höher als A sondern sehr viel höher als A. Demzufolge erhöht sich der Betrag der Geldspende.
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Re: Thema Altruismus mal wieder

Beitragvon AgentProvocateur » Sa 7. Aug 2010, 23:13

ganimed hat geschrieben:
    Egoistisch ist eine Handlung dann, wenn ihre (Haupt-)Absicht war, die Bedürfnisse des Handelnden zu befriedigen. Altruistisch ist eine Handlung dann, wenn ihre (Haupt-)Absicht war, die Bedürfnisse anderer zu befriedigen.

Gut, darauf können wir uns einigen.

ganimed hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Und noch folgende Frage auf Deinen Beitrag weiter oben in diesem Thread bezogen: wenn Du zwischen 'großzügiger' und 'weniger großzügig' unterscheidest, nach welchen Kriterien tust Du das? Ist das etwa nicht die Abwägung zwischen den persönlichen Vor- und Nachteilen für den Geber? Wenn nicht: was sonst?

Ich würde sagen: "Großzügig" bezeichnet die Stärke beim stärker Wichten von fremden Interessen.

Das fremde Geldinteresse des Bettlers sei B. Mein Interesse, mein Geld zu behalten, sei A.

Bin ich "wenig großzügig", dann wichte ich B zwar höher als A, aber die Wichtung schlägt dabei nicht sonderlich stark aus. B gewinnt bei mir nur knapp und ich rücke nur einen kleinen Geldbetrag heraus. Bin ich dagegen "großzügig", dann wichte ich B nicht nur etwas höher als A sondern sehr viel höher als A. Demzufolge erhöht sich der Betrag der Geldspende.

Okay. Gut erklärt.

Meiner Ansicht nach ist nun eben das das einzig sinnvolle Konzept von 'Egoismus - Altruismus' und dieses Konzept wird meiner Ansicht nach gemeinhin auch nur so verwendet.

In der Alltagssprache ist der Begriff 'Altruismus' selber sehr ungebräuchlich, das Konzept als solches taucht in der Alltagssprache jedoch auf in den gebräuchlichen Gegensätzen:

eigennützig - uneigennützig
nicht hilfsbereit - hilfsbereit
asozial - sozial
ichbezogen - selbstlos
nicht großzügig / geizig - großzügig

Und meiner Ansicht nach passt dazu nun prima Deine Erklärung hier: je nach dem Verhältnis der Gewichtung (die mE von Dritten immer auch interpoliert / teilweise geschätzt werden muss, da man die wahren Motive in einer bestimmten Situation nie hinreichend kennt) von eigenen und fremden Interessen sieht man eine Handlung als eigennütziger oder uneigennütziger an. Man unterscheidet also zwischen 'eigenen Interessen' und 'fremden Interessen'.

Und diese Unterscheidung erscheint mir eine sinnvolle zu sein, (jedoch überhaupt nicht sinnvoll der dem widersprechende Gedanke, absolut alles einfach so zum Eigeninteresse umbiegen / deklarieren zu wollen, was jemand will und tut, einfach nur deswegen, weil er es will und tut).

Diese Unterscheidung beinhaltet nun auch eine Bewertung, man sieht es normalerweise als lobenswert an, wenn jemand sozial / uneigennützig / selbstlos agiert und als tadelnswert, wenn jemand (ausschließlich) unsozial / eigennützig / ichbezogen agiert.

Und ich möchte stark bezweifeln, dass, würde man diese Praxis der Bewertung fallenlassen, (die auf der einen Seite bedeutet: es wird als lobenswert angesehen, wenn der Stärkere dem Schwächeren hilft, ohne dass er dazu moralisch verpflichtet ist und auf der anderen Seite: ein gewisses grundlegendes soziales Verhalten wird von jedem erwartet), das unserer Gesellschaft gut tun würde.

Zu dieser heutigen Praxis gibt es, so wie ich das sehe, nur folgende zwei Alternativen:

1. Das Recht des Stärkeren soll gelten (-> es ist völlig egal, was jemand tut, entspringt ja alles letztlich gleichem Eigeninteresse und ist daher auch gleich zu bewerten)
2. Es soll zur moralische Verpflichtung werden, dass der Stärkere dem Schwächeren hilft, (und die Erfüllung einer moralischen Pflicht ist nicht lobenswert, es wäre dann nur tadelnswert, wenn sie nicht erfüllt würde und die Erfüllung könnte evtl. auch erzwungen werden)

Und wenn ja, (so ich nicht etwas Wesentliches übersehen habe): welche dieser beiden Alternativen soll nun Eurer (ganimed und Macks) Ansicht nach gelten / umgesetzt werden und inwiefern sollte das irgendwie gut (besser) / nützlich(er) sein?
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Re: Thema Altruismus mal wieder

Beitragvon ganimed » Mo 9. Aug 2010, 20:36

AgentProvocateur hat geschrieben:je nach dem Verhältnis der Gewichtung ... von eigenen und fremden Interessen sieht man eine Handlung als eigennütziger oder uneigennütziger an. Man unterscheidet also zwischen 'eigenen Interessen' und 'fremden Interessen'.

Umgangssprachlich ist das sicher richtig. Bei Wikipedia steht: "Egoismus bedeutet 'Eigennützigkeit' ". Ich räume ein, die Unterscheidung zwischen eigenen Interessen und fremden Interessen ist wichtig wenn man die Wirkung von Handlungen bzw. von Absichten einordnen möchte. Handelt jemand so, dass viele davon profitieren, dann ist das in der Regel sehr lobenswert. Ich meine aber, dass diese Unterscheidung NUR bei der Wirkungsbetrachtung einen Sinn ergibt.

Sieht man sich die Motive für Handlungen an, dann erleidet man mit der Unterscheidung zwischen Eigen- und Fremdinteresse ganz einfach Schiffbruch. Du kannst mit deinem Modell nicht einmal im Ansatz erklären, wieso der Judenverstecker die Juden versteckte, oder allgemein wieso ein Mensch auf eigene Kosten fremde Interessen vertritt. Bei der Wieso-tut-er-das-Frage muss man die Nebelwerferbegriffe Altruismus/Egoismus beiseite räumen. Erst dann sieht man, dass es bei der Motivation von Handlungen nur Eigennutz gibt. Und voila, schon versteht man, wieso die Menschen tun was sie tun.

Ich würde also zwischen uns für ein elegantes Remis plädieren. Betrachtet man die Wirkung einer Handlung, dann hast du recht. Man sollte unterscheiden, ob die vertretenen Ínteressen fremde sind (und aus Eigennutz zu 'eigenen' gemacht wurden). Und betrachtet man die Motivation einer Handlung, dann habe ich recht, und man kann davon ausgehen, dass das Gehirn die Kosten immer minimieren möchte und letztlich nur eigene Interessen kennt.
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Re: Thema Altruismus mal wieder

Beitragvon AgentProvocateur » Mi 11. Aug 2010, 17:51

ganimed hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:je nach dem Verhältnis der Gewichtung ... von eigenen und fremden Interessen sieht man eine Handlung als eigennütziger oder uneigennütziger an. Man unterscheidet also zwischen 'eigenen Interessen' und 'fremden Interessen'.

Umgangssprachlich ist das sicher richtig. Bei Wikipedia steht: "Egoismus bedeutet 'Eigennützigkeit' ". Ich räume ein, die Unterscheidung zwischen eigenen Interessen und fremden Interessen ist wichtig wenn man die Wirkung von Handlungen bzw. von Absichten einordnen möchte. Handelt jemand so, dass viele davon profitieren, dann ist das in der Regel sehr lobenswert.

Prima, haben wir wenigstens eine Teileinigung. Das ist doch schon mal was. (Ich vermute jedoch, dass Macks da nicht zustimmen würde.)

ganimed hat geschrieben:Ich meine aber, dass diese Unterscheidung NUR bei der Wirkungsbetrachtung einen Sinn ergibt.

Nein, das stimmt einfach nicht. Es kommmt zur Bewertung einer Handlung sehr wohl die (mehr oder weniger interpolierten / angenommenen) Motive an, man betrachtet nicht nur die Auswirkungen.

Beispiel:

Nehmen wir zwei unterschiedliche Staaten, S1 und S2. Nehmen wir mal an, in S1 sei der Höchststeuersatz 38,6 % und in S2 sei er 45 %. Nun nehmen wir zwei Personen, P1 aus S1, P2 aus S2, beide haben das gleiche, sehr hohe Einkommen.

P1 zahlt nun seine Steuern und zusätzlich spendet er 5 % seines Einkommens. P2 zahlt ebenfalls seine Steuern und spendet nichts.

Betrachtet man nun die reinen Auswirkungen, (ich simplifiziere ein bisschen, lasse Grundfreibeträge etc. beiseite, das spielt hier keine Rolle), dann hat P1 43,6 % an die Gemeinschaft (bzw. andere) abgegeben, P2 45 %.

