Macht Naturalismus uns zu unglücklichen Hedonisten?

Macht Naturalismus uns zu unglücklichen Hedonisten?

Beitragvon xander1 » Fr 10. Okt 2008, 14:04

Ich habe hier eine provokante These, entschuldigung. Aber ich möchte diese These beweisen mithilfe modernster Wissenschaft. Ich weiß, dass das zunächst unglaubwürdig erscheint. Für Erklärungen und Definitionen erscheinender Begriffe schlage ich Wikipedia vor.

Zuerst ein Zitat von dem Wissenschaftler und Motivationspsychologen Steven Reiss aus seinem Buch "Who am I?" , Seite 133, unter "The reality of value-based happiness"

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If there are no purposes to biological and physical things - and if we are ultimately reducible to our biological and physical natures - then it would seem that we, too, cannot have any goals or purposes. Although this philosophy - known as naturalism - is a formidable theory, it is based on selective evidence.
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Ich fasse das Zitat folgendermaßen kurz zusammen: Mit naturalistischer Weltanschauung hat unser Leben laut S. Reiss keine Ziele oder Bestimmungen (bzgl. Sinn des Lebens).

Ich unterstütze diese Aussage, da Sinn und Bestimmung nur von einem Bewusstsein ausgehen kann und im Naturalismus so ein höheres Bewusstsein bewusst ausgeschlossen wird.

Steven Reiss, der die Motivations-Psychologie revolutioniert hat und sehr populär im neuesten Marketing thematisiert wird, unterscheidet zwischen "feel-good happyness" und "value-based happyness". In der Philosophie kennt man eine ähnliche Unterscheidung mit der man jedoch solche Glücklichkeitslehren benennt: Hedonismus und Eudämnismus.

Was Philosophen lange theoretisiert haben über Glücklichkeit hat Steven Reiss endlich empirisch und wissenschaftlich untersucht.

Bezugnehmend zum Zitat: S. Reiss beschreibt in seinem Buch, dass man für lange andauernde Glücklichkeit ein bedeutungsvolles Leben braucht. Er schreibt, dass also auch arme und behinderte Menschen ein sehr glückliches Leben haben können mit value-based happyness, jedoch nicht die Möglichkeiten haben viel feel-good happyness zu erreichen. Er schreibt, dass man Ziele, Bedeutung und Bestimmung braucht, um ein dauerhaft glücklicher Mensch zu sein und dass es kein intrinsisches Motiv zum Überleben gibt, sondern nur ein Motiv nach einem ein sinnvollem bzw. erfülltem Leben gibt.

Eine monotheistische Gemeinde macht genau das: Sinn geben. In jeder monotheistischen Religion wird dein Leben mit Sinn erfüllt behaupte ich. Im Islam ist der Sinn des Lebens durch den Glauben bestimmt.

S. Reiss beschreibt, wie ein Hedonist, der viel gefeiert hat und hedonistischer-weise drogensüchtig wurde zum Islam konvertierte und darin ein erfülltes Leben fand.

Also kann Hedonismus Eudämnismus ersetzen und Eudämonismus Hedonismus. Also hat ein hedonistischer Mensch weniger Platz für value-based happyness und ein eudämonischer Mensch weniger Platz für Hedonismus.

Das alles bedeutet, summa summarum: Wenn eine Sinn-stiftende Gemeinde, ein sinn-stiftender Gott fehlt, dann hat man weniger value-based happyness. Hat man weniger value-based happyness, braucht man als Ersatz feel-good happyness. Man wird in diesem Fall ein unglücklicher Hedonist.

Ist es nicht etwa unwichtig, zu was für eine Art Mensch man wird durch die Beeinflussung durch ein jeweiliges Weltbild, sofern man es verbreiten möchte?

Ist Epikur letztendlich stärker kompatibel zum Naturalismus als jeweilige Vertreter des Eudämonismusses?
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Re: Macht Naturalismus uns zu unglücklichen Hedonisten?

