"Definition Naturalismus" oder "Warum immer dagegen?"

"Definition Naturalismus" oder "Warum immer dagegen?"

Beitragvon Spinnaker » Mo 17. Mär 2008, 21:16

Hey ihr Brights,

Ich frag mich immer was man unter Naturalismus eigentlich verstehen kann. Man hört ja meistens, wie auch neulich Michael Schmidt-Salomon im hessischen Rundfunk sagte, dass ein Naturalist jemand ist, der glaubt das alles "Natur" ist und es deshalb auch nichts Übernatürliches gibt, sprich: Gott, Osterhase, Weihnachtsmann, Spaghetti-Monster, etc.

Für mich hört sich das eigentlich nach einem umdefinierten Atheismus an. Ich finde aber, dass etwas das mein Weltbild beschreibt etwas positives sein sollte, also etwas wofür ich stehe(nicht dagegen, sondern dafür). Deswegen riecht der "neue Atheismus" für mich manchmal ziemlich stark nach einer Art "Punk-Bewegung". Hauptsache dagegen.
Der Grund warum ich mich als Naturalist bezeichnen möchte und nicht als A-theist, ist ja dass ich es schwachsinnig finde etwas verneinen zu müssen, nur weil es die Norm ist an so Zeugs zu glauben.
Wie auch schon Andreas Müller auf der HPD-Seite irgendwann mal geschrieben hat, wird eine Bewegung die nur "gegen" etwas ist auf dauer gnadenlos scheitern.
Sollte man deshalb nicht den Naturalismus so formulieren, dass er hauptächlich für etwas steht(etwa: die Rationalität der Natur in all seiner Schöhnheit oder sowas, ka bin net gut darin) und dabei nicht mal die Verneinung von Übernatürlichem erwähnt.
Weil ich finde mit "ohne Gott und so" entsteh immer dieser Fronteneindruck. Auf der einen Seite der Glaube in all seinen verschiedenen Formen(Christentum, Islam, etc.) und auf der andren Seite der Unglaube von dem man den Eindruck hat, dass alle Ansichten gleich sind und immer die gleiche Konsequenz nach sich zieht.(Weshalb ja viele immer behaupten die Folgen des Stalinismus und des Nationalsozialismus wären dem Atheismus zuzuschreiben.)

Wollte mal hören was die Brights darüber so denken.
Gruss Spinnaker
Benutzeravatar
Spinnaker
 
Beiträge: 14
Registriert: Mo 17. Mär 2008, 17:45

Re: "Definition Naturalismus" oder "Warum immer dagegen?"

Beitragvon Myron » Mo 17. Mär 2008, 22:00

Spinnaker hat geschrieben:Ich frag mich immer was man unter Naturalismus eigentlich verstehen kann. (...)
Für mich hört sich das eigentlich nach einem umdefinierten Atheismus an. Ich finde aber, dass etwas das mein Weltbild beschreibt etwas positives sein sollte, also etwas wofür ich stehe(nicht dagegen, sondern dafür). Deswegen riecht der "neue Atheismus" für mich manchmal ziemlich stark nach einer Art "Punk-Bewegung". Hauptsache dagegen.
Der Grund warum ich mich als Naturalist bezeichnen möchte und nicht als A-theist, ist ja dass ich es schwachsinnig finde etwas verneinen zu müssen, nur weil es die Norm ist an so Zeugs zu glauben.


Der Naturalist bejaht, dass alles natürlich ist, dass alles Wirkliche Teil der Raumzeitwelt ist, und dass alles, was sich in der natürlichen Welt ereignet, im Einklang mit den Naturgesetzen steht.
All diesen positiven Aussagen entsprechen freilich negative Aussagen, die zu jenen logisch äquivalent sind.
Beispiel:
"Alles ist natürlich" <=> "Nichts ist nicht natürlich" <=> "Es ist nicht der Fall, dass nicht alles natürlich ist"

Weiteres Beispiel:
Der (materialistische) Naturalismus bejaht den folgenden Grundsatz:

"Alle Dinge mit psychischen Eigenschaften sind physische Dinge."