Dennoch wird man das doch wohl nun so bewerten: P2 hat nur seine auferlegte Pflicht erfüllt, ob er wollte oder nicht: er musste es tun. Es gibt keinen Grund, ihn zu loben. P1 jedoch hat neben seiner reinen Pflichterfüllung etwas Zusätzliches, Gemeinnütziges getan, etwas, wozu er nicht verpflichtet war und deswegen wird man dies als lobenswert ansehen.

ganimed hat geschrieben:Sieht man sich die Motive für Handlungen an, dann erleidet man mit der Unterscheidung zwischen Eigen- und Fremdinteresse ganz einfach Schiffbruch. Du kannst mit deinem Modell nicht einmal im Ansatz erklären, wieso der Judenverstecker die Juden versteckte, oder allgemein wieso ein Mensch auf eigene Kosten fremde Interessen vertritt.

Wieso, klar kann ich das: z.B. aus Liebe, Sympathie, aus einem Gerechtigkeitssinn heraus, aus einem Konsistenzanspruch an sich selber.

ganimed hat geschrieben:Bei der Wieso-tut-er-das-Frage muss man die Nebelwerferbegriffe Altruismus/Egoismus beiseite räumen. Erst dann sieht man, dass es bei der Motivation von Handlungen nur Eigennutz gibt. Und voila, schon versteht man, wieso die Menschen tun was sie tun.

Nein. s.u.

ganimed hat geschrieben:Ich würde also zwischen uns für ein elegantes Remis plädieren. Betrachtet man die Wirkung einer Handlung, dann hast du recht. Man sollte unterscheiden, ob die vertretenen Ínteressen fremde sind (und aus Eigennutz zu 'eigenen' gemacht wurden). Und betrachtet man die Motivation einer Handlung, dann habe ich recht, und man kann davon ausgehen, dass das Gehirn die Kosten immer minimieren möchte und letztlich nur eigene Interessen kennt.

Hm, also ich finde mein Modell immer noch besser als Deines, weil ich meine, dass Deines gar nichts erklären kann. Es setzt etwas voraus, ('alle Handlungen beruhen auf Eigeninteresse'), und versucht dann alle Handlungen auf Eigeninteresse zurückzuführen. Das Problem dabei ist, dass Du 'Eigeninteresse' und 'Fremdinteresse' per se nicht mehr unterschieden kannst, weil das dann völlig situationsabhängig wird. Je nach Situation ist X dann ein Eigeninteresse oder kein Eigeninteresse.

Kann man zwar machen, ich sehe aber immer noch nicht, was Du Dir davon versprichst. Was Macks sich davon verspricht, ahne ich zumindest. Aber bei Dir sehe ich den Nutzen dessen gar nicht. Es sei denn, Du gehst (aus einem bisher nicht genannten Grund) davon aus, es sei jenseits aller Vorstellungskraft, jemand könne seine Interessen zugunsten anderer zurückstecken, (jenseits von Kooperation, die die eigenen Interessen maximiert), das widerspräche dann irgendwelchen Naturgesetzen oder so.
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Re: Thema Altruismus mal wieder

Beitragvon ganimed » Mi 11. Aug 2010, 20:43

AgentProvocateur hat geschrieben:aus Liebe, Sympathie, aus einem Gerechtigkeitssinn heraus, aus einem Konsistenzanspruch an sich selber.

Die von dir angegebenen Gründe für eine altruistische Handlung beschreiben doch aber erstmal eigene Interessen.
a) ich will mein Bedürfnis zu lieben stillen
b) Sympathie bedeutet ebenfalls ein ehöhtes Bedürfnis zu helfen
c) ich will meinen Gerechtigkeitssinn befriedigen
d) ich will meine Identität wahren

Diese eigenen Interessen (a) bis (d) und ihren egoistischen Charakter übersiehst du offenbar leicht. Der Grund, wieso der Judenverstecker die fremden Interessen der Juden zu seinen eigenen macht ist aber genau, weil er dabei seine eigenen Interessen (a) bis (d) wahren kann. Und da (a) bis (d) ganz klar seine eigenen Interessen sind, ist das eine egoistische Handlungsweise.

AgentProvocateur hat geschrieben:Hm, also ich finde mein Modell immer noch besser als Deines, weil ich meine, dass Deines gar nichts erklären kann.

Ich finde, du konntest die Motive des Judenversteckers nur angeben, weil du dabei mein Modell benutzt hast. Du hast als Gründe nur Interessen des Judenversteckers genannt, womit seine Handlung doch wieder egoistisch wird, da er ja nur seine Interessen verfolgt. Will man erklären, warum der Judenverstecker so handelte, braucht man mein Modell.

----

Dein Steuern-Beispiel mit P1 und P2 sollte zeigen, wenn ich recht verstehe, dass zwei Handlungen mit gleicher Wirkung trotzdem eine unterschiedliche Wertung verdient haben. Nach meinem Modell wäre das unmöglich, weil ja bei gleicher Wirkung die Wirkungsbewertung gleich ausfällt. Und bei der Motivationsbewertung fällt nach meinem Modell auch immer alles gleich aus, weil jeder nur egoistisch motiviert ist. Da die Handlungen in meinem Modell also gleich bewertet würden, offensichtlich aber unterschiedlich zu bewerten sind, wäre mein Modell demzufolge Unsinn. Guter Plan. Allein die Wirkung ist eben doch nicht gleich. Die Wirkung bei S1 ist, dass die Allgemeinheit mehr Geld bekommt als steuerlich festgesetzt ist. Bei S2 bekommt sie nur den steuerlich festgelegten Betrag. Das mag in deinem Beispiel auf denselben absoluten Betrag hinauslaufen, aber in Relation zum Steuersatz sind es unterschiedliche Beträge. Daher ist die Handlung von S1 positiver zu bewerten, da ich ja das Altruismus-Kriterium anwenden kann, weil wir noch bei der Wirkungsbewertung sind. Bei der Motivbewertung sind beide Handlungen gleich gut (oder schlecht). Sowohl P1 als auch P2 haben letztlich nur ihre eigenen Interessen befriedigt.

Dein Plan gefällt mir trotzdem und ich versuche mal, den Spieß umzudrehen. In meinem Gegenbeispiel ist die Wirkung wirklich gleich, aber die Motivation unterschiedlich. In ein und demselben Land L1 leben zwei Personen P1 und P2. Beide spenden an dieselbe Wohlfahrtsorganisation 10000 Euro. Beide bekommen dieselbe Spendenquittung und setzen dieselbe Summe steuerlich ab.
P1 gibt zu Protokoll: ich tat das, weil ich Steuern sparen wollte und nach Abschreibungsmöglichkeiten suchte.
P2 gibt zu Protokoll: ich tat das, weil ich nun nachts wieder besser schlafen kann. Mein Mitleid mit den armen Pakistani raubte mir den Schlaf.
Beide haben das gleiche gemacht aber aus unterschiedlichen persönlichen Gründen und Prioritäten. Bewertest du beide Handlungen nun genau gleich?
Nach meinem Modell müsste man sie gleich bewerten. Denn auch P2 hat nach meiner Auffassung egoistische Gründe vorgebracht.
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Re: Thema Altruismus mal wieder

Beitragvon Macks » Mi 11. Aug 2010, 21:43

AgentProvocateur hat geschrieben:
aus Liebe, Sympathie, aus einem Gerechtigkeitssinn heraus, aus einem Konsistenzanspruch an sich selber.

Diese Begriffe wie Liebe, Sympathie und Gerechtigkeitssinn machen sich ja schön in einem Gespräch. Aber wenn du diese Begriffe mal zerpflückst, dann wirst du sehen, dass ganz einfache egoistische Motive dahinter stecken...

@ Ganimed

Gutes Beispiel mit der Spende der beiden Personen.

Worum geht es hier eigentlich noch?
Was genau ist hier noch auszudiskutieren? =)
Ich meine, wo liegt eigentlich noch das Problem?
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Re: Thema Altruismus mal wieder

Beitragvon AgentProvocateur » Do 12. Aug 2010, 17:44

ganimed hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Hm, also ich finde mein Modell immer noch besser als Deines, weil ich meine, dass Deines gar nichts erklären kann.

Ich finde, du konntest die Motive des Judenversteckers nur angeben, weil du dabei mein Modell benutzt hast. Du hast als Gründe nur Interessen des Judenversteckers genannt, womit seine Handlung doch wieder egoistisch wird, da er ja nur seine Interessen verfolgt. Will man erklären, warum der Judenverstecker so handelte, braucht man mein Modell.