Beitragvon Jan R. » Fr 10. Okt 2008, 19:00

Deine Überlegung hat die falsche Annahme, dass nur Religion eine value-based happyness hervorbringen kann. Das ist aber nicht so! Diesen Sinn kann meiner Haltung nach erst der Naturalismus überhaupt hervorbringen bzw. den Nihilismus des 20. Jahrhunderts mit Gehalt füllen. Unter der Fittiche der Religion wird doch ein Sinn nur vorgetäuscht, inhaltstechnisch ist immer noch kein Sinn vorhanden. Der religiöse Mensch lebt also im Glauben einen Sinn für sein Leben gefunden zu haben, doch wird er es nie wissen können.
Der Naturalismus hingegen entmystifiziert die Aufgaben/Zusammenhänge der menschlichen Existenz und nur so kann überhaupt ein Sinn nachgewiesen werden. Bei dieser Prozedur wird der Begriff "Sinn" immer mehr mit "Naturgesetz" aufgefüllt werden. Wir beginnen unser eigenes Gehirn zu verstehen, verwerfen das misanthropische Menschenbild und finden emotional und rational unseren Platz genau dort wo wir grade sind. Ich weiß nicht ob es das war was Nietzsche mit der Entwicklung aus dem Nihilismus meinte, doch ich denke es geht zumindest in diese Richtung.
Die Grenzen zwischen Hedonismus und Eudämnismus verschwinden einfach, da viele Annahmen auf beiden Seiten dank der empirischen Wissenschaft verworfen werden können und so ein solides Grundgerüst übrig bleibt, auf das sich der Mensch des 21. Jahrhunderts stützen kann .
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Re: Macht Naturalismus uns zu unglücklichen Hedonisten?

Beitragvon LinuxBug » Fr 10. Okt 2008, 21:56

Ich hab auch ein tolles Zitat von ihm: »For example, some people have said that wealth and materialism lead to inferior quality happiness, but there is no real proof of that*
d.h. qualitativ gibt es keinerlei Unterschied zwischen 'echter' und 'synthetischer' happiness. Wir Menschen sind ziemlich schlecht im Vorhersagen bzw. Verstehen, was uns glücklich macht... Ich kann dazu eigentlich nur Dan Gilbert empfehlen. :^^:
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Re: Macht Naturalismus uns zu unglücklichen Hedonisten?

Beitragvon xander1 » Sa 11. Okt 2008, 10:17

@Jan R.:
Der Naturalismus erlaubt keinen Sinn der Existenz von Leben,
denn Sinn kann nur von einem Bewusstsein ausgehen.
Im Naturalismus gibt es kein Bewusstsein, dass allen Menschen einen Sinn ihrer Existenz geben kann.

Auch wenn alle monotheistischen Strömungen unrecht hätten, würden sie mit ihrer Lüge die Menschen glücklicher machen.

Es ist unwissenschaftlich zu behaupten value-based happyness und feel-good happyness (Hedonismus, Eudämonismus) wären vermischbar in ihrer Bedeutung.

@LinuxBug:
Ich glaube nicht an eine Unterscheidung zwischen echter und synthetischer happyness. Wie gut die Menschen im Vorhersagen über Glücklichkeit sind ist nun wirklich sehr relativ. Woran will man das festmachen was viel und was wenig ist. Deshalb kann ich dazu keine quantitative Aussage treffen.
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Re: Macht Naturalismus uns zu unglücklichen Hedonisten?

Beitragvon LinuxBug » Sa 11. Okt 2008, 11:17

xander1 hat geschrieben:Im Naturalismus gibt es kein Bewusstsein, dass allen Menschen einen Sinn ihrer Existenz geben kann.

Der Naturalismus verneint mein und dein Bewusstsein? Das wäre mir neu. :^^:
Wie genau gibt dir ein -sagen wir mal- nichtmenschliches Bewusstsein einen Sinn für deine Existenz? Ich kann mir das grad nicht vorstellen.

xander1 hat geschrieben:Auch wenn alle monotheistischen Strömungen unrecht hätten, würden sie mit ihrer Lüge die Menschen glücklicher machen.

Das ist nur der sogenannte Glaube an den Glauben, wissenschaftlich gesehen macht der Glaube an einen gottgegebenen Sinn den Menschen weder glücklicher noch unglücklicher. (Wenn dem anders sein sollte, bitte zitiere ein paar Studien, die einen Unterschied belegen.)

xander1 hat geschrieben:Es ist unwissenschaftlich zu behaupten value-based happyness und feel-good happyness (Hedonismus, Eudämonismus) wären vermischbar in ihrer Bedeutung.

