Die Lehre des Materialismus

Re: Die Lehre des Materialismus

Beitragvon folgsam » Do 18. Dez 2008, 15:59

Erst einmal danke für die Artikelvorschläge, werde ich mir anschauen.

El Schwalmo hat geschrieben: Sind diese Modelle so plausibel, dass die, die sie bezweifeln, begründungspflichtig sind, oder sind wir gefordert?


Sie sind zumindest vielversprechende Arbeitshypothesen. Auch wenn wir noch in der Begründungspflicht sind (und vieles ist wirklich nicht über das Stadium der Hypothesenbildung hinaus), ich würde mich davon nicht beirren lassen und weiterforschen. Diskussionen mit ID proponents und anderen Supers erscheinen mir in einem derartig frühen Stadium noch unsinniger als bei sehr viel etablierteren Theorien.

El Schwalmo hat geschrieben:Welche 'plausiblen Modelle' kennst Du? Neulich hat Matzke auf Pandas Thumb dafür plädiert, dass man derartige Modelle habe. Das, was er konkret schilderte, sah für mich nicht so unheimlich plausibel aus, wenn ich bedenke, was ich von Seiten der Evolutionskritiker als Einwände kenne.


Ich kenne wohl nicht mehr oder weniger Modelle als du.
'Plausibel' bedeutet hier: Eine Hypothese die durchaus funktionieren kann, natürlich nicht muss. In diese Richtung zu forschen erscheint alles andere als unfruchtbar.
Supernaturalisten können im besten Fall nur abwarten und Forschungsergebnisse kritisieren. Darauf beschränkt sich auch schon ihr Forschungsprogramm.

Welchen Artikel auf Panda's Thumb meinst du?
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Re: Die Lehre des Materialismus

Beitragvon Myron » Do 18. Dez 2008, 16:23

El Schwalmo hat geschrieben:
Griesemer, James (2008) 'Origins of Life Studies' in: Ruse, M.; (ed.) 'The Oxford Handbook of Philosophy of Biology' Oxford; mult., Oxford University Press S. 263-290


schaut. Man könnte nun von Seite der Supranaturalisten auf die Idee kommen, eine 'Systematik der Lücke' zu entwerfen und zeigen, dass Erklärungsmöglichkeiten systematisch abbrechen. Nach der von Sober dargestellten Logik wäre Supranaturalismus dann zumindest nicht mehr unvernünftig, allerdings nur als abduktiver Schluss.


S. 268 im oben angegebenen Text:

"Despite significant disagreement on many fronts in origins of life studies, there is emerging scientific consensus that life is indeed a natural property of certain types of organized matter. A fairly rapid, naturalistic origin of life is deemed much more plausible than was supposed even in the 1960s."
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Re: Die Lehre des Materialismus

Beitragvon El Schwalmo » Do 18. Dez 2008, 17:00

Myron hat geschrieben:"Despite significant disagreement on many fronts in origins of life studies, there is emerging scientific consensus that life is indeed a natural property of certain types of organized matter. A fairly rapid, naturalistic origin of life is deemed much more plausible than was supposed even in the 1960s."

habe ich auch gelesen. Aber ich habe das mit einer 'Systematik der Lücke' verbunden. Dann ist die Frage, ob die Bäume einen Wald ergeben.

Das steht dann unmittelbar hinter dem, was Du zitiert hast, im Text eines Menschen, der mit Supranaturalismus, so weit ich sehe, nichts am Hut hat. In Texten aus dem anderen Lager sieht das dann etwas anders aus.
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Re: Die Lehre des Materialismus

Beitragvon El Schwalmo » Do 18. Dez 2008, 17:08

folgsam hat geschrieben:Erst einmal danke für die Artikelvorschläge, werde ich mir anschauen.

gern geschehen.

Zum Rest sage ich nichts, denn wir sind uns im Prinzip einig. Mein Punkt ist nur, dass es einen Unterschied macht, ob man die Sache 'von Innen' oder 'von Außen' anschaut. Wie schon öfter gesagt läuft das dann auf die Regeln des rationalen Diskurses hinaus. Wenn die üblichen Regeln gelten, ist ID aus dem Rennen.

Ich denke halt nur einen Schritt weiter: was wäre wenn? Beispielsweise, wenn Schönborn die RKK hinter sich gehabt hätte und Menschen von denen unsere Argumente analysieren würden.

folgsam hat geschrieben:Welchen Artikel auf Panda's Thumb meinst du?

Ich mit mir nicht ganz sicher, aber ich glaube, ich meinte diesen Artikel.
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Re: Die Lehre des Materialismus

Beitragvon Myron » Do 18. Dez 2008, 18:16

El Schwalmo hat geschrieben:habe ich auch gelesen. Aber ich habe das mit einer 'Systematik der Lücke' verbunden. Dann ist die Frage, ob die Bäume einen Wald ergeben.


Griesemer bezeichnet dieses Forschungsgebiet als ein "giant jigsaw puzzle" (S. 269).
Noch passen viele Einzelteile nicht zusammen, sodass sich noch kein einheitlich zusammenhängendes Gesamtbild der Lebensentstehung ergeben hat.
Aber selbst wenn es der Naturwissenschaft auch in den nächsten 1.000 Jahren nicht gelingen sollte, die ersehnte schlüssige Gesamterklärung zu finden, wäre dies ja immer noch kein Beweis für irgendeinen übernatürlichen Faktor. Denn "wissenschaftlich unerklärt" ist kein Synonym von "übernatürlich".
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Re: Die Lehre des Materialismus

Beitragvon El Schwalmo » Do 18. Dez 2008, 18:28

Myron hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:habe ich auch gelesen. Aber ich habe das mit einer 'Systematik der Lücke' verbunden. Dann ist die Frage, ob die Bäume einen Wald ergeben.

Griesemer bezeichnet dieses Forschungsgebiet als ein "giant jigsaw puzzle" (S. 269).

meine Rede.

Myron hat geschrieben:Noch passen viele Einzelteile nicht zusammen, sodass sich noch kein einheitlich zusammenhängendes Gesamtbild der Lebensentstehung ergeben hat.
Aber selbst wenn es der Naturwissenschaft auch in den nächsten 1.000 Jahren nicht gelingen sollte, die ersehnte schlüssige Gesamterklärung zu finden, wäre dies ja immer noch kein Beweis für irgendeinen übernatürlichen Faktor. Denn "wissenschaftlich unerklärt" ist kein Synonym von "übernatürlich".

Eben, aber darum ging es nicht.

Es ging eher darum, ob man Design als 'inference to the best explanation' als 'intellectually fulfilled supranaturalist' vertreten kann. Da stellt sich dann schon die Frage, warum man, wie Dawkins, 'wissenschaflich erklärt' als 'man braucht keinen Gott' auffassen kann, während das für 'wissenschaftlich unerklärt' (streng genommen müsste da 'wissenschaftlich unerklärbar' stehen, eben die Theorie der Lücken, auf die ich verwies) nicht gelten sollte.

Ich sage das als Naturalist mit einem gewissen Hang zur Fairness.
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Re: Die Lehre des Materialismus

Beitragvon Myron » Do 18. Dez 2008, 18:47

El Schwalmo hat geschrieben:Es ging eher darum, ob man Design als 'inference to the best explanation' als 'intellectually fulfilled supranaturalist' vertreten kann. Da stellt sich dann schon die Frage, warum man, wie Dawkins, 'wissenschaflich erklärt' als 'man braucht keinen Gott' auffassen kann, während das für 'wissenschaftlich unerklärt' (streng genommen müsste da 'wissenschaftlich unerklärbar' stehen, eben die Theorie der Lücken, auf die ich verwies) nicht gelten sollte.


Die Design-Hypothese wäre nur dann die vergleichsweise beste Erklärung, wenn die Wahrscheinlichkeit der Existenz körperloser Geister und insbesondere eines göttlichen Übergeistes für sich betrachtet, d.h. unabhängig von der Frage nach der Lebensentstehung, erheblich größer wäre als die Wahrscheinlichkeit der Nichtexistenz solch übernatürlicher Wesen.
Wenn die Idee eines göttlichen Geistes an sich unplausibel ist, dann ebenso die Idee eines übernatürlichen Designers.