IEP hat geschrieben:A weak version of psychological egoism accepts the possibility of altruistic or benevolent behavior, but maintains that, whenever a choice is made by an agent to act, the action is by definition one that the agent wants to do at that point. The action is self-serving, and is therefore sufficiently explained by the theory of psychological egoism. Let one assume that person A wants to help the poor; therefore, A is acting egoistically by actually wanting to help; again, if A ran into a burning building to save a kitten, it must be the case that A wanted or desired to save the kitten. However, defining all motivations as what an agent desires to do remains problematic: logically, the theory becomes tautologous and therefore unable to provide a useful, descriptive meaning of motivation because one is essentially making an arguably philosophically uninteresting claim that an agent is motivated to do what she is motivated to do. Besides which, if helping others is what A desires to do, then to what extent can A be continued to be called an egoist? A acts because that is what A does, and consideration of the ethical “ought” becomes immediately redundant. Consequently, opponents argue that psychological egoism is philosophically inadequate because it sidesteps the great nuances of motive. For example, one can argue that the psychological egoist’s notion of motive sidesteps the clashes that her theory has with the notion of duty, and, related social virtues such as honor, respect, and reputation, which fill the tomes of history and literature.


ganimed hat geschrieben:Die Wirkung bei S1 ist, dass die Allgemeinheit mehr Geld bekommt als steuerlich festgesetzt ist. Bei S2 bekommt sie nur den steuerlich festgelegten Betrag. Das mag in deinem Beispiel auf denselben absoluten Betrag hinauslaufen, aber in Relation zum Steuersatz sind es unterschiedliche Beträge. Daher ist die Handlung von S1 positiver zu bewerten, da ich ja das Altruismus-Kriterium anwenden kann, weil wir noch bei der Wirkungsbewertung sind. Bei der Motivbewertung sind beide Handlungen gleich gut (oder schlecht). Sowohl P1 als auch P2 haben letztlich nur ihre eigenen Interessen befriedigt.

[...]

Dein Plan gefällt mir trotzdem und ich versuche mal, den Spieß umzudrehen. In meinem Gegenbeispiel ist die Wirkung wirklich gleich, aber die Motivation unterschiedlich. In ein und demselben Land L1 leben zwei Personen P1 und P2. Beide spenden an dieselbe Wohlfahrtsorganisation 10000 Euro. Beide bekommen dieselbe Spendenquittung und setzen dieselbe Summe steuerlich ab.
P1 gibt zu Protokoll: ich tat das, weil ich Steuern sparen wollte und nach Abschreibungsmöglichkeiten suchte.
P2 gibt zu Protokoll: ich tat das, weil ich nun nachts wieder besser schlafen kann. Mein Mitleid mit den armen Pakistani raubte mir den Schlaf.
Beide haben das gleiche gemacht aber aus unterschiedlichen persönlichen Gründen und Prioritäten. Bewertest du beide Handlungen nun genau gleich?
Nach meinem Modell müsste man sie gleich bewerten. Denn auch P2 hat nach meiner Auffassung egoistische Gründe vorgebracht.

Nach meiner Auffassung wäre es dann so: P2 hat egoistische Gründe, (wenn er es nur tat, um wieder schlafen zu können), P1 nicht, (jetzt mal vorausgesetzt, er hat auch nach Abzug seiner Steuerersparnis und seiner Abschreibung noch einen Verlust, den er ohne seine Spende nicht gehabt hätte).

Gehen wir jetzt vielleicht mal von einer anderen Seite heran und betrachten das 'Egoismus - Altruismus'-Modell mal funktional. Es ist einer Gesellschaft dienlich, wenn deren Mitglieder nicht nur ihre Interessen durchsetzen, sondern auch die Interessen anderer berücksichtigen. Nun meine ich damit nicht lediglich Kooperation, denn eine solche kann man auch aus reinem Eigeninteresse eingehen, falls dadurch die eigenen Interessen besser erfüllt werden können.

In einer hypothetischen Gesellschaft, in der alle gleich sind, gleiche Macht, Intelligenz, Ansichten, Möglichkeiten etc. haben, würde das Konzept wohl gar nicht auftauchen. Nun ist unsere Gesellschaft aber keine solche. Es gibt Machtgefälle, Stärkere und Schwächere. Was von vielen Faktoren abhängt, die hier nicht interessant sind. Folgt man all dem, dann kann man erst mal festhalten: es ist für eine Gesellschaft nützlich, wenn die Stärkeren den Schwächeren helfen, auch wenn sie selber davon keinen Vorteil haben.

Und nun weiter: es gibt Pflichten in einer Gesellschaft, die erfüllt werden müssen, deren Einhaltung verlangt werden kann. Zum Beispiel Steuern zahlen. Und dann gibt es zusätzlich Handlungen, die nicht als verpflichtend, aber als gut angesehen werden, (Supererogation), weil sie z.B. diesem 'die Stärkeren helfen den Schwächeren'-Prinzip entsprechen.

Nun ist es so, dass jemand, der eine Handlung tut, die (entweder gemeinhin und / oder von ihm selber) als gut und nicht als verpflichtend angesehen wird, dadurch eine Erhöhung seiner Reputation erlangt, ('Reputation' hier nicht unbedingt als etwas Öffentliches verstanden, kann auch eine 'innere' Reputation sein), was auch ein starkes Motiv sein kann.

Nehmen wir nun for the sake of the argument mal an, Du würdest sagen: 'ja, das hört sich soweit plausibel an, aber das bestätigt doch genau meine These: der tut das dann nur wegen seiner öffentlichen Reputation bzw. wegen seines von ihm gewünschten Selbstbildes und das ist doch wohl egoistisch' - dann gibt es mE hier ein kleines Problem. Entweder halte ich es für tatsächlich gut / lobenswert, dass er so handelt - und dann spielt die Behauptung: 'aber letztlich ist doch alles egoistisch!' dabei gar keine Rolle - oder ich halte es nicht für gut / lobenswert (weil es ja egoistisch war, so wie einfach alles egoistisch ist, weil es per definitionem gar nicht anders sein kann), aber dann verschwindet das Motiv automatisch. Wenn es gar nicht gut ist, anderen zu helfen, die der Hilfe bedürfen, dann spielt es auch keine Rolle, ob jemand das tut oder nicht.

Und was die Motive angeht: man kennt normalerweise die Motive eines anderen nicht so genau. Es ist daher, wieder funktionalistisch gesehen, sinnvoll, zu interpolieren, von allgemein verbreiteten, nachvollziehbaren Motiven auszugehen. Lieber jemanden zuviel gelobt als jemanden zuwenig. Wenn jemand nur spendet, weil er ansonsten kein Auge mehr zutun könnte, (wie P2 in Deinem Beispiel), dann würde er so oder so spenden, egal, was ich davon halte oder wie seine Handlung von anderen oder von sich bewertet wird. Aber das scheint mir eine eher ungewöhnliche Motivation zu sein.
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Re: Thema Altruismus mal wieder

Beitragvon ganimed » Sa 14. Aug 2010, 22:48

logically, the theory becomes tautologous and therefore unable to provide a useful, descriptive meaning of motivation because one is essentially making an arguably philosophically uninteresting claim that an agent is motivated to do what she is motivated to do.

Auch als Zitat und auf englisch wird es nicht richtiger: Die Theorie ist nicht tautologisch!
Ich verstehe die Theorie zumindest so: Weil das Gehirn immer nur etwas tun will was zu seinem Vorteil ist, sind alle Handlungen egoistisch (zum eigenen Vorteil).
Im Zitat wird behauptet, die Theorie sei: Das Gehirn will das tun was es tun will.
Die zweite Version kannst du wegwerfen, denn das ist nicht die Theorie. Denn in dem lächerlich verkürzten Satz ist dein Modell ja auch enthalten. Du hast ja nie was anderes behauptet, als dass der Judenverstecker wirklich tat was er wollte. Sei also froh, dass ich dir nicht ständig mit diesem lächerlichen Verkürzungstrick Tautologie vorwerfe.

Und um den Beweis für die Nicht-Tautologie gleich zu liefern, biete ich dir erneut an, die Theorie zu falsifizieren: glaubst du wirklich, dass ein Gehirn etwas wollen kann, von dem es annimmt, dass es zum eigenen Schaden ist? Und kannst du mir dafür Beispiele angeben?


Wie auch schon bei der Diskussion um den freien Willen, finde ich es interessant, dass du auch in einer Grundsatzdiskussion schon viel über gesellschaftliche Implikationen nachdenkst. Nicht nur das, sondern dass du diese Folgen auch als Argument verwendest. Eigentlich finde ich das ja syntaktisch falsch. Ob die von mir vertretene Theorie recht hat, sollte von der Funktionsweise des Gehirns abhängen, und vielleicht noch davon, wie wir Begriffe wie "Vorteil" und "Egoismus" genau definieren. Aber auf keinen Fall sollte ihr Wahrheitsgehalt davon abhängen, ob mit dem Glauben an sie die Gesellschaft sich verändern könnte.

Und würde sich die Gesellschaft wirklich ändern? Mit der Theorie im Rücken will man ja eigentlich nicht das Verhalten der Menschen ändern, sondern es nur beim richtigen Namen nennen. Kann eine veränderte Bezeichnung wirklich viel bewirken in einer Gesellschaft? Ich glaube eher nicht.