Nein, es ist unwissenschaftlich zu sagen, dass es einen fundamentalen Unterschied in der Qualität der beiden gibt, wenn es dafür keinen echten Nachweis gibt. (Es gäbe nur einen moralischen, aber wen unterschiedliche Denkweisen aneinander treffen und es keine wissenschaftliche Unterscheidungamöglichkeiten gibt, dann macht auch keine Theorie "glücklicher" als die andere...)

xander1 hat geschrieben:Wie gut die Menschen im Vorhersagen über Glücklichkeit sind ist nun wirklich sehr relativ. Woran will man das festmachen was viel und was wenig ist. Deshalb kann ich dazu keine quantitative Aussage treffen.

Wo genau sind Naturalisten "unglückliche Hedonisten"? Soll ich jetzt kontern, dass Gläubige (oder was auch immer) unglückliche Eudämonisten wären (wobei du auch einmal zeigen müsstest, dass Gläubige generell keine Hedonisten wären)? Wenn Glücklichsein nicht quantifizierbar ist, dann kannst du nicht sagen, dass jemand generell glücklicher ist, als jemand anderer. (Höchstens, dass das eine aus moralischer Sicht besser ist, aber das ist dann nicht wissenschaftlich...) :/

xander1 hat geschrieben:If there are no purposes to biological and physical things - and if we are ultimately reducible to our biological and physical natures - then it would seem that we, too, cannot have any goals or purposes. Although this philosophy - known as naturalism - is a formidable theory, it is based on selective evidence.

(meine Übersetzung:) Wenn es keine Absichten hinter biologischen und physikalischen Dingen gibt - und wenn wir letztlich auf biologische und physikalische Natur reduzierbar sind - dann scheint es, dass wir auch keine Ziele oder Absichten haben könn(t)en. Auch wenn diese Philosophie - bekannt als Naturalismus - eine eindrucksvolle Theorie ist, basiert sie auf selektiver Wahrnehmung von Belegen.
Daraus folgere ich, dass Reiss sagt, dass Naturalisten annehmen, dass das Leben keinen "Sinn" haben kann und er (also Naturalismus) außerdem - aufgrund seiner reduktionistischen Natur - nicht vollständig ist. Da du uns (leider oder zum Glück?) seine Argumentation sparst, kann ich aber nicht näher darauf eingehen....

xander1 hat geschrieben:Er schreibt, dass man Ziele, Bedeutung und Bestimmung braucht, um ein dauerhaft glücklicher Mensch zu sein und dass es kein intrinsisches Motiv zum Überleben gibt, sondern nur ein Motiv nach einem ein sinnvollem bzw. erfülltem Leben gibt.

Bloß weil man anerkennt, dass Ziele stets subjektiver Natur sind und nicht von einem "höheren Bewusstsein" gegeben werden (und auch nichts anderes heißt es, wenn er meint, dass wir kein "intrinsisches Motiv" zum Leben hätten!) heißt dass doch nicht, dass Naturalisten kein (subjektiv) sinnvolles bzw- erfülltes Leben führen könn(t)en....
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Re: Macht Naturalismus uns zu unglücklichen Hedonisten?

Beitragvon Qubit » Sa 11. Okt 2008, 11:38

xander1 hat geschrieben:Ich fasse das Zitat folgendermaßen kurz zusammen: Mit naturalistischer Weltanschauung hat unser Leben laut S. Reiss keine Ziele oder Bestimmungen (bzgl. Sinn des Lebens).

Ich unterstütze diese Aussage, da Sinn und Bestimmung nur von einem Bewusstsein ausgehen kann und im Naturalismus so ein höheres Bewusstsein bewusst ausgeschlossen wird.

Steven Reiss, der die Motivations-Psychologie revolutioniert hat und sehr populär im neuesten Marketing thematisiert wird, unterscheidet zwischen "feel-good happyness" und "value-based happyness". In der Philosophie kennt man eine ähnliche Unterscheidung mit der man jedoch solche Glücklichkeitslehren benennt: Hedonismus und Eudämnismus.