Ich habe bewusst "wissenschaftlich unerklärt" und nicht "wissenschaftlich unerklärbar" geschrieben, da man ja auch nach Tausenden von Jahren intensiver Forschung immer noch nicht mit Gewissheit sagen kann, dass das betreffende Phänomen grundsätzlich wissenschaftlich unerklärbar ist.
Selbst wenn etwas immer wissenschaftlich unerklärt bliebe, folgte daraus nicht, dass es grundsätzlich wissenschaftlich unerklärbar ist, d.h. dass die Suche nach einer schlüssigen wissenschaftlichen Erklärung von vornherein zum Scheitern verdammt ist.
(Außerdem reden wir die ganze Zeit ja nur von der menschlichen Wissenschaft. Es könnte ja außerirdische Wissenschaftler geben, die einer kognitiv wesentlich höher entwickelten Spezies angehören und denen es gelingt, Phänomene naturalistisch zu erklären, die für uns Menschen aufgrund unserer Beschränktheiten immer wissenschaftlich unerklärt bleiben.)
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Re: Die Lehre des Materialismus

Beitragvon Pablo » Fr 19. Dez 2008, 10:59

Hallo Myron

Myron hat geschrieben:Es stimmt, dass die Naturwissenschaft den Prozess der Lebensentstehung noch nicht lückenlos erklären kann.
Nichtsdestoweniger gibt es keinen einzigen vernünftigen Grund, deshalb anzunehmen, dass irgendwelche immateriellen Faktoren an der Erschaffung der Lebensbausteine beteiligt waren.


Kommt drauf an, wie man den Zufall definiert. Meiner Meinung nach ist er eindeutig ein in das Universum integriertes Ereignsis, d.h. die Feststellung von DITFURTH ist zweifelsfrei richtig:

Von Anfang an waren diesem Zufall auch lenkende Zügel angelegt. Entfalten konnte er sich von jeher nur in einer Welt, in der er auf festliegende, vorgegebene Ordnung in der Gestalt von Naturgesetzen traf. Vom ersten Augenblick an gab es diese Ordnung in der Gestalt von Naturgesetzen, im weiteren Verlauf in Gestalt der komplexen Ordnung des inneren Aufbaus der verschiedenen Atomarten. Und mit dem Beginn der Evolution des Lebens entfaltete sich dieses Zusammenspiel von Zufall und Notwendigkeit dann bis zur höchsten Vollendung. HOIMAR v. DITFURTH


Wenn wir aber sagen, dass der "Zufall" Leben dann auslösen kann, wenn die Bedingungen stimmen und die Zeit dafür reif ist, taucht zwangsläufig die Frage auf, auf welcher Ebene diese Bedingungen definiert sein könnten. HEISENBERG führte zum Beispiel die mathematische Symmetrie der Naturgesetze auf einen geistigen Inhalt zurück, da unsere gesamte Formelsprache nun eimal darauf aufbaut:

HEISENBERG sagt, dass Energie die Grundsubstanz der Welt sei, d. h. »alle Elementarteilchen sind aus dem gleichen Stoff, nämlich aus Energie gemacht. Sie sind die verschiedenen Formen, in die sich die Energie begeben muss, um zur Materie zu werden.« ... »Die Elementarteilchen sind also die Grundformen, in die der Stoff, Energie, wirkt. Diese Grundformen müssen durch ein Naturgesetz, durch ein in mathematischer Sprache ausdrückbares Grundgesetz bestimmt sein.« ... So steht also für die moderne Naturwissenschaft am Anfang nicht das materielle Ding, sondern die Form, die mathematische Symmetrie.
Da aber die mathematische Struktur letzten Endes ein geistiger Inhalt ist, könnte man auch mit den Worten von GOETHES Faust sagen: »Am Anfang war der Sinn.« WERNER HEISENBERG


Diese Argumentationlinie bietet meines Erachtens sehr wohl "vernüftige Gründe", denn sie läuft darauf hinaus, dass wir es mit einem lebensfreundlichen Universums zu tun haben, in dem Leben stets dann entstehen kann, wenn die Bedingungen stimmen und die Zeit dafür reif ist.

Übrigens... Auf der Religionskritiker DAVID HUME ließ dieses Argument gelten, denn er schreibt in seinem Buch "Dialoge über die natürliche Religion" audrücklich:

Dass die Werke der Natur eine große Ähnlichkeit mit den Erzeugnissen menschlicher Erfindung aufweisen, liegt auf der Hand. Nach allen Regeln soliden Denkens sollten wir, falls wir über ihre Ursachen überhaupt Erörterungen anstellen, deshalb folgern, dass diese Ursachen ebenfalls eine entsprechende Ähnlichkeit aufweisen. Da jedoch auch erhebliche Unterschiede vorhanden sind, haben wir anderseits Grund, einen entsprechenden Unterschied in den Ursachen anzunehmen. Insbesondere sollten wir der höchsten Ursache ein viel größeres Maß an Macht und Wirksamkeit zuschreiben, als wir es beim Menschen je wahrgenommen haben. Hiermit ist also die Existenz einer Gottheit durch die Vernunft eindeutig festgestellt. Wenn wir aber die Frage aufwerfen, ob wir diese Gottheit – trotz des gewaltigen Unterschiedes, von dem man zwischen ihr und dem menschlichen Geist vernünftigerweise ausgehen darf – aufgrund der genannten Ähnlichkeit als einen Geist oder eine Intelligenz bezeichnen können: Geht es dann um etwas anderes als um einen Streit rein verbaler Natur? Niemand kann die Ähnlichkeit leugnen zwischen den beiderseitigen Wirkungen. Auf die Frage nach den Ursachen zu verzichten, ist kaum möglich. Die berechtigte Antwort auf diese Frage muss dann lauten, dass auch zwischen den Ursachen eine Ähnlichkeit besteht. Und wenn wir uns nicht damit begnügen wollen, die erste und höchste Ursache als Gott oder Gottheit zu bezeichnen, sondern den Ausdruck einmal variieren möchten, mit welchen anderen Worten können wir sie dann bezeichnen als mit G e i s t oder D e n k e n, womit sie ja, wie man richtigerweise annimmt, eine erhebliche Ähnlichkeit aufweist? DAVID HUME


Zu Zeiten von HUME ging man allerdings noch von einem "Maschinen-Universum" aus, was mittlerweile hinfällig geworden ist. Trotzdem ist die Feststellung nach wie vor mehr aktuell, da viele bekannte Quantenphysiker wie DÜRR, SCHRÖDINGER, HEISENBERG, CAPRA, WHELER, DAVIES, usw. davon ausgehen, dass gerade dem Geistigen eine maßgebliche Rolle innerhalb des Universums zugesprochen werden kann. H.P. DÜRR, immerhin langjähriger Leiter des Heisenberg-Instituts, geht sogar soweit zu sagen:

Eigentlich ist das Geistige in allem existent, aber es erscheint im Menschen erstmals in einer Form, die wir Bewusstsein nennen. Das Geistige ist für mich fundamental, und ich gehe sogar so weit zu behaupten, dass es keine Materie gibt, sondern nur Geist. HANS-PETER DÜRR


Es gibt also sehr wohl vernüftige Gründe, im Sinne von HUME und HEISENBERG etc, eine absolut neutral definierte geistige Grundlage (was nichts mit einem Gott zu tun hat) in die Gesamtbetrachtung mit einzubeziehen.

Viele Grüße

Paul
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Re: Die Lehre des Materialismus

Beitragvon ganimed » Fr 19. Dez 2008, 19:47

Pablo hat geschrieben:Zu Zeiten von HUME ging man allerdings noch von einem "Maschinen-Universum" aus, was mittlerweile hinfällig geworden ist.