Die Wahrnehmungsforschung scheint mir hier analog zu sein. Da steht populärwissenschaftlich überall zu lesen, dass wir nur wenige Prozent der Eingangssignale bewusst verarbeiten. Das meiste wird herausgefiltert. Wenn diese biologische Tatsache nun wirklich in den Alltag umgesetzt würde, dürfte eigentlich niemand mehr Dinge sagen wie: "ich habe das ganz genau gesehen!" Und bei jeder Aussage eines Zeugen, müsste dieser eigentlich immer hinzufügen: "das ist natürlich nur das, was meine vielen Filter passiert hat und was davon noch im Gedächtnis gelandet ist, wobei das Gedächtnis sich ja auch noch mit der Zeit ändert und verfälscht." Jede Zeugenaussage dürfte nur als schwacher Hinweis auf die mögliche Wahrheit gelten. Die Gesellschaft ist unter dieser Erkenntnis nicht wirklich zusammengebrochen. Und solche Betrachtungen werden von den meisten auch wohl auch nicht wirklich verinnerlicht.

Es ist wie mit dem freien Willen: es ist eine Illusion, die wir emotional gar nicht loswerden können. Nur rational können wir uns in wachen Momenten klar machen, dass ein freier Wille nur eine Illusion ist, wenn auch eine mächtige. Genauso ist die Vorstellung von Handlungen, die absichtlich zum eigenen Nachteil sind, eine Illusion. Und genauso wird man emotional aber weiterhin dankbar sein, wenn "egoistische" Handlungen anderer in bestimmter Weise auch unsere eigenen Interessen abdeckten. Und daher wird die Motivation für solche Handlungen auch nicht wirklich abnehmen.
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Re: Thema Altruismus mal wieder

Beitragvon AgentProvocateur » So 15. Aug 2010, 00:41

ganimed hat geschrieben:
logically, the theory becomes tautologous and therefore unable to provide a useful, descriptive meaning of motivation because one is essentially making an arguably philosophically uninteresting claim that an agent is motivated to do what she is motivated to do.

Auch als Zitat und auf englisch wird es nicht richtiger: Die Theorie ist nicht tautologisch!
Ich verstehe die Theorie zumindest so: Weil das Gehirn immer nur etwas tun will was zu seinem Vorteil ist, sind alle Handlungen egoistisch (zum eigenen Vorteil).
Im Zitat wird behauptet, die Theorie sei: Das Gehirn will das tun was es tun will.
Die zweite Version kannst du wegwerfen, denn das ist nicht die Theorie. Denn in dem lächerlich verkürzten Satz ist dein Modell ja auch enthalten. Du hast ja nie was anderes behauptet, als dass der Judenverstecker wirklich tat was er wollte. Sei also froh, dass ich dir nicht ständig mit diesem lächerlichen Verkürzungstrick Tautologie vorwerfe.

Jemand tut das, was er tun will. Das folgt direkt aus der Definition von 'wollen' und 'tun'. Ein 'Wollen' ist eine Absicht, die handlungswirksam wird, die also einem Tun zugrunde liegt. Aus einem Tun kann man auf ein Wollen schließen. (Wenn jemand etwas tut, was er letztlich nicht wollte, dann war das kein 'Tun' (keine 'Handlung') im psychologischen Sinne, man würde das dann (unabsichtliches) 'Verhalten' nennen).

Du behauptest nun:

P1. Alles, was jemand will, will er zu seinem eigenen Vorteil
P2. Alles, was jemand tut, tut er deshalb, weil er es will
P3. Alles, was jemand zu seinem eigenen Vorteil tut, ist egoistisch
---------------------------------------------
K. Alle Handlungen sind egoistisch

Deine Prämisse 1 verlangt aber nun mal nach wie vor nach einer Begründung, die ist nicht einfach so in sich selbstverständlich, selbstevident.

ganimed hat geschrieben:Und um den Beweis für die Nicht-Tautologie gleich zu liefern, biete ich dir erneut an, die Theorie zu falsifizieren: glaubst du wirklich, dass ein Gehirn etwas wollen kann, von dem es annimmt, dass es zum eigenen Schaden ist? Und kannst du mir dafür Beispiele angeben?

Der Punkt ist einfach der, dass Deine Theorie das Verhalten von Menschen nicht erklären kann. Warum stellen einige Leute eine aktuelle Bedürfnisbefriedigung für eine langfristige Bedürfnisbefriedigung zurück? Warum tun das wiederum andere Leute nicht? Weil Erstere wissen, dass ihnen das langfristig nutzen wird und Zweitere nicht? Nö, aber doch wohl kaumstens, das wäre eine völlig und absolut unplausible ad-hoc-Behauptung, die somit eines dringenden Nachweises bedürfte, nicht einfach so akzeptiert werden kann.

Warum gibt es selbstschädigendes Verhalten und zwar solches, von dem derjenige sehr wohl weiß, dass das selbstschädigend ist?

Ist nur der momentane Trieb entscheidend für eine Handlung oder auch die Überlegung aufgrund eines längerfristigen Nutzens? Wieso handeln Leute so unterschiedlich?

Warum verhalten sich einige Leute asozial, obgleich sie wissen, dass ihnen das letztlich schadet? Und warum verhalten sich einige Leute uneigennützig, obgleich sie ebenfalls wissen, dass sie persönlich gar nichts davon haben, ihnen das sogar schadet, (die Angst vor Entdeckung beim Judenverstecker)?

'Weil sie es wollten.' Gut, klar, wie, gesagt, das folgt schlicht aus der Definition von 'Wollen' und 'Handeln'. Aber eine Erklärung für eine einzelne Handlung ist das nun mal nicht.

'Weil alle per definitionem egoistisch handeln.' Das soll ernsthaft eine gute Erklärung für jegliche Handlung sein?

ganimed hat geschrieben:Wie auch schon bei der Diskussion um den freien Willen, finde ich es interessant, dass du auch in einer Grundsatzdiskussion schon viel über gesellschaftliche Implikationen nachdenkst. Nicht nur das, sondern dass du diese Folgen auch als Argument verwendest. Eigentlich finde ich das ja syntaktisch falsch. Ob die von mir vertretene Theorie recht hat, sollte von der Funktionsweise des Gehirns abhängen, und vielleicht noch davon, wie wir Begriffe wie "Vorteil" und "Egoismus" genau definieren. Aber auf keinen Fall sollte ihr Wahrheitsgehalt davon abhängen, ob mit dem Glauben an sie die Gesellschaft sich verändern könnte.

Nö, Du hast mein Argument offensichtlich nicht verstanden. Lies es Dir einfach nochmal durch, keine Lust, das zu wiederholen.

Nur soviel: es ist nichts anderes anderes als das, was oben in dem Zutat aus der IEP gemeint ist mit Folgendem: "A acts because that is what A does, and consideration of the ethical “ought” becomes immediately redundant."


Was für eine 'Funktionsweise des Gehirnes' überhaupt? Menschen sind soziale Wesen, Mitglieder einer Gesellschaft, die gegenseitig aufeinander einwirken. Du wirst sie nie verstehen können, wenn Du nur ein einzelnes Gehirn betrachtest. Der Gedanke, man könne das, kommt mir völlig absurd vor. Du kannst nicht vom Einzelnen auf das Ganze schließen, das geht nur umgekehrt.

Du betrachtest nun ein einzelnes Gehirn, behauptest ohne auch nur das kleinste Argument dafür vorbringen zu können, ein Gehirn sei ausschließlich auf seinen Vorteil bedacht. Das ist aber ein Dogma, mehr nicht, ohne auch nur den geringsten Versuch bisher, dieses Dogma zu begründen. Und ausgehend von diesem unbegründeten Dogma, baust Du Dein Weltbild auf, führst alles darauf zurück. Merkst Du wirklich nicht, wie seltsam das ankommen muss, wie wenig Erklärungskraft das hat?

Wenn jeder beliebig Dogmen erstellen könnte, die nicht hinterfragt werden dürften, sondern per se akzeptiert werden müssten, dann sähe unsere Welt wohl etwas anders aus.

Wenn ich das Dogma 'Gott verursacht alles' zugrundelege, (und ich nicht begründungspflichtig wäre, Du das akzeptieren müsstest, einfach nur so, weil ich das mal schnell ad hoc behauptete), dann könnte ich auch alles auf Gott zurückführen und Du könntest mir auch niemals zeigen, dass diese Zurückführung falsch ist.

Das Problem ist nun wohl schlicht, dass Du aus einem mir völlig unerfindlichen Grunde nicht erkennen kannst, dass Du Deine Argumentation auf einem Dogma aufbaut, nämlich die o.g. Prämisse 1.

ganimed hat geschrieben:Es ist wie mit dem freien Willen: es ist eine Illusion, die wir emotional gar nicht loswerden können. Nur rational können wir uns in wachen Momenten klar machen, dass ein freier Wille nur eine Illusion ist, wenn auch eine mächtige. Genauso ist die Vorstellung von Handlungen, die absichtlich zum eigenen Nachteil sind, eine Illusion. Und genauso wird man emotional aber weiterhin dankbar sein, wenn "egoistische" Handlungen anderer in bestimmter Weise auch unsere eigenen Interessen abdeckten. Und daher wird die Motivation für solche Handlungen auch nicht wirklich abnehmen.