"Sinn" und "Glücklich" scheinen mir zwei unterschiedliche Kontexte zu haben: ersteres lässt sich "rational" begründen, letzteres ist "irrational", das, was man als "Gefühl" bezeichnet. Ein "Sinn" kann nun insofern "glücklich" machen, als man ihn "verwirklicht" sieht. Man kann nun weitergehend das "Glückliche" selbst zum "Sinn" erheben, den man insofern durch "Glücklich sein" selbst verwirklicht, ohne ihn "rational" begründen zu müssen. Insofern ist letzteres "kontextunabhängig", also bar jeder Weltanschauung. Dies könnte man (etwas schief) mit "Hedonismus" adressieren.
Aber dies schliesst mE keineswegs aus, darüberhinausgehend einen Sinn in einem "rationalen" Kontext zu begründen, dessen "Verwirklichung" eine zusätzliche Bedingung des "Glücklichseins" darstellt.
So kann man zB "Gesundheit" als Sinn (bezüglich einer Weltanschauung) begründen, der Voraussetzung zum "Glücklich sein" wäre, also im Sinne eines "Eudämonismus" verstehen. Ist man nun "Hedonist", wird der Sinn "Glücklich sein" nur dann erfüllt werden können, wenn der Sinn "Gesundheit" auch verwirklicht ist. Dies würde zB bedeuten, dass "Glücklich sein" nicht durch exzessiven Gebrauch von Drogen etc. "verwirklicht" werden kann.
"Religionen" begründen durchaus einen solchen "Sinn" in einem "rationalen" Kontext, wenngleich dieser in einem "irrationalen Metakontext" steht; zB. könnte ein "Christ" als Sinn begründen, sich nach den Geboten und Verboten der Bibel zu richten und die "Verwirklichung" ihn "glücklich" machen.
Andereseits bedeutet dies aber nach dem Gesagten eine weitere Bedingung des "Glücklichseins", die notwendigerweise erfüllt werden müsste, also in diesem Sinne auch eine "Einschränkung". Genau hiervon ist eine "atheistische" Weltanschauung befreit, Dies bedeutet aber nicht, dass ein "Atheist" nicht einen Sinn in einem "rationalen" Kontext begründen könnte, dessen "Verwirklichung" ihn glücklich machte. Dieser Sinn liegt nur in seiner "Verantwortung", frei nach dem Motto:
"Der Sinn des Lebens ist, dem Leben einen Sinn zu geben" =)
In dieser Weise muss "Naturalismus" nicht zu "unglücklichen Hedonisten" führen ;-)
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Re: Macht Naturalismus uns zu unglücklichen Hedonisten?

Beitragvon xander1 » Sa 11. Okt 2008, 17:38

Ich fasse eure Erkenntnisse zusammen:

Ein Naturalist muss sich seinen Sinn des Lebens selbst geben und ein Monotheist lebt für seine Gemeinde.
Das bedeutet, dass der Naturalist selbstbestimmter ist. Er weiß selbst besser was für ihn gut ist und macht dies nicht von anderen Menschen abhängig und er braucht keine Lehre, die ihm sagt, wie er sein Leben sinnvoll gestaltet.

Ein Naturalist zahlt jedoch seinen Preis. Er muss es gut beherrschen selbstbestimmt zu leben. Alternativ kann man auch für andere Menschen leben, denen man emotional verbunden ist. Ein Naturalist muss zwingend einen hang zum Philosophieren haben, damit er die Aufgabe bewältigen kann selbstbestimmt leben zu können. Das muss ein Monotheist nicht.

Ich denke dass Bevormundung als Schlechtes und Verantwortungsgefühl untereinder als Gutes unter Monotheisten stärker vertreten ist. Das gehört zur Glaubenslehre. Monotheisten betonen besonders füreinander da zu sein. Das finde ich nicht bei Brights vor.

Ich stelle fest, dass Monotheisten eine starke Bindung untereinder suchen und beschwören mit ihren Glaubensbüchern. Diese starke Bindung kann stark machen. So etwas finde ich nicht unter den Brights. Brights suchen nicht in dem Maße die Bindung, sondern die Auseinandersetzung, den konstruktiven sinnvollen nutzbaren Streit, wenn man so will. Man kann eben nicht alles haben.