Wenn mit "Maschinen-Universum" ein kausales, mechanistisches Universum gemeint ist, dann ist das mit der Hinfälligkeit, glaube ich, nur immer so dahin gesagt. Wenn man genauer hinschaut, was eigentlich hinfällig geworden ist (durch die Quantenphysik), dann ist das nur die Berechenbarkeit, die Vorhersagbarkeit. Der Rest steht nach wie vor.

Heisenberg sagt "Da aber die mathematische Struktur letzten Endes ein geistiger Inhalt ist, könnte man auch mit den Worten von GOETHES Faust sagen: 'Am Anfang war der Sinn.' "
Mathematische Struktur ist letzten Endes ein geistiger Inhalt? Was ist denn damit gemeint? Der Geist ist doch erst sehr sehr spät in der Geschichte des Universums entstanden, genau mit den Köpfen in denen er sich manifestiert. Also praktisch erst ein paar Millionen Jahre alt. Kommt mir so ähnlich vor wie bei dem Raum und der Zeit, die erst mit dem Urknall entstanden sind und nicht etwa ewig gültige, absolute Dinge sind. Ebenso ist der "Geist" nichts absolutes.

Dürr sagt "Eigentlich ist das Geistige in allem existent".
Also ich finde, das Geistige ist nur in komplexen Gehirnen existent. Dürr hat eindeutig unrecht.

Also, im Anfang war Energie, meinetwegen sind die meisten Quantensachen auch symmetrisch, dann gabs Materie und dann kam viele Milliarden Jahre erstmal nichts weiter. Und wenn jetzt, seit allerneustem, auch ein paar Geistwesen herumkeuchen und fleuchen, und sofort schon was faseln von "der Geist ist in allem und alles und überhaupt, im Anfang auch", dann wäre es vielleicht besser gewesen, man hätte es bei der Materie belassen. Steine reden wenigstens keinen Unsinn. :^^:
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Re: Die Lehre des Materialismus

Beitragvon Myron » Fr 19. Dez 2008, 20:31

Pablo hat geschrieben:Kommt drauf an, wie man den Zufall definiert. Meiner Meinung nach ist er eindeutig ein in das Universum integriertes Ereignsis, d.h. die Feststellung von DITFURTH ist zweifelsfrei richtig:

"Von Anfang an waren diesem Zufall auch lenkende Zügel angelegt. Entfalten konnte er sich von jeher nur in einer Welt, in der er auf festliegende, vorgegebene Ordnung in der Gestalt von Naturgesetzen traf. Vom ersten Augenblick an gab es diese Ordnung in der Gestalt von Naturgesetzen, im weiteren Verlauf in Gestalt der komplexen Ordnung des inneren Aufbaus der verschiedenen Atomarten. Und mit dem Beginn der Evolution des Lebens entfaltete sich dieses Zusammenspiel von Zufall und Notwendigkeit dann bis zur höchsten Vollendung." (HOIMAR v. DITFURTH)


Ich denke, es ist falsch, Zufälligkeit mit Gesetzlosigkeit gleichzusetzen, da auch die objektive Wahrscheinlichkeit (p < 1) eines Zufallsereignisses naturgesetzlich bestimmt ist.
Zufälligerweise eintretende Ereignisse (p < 1) sind genauso wenig übernatürlich wie notwendigerweise eintretende Ereignisse (p = 1).

Pablo hat geschrieben:HEISENBERG sagt, dass Energie die Grundsubstanz der Welt sei, d. h. »alle Elementarteilchen sind aus dem gleichen Stoff, nämlich aus Energie gemacht. Sie sind die verschiedenen Formen, in die sich die Energie begeben muss, um zur Materie zu werden.« ... »Die Elementarteilchen sind also die Grundformen, in die der Stoff, Energie, wirkt. Diese Grundformen müssen durch ein Naturgesetz, durch ein in mathematischer Sprache ausdrückbares Grundgesetz bestimmt sein.« ... So steht also für die moderne Naturwissenschaft am Anfang nicht das materielle Ding, sondern die Form, die mathematische Symmetrie.
Da aber die mathematische Struktur letzten Endes ein geistiger Inhalt ist, könnte man auch mit den Worten von GOETHES Faust sagen: »Am Anfang war der Sinn.«
(WERNER HEISENBERG)


1. Ich kann nicht glauben, dass ein Superphysiker wie Heisenberg Energie als eine Art Stoff bezeichnet, woraus etwas bestehen könne. Dies zu tun, stellt nämlich einen Kategorienfehler dar:

"Misconceptions about E = mc^2:
Although it is far less common today, one still sometimes hears of Einstein's equation entailing that matter can be converted into energy. Strictly speaking, this constitutes an elementary category mistake. In relativistic physics, as in classical physics, mass and energy are both regarded as properties of physical systems or properties of the constituents of physical systems. If one wishes to talk about the physical stuff that is the bearer of such properties, then one typically talks about either 'matter' or 'fields.' The distinction between 'matter' and 'fields' in modern physics is itself rather subtle in no small part because of the equivalence of mass and energy. Nevertheless, we can assert that whatever sense of 'conversion' seems compelling between mass and energy, it will have to be a 'conversion' between mass and energy, and not between matter and energy."

"Falsche Auffassungen von E=mc^2:
Obgleich es heutzutage weit seltener vorkommt, wird immer noch manchmal berichtet, dass Einsteins Gleichung beinhalte, dass Materie in Energie umgewandelt werden könne. Doch streng genommen stellt dies einen elementaren Kategorienfehler dar. In der relativistischen Physik, wie in der klassischen Physik, werden Masse und Energie als Eigenschaften physischer Systeme oder als Eigenschaften der Bestandteile physischer Systeme betrachtet. Wenn man über den physischen Stoff sprechen möchte, der der Träger solcher Eigenschaften ist, dann spricht man typischerweise entweder von 'Materie' oder von 'Feldern'. In der modernen Physik ist der Unterschied zwischen 'Materie' und 'Feldern' zu einem großen Teil aufgrund der Äquivalenz von Masse und Energie selbst ziemlich subtil. Nichtsdestoweniger können wie behaupten, dass welcher Sinn von 'Umwandlung' im Hinblick auf Masse und Energie auch immer zwingend erscheint, es um eine 'Umwandlung' zwischen Masse und Energie, und nicht zwischen Materie und Energie gehen muss."

[© meine Übers.]

(http://plato.stanford.edu/entries/equivME)

"Energy is not a stuff. (...) [E]nergy is a real, quantitative property (...). Not every property of an object consists of the object's possessing some sort of stuff. For example, to be happy is not to be filled with a large quantity of a special kind of stuff: 'happiness'. A body's velocity does not measure the amount of a stuff that it possesses. Likewise, neither a body's kinetic energy nor a field's energy is stuff. (...) Since energy is a property, any energy (like velocity) cannot exist without something possessing it. Thus, field energy requires a field."

"Energie ist kein Stoff. Energie ist eine reale, quantitative Eigenschaft. Nicht jede Eigenschaft eines Objekts besteht darin, dass das Objekt eine bestimmte Art von Stoff besitzt. Zum Beispiel heißt glücklich sein nicht von einer großen Menge einer besonderen Art von Stoff erfüllt sein: 'Glück'. Die Geschwindigkeit eines Körpers misst keine von ihm besessene Stoffmenge. Gleichermaßen ist weder die kinetische Energie eines Körpers noch die Energie eines Feldes Stoff. Da Energie eine Eigenschaft ist, kann keine Energie (wie Geschwindigkeit) ohne etwas existieren, das sie besitzt. Somit erfordert Feldenergie ein Feld."