Nö, der 'freie Wille' ist ebenso wie das Konzept 'Altruismus - Egoismus' ein Konzept. Nicht mehr und nicht weniger. Aber Illusionen sind sie in keinem Sinne, jedenfalls in keinem Sinne, den ich mit dem Konzept 'Illusion' irgendwie verbinden kann. Unter einer 'Illusion' verstehe ich etwas, das de fakto anders ist, als es scheint.

Demnach bist Du nun jemand, der behauptet, er hätte die 'Wahrheit™' gefunden, das, was 'eigentlich' und 'wirklich' hinter den o.g. Konzepten dahintersteckt. Was mE völlig absurd erscheinen muss, so ganz ohne schlüssige Argumente, nur mit einer reinen Behauptung, von der verlangt wird, sie als Dogma zu akzeptieren.

Langer Rede, kurzer Sinn: eigentlich kann man das zusammenfassen wie folgt:

Du behauptest: 'alles, was jemand will, dient seinem eigenen Vorteil'.

Das musst Du nun begründen. Und Du musst 'Vorteil' definieren und zwar so, dass das keinen Bezug zu dem Wollen eines Einzelnen hat. Ansonsten wird es zirkulär und somit irrelevant.
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Re: Thema Altruismus mal wieder

Beitragvon ganimed » Mo 16. Aug 2010, 21:58

AgentProvocateur hat geschrieben:Der Punkt ist einfach der, dass Deine Theorie das Verhalten von Menschen nicht erklären kann.

Lustig, genau das wollte ich dir gerade sagen. Ich habe bisher einige Male das Verhalten von Judenversteckern und anderen zumindest hypothetisch erklären können. Du hingegen bist bisher, zumindest ist das mein Eindruck, die Erklärungen mit deinem Modell schuldig geblieben oder hast Eigenmotive wie Liebe, Identitätsdruck oder ähnliches genannt, was dann wieder für mein Egoismus-Modell spricht.

AgentProvocateur hat geschrieben:Warum stellen einige Leute eine aktuelle Bedürfnisbefriedigung für eine langfristige Bedürfnisbefriedigung zurück? Warum tun das wiederum andere Leute nicht?

Mein Bedürfnis-Belohnungsschema gibt eine Antwort darauf. Stellt ein Leut aktuelle Bedürfnisse für langfristige Bedürfnisse zurück, dann haben die langfristigen Bedürfnisse einen höheren Abstimmungswert gehabt bzw. sie versprechen ihm eine höhere Belohnung. Wie viel Abstimmungswert ein Bedürfnis (bzw. das Stillen desselben) hat, hängt höchst individuell von Erfahrungen, Prägungen, genetischen usw. Faktoren ab.

AgentProvocateur hat geschrieben:Warum gibt es selbstschädigendes Verhalten und zwar solches, von dem derjenige sehr wohl weiß, dass das selbstschädigend ist?

Weil es andere Faktoren gibt, die einen größeren positiven Betrag haben als der negative Betrag der Selbstschädigung. Deine einseitige Fragestellung trägt vermutlich der Tatsache Rechnung, dass mitunter große Teile dieser Faktoren nur schwer ersichtlich sind.

AgentProvocateur hat geschrieben:Ist nur der momentane Trieb entscheidend für eine Handlung oder auch die Überlegung aufgrund eines längerfristigen Nutzens? Wieso handeln Leute so unterschiedlich?

Beides sind Faktoren, momentane Triebe und Überlegungen. Unbewusst entstandene Prägungen ebenso wie bewusst Erlerntes. Laut diesem 4-Schichten-Modell, von dem ich mal las, sind 3 Schichten unterbewusst und eine Schicht ist bewusst und der Ratio zugänglich. Es ist also vermutlich ein Mix aus allem. Und dieser Mix ist eben höchst individuell.

AgentProvocateur hat geschrieben:Warum verhalten sich einige Leute asozial, obgleich sie wissen, dass ihnen das letztlich schadet?

Beispielsweise weil unbewusste Faktoren, die sich von bewusstem Wissen nicht stören lassen, so viel Gewicht hatten, dass die Entscheidung zugunsten der Asozialität ausfiel.

AgentProvocateur hat geschrieben:Und warum verhalten sich einige Leute uneigennützig, obgleich sie ebenfalls wissen, dass sie persönlich gar nichts davon haben, ihnen das sogar schadet, (die Angst vor Entdeckung beim Judenverstecker)?

Dito. Beispielsweise unbewusste Faktoren sorgen dafür, dass sie persönlich eben doch etwas davon haben, und offensichtlich sogar mehr Nutzen als Schaden.

Ich finde, ich konnte alle Fragen mit dem Hinweis auf das Belohnungsmodell beantworten.
So, und nun bist du dran. Kannst du deine Fragen mit deinem Modell von "Egoismus/Altruismus" beantworten?

Ich habe noch ein paar Fragen an dich bezüglich des angeblich existenten Altruismus:
1) Wieso versteckt der Judenverstecker nur ein paar Juden? Wieso versucht er nicht zusätzlich, Kranken und Behinderten zu helfen? Warum hört seine Selbstlosigkeit und Hilfsbereitschaft genau nach dem Verstecken und vor dem Freiwilligendienst im Spital auf?
2) Wieso wirft sich der Soldat auf eine Granate, die ansonsten seine Kameraden getötet hätte? Wieso warf er sich nicht einen Tag vorher vor einen Granatwerfer, dessen Auswurf im Begriff war, feindliche Soldaten zu töten?
3) Wieso opfern sich die angeblich so selbstlosen Eltern nur für ihre eigenen Kinder auf? Wieso versuchen sie nicht auch, das Studium für fremde Kinder zu finanzieren?

Ich will darauf hinaus, dass dein Altruismus offenbar gar nicht so selbstlos (im Sinne von Selbstvergessenheit) ist sondern vielmehr sehr gezielt auftritt. Der Verdacht liegt nahe, dass es ganz bestimmte Gründe gibt, nur ganz bestimmte selbstlose Dinge zu tun und ganz viele andere, mögliche, selbstlose Dinge zu unterlasssen.

AgentProvocateur hat geschrieben:Du behauptest: 'alles, was jemand will, dient seinem eigenen Vorteil'. Das musst Du nun begründen. Und Du musst 'Vorteil' definieren und zwar so, dass das keinen Bezug zu dem Wollen eines Einzelnen hat. Ansonsten wird es zirkulär und somit irrelevant.

Die Entscheidungsmechanismen im Gehirn (wie immer sie wirklich aussehen, ob nach meinem Belohnungsmodell oder doch viel komplexer und anders) werden sich sicherlich evolutionär gebildet haben. Demnach ist alles als "Vorteil" definiert, was den eigenen Genen zur Erhaltung und Verbreitung dient. Auf dem Programm steht also Kinder bekommen, Kinder pflegen, nahen Verwandten mit ähnlichen Genen helfen, der Gruppe helfen damit diese wiederum mir hilft, usw. Ich finde, wenn jemand dauerhaft etwas will, was nicht zu seinem eigenen Vorteil ist, nichtmal indirekt, nichtmal für seine Kinder, dass so jemand ziemlich schnell ausstirbt. Falls es echten Altruismus jemals gegeben haben sollte, ist er inzwischen sicher verschwunden.

AgentProvocateur hat geschrieben:Was für eine 'Funktionsweise des Gehirnes' überhaupt? Menschen sind soziale Wesen, Mitglieder einer Gesellschaft, die gegenseitig aufeinander einwirken. Du wirst sie nie verstehen können, wenn Du nur ein einzelnes Gehirn betrachtest.

Aber das gegenseitige aufeinander einwirken ist doch in meinem Modell enthalten. Die Einwirkung stellt jeweils eine Menge neuer Faktoren dar. Beim Judenverstecker waren Empatie, Mitleid oder Sympathie genannt. Und wirklich verstehen kann ich Menschen natürlich nicht. Das könnte man erst, wenn man alle ihre Faktoren sähe und vor allem alle Wertebeträge. Dann könnte man die jeweilge Entscheidungs-Abstimmung minutiös nachvollziehen. Ich habe nur dieses grobe Grundsatzmodell und kann damit nur grobe rückwärtige Schlüsse ziehen (wenn die Entscheidung so oder so ausfiel, dann müssen wohl die oder irgendwelche Faktoren ein Übergewicht gehabt haben).
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Re: Thema Altruismus mal wieder

Beitragvon AgentProvocateur » Mo 16. Aug 2010, 23:40

ganimed hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Der Punkt ist einfach der, dass Deine Theorie das Verhalten von Menschen nicht erklären kann.