Die Glaubensbücher bieten ein Fundament auf dem sich die Gruppe, die Gemeinde bilden kann. Denn jede Formierung einer Gruppe, die wirken will braucht ein geistiges Fundament. Attac und die Brights haben ein minimalistisches Fundament, was den Vorteil bietet mehr Anhänger zu finden.

Bei den Monotheisten ist dieses Fundament sehr umfangreich (z.B. die Bibel als Fundament), was andere Vorteile hat: Ich denke das hat etwas mit der Wirksamkeit zu tun.

In ihrer gesamten grundsätzlichen Motivation arbeiten Brights mehr analytisch und Monotheisten mehr synthetisch. Gläubige brauchen Exegese um Handlungsentscheidungen zu synthetisieren. Brights brauchen die Wissenschaft um für ihr Handeln und Realitätsempfinden zu analysieren, was relevant für das Leben ist. Ich kann nicht feststellen was nun besser ist. Ich mag eigentlich auch lieber das analytische Denken.

Gläubige Leben nach ihrem Buch und es scheint als Hinterfragen sie dabei fast nie. Brights müssen alles Hinterfragen, damit sie nach etwas leben können und weil die Wissenschaft nie vollständig ist, sind es ihre Ergebnisse auch nie.
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Re: Macht Naturalismus uns zu unglücklichen Hedonisten?

Beitragvon HF******* » Mo 13. Okt 2008, 10:51

xander1 hat geschrieben:S. Reiss beschreibt, wie ein Hedonist, der viel gefeiert hat und hedonistischer-weise drogensüchtig wurde zum Islam konvertierte und darin ein erfülltes Leben fand.

Wenn es unter dem Strich mehr weh getan hat, als es Spaß gemacht hat, dann war es kein richtiger Eudämonismus, wobei ein bleibendes Erlebnis ja auch mal die Kopfschmerzen aufwiegen kann :mg:
Ein Dauerglück kann man mit exzessivem Kurzzeithedonismus sicherlich nicht erreichen…

Werte suggestiv vorgaukeln kann man sich immer, ich behaupte aber, dass das nicht in gleicher Form von Dauer ist, wie wenn man ehrlich an die Sache herangeht. Irgendwo bröckelt immer der Lack. Und die klassischen Religionen wie Islam und Christentum sind doch soetwas von Eudämonismusfrei…

@QBit: Volle Zustimmung!
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Re: Macht Naturalismus uns zu unglücklichen Hedonisten?

Beitragvon pariparo » Mo 13. Okt 2008, 11:57

xander1 hat geschrieben:Ich denke dass Bevormundung als Schlechtes und Verantwortungsgefühl untereinder als Gutes unter Monotheisten stärker vertreten ist. Das gehört zur Glaubenslehre. Monotheisten betonen besonders füreinander da zu sein. Das finde ich nicht bei Brights vor.


Soso, das Verantwortungsgefühl untereinander ist bei den Monotheisten stärker vertreten? Beispiele?


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Re: Macht Naturalismus uns zu unglücklichen Hedonisten?

Beitragvon ganimed » Di 14. Okt 2008, 19:49

@xander1: Deine Zusammenfassung finde ich vom Grundsatz her sehr gut. Das sollten wir im Forum öfter machen: Zwischenergebnisse festhalten.

Aber dein Vergleich zwischen Naturalisten hier und Gläubigen da krankt an einer entscheidenden Stelle. Naturalismus ist ein Weltbild, keine Gemeinschaft. Deswegen kann man die "Gemeinschaft der Naturalisten" nicht mit einer Kirchengemeinde vergleichen.

Ich als Naturalist habe natürlich auch meine Gemeinschaften (Familie, Freundeskreise, Arbeitskollegen, Sportverein), wo es jeweils einen gewissen Zusammenhalt, gemeinsame Ziele, Interaktion usw. gibt. Du müsstest also, wenn es dir auf direkte Vergleiche ankommt, vielleicht eine Familie bestehend aus Naturalisten vergleichen mit einer Familie mit Gläubigen. Aber ich bezweifle ein wenig, dass das zu irgendwas führen würde.