(Lange, Marc. An Introduction to the Philosophy of Physics: Locality, Fields, Energy, and Mass. Oxford: Blackwell, 2002. p. 152)

2. Was ist ein Naturgesetz?
In diesem Punkt sind sich die Philosophen wie fast immer nicht einig.
Siehe dazu:
http://plato.stanford.edu/entries/laws-of-nature
http://www.iep.utm.edu/l/lawofnat.htm

3. "Da aber die mathematische Struktur letzten Endes ein geistiger Inhalt ist ... "
Der nominalistischen Auffassung nach sind mathematische Objekte und Strukturen als Abstrakta irreal, d.h. bloße intentionale Objekte der Mathematiker; und der platonistischen Auffassung nach sind sie real, aber ungeistig sowie geistunabhängig.
Heisenbergs Meinung, dass mathematische Strukturen geistige Inhalte seien, scheint auf die theistische Ansicht hinauszulaufen, dass der Geist gegenüber dem Stoff sowohl ontologische als auch historische Priorität genieße.
Denn er kommt dann ja letzlich nicht umhin, einen prämateriell existierenden göttlichen oder gottähnlichen Geist zu postulieren, der die besagten mathematischen Entitäten beinhaltet.
Hier widerspreche ich Heisenberg mit Entschiedenheit!
(Der Mann war ein genialer Physiker, aber ein ziemlich ungenialer Philosoph.)

Pablo hat geschrieben:Diese Argumentationlinie bietet meines Erachtens sehr wohl "vernüftige Gründe", denn sie läuft darauf hinaus, dass wir es mit einem lebensfreundlichen Universums zu tun haben, in dem Leben stets dann entstehen kann, wenn die Bedingungen stimmen und die Zeit dafür reif ist.


Dass Leben genau dann entstehen kann und auch tatsächlich entsteht, wenn die lebensermöglichenden Bedingungen in einer Welt erfüllt sind, ist doch eine Binsenweisheit, oder nicht?

Pablo hat geschrieben:Zu Zeiten von HUME ging man allerdings noch von einem "Maschinen-Universum" aus, was mittlerweile hinfällig geworden ist. Trotzdem ist die Feststellung nach wie vor mehr aktuell, da viele bekannte Quantenphysiker wie DÜRR, SCHRÖDINGER, HEISENBERG, CAPRA, WHELER, DAVIES, usw. davon ausgehen, dass gerade dem Geistigen eine maßgebliche Rolle innerhalb des Universums zugesprochen werden kann.


Auch wenn man annimmt, dass es ewige, das Naturgeschehen bestimmende Naturgesetze gibt, die selbst nicht konkret-materiell, sondern abstrakt sind, folgt daraus mitnichten, dass jene geistige oder geistabhängige Entitäten sind.
Eine solche psychologistische (oder idealistische) Auffassung der mathematisch repräsentierbaren Naturgesetze erscheint mir ganz und gar verfehlt.
Was meinen die oben genannten Herren eigentlich mit "das Geistige", wenn sie nicht den göttlichen Geist, sprich Gott meinen?

Pablo hat geschrieben:H.P. DÜRR, immerhin langjähriger Leiter des Heisenberg-Instituts, geht sogar soweit zu sagen:

"Eigentlich ist das Geistige in allem existent, aber es erscheint im Menschen erstmals in einer Form, die wir Bewusstsein nennen. Das Geistige ist für mich fundamental, und ich gehe sogar so weit zu behaupten, dass es keine Materie gibt, sondern nur Geist." (HANS-PETER DÜRR)


Sorry, aber das ist in meinen Augen blanker Unsinn.
Dürr ist ganz offenkundig Panpsychist und obendrein eliminativer Spiritualist, der die Existenz der Materie schlichtweg leugnet.
Beide Positionen sind absurd und werden auch nicht weniger absurd, wenn sie von einem Leiter des Heisenberg-Institutes vertreten werden.
Von der Naturwissenschaft hat sich Dürr damit praktisch verabschiedet.
Die Behauptung, die fundamentalen physischen Entitäten wie die Elementarteilchen oder die Atome hätten irgendwelche psychischen oder auch nur "proto-psychischen" Eigenschaften ist wissenschaftlich nicht erfolgreich zu verteidigen—und auch nicht wirklich philosophisch.
Absolut nichts deutet darauf hin, dass das Psychische in der Realität zumindest gleichermaßen ontologisch fundamental ist wie das (rein) Physische.

Pablo hat geschrieben:Es gibt also sehr wohl vernüftige Gründe, im Sinne von HUME und HEISENBERG etc, eine absolut neutral definierte geistige Grundlage (was nichts mit einem Gott zu tun hat) in die Gesamtbetrachtung mit einzubeziehen.


Was soll denn das bloß für eine "geistige Grundlage" sein?!
Und was heißt "neutral definiert"?
Wenn du nicht von spirituellen Substanzen (z.B. Gott) sprichst, wovon dann?
(Irgendein kosmisches "Bewusstseinsfeld" wäre ja auch eine solche spirituelle Substanz.)
Vielleicht davon, dass alle Dinge in der Natur psychische Eigenschaften hätten?
Worum geht's also: Spiritualismus (Substanzdualismus)? Panpsychismus? Oder beides?

Die Lehre von der Allbeseeltheit des Wirklichen ist schon ein Witz; aber wenn Dürr auch noch so weit geht, die Wirklichkeit insgesamt für unstofflich zu erklären, dann fällt es mir ehrlich gesagt schwer, den Mann noch ernst zu nehmen.
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Re: Die Lehre des Materialismus

Beitragvon Myron » Fr 19. Dez 2008, 20:41

ganimed hat geschrieben:Dürr sagt "Eigentlich ist das Geistige in allem existent".
Also ich finde, das Geistige ist nur in komplexen Gehirnen existent. Dürr hat eindeutig unrecht.


Wie gesagt, Dürr et al. vertreten den Panpsychismus:

"Allbeseelungs-Lehre, die Ansicht, nach welcher alles, das All beseelt, lebendig, seelisch ist, entweder aktuell oder doch potentiell. Der Panpsychismus betrachtet die Grenze zwischen Lebendem und »Totem«, Organischem und Anorganischem als eine fließende, nicht als absolut. Er kennt nur Grade der Beseeltheit, nichts absolut Apsychisches, wenn auch nicht alles ein Bewußtsein im Sinne klarer Apperzeption und Selbstbewußtsein hat."
(http://www.textlog.de/4800.html)

"Panpsychism is the doctrine that mind is a fundamental feature of the world which exists throughout the universe."
(http://plato.stanford.edu/entries/panpsychism)

Ich teile die Meinung von Colin McGinn:

"Colin McGinn labels [panpsychism] either 'ludicrous' (for the strong panpsychism which asserts that everything has full fledged consciousness) or 'empty' (for the weak panpsychism which asserts only that everything has at least some kind of proto-mentality)."

"Colin McGinn bezeichnet den Panpsychismus entweder als 'lächerlich' (bezogen auf den starken Panpsychismus, der behauptet, dass alles ein entwickeltes Bewusstsein habe) oder als 'leer/nichtssagend' (bezogen auf den schwachen Panpsychismus, der nur behauptet, dass alles zumindest eine bestimmte Art von 'Vorgeistigkeit' besitze)."
[© meine Übers.]
(http://plato.stanford.edu/entries/panpsychism/#5)
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Re: Die Lehre des Materialismus

Beitragvon Myron » Fr 19. Dez 2008, 21:06

ganimed hat geschrieben:Also ich finde, das Geistige ist nur in komplexen Gehirnen existent.