Lustig, genau das wollte ich dir gerade sagen. Ich habe bisher einige Male das Verhalten von Judenversteckern und anderen zumindest hypothetisch erklären können. Du hingegen bist bisher, zumindest ist das mein Eindruck, die Erklärungen mit deinem Modell schuldig geblieben oder hast Eigenmotive wie Liebe, Identitätsdruck oder ähnliches genannt, was dann wieder für mein Egoismus-Modell spricht.

Ja, weil Du jede Handlung als egoistisch interpretierst, ganz egal, welche, weil Du das musst, damit es Deiner Prämisse entspricht. :^^:

Mein Modell beinhaltet Rechte und Pflichten, Liebe, Sympathie, abstrakte Überlegungen über eine Gesellschaft, Kooperation, allgemein gesagt: soziale Beziehungen und deren gegenseitige Auswirkungen. Anders gesagt: es führt nicht alles lediglich auf das Individuum als einsamen Satelliten im luftleeren Raum zurück. ME muss ein leistungsfähiges Modell, das beansprucht, die Handlungen von Menschen zu erklären, das auch leisten, sonst ist es mE schlicht per se zum Scheitern verurteilt.
-----
(Ich überspringe im Folgenden einfach mal alle Behauptungen, die auf Deiner Prämisse beruhen, ('muss so sein, weil ja meine Prämisse richtig ist').)

ganimed hat geschrieben:So, und nun bist du dran. Kannst du deine Fragen mit deinem Modell von "Egoismus/Altruismus" beantworten?

Ich habe noch ein paar Fragen an dich bezüglich des angeblich existenten Altruismus:
1) Wieso versteckt der Judenverstecker nur ein paar Juden? Wieso versucht er nicht zusätzlich, Kranken und Behinderten zu helfen? Warum hört seine Selbstlosigkeit und Hilfsbereitschaft genau nach dem Verstecken und vor dem Freiwilligendienst im Spital auf?
2) Wieso wirft sich der Soldat auf eine Granate, die ansonsten seine Kameraden getötet hätte? Wieso warf er sich nicht einen Tag vorher vor einen Granatwerfer, dessen Auswurf im Begriff war, feindliche Soldaten zu töten?
3) Wieso opfern sich die angeblich so selbstlosen Eltern nur für ihre eigenen Kinder auf? Wieso versuchen sie nicht auch, das Studium für fremde Kinder zu finanzieren?

1) Weil er nicht allmächtig ist und sich auch so schon viel zumutet? Schmälert es seinen Verdienst, dass er sich nicht völlig und endgültig aufopfert?
2) Weil er sich seiner Gruppe mehr zugehörig fühlt als der anderen Gruppe, die er bekämpft?
3) Letztlich wie 2). Es ist nun mal so, dass man zu bestimmten Leuten eine nähere Beziehung hat als zu anderen Leuten. Die Forderung, man müsse alle Leute gleich lieben und somit gleich berücksichtigen, erscheint mir völlig absurd. Woher rührt die und wie begründest Du die? Wie sähe eine Gesellschaft aus, in der sich jeder für jeden gleichermaßen verantwortlich fühlte? Ich glaube, dass jemand, der das täte, sich letztlich für niemanden verantwortlich fühlen könnte.

ganimed hat geschrieben:Ich will darauf hinaus, dass dein Altruismus offenbar gar nicht so selbstlos (im Sinne von Selbstvergessenheit) ist sondern vielmehr sehr gezielt auftritt. Der Verdacht liegt nahe, dass es ganz bestimmte Gründe gibt, nur ganz bestimmte selbstlose Dinge zu tun und ganz viele andere, mögliche, selbstlose Dinge zu unterlasssen.

Klar gibt es immer Gründe, etwas zu tun. Das habe ich doch nie bestritten. Bestreiten tue ich nur a) dass man alle Handlungen auf Eigennutz zurückführen kann, und b), das kommt jetzt noch dazu, dass eine Handlung nur dann selbstlos sei, wenn sie eine weltübergreifende sei, die alles und jeden unterschiedslos einschließt.

Was sind 'ganz bestimmte Gründe'? Gibt es in Deinem Modell auch selbstlose Gründe? Wenn ja: welche?

Es geht auch nicht darum, ob jemand absolut und endgültig, zu 100% und vollkommen altruistisch ist / war / sein wird, es geht darum, ob es Handlungen gibt (und auch: überhaupt logisch geben kann), die mehr Schaden als Nutzen für das Individuum haben. Dieser Definition von 'Altruismus' hattest Du zugestimmt.

ganimed hat geschrieben:Die Entscheidungsmechanismen im Gehirn (wie immer sie wirklich aussehen, ob nach meinem Belohnungsmodell oder doch viel komplexer und anders) werden sich sicherlich evolutionär gebildet haben. Demnach ist alles als "Vorteil" definiert, was den eigenen Genen zur Erhaltung und Verbreitung dient. Auf dem Programm steht also Kinder bekommen, Kinder pflegen, nahen Verwandten mit ähnlichen Genen helfen, der Gruppe helfen damit diese wiederum mir hilft, usw. Ich finde, wenn jemand dauerhaft etwas will, was nicht zu seinem eigenen Vorteil ist, nichtmal indirekt, nichtmal für seine Kinder, dass so jemand ziemlich schnell ausstirbt. Falls es echten Altruismus jemals gegeben haben sollte, ist er inzwischen sicher verschwunden.

Ach, herrje, Du willst plötzlich auf 'evolutionären Altruismus' hinaus. Aber das ist ein Themawechsel, darüber haben wir bisher nicht gesprochen. Es geht mir nur um das landläufige Konzept 'Egoismus - Altruismus'. 'Evolutionärer Altruismus' ist schlicht ein anderes Thema, dabei ist 'Altruismus' anders definiert. Im 'evolutionären Altruismus'-Konzept handelt eine Mutter egoistisch, die unter Einsatz ihres Lebens ihr Kind verteidigt, im allgemeinen Konzept aber nun mal nicht. Man sollte das nicht vermischen.

Wie gesagt: Du hattest der Definition von Altruismus zugestimmt. Es geht dabei um den persönlichen Schaden für ein Individuum, (s.o). Nicht um die Weitergabe von Genen.

ganimed hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Was für eine 'Funktionsweise des Gehirnes' überhaupt? Menschen sind soziale Wesen, Mitglieder einer Gesellschaft, die gegenseitig aufeinander einwirken. Du wirst sie nie verstehen können, wenn Du nur ein einzelnes Gehirn betrachtest.

Aber das gegenseitige aufeinander einwirken ist doch in meinem Modell enthalten.

Nein, ist es überhaupt nicht. Wo denn? Du behauptest doch, man könne darauf einfach verzichten, weil Du behauptest, man könne alle Handlungen auf die internen Motive des Einzelnen zurückführen. Und das ist doch überhaupt mein Problem hier.

ganimed hat geschrieben:Die Einwirkung stellt jeweils eine Menge neuer Faktoren dar. Beim Judenverstecker waren Empatie, Mitleid oder Sympathie genannt. Und wirklich verstehen kann ich Menschen natürlich nicht. Das könnte man erst, wenn man alle ihre Faktoren sähe und vor allem alle Wertebeträge. Dann könnte man die jeweilge Entscheidungs-Abstimmung minutiös nachvollziehen. Ich habe nur dieses grobe Grundsatzmodell und kann damit nur grobe rückwärtige Schlüsse ziehen (wenn die Entscheidung so oder so ausfiel, dann müssen wohl die oder irgendwelche Faktoren ein Übergewicht gehabt haben).

Du siehst nur die Faktoren und Gewichtungen 'in einem!!! Gehirn', (noch nicht mal eine Person, es muss ein Gehirn sein), mehr willst oder kannst Du offensichtlich nicht sehen. Und dann, weil Du per se annimmst, dass Deine Prämisse einfach so, ohne Begründung, stimmt, ziehst Du 'grobe Schlüsse', die immer so ausfallen, dass Deine Prämisse stimmt, weil sie darauf justiert werden.

Aber das ist nun mal in jeder Hinsicht die falsche Vorgehensweise. Die Schlüsse kannst Du erst ziehen, wenn Du gezeigt hast, dass Deine Prämisse richtig ist. Denn nur dann sind Deine Schlüsse berechtigt.

Diese Vorgehensweise ist, wie schon gesagt, selbstimmunisierend. Du hast Deine Prämisse, ziehst dazu passende Schlüsse und folgerst daraus wieder die Richtigkeit Deiner Prämisse.

Damit das nicht selbstimmunisierend (und somit irrelevant) bleibt, musst Du, wie auch schon gesagt, ein hypothetisches Beispiel einer bewussten und absichtlichen Handlung angeben können, bei der Du, falls sie eintritt, Deine Prämisse als falsifiziert ansehen würdest.