Ich wäre auch sehr vorsichtig, dem Naturalisten oder dem Gläubigen typische Charaktereigenschaften zuzuschreiben. Naturalisten wären analytisch? Gläubige halten mehr zusammen? Das sind doch alles nur Klischees und unbewiesene Vorurteile.

Hat das was jemand glaubt wirklich so direkte Auswirkungen auf das was er ist?
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Re: Macht Naturalismus uns zu unglücklichen Hedonisten?

Beitragvon ganimed » Di 14. Okt 2008, 19:59

Noch eins: meiner Ansicht nach ist die Unterscheidung in "value-based happyness" und "feel-good happyness" nicht hilfreich, sondern nur unsinniges Geplänkel an der Oberfläche. Glück ist doch grundsätzlich eine Emotion, die durch bestimmte Ursachen in unserem Gehirn hervorgerufen wird.

Um das Glück zu maximieren, und darum geht es zumindest uns Naturalisten doch wohl, muss also diese Emotion möglichst oft und möglichst intensiv erzeugt werden. Oder möglichst gleichmäßig? Oder vielleicht doch möglichst unterbrechungsfrei?
Das wären die Fragen, die ich unter diesem Thema sehe. Wie sieht hirntechnisch die richtige Mathematik aus? Wie lautet die Formel, die einer Maximierung des Lebensglücks gleich kommt?
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Re: Macht Naturalismus uns zu unglücklichen Hedonisten?

Beitragvon xander1 » Mi 15. Okt 2008, 09:14

Die Unterscheidung dieser 2 Glücksformen gibt es seit mindestens 2 Jahrtausenden und wurde von der Elite weiter getragen.
Wenn du mehr darüber erfahren willst: http://de.wikipedia.org/wiki/Eud%C3%A4monie und http://de.wikipedia.org/wiki/Hedonismus .

Wenn deine Lebensumstände gut sind spricht man von value-based happyness.
Wenn du ein schönes Erlebnis hast spricht man von feel-good happyness.
Und die aktuelle Wissenschaft belegt, dass man value-based happyness anders erreicht als feel-good happyness, was zuvor Jahrtausende lang sowieso gesagt wurde.

Wenn du von unsinnigem Geplänkel redest, dann betrifft das also die gesamte geistige Elite von heute bis in die Antike. Was die maximale Erzeugung von Glück betrifft, dazu wurde der Utilitarismus geboren: http://de.wikipedia.org/wiki/Utilitarismus . Auf diese Idee ist also auch schon jemand gekommen vor dir und hat sie ausgebaut, viel Glück zu erfahren.

Analysis wäre vielleicht das Fachgebiet für eine Formel, aber mehr ist ja auch nicht immer mehr bzgl. Glück.

Ich wäre auch sehr vorsichtig, dem Naturalisten oder dem Gläubigen typische Charaktereigenschaften zuzuschreiben. Naturalisten wären analytisch? Gläubige halten mehr zusammen? Das sind doch alles nur Klischees und unbewiesene Vorurteile.

Hat das was jemand glaubt wirklich so direkte Auswirkungen auf das was er ist?


ich denke, dass es sehr große Auswirkungen sind, die beeinflussen wer man ist, durch das was man glaubt, einfach weil man sich dementsprechend ausrichtet, danach was man glaubt, danach handelt man dann. Es bestimmt regelrecht welche Art Mensch du bist.

Naturalisten sind nicht alle analytisch. Naturalisten müssen aber ein gewisses Maß an analytischem Denken mit sich bringen, sonst gehen sie unter. Warum das so ist, habe ich beschrieben. ich will kein Klischee abzeichnen. Ich begründe meine Aussagen mit einem Denken, einem Schlussfolgern. Wie sollte ich als andere Möglichkeit Umfragen gestalten um das zu belegen? Entweder sind meine Gedanken schlüssig oder nicht.
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Re: Macht Naturalismus uns zu unglücklichen Hedonisten?

Beitragvon stine » Mi 15. Okt 2008, 10:10

xander1 hat geschrieben:Gläubige Leben nach ihrem Buch und es scheint als Hinterfragen sie dabei fast nie.

So scheint es aber nur! :wink:

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Re: Macht Naturalismus uns zu unglücklichen Hedonisten?