Geistig-seelische Eigenschaften können nur von lebenden Körpern besessen werden.
Mit anderen Worten, in einer Welt ohne Tiere wird nichts empfunden, gefühlt oder gedacht.
Und wie wir wissen, sind nach dem Urknall Milliarden von Jahren vergangen, bis sich die ersten bewusstseinsfähigen Lebewesen entwickelten.
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Re: Die Lehre des Materialismus

Beitragvon Myron » Sa 20. Dez 2008, 00:46

Manchmal drücken sich Physiker komisch aus, so wie Professor Hans-Jörg Fahr:

"Es muss in der Materie von Anfang an ein Wissen vorhanden gewesen sein, ein dynamischer Faktor, der die zunächst ungeordnete Materie ins Neue, in thermodynamische Ungleichgewichte und damit in Strukturbildungen hineingetrieben hat—und es bis heute tut. (...) In der Materie ist ein Willen am Werk, aus dem Regellosen dauerhaft stabile Strukturen entstehen zu lassen. (...) Materie ist nicht ausschließlich passiver Stoff, sondern ihr ist auch ein Wille zu stofflicher Form eigen. Die Natur hasst im Grunde das Amorphe, das Formlose. Sie ist in einer gewissen Verborgenheit von Anfang auch Subjektivität. (...) Wir müssen diesem Weltstoff sozusagen ein Innenleben zutrauen. (...) Ich denke, es ist ein Übergang möglich zwischen Geist und Materie. Zum Teil ist der Geist in der Materie wiederzufinden—als Information."

("Warum ist der Urknall ein Irrtum, Herr Professor Fahr?" P.M.—Welt des Wissens, Januar 2009, S. 82-86.)

Problematische Stichwörter: "Wissen", "Wille", "Hass", "Subjektivität", "Innenleben".

Es mag ja sein, dass Fahr diese Wörter in einem übertragenen und somit leicht missverständlichen, aber weitgehend harmlosen Sinn gebraucht. Falls er sie jedoch wörtlich nimmt, dann frage ich mich, welchen Sinn es überhaupt macht, elementaren physischen Objekten oder Prozessen Prädikate aus dem Vokabular der Psychologie zuzuschreiben.—Meine Antwort: Keinen!
Typisch panpsychistisch anmutende Aussagen wie "[Die Materie] ist in einer gewissen Verborgenheit von Anfang auch Subjektivität" ergeben in meinen Augen keinen rechten Sinn. Befürwortet Fahr wirklich das obskure Konzept einer "proto-mentality", d.h. einer "vorbewussten Geistigkeit", die in allen raumzeitlichen Dingen "schlummert", die keine bewussten Tiere sind?
Was für ein Innenleben, d.h. was für ein geistiges Leben haben Elementarteilchen, Gaswolken, Sterne oder Kraftfelder? Können Quarks und elektromagnetische Felder etwas empfinden, fühlen?
Und wenn Fahr Geist als Information auffasst, dann frage ich mich, von welchem Informationsbegriff er hier ausgeht.
Physikalische Information hat jedenfalls nichts Subjektives oder Kognitives an sich und ist somit im Gegensatz zu semantischer Information nicht geistabhängig.
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Re: Die Lehre des Materialismus

Beitragvon ganimed » Sa 20. Dez 2008, 17:12

Auch mir erscheint das Fahr-Zitat wie blanker Unsinn. Reine Spekulation, durch nichts belegt und offenbar getrieben von gewissen naiven Animismus-Überlegungen. Steine sind belebt. Und wenn sich etwas bewegt, dann will es etwas. (Ich meine das mal gelesen zu haben, dass das menschliche Gehirn da per Reflex immer einen Sinn reinlegt. Wenn eine Spinne auf uns zukrabbelt, schlägt das Angstzentrum sofort Alarm und geht von einer Absicht aus, die uns gilt). Menschliche Motivation und Emotionen auf die Natur zu übertragen, liegt uns allen irgendwie im Blut, aber sollte ab einer gewissen geistigen Reife eigentlich unterdrückbar sein. Erstaunlich, dass solche Ansichten von einem Professor vertreten werden.
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Re: Die Lehre des Materialismus

Beitragvon Pablo » Sa 20. Dez 2008, 20:43

Hallo an alle,

Ganimed hat geschrieben:Wenn mit "Maschinen-Universum" ein kausales, mechanistisches Universum gemeint ist, dann ist das mit der Hinfälligkeit, glaube ich, nur immer so dahin gesagt. Wenn man genauer hinschaut, was eigentlich hinfällig geworden ist (durch die Quantenphysik), dann ist das nur die Berechenbarkeit, die Vorhersagbarkeit. Der Rest steht nach wie vor.


Im großen Newtonschen Rahmen mag dies stimmen, aber die Hinfälligkeit des Objekt-Subjekt-Betrachtungsweise im subatomaren Bereich, geheimnisvolle Verschränkungen und die Tatsache, dass es keine kleinsten (materiellen) Teilchen im Sinne des alten mechanistischen Weltbildes gibt, hat nun einmal das “materielle” Weltbild gewaltig erschüttert. Wenn ich mir die Aussagen von bekannten Physikern ansehen, dann hat bisher von keiner der Feststellung des Physikers JAMES JEANS widersprochen:

Heute besteht ein großes Maß an Übereinstimmung, ... dass der Strom unserer Erkenntnisse sich in Richtung einer nicht-mechanischen Wirklichkeit bewegt; das Universum beginnt mehr wie ein großer Gedanke denn wie eine große Maschine auszusehen. JAMES JEANS


Ganimed hat geschrieben:Mathematische Struktur ist letzten Endes ein geistiger Inhalt? Was ist denn damit gemeint?


Die Naturgesetze weisen eine mathematische Symmetrie auf, die mit der Formelsprache der Physiker/Mathematiker beschrieben werden kann. Hinter jeder entdeckten Formel steht der Geist von Physikern, die mit diesen Formeln dann das Universum bisher sehr erfolgreich beschreiben konnten. Wenn aber hinter den Formeln ein geistiger Inhalt gesetzt werden kann, dann kann gemäß HEISENBERG dieser geistige Inhalt auch gleich an den Beginn des Universums gesetzt werden. Geist ist Geist und mathematische Symmetrie ist mathematische Symmetrie Zumindest ist kein logischer Wiederspruch vorhanden

Ganimed hat geschrieben:Steine reden wenigstens keinen Unsinn.


Wenn du meinst, dass Wissenschaftlern wie Einstein, Schrödinger, Heisenberg, Jeans, Davies, Wheeler, Capra, Wolf, Bohm usw. alle Unsinn reden, lasse ich jetzt einmal einfach so stehen. Vielleicht könnte es auch anders sein :2thumbs:

Myron hat geschrieben:Ich denke, es ist falsch, Zufälligkeit mit Gesetzlosigkeit gleichzusetzen, da auch die objektive Wahrscheinlichkeit (p < 1) eines Zufallsereignisses naturgesetzlich bestimmt ist. Zufälligerweise eintretende Ereignisse (p < 1) sind genauso wenig übernatürlich wie notwendigerweise eintretende Ereignisse (p = 1).


Genau das sagt von Ditfurth doch! Der Zufall kann die Naturgesetzte nicht außer Kraft setzen, d.h. er ist ein in das Universum integriertes Ereignis.
Demnach ist es absoluter Quatsch, wenn zum Beispiel Wissenschaftler wie DAWKINS den Zufall an den Beginn des Universums setzen! Ein solches Ereignis in Form von „Zufall = Ursache“ kennen wir genauso wenig wie einen Gott. Mit der gleichen Begründung könnte auch behauptet werden, dass ein in einem PC integrierter Zufallsgenerator den PC selbst mit seinem Betriebssystem erschaffen hat. In meinen Augen eine absolut dümmliche Argumentation, die komischerweise auch noch geglaubt wird.

Myron hat geschrieben:Dass Leben genau dann entstehen kann und auch tatsächlich entsteht, wenn die lebensermöglichenden Bedingungen in einer Welt erfüllt sind, ist doch eine Binsenweisheit, oder nicht?


Absolut richtig, nur dass in diesem Fall die Bedingungen von Anfang an definiert gewesen sein mussten. Wenn du nur mit dem Zufall alleine operierst, landest du bei Wahrscheinlichkeiten, wie sie SHPAPIRO berechnet hat und die mit einem Wunder gleichgesetzt werden können

Myron hat geschrieben:Was meinen die oben genannten Herren eigentlich mit "das Geistige", wenn sie nicht den göttlichen Geist, sprich Gott meinen?