Wenn es aber logisch unmöglich ist, dass es eine solche Handlung geben kann, (und nicht nur in der Realität nie geschieht / geschehen ist / geschehen wird), dann wird das wohl aus Deiner Definition von 'altruistisch' folgen.
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Re: Thema Altruismus mal wieder

Beitragvon ganimed » Di 17. Aug 2010, 20:59

AgentProvocateur hat geschrieben:1) Weil er nicht allmächtig ist und sich auch so schon viel zumutet? Schmälert es seinen Verdienst, dass er sich nicht völlig und endgültig aufopfert?
2) Weil er sich seiner Gruppe mehr zugehörig fühlt als der anderen Gruppe, die er bekämpft?
3) Letztlich wie 2). Es ist nun mal so, dass man zu bestimmten Leuten eine nähere Beziehung hat als zu anderen Leuten.

Altruismus ist eine Handlung, wenn sie mehr Schaden als Nutzen für den Handelnden bringt. Deine Begründungen hier legen aber nahe, dass es aber wohl Grenzen für diese Ungleichung gibt. Ich verstehe, wenn ich deinem Konzept folge, überhaupt noch nicht, woher diese Grenzen rühren? Wieso kann man nur ein bisschen mehr Schaden als Nutzen auf sich nehmen? Wieso braucht der Soldat doch noch den Nutzen, sich wenigstens für seine zugehörige Gruppe geopfert zu haben? Ich meine, wenn er schon verrückt genug ist, sich so vehement zu schaden, ist es doch komisch, dass er gleichzeitig so vernünftig ist, sich nur seine zugehörige Gruppe auszusuchen. Sehr viel Berechnung innerhalb von sehr viel Wahnsinn?

Ich finde es unerklärlich, wenn man mehr Schaden als Nutzen in Kauf nimmt. Aber wenn schon unerklärlich und unlogisch, wieso dann nicht gleich aufs Ganze gehen? Deine Prämisse erklärt nicht, wieso das scheinbare Übergewicht von Schaden offenbar eine Tendenz hat, relativ klein zu bleiben.

Mein Modell erklärt dies. Ich behaupte ja, dass der Schaden nur scheinbar größer ist als der Nutzen, weil wichtige Nutzfaktoren unkenntlich blieben. Da Motiv-Faktoren in Gedankenspielen aber tendenziell nicht unbegrenzt unsichtbar sind, bleibt das scheinbare Übergewicht des Schadens viel geringer als es theoretisch denkbar wäre. Anders ausgedrückt: den kleinen Fehler, die psychologischen Vorteile für den Soldaten nicht zu sehen, können wir noch begehen, und uns damit einen Soldaten vorstellen, der sich für seine Kameraden opfert. Die riesige Lücke, die zwischen Schaden und Nutzen klafft, wenn der Soldat sich für wildfremde Feinde opfert, entsteht durch das Übersehen von ein paar Positivfaktoren aber nicht, so dass wir also gar nicht erst auf die Idee für so ein Beispiel kommen.

AgentProvocateur hat geschrieben:Ach, herrje, Du willst plötzlich auf 'evolutionären Altruismus' hinaus.

Also bitte, überfliegst du meinen Text nur und hast die beiden Wörter "Evolution" und "Altruismus" irgendwo gesehen? Zusammen habe ich sie nicht geschrieben. Evolutionär war bei mir nur die Entwicklung der Entscheidungsmechanismen im Gehirn. Und Altruismus ist das, was es beim Entscheidungsmechanismus eben nicht gibt. Ich habe also lediglich eine Begründung für meine Prämisse geliefert. Auf deinen Altruismus (weder evolutionär noch sonstwie) wollte ich eben gerade nicht hinaus, sondern ihn widerlegen.

AgentProvocateur hat geschrieben:Wie gesagt: Du hattest der Definition von Altruismus zugestimmt. Es geht dabei um den persönlichen Schaden für ein Individuum, (s.o). Nicht um die Weitergabe von Genen.

Beim Altruismus geht es um den Schaden für ein Individuum. Bei der evolutionsgeschichtlichen Entwicklung von Gehirnmechanismen geht es um die Weitergabe von Genen. Meine Prämisse bezieht sich auf letzteres (Gehirne können nicht etwas unvorteilhaftes wollen) und daraus folgere ich auf die Nichtexistenz echten Altruismus. Ich finde, bei der Begründung meiner Prämisse darf ich mit Evolution kommen und gleichzeitig der genannten Definition von Altruismus zustimmen. Ich verstehe zumindest noch nicht, wieso das nicht gleichzeitig und widerspruchsfrei gehen sollte.

AgentProvocateur hat geschrieben:
ganimed hat geschrieben:Aber das gegenseitige aufeinander einwirken ist doch in meinem Modell enthalten.

Nein, ist es überhaupt nicht. Wo denn? Du behauptest doch, man könne darauf einfach verzichten, weil Du behauptest, man könne alle Handlungen auf die internen Motive des Einzelnen zurückführen. Und das ist doch überhaupt mein Problem hier.

Meine internen Motive sind zwar intern, aber natürlich nicht abgeschottet von der Aussenwelt wie du anzunehmen scheinst. Nehmen wir die Prägung: die erfolgt durch soziale Einwirkung von anderen (Eltern, Bezugspersonen). Nehmen wir die Erfahrungen und das Gedächtnis: wir erleben Dinge oft in Gegenwart von anderen und werden dabei vielfach sozial beeinflusst. Nehmen wir rationale, gedankliche Prozesse: wir beziehen uns dabei notwendigerweise auf das Wissen und die Ideen, die wir aus Büchern, Filmen oder im Austausch mit anderen übernommen haben. Praktisch alle meine inneren Entscheidungsfaktoren (vielleicht bis auf die Gene) sind in großem Maße abhängig von sozialen Kontakten, vom sozialen Umfeld in einer Gesellschaft. Dein Problem sollte also gelöst sein.

AgentProvocateur hat geschrieben:Und dann, weil Du per se annimmst, dass Deine Prämisse einfach so, ohne Begründung, stimmt, ziehst Du 'grobe Schlüsse', die immer so ausfallen, dass Deine Prämisse stimmt, weil sie darauf justiert werden.

Also besonders wohlwollend ist deine Darstellung ja nicht. Sehr verzerrt kommt sie mir vor.
Ja ich habe eine Prämisse. Ich habe sehr wohl eine Begründung dafür genannt. Ich ziehe in der Tat grobe Schlüsse und überprüfe das Ergebnis anhand des Alltagswissens, das in unsere Denkbeispiele eingeht. Und genau so macht man das mit einer wissenschaftlichen Theorie (wobei ich mein Gefasel nicht als wissenschaftlich bezeichnen will). Mit der Theorie versucht man, so viel wie geht zu erklären. Und dabei geht man natürlich immer von der Richtigkeit seiner Prämisse aus. Und wenn dann die Erklärungen von Beobachtungen schlüssig sind, dann "scheint" die Theorie gut zu passen. Je mehr man erklärt, desto besser passt es.

AgentProvocateur hat geschrieben:Aber das ist nun mal in jeder Hinsicht die falsche Vorgehensweise. Die Schlüsse kannst Du erst ziehen, wenn Du gezeigt hast, dass Deine Prämisse richtig ist. Denn nur dann sind Deine Schlüsse berechtigt.

Das ist Unfug. Meine Schlüsse dienen doch gerade der Probe, ob die Prämisse schlüssig ist.


AgentProvocateur hat geschrieben:Mein Modell beinhaltet Rechte und Pflichten, Liebe, Sympathie, abstrakte Überlegungen über eine Gesellschaft, Kooperation, allgemein gesagt: soziale Beziehungen und deren gegenseitige Auswirkungen.

Nehmen wir mal deinen Begriff "Pflicht". Wenn A angeblich altruistisch handelt, sich also mehr Schaden als Nutzen einhandelt, dann wäre bei dir ein Grund dafür, weil es seine Pflicht war. Wenn jemand seine Pflicht nicht erfüllt, dann hat das negative Konsequenzen. Die Vermeidung dieser negativen Konsequenzen könnte man als Nutzen betrachten. Hast du diesen Nutzen (Vermeidung der negativen Konsequenzen bei Nichtpflichterfüllung) bei der Bewertung von Schaden und Nutzen bei A mit eingerechnet?
a) Wenn ja, dann ist die Pflicht ja bereits in der Altruismusrechnung der Auswirkungen drin und kann nicht ein zweites Mal als Begründung für die ganze Handlung verwendet werden. Es müsste dann vielmehr heißen: "A hat so gehandelt OBWOHL die Erfüllung der Pflicht nicht den Schaden der Handlung überstieg". Es kann dann nicht gleichzeitig als Begründung verwendet werden: "A hat so gehandelt, WEIL es seine Pflicht war".
b) Wenn nein, dann tu das mal. Der Nutzen sollte damit steigen. Und dann begründe bitte, wieso nun der Schaden immer noch größer ist als der Nutzen und woher du das wissen willst.