Beitragvon xander1 » Mi 15. Okt 2008, 14:08

Stine! Du darfst doch nicht verraten, warum Gläubige den Glauben praktizieren! Aber warum hier so oft und ständig gegen den Glauben geredet wird verstehe ich auch nicht. Als ob die Christen so ein Problem wären! Sie dürfen nur nicht zu mächtig werden, dann scheint alles ok zu sein, habe ich festgestellt. Sobald irgend ein Glaube zu einem mächtigen System wird, müsste er eigentlich bekämpft werden, wegen dem Allgemeinwohl. Ich frage mich ob das auch für den Naturalismus gilt. Gelte der Naturalismus als ein nicht falsifizierbares etwas, dann ist er eigentlich gleichzusetzen mit einer Religion. Um ehrlich zu sein, halte ich Naturalismus für eine manipulative Ideologie, die Religionen nur deshalb ersetzen kann und Konkurrenz zu ihnen bieten kann, weil Naturalismus selbst so etwas wie eine Religion ist.

Selbst der Naturalismus ist mir zu religiös.
Ich denke da eher wie Karl Popper.

Religionen und Ideologien und der Naturalismus haben alle die Bündelung von geistigen Ressourcen im Sinn. Sie bieten Modelle für die Welt, d.h. sie setzen auf Induktion. Schon allein das sollte misstrauisch machen. Ein schwach gläubiger Christ ist mir immer noch lieber als ein streng gläubiger Naturalist. Aber die Motive der Anhänger eines jeweiligen Systems sollte man ihnen vielleicht nicht verübeln. Alles ist ein einziger Kampf der Weltanschauungen. Viele Menschen wollen ihre Ideologie verbreiten, ihr denken für andere anwendbar zu machen. Das Ganze erzeugt nur eins: Eine andere Verteilung von Vor- und Nachteilen.

Jede Ideologie oder Religion ist einfach nur dafür da, um Vor- und Nachteile anders zu ordnen. Alle Glaubensformen sind dabei allein wegen ihrer Existenz perfide. Perfidität ist eine notwendige Konsequenz, die aus jeder nicht falsifizierbaren Ideologie resultiert. Das gilt sogar für die Brights und ihren Naturalismus. Man müsste nur noch logisch begründen können warum das so ist. Ich müsste dazu einmal ein eigenes Thema aufmachen.
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Re: Macht Naturalismus uns zu unglücklichen Hedonisten?

Beitragvon ganimed » Fr 17. Okt 2008, 02:20

xander1 hat geschrieben:Wenn deine Lebensumstände gut sind spricht man von value-based happyness.
Wenn du ein schönes Erlebnis hast spricht man von feel-good happyness.

Wenn meine Lebensumstände gut sind, dann erlebe ich sie als gut. Ist das dann nicht auch feel-good happyness? Ich finde, die Unterscheidung ist sehr künstlich, offenbar eher sprachlich begründet. Eben typisch philosophisch. Und ich finde im Internet so auf Anhieb auch keine halbwegs wissenschaftliche Definition. Kann es sein, dass diese Unterscheidung auch gar keine neurologische Grundlage hat?

xander1 hat geschrieben:Und die aktuelle Wissenschaft belegt, dass man value-based happyness anders erreicht als feel-good happyness

Auf diese 'Belege' wäre ich gespannt. Ich könnte übrigens auch eine Unterscheidung einführen. Morgendliches und abendliches Glück. Die Wissenschaft würde belegen können, dass man beide Glücksformen zu unterschiedlichen Zeiten erlebt. Hm, aber was hilft mir das? Kann ich jetzt dem Frühaufsteher unterstellen, dass er morgens glücklicher ist?
Ich will mit diesem Beispiel sagen, dass man eine künstliche Einteilung der Glückserlebnisse und Glücksquellen sicher vornehmen kann. Aber wenn man damit irgendeine These untermauern möchte, dann würde mir sofort der Verdacht kommen, dass man jene künstliche Einteilung vielleicht genau deshalb vorgenommen hat, um diese These zu untermauern. Und das ist natürlich kein überzeugender Ansatz.