Klingt doch recht positiv, oder?
Allein dieser Grundsatz impliziert, dass es keine körperlos-stofflosen Geister oder Gespenster wie Götter, Teufel, Engel, Dämonen, Totenseelen gibt.
Aber auch hier besteht eine Äquivalenz; denn die Bejahung des (materialistischen) Substanzmonismus kommt der Verneinung des Substanzdualismus gleich.
Benutzeravatar
Myron
Mitglied des Forenteams
Mitglied des Forenteams
 
Beiträge: 4808
Registriert: So 1. Jul 2007, 17:04

Re: "Definition Naturalismus" oder "Warum immer dagegen?"

Beitragvon ostfriese » Mo 17. Mär 2008, 22:29

So ist es. Insofern nützt es wenig, wenn wir auf unsere Fahnen schreiben, wie toll wir die Natur finden.

Nicht-Naturalisten werden uns ohnehin als Gottlose identifizieren und uns wahlweise Nihilismus oder militanten Atheismus unterstellen. Wir haben uns ja nicht selbst in einen Topf mit den "Neuen Atheisten" geworfen, sondern wurden dort von vielen Medien -- in Unkenntnis unserer philosophischen Positionen -- pauschal verortet.

Ich persönlich habe nichts dagegen, da ich nun mal tatsächlich Atheist bin. Wer aber meint, man könne die öffentliche Wahrnehmung von Naturalisten verbessern, darf dies gern versuchen.
Benutzeravatar
ostfriese
 
Beiträge: 1479
Registriert: Mi 20. Sep 2006, 22:28
Wohnort: Eisenach

Re: "Definition Naturalismus" oder "Warum immer dagegen?"

Beitragvon Robert » Mo 17. Mär 2008, 22:37

Hmm... vielleicht verwechselst du da was, Spinnaker.

Denn nach deinen Ausführungen bedeutet für dich "positiv" (dafür), dass man etwas hinzufügt.

Die Christen fügen einen Gott hinzu, was "positiv" ist.

Die Naturalisten und Atheisten lehnen Gott ab, was "negativ" (dagegen) ist.


Nach solch einer Auffassung dürften aber selbst die Christen "negativ" sein, weil sie das Nirwana, die Inkarnation, Muhammad etc. ablehnen.

Also irgendetwas scheint mit deiner Aussage nicht zu stimmen.


Ich würde es deshalb so formulieren, dass der Naturalismus eine Weltanschauung ist, die sehr minimalistischer Natur ist, denn primär werden übernatürliche Dinge nicht abgelehnt, sondern das Natürliche definiert, wodurch sich sekundär die Verneinung des Übernatürlichen ergibt. Der Atheist dagegen verneint primär den Gottglauben und nicht mehr, weshalb nicht jeder Atheist ein Naturalist ist, aber jeder Naturalist ein Atheist, weshalb der Naturalismus kein umdefinierter Atheismus sein kann. Wodurch sich wiederum ergibt, dass die Brights eigentlich nicht unter den Begriff der "neuen Atheisten" fallen.

Wenn dies nicht "positiv" sein soll, weiß ich auch nicht, was diese Worte bitte sollen.

PS: Michael Schmidt-Salomon kann erzählen, was er will, denn er spricht nur für sich selber.
Robert
Ansprechpartner Brights Berlin
 
Beiträge: 917
Registriert: So 27. Jan 2008, 19:37

Re: "Definition Naturalismus" oder "Warum immer dagegen?"

Beitragvon Spinnaker » Mo 17. Mär 2008, 23:52

hokay, überzeugt. Danke für die Antworten.
Benutzeravatar
Spinnaker
 
Beiträge: 14
Registriert: Mo 17. Mär 2008, 17:45


Zurück zu Philosophie

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 4 Gäste