Außer Tipler versucht meines Wissens kein Physiker einen Gott beweisen zu wollen. Sie sehen ihn eher als eine mögliche Grundlage für die Fähigkeit zur Selbstorganisation an, wie es zum Beispiel der Physiker Erich Jantsch formuliert hat:

JANTSCH sagt: »Gott ist nicht der Schöpfer, sondern der Geist des Universums.« An dieser Stelle ist die Gottheit natürlich weder männlich noch weiblich noch in irgendeiner persönlichen Form manifestiert, sondern stellt nichts weniger als die Selbstorganisations-Dynamik des gesamten Kosmos dar. FRITJOF CAPRA, Physiker


Myron hat geschrieben:Beide Positionen sind absurd und werden auch nicht weniger absurd, wenn sie von einem Leiter des Heisenberg-Institutes vertreten werden.


Dann frage einmal einen Physiker, wo er Materie sehen und anfassen kann, wenn er durch Mikroskop blickt. Er kann dir bestenfalls von statistische Wahrscheinlichkeiten von irgendwelchen subatomaren Erscheinungsformen erzählen, die nichts mehr mit Materie zu tun haben, sondern vielmehr mit Feldern vergleichbar sind, die alles durchdringen. Und materiell sind diese Felder ganz sicherlich nicht, da sie gem. DÜRR und vielen anderern Physikern hinsichtlich ihrer Struktur mehr mit dem Geistigen als mit dem Materiellen vergleichbar sind.

Viele Grüße

Paul
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Re: Die Lehre des Materialismus

Beitragvon El Schwalmo » Sa 20. Dez 2008, 20:57

Myron hat geschrieben:Die Design-Hypothese wäre nur dann die vergleichsweise beste Erklärung, wenn die Wahrscheinlichkeit der Existenz körperloser Geister und insbesondere eines göttlichen Übergeistes für sich betrachtet, d.h. unabhängig von der Frage nach der Lebensentstehung, erheblich größer wäre als die Wahrscheinlichkeit der Nichtexistenz solch übernatürlicher Wesen.

mir ist schleierhaft, wie man diese 'Wahrscheinlichkeit' sinnvoll quantifizieren könnte.

Myron hat geschrieben:Wenn die Idee eines göttlichen Geistes an sich unplausibel ist, dann ebenso die Idee eines übernatürlichen Designers.

'Plausibel' ist immer relativ zu einem Standard. Ich habe mich mit der Thematik 'Abiogenese' seit vielen Jahren nicht mehr intensiver befasst, aber Vieles von dem, was ich ab und an eher zufällig lese, scheint mir nicht besonders plausibel. Vor allem, wenn ich mehrere Arbeiten nacheinander lese.

Myron hat geschrieben:Ich habe bewusst "wissenschaftlich unerklärt" und nicht "wissenschaftlich unerklärbar" geschrieben, da man ja auch nach Tausenden von Jahren intensiver Forschung immer noch nicht mit Gewissheit sagen kann, dass das betreffende Phänomen grundsätzlich wissenschaftlich unerklärbar ist.

Stimmt. Kreationisten haben mir stolz gezeigt, dass das eine hübsche Immunisierungsstrategie sein könnte.

Myron hat geschrieben:Selbst wenn etwas immer wissenschaftlich unerklärt bliebe, folgte daraus nicht, dass es grundsätzlich wissenschaftlich unerklärbar ist, d.h. dass die Suche nach einer schlüssigen wissenschaftlichen Erklärung von vornherein zum Scheitern verdammt ist.

Exakt. Die Frage ist nur, was wir machen, bis wir klarer sehen. Man kann natürlich eine Durststrecke mit Glauben an die Zukunft überdauern.

Myron hat geschrieben:(Außerdem reden wir die ganze Zeit ja nur von der menschlichen Wissenschaft. Es könnte ja außerirdische Wissenschaftler geben, die einer kognitiv wesentlich höher entwickelten Spezies angehören und denen es gelingt, Phänomene naturalistisch zu erklären, die für uns Menschen aufgrund unserer Beschränktheiten immer wissenschaftlich unerklärt bleiben.)

Es könnte aber auch sein, dass die jämmerlich scheitern. Nun sind wir wieder beim Thema: was ist 'wahrscheinlicher'?

Wenn Du mich fragst, hängt alles an den Regeln des rationalen Diskurses und wie wir von der 'Welt für mich' auf die 'Welt an sich' schließen. Kann sein, dass es die rationalste Verhaltensweise ist, auf eine Übernatur zu verzichten und sich auf die Dinge zu beschränken, die man mit Anspruch auf Geltung vertreten kann (so argumentiere ich, wenn ich mit Religiösen diskutiere, so nach dem Motto, dass wir ja Entscheidungen treffen müssen, und die müssen wir auf einer Grundlage treffen, auf die sich alle einigen können, selbst wenn wir eine Übernatur anerkennen, ist das sinnlos, solange der Eine 'Allah' dazu sagt, und der Andere 'Vonwoher meines Umgetriebenseins' oder weiß der Herr was auch immer). Ein zwingendes Argument gegen einen Gott scheint mir das aber nicht zu sein.
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Re: Die Lehre des Materialismus

Beitragvon ganimed » So 21. Dez 2008, 00:11

Pablo hat geschrieben:Die Naturgesetze weisen eine mathematische Symmetrie auf, die mit der Formelsprache der Physiker/Mathematiker beschrieben werden kann. Hinter jeder entdeckten Formel steht der Geist von Physikern, die mit diesen Formeln dann das Universum bisher sehr erfolgreich beschreiben konnten. Wenn aber hinter den Formeln ein geistiger Inhalt gesetzt werden kann, dann kann gemäß HEISENBERG dieser geistige Inhalt auch gleich an den Beginn des Universums gesetzt werden.


1) Symmetrie
Das mit der mathematischen Symmetrie, was ist damit gemeint? Bei Wikipedia finde ich zum Begriff Symmetrie: "Ein Objekt wird als symmetrisch bezeichnet, wenn es gegenüber bestimmten Transformationen unverändert (invariant) bleibt." Welchen Transformationen gegenüber sind die Naturgesetze unverändert? Und wozu wird diese Eigenschaft benötigt, wenn es um den Geist geht?

2) Hinter den Formeln steckt ein Geist?
Und wenn der Geist hinter den Formeln steckt, dann nehme ich ihn mir und stecke ihn einfach an den Beginn des Universums? Sorry, aber das klingt für mich wie Halma. Aber sind dort solche Züge überhaupt erlaubt? Wo ist hier die Logik?
Wenn ein Forscher eine Formel findet, ein mathematisches Modell, um die Natur zu beschreiben, dann benötigt er dazu seinen Geist, sein Gehirn, seine mathematischen Fähigkeiten. Vor 13,7 Milliarden Jahren gab es aber weder Forscher, noch Gehirne und also auch keine geistigen Entitäten und keine mathematischen Überlegungen. Wie also gelangt der Geist eines Forschers heute in diese unvorstellbar weit zurück liegende Vergangenheit? Das wäre die Mutter aller Zeitreisen. Ich wünschte Heisenberg wäre noch da und könnte mir das mal erklären. Kannst du mir erklären, wieso wir annehmen sollten, ein Geist wäre beim Urknall beteiligt gewesen? Ist deine Logik etwa: wenn man Geist braucht, um ein Naturgesetz zu beschreiben, dann braucht man auch bestimmt einen, um ein Naturgesetz zu machen? Der Folgerung könnte ich zum Beispiel noch nicht so ganz folgen.

Pablo hat geschrieben:aber die Hinfälligkeit des Objekt-Subjekt-Betrachtungsweise im subatomaren Bereich, geheimnisvolle Verschränkungen und die Tatsache, dass es keine kleinsten (materiellen) Teilchen im Sinne des alten mechanistischen Weltbildes gibt, hat nun einmal das “materielle” Weltbild gewaltig erschüttert.