Diese Übung kann man genau so auch mit den anderen von dir genannten Gründen durchführen. Entweder sie gehen in die Schaden/Nutzen-Rechnung mit ein und sind dann keine Gründe mehr, oder es bliebe zu erklären, wieso die Gründe angeblich Schaden/Nutzen-neutral sind.
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Re: Thema Altruismus mal wieder

Beitragvon AgentProvocateur » Mi 18. Aug 2010, 21:02

Meine Frage ist nun schlicht die: wie kann Deine These falsifiziert werden?

Welche bewusste, absichtliche Handlung eines Menschen würde Deine These widerlegen?
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Re: Thema Altruismus mal wieder

Beitragvon ganimed » Mi 18. Aug 2010, 22:41

Gute Frage: welche bewusste, absichtliche Handlung eines Menschen würde meine These widerlegen?

Die Entscheidung zur Handlung müsste den von mir unterstellten Wirkprinzipien entgegen laufen. Prägungen müssten ignoriert werden. Positive Erfahrungen als schlecht bewertet werden, negative als gut, Angst als etwas Schönes, Glücksgefühle als etwas Schlimmes. Rational Erlerntes müsste negiert werden. Möglicherweise müsste dazu das Gehirn plötzlich disharmonische neuronale Muster anstreben und eine Entscheidung treffen ohne ein aussagekräftiges Muster.

Du weist am besten nach, dass wenigstens teilweise oder zeitweise das Gehirn zu seinem eigenen Nachteil entscheidet. Du erforschst die Entscheidungsstrukturen (per Scanner oder durch geeignete Verhaltensexperimente) und weist nach, dass Menschen sich gegenteilig zu ihrer Prägung oder ihrem Gelernten verhalten. Oder du zeigst, dass unter bestimmten Bedingungen Menschen die Belohnung im Belohnungssystem des Hirns aktiv vermeiden. Oder vielleicht widerlegst du einfach nur Hirnforscher wie Singer, die (hier) behaupten: "Entscheidungen sind das Ergebnis von Abwägungsprozessen, an denen jeweils eine Vielzahl unbewußter und bewußter Motive mitwirken. Diese legen gemeinsam das Ergebnis fest, sind jedoch in ihrer Gesamtheit kaum zu erfassen, weder vom entscheidenden Ich noch vom außenstehenden Beobachter."

Ich fühle mich wie der Kerl, der behauptet, dass Flüsse immer bergab fließen. Seine Prämisse ist, dass Wasser nunmal der Schwerkraft folgt, und deren Richtung weist gen Erdmittelpunkt, wirkt also immer bergab. Wäre ich du, dann würde ich diesem Besserwisser sicher vorwerfen, dass das ja eine völlig triviale Aussage sei, dass er seine Prämisse nicht begründen kann, dass er sich immunisiert und dass seine These gar nichts bringt, weil man daraus keine echten Aussagen ableiten kann. Man fragt ihn am besten: wie müsste ein Fluss sein, damit er bergauf fließt? Und was ist mit Springbrunnen?
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Re: Thema Altruismus mal wieder

Beitragvon AgentProvocateur » Mi 18. Aug 2010, 23:00

Ich formuliere meine Frage neu:

welche bewusste, absichtliche, rationale, nach Gewichtung und Abwägung aller bekannten Gründe erfolgte Entscheidung - die selbstverständlich auch immer unbewusste / nicht bis ins Letzte durchschaubare Prägungen / Einflüsse / Grundlagen beinhaltet - könnte Deine These widerlegen?

(Mit der Aussage von Singer habe ich doch überhaupt gar keine Probleme, der stimme ich vorbehaltlos zu.)

Wenn Du die Behauptung aufstelltest, dass Wasser immer bergab fließt, dann ist die mögliche Falsifizierung dieser Aussage doch evident.
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Re: Thema Altruismus mal wieder

Beitragvon ganimed » Di 24. Aug 2010, 17:51

Ich glaube, jetzt verstehe ich deinen Kritikansatz mit der Falsifizierbarkeit. Dazu muss ich meine Position, glaube ich, in zwei Teile aufteilen. Und dann, so vermute ich, meinst du den zweiten Teil, der in der Tat nicht falsifizierbar zu sein scheint.

Teil 1: Das Gehirn sucht bei jeder Entscheidung seinen eigenen Vorteil.
Teil 2: Wenn Teil 1 stimmt, dann gibt es keine wirklich altruistischen Handlungen und Altruismus ist eine Illusion.

Vielleicht kritisierst du also im Grunde, dass Teil 2 nicht falsifizierbar ist und nennst meinen Teil 1 auch "Prämisse" und nicht "These". Stimmt das?
Reicht es dir nicht, dass Teil 1 falsifizierbar ist?
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Re: Thema Altruismus mal wieder

Beitragvon AgentProvocateur » Di 24. Aug 2010, 20:00

Ich möchte nur ein Beispiel für eine von Dir akzeptierte Falsifizierung von Teil 1. Teil 2 ist unstrittig zwischen uns.

Angenommen, jemand sagte: 'jeder Fluss fließt bergab'. Die mögliche Falsifizierung dessen wäre nun: man findet einen Fluss, der bergauf fließt.

Die Aussage: 'jeder Fluss fließt bergab' ist eine sinnvolle, denn sie enthält eine Information, die nicht lediglich aus der Definition hervorgeht. Weil es theoretisch auch anders denkbar wäre. Die Aussage: 'jeder Fluss fließt' ist hingegen insofern nicht besonders sinnvoll, sie fügt zur Definition nichts hinzu, (Definition: 'ein fließendes Gewässer im Binnenland ab einer bestimmten Größe nennt man Fluss').

Nun möchte ich analog dazu ein Beispiel für eine bewusste / absichtliche Entscheidung / Handlung, die Deine Behauptung aus Teil 1 widerlegen würde.
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Re: Thema Altruismus mal wieder

Beitragvon ganimed » Di 24. Aug 2010, 20:49

Das erstbeste Beispiel, das mir einfällt für eine solche Handlung wäre: Ein Mann sitzt alleine in der Wüste und schüttet sein Wasser in den heißen Sand. Er ist kurz vorm Verdursten, möchte gerne weiterleben, hat noch einen Liter Wasser, erwartet in 12 Stunden eine Karawane die Rettung bringt, zu Hause warten viele Freunde, eine intakte Familie, Ruhm und Reichtum, er ist ansonsten kerngesund, alles ist gut. Aber er schüttet das Wasser in den heißen Sand und stirbt nach ein paar Stunden.

Das wäre eine Handlung, die keine sichtbaren Vorteile verspricht. Um wirklich als Gegenbeweis gelten zu können, müsste man natürlich nachweisen, dass der Mann auch wirklich keinen Vorteil in der Handlung sah und ihn auch keine sonstigen unbewussten Impulse zur Handlung zwangen. Aber innerhalb des Gedankenexperiments sei das mal so.
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Re: Thema Altruismus mal wieder

Beitragvon AgentProvocateur » Di 24. Aug 2010, 23:04

Dieses Beispiel kann ich leider nicht akzeptieren.

Deine Behauptung ist: Das Gehirn sucht bei jeder Entscheidung seinen eigenen Vorteil.

Altruismus wäre nun, wenn 'das Gehirn' nicht seinen Vorteil sucht, sondern seinen Vorteil zum Vorteil Dritter zurückstellt.

Und über Altruismus reden wir ja hier, das ist nun mal das Thema.

Ich brauche also ein Beispiel, in dem Dritte vorkommen, die einen Vorteil haben, der den Vorteil des Handelnden ('des Gehirnes') überwiegt. In Deinem Beispiel kommen aber leider keine Dritte vor, zu deren Gunsten 'das Gehirn' seinen Vorteil zurückstellt.
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Re: Thema Altruismus mal wieder

Beitragvon ganimed » Mi 25. Aug 2010, 20:14

Ich sollte doch meine These falsifizieren. Die wäre aber sogar mit einem Beispiel ohne Dritte falsifiziert. Meine These lautet ja nicht nur, dass es keinen Altruismus gibt, sondern sie geht sogar noch weiter: es gibt nicht einmal absichtliche Handlungen die nicht zum eigenen Vorteil sind. Diese noch weitergehende Behauptung ist entsprechend noch einfacher zu falsifizieren.

Aber bitte, die Beispiele liegen schließlich nur so rum: Ein Mann sitzt alleine in der Wüste und gibt sein Wasser einem fremden Passanten. Er ist kurz vorm Verdursten, möchte gerne weiterleben, hat noch einen Liter Wasser, erwartet in 12 Stunden eine Karawane die Rettung bringt, zu Hause warten viele Freunde, eine intakte Familie, Ruhm und Reichtum, er ist ansonsten kerngesund, alles ist gut. Aber er gibt sein Wasser dem Passanten, von dem er nur weiß, dass dieser ein todkranker Triebmörder ist, der ebenfalls in spätestens 3 Tagen sterben wird.
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