Ich wäre also dafür, lieber eine neurologisch begründete Unterscheidung zu verwenden. Also Formen des Glücks zu unterscheiden, bei denen im Gehirn wirklich etwas signifikant unterschiedliches passiert.

xander1 hat geschrieben:ich denke, dass es [was man glaubt] sehr große Auswirkungen sind, die beeinflussen wer man ist, durch das was man glaubt, einfach weil man sich dementsprechend ausrichtet, danach was man glaubt, danach handelt man dann. Es bestimmt regelrecht welche Art Mensch du bist.

Könnte es nicht aber auch genau anders herum sein? Dass die Art Mensch, der man ist, bestimmt, was man glaubt? Dazu würde passen, was manche hier im Forum schon über ihre Kindheit erwähnt haben: alle religiöse Erziehung und alle Gottesdienstbesuche perlten ab und konnten nicht verhindern, dass man als Erwachsener dann doch Atheist wird.
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Re: Macht Naturalismus uns zu unglücklichen Hedonisten?

Beitragvon stine » Fr 17. Okt 2008, 07:02

ganimed hat geschrieben:Könnte es nicht aber auch genau anders herum sein? Dass die Art Mensch, der man ist, bestimmt, was man glaubt? Dazu würde passen, was manche hier im Forum schon über ihre Kindheit erwähnt haben: alle religiöse Erziehung und alle Gottesdienstbesuche perlten ab und konnten nicht verhindern, dass man als Erwachsener dann doch Atheist wird.

Man kann der institutionellen Religion kritisch gegenüberstehen, aber muß man deshalb gleich Atheist werden?
Mir sind religiöse Riten auch immer fremd geblieben, aber meinen "lieben Gott" lass ich mir trotzdem nicht nehmen :mg: .

Was verliert der Mensch durch den Glauben? Zu denken, dass die Erde nicht nur ein Spielball im Universum ist? Macht es uns wirklich soviel glücklicher, wenn wir einen Gott, einen Seinsgrund, verneinen?
Mir ist leider, nach all dem vielen Geschreibsel hier, immer noch nicht klar, wo jetzt genau der atheistische Zugewinn ist.
Die Ablehnung religiöser Machtstrukturen und das Erkennen der Manipulation darin hat mE nichts damit zu tun, dass wir hoffen und glauben dürfen, was die Zufälligkeit unseres Daseins betrifft.

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Re: Macht Naturalismus uns zu unglücklichen Hedonisten?

Beitragvon 1von6,5Milliarden » Fr 17. Okt 2008, 09:07

Du willst Glück und Zugewinn durch Glauben?
Ist m.E. eine eher sündige Eigenschaft der Gewinnsucht, reine Selbstsucht.
Atheisten wollen nur quasi altruistisch die Wahrheit.
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Re: Macht Naturalismus uns zu unglücklichen Hedonisten?

Beitragvon stine » Fr 17. Okt 2008, 10:46

Oooooch :(

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Re: Macht Naturalismus uns zu unglücklichen Hedonisten?

Beitragvon ganimed » Fr 17. Okt 2008, 12:18

Ich muss 1von6,5Milliarden zustimmen. Nennt es albern, aber ich kann wirklich nur das glauben, was ich für wahr halte. Und nicht etwa das, was mir am meisten bringt.

Wenn ich dann den Salat habe und X glaube, ist es einem gesunden Bewusstsein allerdings ein Leichtes, sich das auch schön zu reden. Ich finde, wenn ich mir Mühe gebe, sicher jede Menge Gründe, wieso es toll ist, ein Atheist zu sein. :^^:
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Re: Macht Naturalismus uns zu unglücklichen Hedonisten?

Beitragvon xander1 » Fr 17. Okt 2008, 15:49

1von6,5Milliarden hat nicht geschrieben, warum Selbstsucht dahinter steht. Das Gegenteil ist der Fall. Im Geben und Teilen bekommt der Christ seine Erfüllung und sein Glück. Geradezu der Altruismus macht den Christen zu einem glücklicheren Menschen mit einem erfüllterem Leben.

Geradezu das Leben in der Gemeinschaft und die Gegenseitige Abhängigkeit erzeugt Glücklichkeit, weil es eine Abhängigkeit ist, wie von einem Lebenspartner. Naturalismus kann keinem Menschen die Vorteile bringen, die Judentum, Islam oder Christentum ermöglichen.
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