Das Weltbild, keine Frage, musste natürlich angepasst werden. Das mit den Atomen, die wie kleine Kügelchen aussehen, war eben nur ein Modell. So wie das mit den Wahrscheinlichkeiten und den Quarks auch nur Modelle sind. Die werden eines Tages sicher auch nochmal verfeinert werden müssen. Aber das grundlegende am mechanistischen Universum ist doch, dass es kausal ist und deterministisch, also dass die gleichen Ausgangsbedingungen immer das gleiche Ergebnis haben. Die Quantentheorie und die von dir genannten Wissenschaftler auf diesem Gebiet, mögen einige Fragen aufgeworfen haben und einige Phänomene entdeckt haben, die noch nicht richtig erklärt werden können. Aber eines haben sie eben nicht gemacht: gezeigt, belegt oder erklärt, an welcher Stelle die Kausalität oder der Determinismus unterbrochen würde oder nicht gelte. Gut, die Berechenbarkeit ist durch Heisenbergs Unschärferelation perdu. Das kann man Erschütterung nennen. Aber ein Einsturz ist nicht erfolgt. Wir haben derzeit kein überzeugenderes Modell von der Natur des Universums.
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Re: Die Lehre des Materialismus

Beitragvon ganimed » So 21. Dez 2008, 00:26

El Schwalmo hat geschrieben:Kann sein, dass es die rationalste Verhaltensweise ist, auf eine Übernatur zu verzichten und sich auf die Dinge zu beschränken, die man mit Anspruch auf Geltung vertreten kann (...). Ein zwingendes Argument gegen einen Gott scheint mir das aber nicht zu sein.

Völlig richtig. Es könnte einen Gott geben. Oder zumindest einen Geist, der das alles plante und den Urknall, oder was auch immer, absichtsvoll und meinetwegen sogar symmetrisch erzeugte. Und der es lustig findet, wenn aus der ganzen Energie und Materie irgendwann nach 13,7 Milliarden Jahren ein paar halb rationale Gehirne werden und "Heureka" rufen und sozusagen in Geiste des Anfangs wieder über die damalig festgelegten Naturgesetze nachdenken. Echt witzig, lieber Urgeist. Taugt aber irgendwie nicht als Arbeitshypothese, weil es einfach keine wirklichen Hinweise darauf gibt.

Vielmehr gibt es aber aus der Psychologie und Hirnwissenschaft jede Menge Hinweise, wieso das menschliche Gehirn sich so gerne "Gott"-Konstrukte erzeugt, oder in allem einen Sinn sehen will und mit der Offenheit der letzten Fragen so viel Probleme hat. Man kann also schon den Verdacht bekommen, dass Nichtnaturalisten einfach Unrecht haben. Bis also jemand der Materialismusgegner endlich mal mit einem auch nur halbwegs belastbaren Argument kommt, erscheint die naturalistische Non-Supernatur-Politik die einzig vernünftige.

Aber zwingende Argumente, das stimmt, die hat keiner.
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Re: Die Lehre des Materialismus

Beitragvon Myron » So 21. Dez 2008, 01:59

Pablo hat geschrieben:Im großen Newtonschen Rahmen mag dies stimmen, aber die Hinfälligkeit des Objekt-Subjekt-Betrachtungsweise im subatomaren Bereich, ...


Dass es im Quantenbereich die Messergebnisse beeinflussende Wechselwirkungen zwischen dem Beobachter und dem Beobachteten gibt, mag ja sein; doch das bedeutet nicht, dass die physische Realität in irgendeiner Weise subjektabhängig ist.

Pablo hat geschrieben:... dass es keine kleinsten (materiellen) Teilchen im Sinne des alten mechanistischen Weltbildes gibt, hat nun einmal das “materielle” Weltbild gewaltig erschüttert. Wenn ich mir die Aussagen von bekannten Physikern ansehen, dann hat bisher von keiner der Feststellung des Physikers JAMES JEANS widersprochen:

"Heute besteht ein großes Maß an Übereinstimmung, ... dass der Strom unserer Erkenntnisse sich in Richtung einer nicht-mechanischen Wirklichkeit bewegt; das Universum beginnt mehr wie ein großer Gedanke denn wie eine große Maschine auszusehen."


Vom alten mechanistischen Weltbild, dem zufolge die Atome im Grunde so etwas Handfestes wie winzigste Steinchen sind, die sich einfach anziehen oder abstoßen, haben sich die zeitgenössischen Materialisten doch längst verabschiedet. Der heutige Materialismus ist als Physikalismus postmechanistisch (allerdings nach wie vor antisupernaturalistisch sowie antipanpsychistisch, wobei anzumerken ist, dass der Panpsychismus mit dem Materialismus zumindest logisch vereinbar ist, solange keine psychischen Substanzen postuliert werden).

(Viele Gegenwartsdenker bevorzugen die Bezeichnung "Physikalismus" genau aus dem Grunde, weil die postmechanistische Physik zu einer weitgehenden "Entmaterialisierung" der Materie geführt hätte. Ich bleibe aus Traditionsgründen bei der guten alten Bezeichnung "Materialismus", was aber nicht heißt, dass mein Weltbild von gestern ist. Ich orientiere mich als Materialist durchaus am aktuellen Wissensstand der physikalischen Forschung—soweit ich da als Laie durchblicke.)

Schon 1927 schrieb Bertrand Russell:

"Now, owing chiefly to two German physicists, Heisenberg and Schrödinger, the last vestiges of the old solid atom have melted away, and matter has become as ghostly as anything in a spiritualist séance."

"Jetzt sind, hauptsächlich dank zweier deutscher Physiker, Heisenberg und Schrödinger, die letzten Überreste des alten soliden Atoms dahingeschwunden, und die Materie ist so gespenstisch geworden wie etwas in einer spiritistischen Séance."


(Russell, Bertrand. An Outline of Philosophy. 1927. Reprint, London: Routledge, 1995. p. 78)

Vielleicht sind die kleinsten Bausteine der Materie in Wirklichkeit nicht gewissermaßen billardkugelartig, sondern "undingliche" Energiekonzentrate in Feldern. Wenn dem so ist, dann wird der Boden meines materialistisches Weltbild dadurch in keiner Weise erschüttert.

Wie ich Jeans' Äußerung, das Universum sähe mehr aus wie ein "großer Gedanke", zu verstehen habe, ist mir allerdings nicht klar.
Wie sieht denn ein Gedanke aus?
Egal, wie "gespenstisch" die Materie aus Sicht der heutigen Physik erscheinen mag, eines ist sie jedenfalls nicht: ein mentaler und damit subjektiver Inhalt.

Pablo hat geschrieben:Die Naturgesetze weisen eine mathematische Symmetrie auf, die mit der Formelsprache der Physiker/Mathematiker beschrieben werden kann. Hinter jeder entdeckten Formel steht der Geist von Physikern, die mit diesen Formeln dann das Universum bisher sehr erfolgreich beschreiben konnten. Wenn aber hinter den Formeln ein geistiger Inhalt gesetzt werden kann, dann kann gemäß HEISENBERG dieser geistige Inhalt auch gleich an den Beginn des Universums gesetzt werden. Geist ist Geist und mathematische Symmetrie ist mathematische Symmetrie Zumindest ist kein logischer Wiederspruch vorhanden.


Selbstverständlich sind alle mathematisch-physikalischen Formeln und Theorien als Repräsentationen natürlicher Zusammenhänge von den Geistern der Physiker abhängig. Das bedeutet aber mitnichten, dass die mathematisch-physikalisch repräsentierten Naturtatsachen selbst geistabhängig sind.

Das Physische ist unabhängig von der Physik!

Pablo hat geschrieben:Genau das sagt von Ditfurth doch! Der Zufall kann die Naturgesetze nicht außer Kraft setzen, d.h. er ist ein in das Universum integriertes Ereignis.
Demnach ist es absoluter Quatsch, wenn zum Beispiel Wissenschaftler wie DAWKINS den Zufall an den Beginn des Universums setzen! Ein solches Ereignis in Form von „Zufall = Ursache“ kennen wir genauso wenig wie einen Gott.


Wenn es jedoch absoluten Zufall gibt, d.h. absolut ursachenlose Ereignisse, die weder eine deterministische noch eine indeterministische Ursache haben, dann unterliegen jene doch keinem Naturgesetz, oder?
Und ein ursachenloses Ereignis könnte doch selbst eine Ursache anderer Ereignisse sein—aber wohl nur infolge von Naturgesetzen, wenn man davon ausgeht, dass Verursachungen erst durch vorgegebene gesetzliche Zusammenhänge ermöglicht werden.

Pablo hat geschrieben:Mit der gleichen Begründung könnte auch behauptet werden, dass ein in einem PC integrierter Zufallsgenerator den PC selbst mit seinem Betriebssystem erschaffen hat. In meinen Augen eine absolut dümmliche Argumentation, die komischerweise auch noch geglaubt wird.


Selbsterschaffung ist in der Tat ein Ding der Unmöglichkeit. Nichts kann Ursache seiner selbst sein.

Pablo hat geschrieben:Absolut richtig, nur dass in diesem Fall die Bedingungen von Anfang an definiert gewesen sein mussten. Wenn du nur mit dem Zufall alleine operierst, landest du bei Wahrscheinlichkeiten, wie sie SHPAPIRO berechnet hat und die mit einem Wunder gleichgesetzt werden können.


Die philosophisch-wissenschaftliche Gretchenfrage ist freilich, warum in unserer Welt diese und jene Bedingungen herrschen und keine anderen, und wer oder was diese aus der Menge aller möglichen Bedingungen ausgewählt und verwirklicht hat.

(Siehe: Robert L. Kuhn: "Why This Universe: A Taxonomy of Possible Explanations" (PDF))

Pablo hat geschrieben:Außer Tipler versucht meines Wissens kein Physiker einen Gott beweisen zu wollen. Sie sehen ihn eher als eine mögliche Grundlage für die Fähigkeit zur Selbstorganisation an, wie es zum Beispiel der Physiker Erich Jantsch formuliert hat:

"JANTSCH sagt: »Gott ist nicht der Schöpfer, sondern der Geist des Universums.« An dieser Stelle ist die Gottheit natürlich weder männlich noch weiblich noch in irgendeiner persönlichen Form manifestiert, sondern stellt nichts weniger als die Selbstorganisations-Dynamik des gesamten Kosmos dar." FRITJOF CAPRA, Physiker


Inwiefern könnte man sagen, dass "die Selbstorganisations-Dynamik des gesamten Kosmos" etwas Geistiges, d.i. etwas Psychisches und damit etwas Subjektives, an sich hat?
Ich kann diese Idee nämlich überhaupt nicht nachvollziehen.
Die Dynamik rein objektiv-physischer Prozesse scheint für die automatische Selbstorganisation der Materie völlig ausreichend zu sein.

Pablo hat geschrieben:Dann frage einmal einen Physiker, wo er Materie sehen und anfassen kann, wenn er durch Mikroskop blickt. Er kann dir bestenfalls von statistische Wahrscheinlichkeiten von irgendwelchen subatomaren Erscheinungsformen erzählen, die nichts mehr mit Materie zu tun haben, sondern vielmehr mit Feldern vergleichbar sind, die alles durchdringen. Und materiell sind diese Felder ganz sicherlich nicht, da sie gem. DÜRR und vielen anderern Physikern hinsichtlich ihrer Struktur mehr mit dem Geistigen als mit dem Materiellen vergleichbar sind.


Selbst wenn sich irgendwelche Analogien zwischen physischen und psychischen Strukturen finden lassen, bedeutet dies nicht, dass physikalische Felder mentale, ontisch subjektive Entitäten wie Empfindungen und Gedanken sind.
Und davon, dass physikalische Felder auch nur irgendeine noch so primitive Art von Bewusstsein, Seele oder Geist besitzen, kann erst recht keine Rede sein.

Obgleich der Begriff des Feldes ein zentraler Begriff der Physik geworden ist, scheint mir die Ontologie der Felder noch unterentwickelt.–Was ist denn ein Feld eigentlich?
Aus physikalischer Sicht sind Felder, allgemein gesprochen, räumliche und zeitlich veränderliche Verteilungen von Energie. Energie ist aber selbst nichts Dingliches, sondern, wie gesagt, eine Eigenschaft von Dingen.
Es stellt sich also die Frage nach dem Träger der Energie bzw. Energiezustände.
Die einen sagen, es seien eben die raumerfüllenden Felder, die die Energie besitzen.
Gemäß dieser Auffassung sind Felder Substanzen (im metaphysischen Sinne), d.h. selbstständige, eigenschaftstragende Wesenheiten—Dinge im weitesten Sinne des Wortes.
Die anderen betrachten die Felder nicht als Substanzen, sondern wiederum nur als Eigenschaften anderer Substanzen, genauer gesagt einer einzigen Substanz: des Raumes bzw. der Raumzeit.

Ich bin zwar kein Physiker, aber als philosophierender Mensch neige ich zu letzterer Auffassung, d.h. zu der Annahme, dass Felder keine vom Raum bzw. der Raumzeit ontologisch getrennten Wesenheiten, sondern zeitlich veränderliche Zustände des Raumes bzw. der Raumzeit selbst sind.

Zugegeben, die Frage nach der Materialität von allem verschiebt sich damit nur eine Ebene nach unten, d.h. von den Feldern zum Raum, zur Raumzeit.
Ist der Raum ein materielles/physisches Objekt?
Die Antwort hängt natürlich von der Definition von "materielles/physisches Objekt" ab, und erstaunlicherweise sucht man vergebens nach einer von allen Physikern und Philosophen akzeptierten Definition.
Ich befürworte die folgende Definition (in meiner eigenen Formulierung):

"x ist ein materielles/physisches Objekt"
=def
"x besetzt einen oder ist ein Teil eines Raumes mit nicht weniger als drei Dimensionen"


(0-, 1- oder 2-dimensionale Sachen sind demgemäß keine konkreten, physischen Objekte, sondern als geometrische Grenzpunkte, -linien oder -flächen bestenfalls mathematische Abstrakta. Zum Beispiel ist ein Eisenquader ein materielles Objekt, aber nicht seine Oberfläche, seine Kanten oder seine Eckpunkte.)

Da der Raum selbst ein (unechter) Teil eines Raumes mit nicht weniger als drei Dimensionen ist (*, ist er somit per definitionem ein materielles/physisches Objekt—und womöglich die fundamentale Substanz des Universums.

(* In der Mereologie, d.i. die Logik der Teil-Ganzes-Beziehungen, ist die Beziehung "x ist (ein) Teil von y" reflexiv, d.h. alles ist ein (unechter) Teil seiner selbst.)

(Ach ja, vielleicht wirst du einwenden, dass der Raum insofern immateriell sei, als er nicht atomistisch strukturiert, sondern kontinuierlich sei. Doch interessanterweise behauptet die Theorie der "loop quantum gravity" die Existenz sowohl von Raum- als auch von Zeitatomen, aus denen sich die Raumzeit diskret zusammensetzt.)
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Re: Die Lehre des Materialismus

Beitragvon Myron » So 21. Dez 2008, 02:10

ganimed hat geschrieben:Bis also jemand der Materialismusgegner endlich mal mit einem auch nur halbwegs belastbaren Argument kommt, erscheint die naturalistische Non-Supernatur-Politik die einzig vernünftige.


Anmerkung:
So absurd er auch sein mag, der Panpsychismus ist mit dem Materialismus nicht per se unvereinbar, und damit auch nicht per se supernaturalistisch. (Bei der Setzung von psychischen Substanzen wie eines allgegenwärtigen "Bewusstseinsfeldes" oder einer "Weltseele", einem "Weltgeist" ist die Grenze der Vereinbarkeit aber überschritten.)

ganimed hat geschrieben:Aber zwingende Argumente, das stimmt, die hat keiner.


Das ist das Los philosophischer Standpunkte! :(
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